Ihrem eigenen Abbaupfad zufolge verlieren wir in den nächsten Jahren an jedem Tag - an jedem Tag! - eine Lehrerplanstelle. Das gilt für Wochenenden, Feiertage und Weihnachten. Da interessiert mich überhaupt nicht, wer wann schlecht gehandelt hat. Wir brauchen jetzt eine große Koalition für Bildung mit dem ehrlichen Willen, etwas zu tun. Mit uns ist das zu machen. Frau Ministerin, wollen Sie das? Können Sie das?
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Heike Franzen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke den PIRATEN für die Große Anfrage zur Lehrersituation und zur Lehrerbedarfsprognose.
Der heute ebenfalls vorgelegte Bericht zur Unterrichtssituation im Schuljahr 2012/2013 weist erstmals - das will ich ausdrücklich loben, Frau Ministerin - das strukturelle Defizit zwischen den zugewiesenen Planstellen und einer hundertprozentigen
Unterrichtsversorgung aus. Sie haben das in Prozenten ausgedrückt. Ich habe das hochgerechnet. Da kommen wir auf ein Defizit von 1.114 Stellen. Ich glaube, dass wir diese Grundlage brauchen, wenn wir vernünftig mit Lehrerplanung umgehen wollen.
Mich wundert allerdings schon, wo die 1.250 Stellen aus dem letzten Jahr herkommen. War das eine gegriffene Zahl? Ich würde gern wissen, wie Sie diese Zahlen tatsächlich errechnen.
Wenn man das Ganze in Bezug zu der Beantwortung der Großen Anfrage setzt, dann fragt man sich allerdings: Wollen Sie und, wenn ja, wie wollen Sie dieses Defizit abbauen? Die Antwort darauf finden wir in dem von Ihnen ausgewiesenen Stellenabbaupfad. An der Stelle kann ich mich Herrn König anschließen. Sie wollen nämlich jährlich 365 Stellen abbauen. Auch da frage ich: Wie kommen Sie auf diese Zahlen? An den Schülerzahlen können Sie sich nicht orientiert haben; denn diese sinken in unregelmäßigen Abständen. Sie hingegen bauen trotzdem gleichmäßig ab. Da heben Sie sich auch von unserem Abbaupfad ab; denn wir haben immer geguckt, ob das zu den Schülerzahlen passt.
Ferner weist der Bericht aus, dass circa 8,5 % der Planstellen nicht im Unterricht ankommen. Das wären im letzten Schuljahr 1.921 Lehrerstellen gewesen. Auch hier ist die Frage: Wo sind diese Lehrerstellen? Das ist mit Sicherheit eine Frage der Vorgriffsstunde. Das ist mit Sicherheit eine Frage von Ausgleichs- und Ermäßigungsstunden. Aber es sind mit Sicherheit auch Abordnungen. Wir stellen uns die Frage, ob es nicht sinnvoller ist, Stellen, die in diesem Bereich sind, zur Unterrichtsversorgung einzusetzen. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns darüber Aufschluss geben könnten.
Eine zahlenmäßige Ermittlung des künftigen Fachlehrerbedarfs sei nicht möglich, da der Einsatzumfang einzelner Lehrkräfte nicht bekannt sei so steht es in Ihrem Bericht. Das Ministerium kann nicht einmal Aussagen zu dem Bedarf aufgrund von Pensionierungen treffen. Selbst die Anzahl der Pensionierungen für das letzte Schuljahr ist nicht bekannt.
Damit ist natürlich auch eine entsprechende Beratung von Studierenden in unserem Land im Hinblick auf die zukünftigen Einstellungsmöglichkeiten völlig ausgeschlossen. Unsere jungen Leute studieren also munter drauflos, ohne zu wissen, ob ihre Fächerkombinationen und ihr Lehramt an den Schulen tatsächlich gebraucht werden. Ganz abgesehen davon, dass Sie ja auch die Referendari
atsplätze drastisch abbauen werden, sind das keine guten Zukunftschancen für unsere Studentinnen und Studenten.
Es wundert mich nicht, dass die Landesregierung die Beantwortung der Großen Anfrage bis zu der Sitzung nach der Bundestagswahl hinausgezögert hat. Das hätte ich an Ihrer Stelle vor der Bundestagswahl auch nicht erzählen wollen.
Personalplanung findet im Bildungsbereich nicht statt. Man muss offen zugeben: Das hat offensichtlich auch in der Vergangenheit keine große Rolle gespielt. Das muss sich aber in der Zukunft ändern, meine Damen und Herren. Man wird sicherlich nicht alle persönlichen Entscheidungen von Menschen bei einer Personalentwicklungsplanung berücksichtigen können. Aber andere Bundesländer zeigen schon, dass man Strukturen in die Personalentwicklung einbeziehen kann und muss.
Wenn wir diesen Blindflug nicht endlich beenden, dann werden wir auf der einen Seite weiterhin angehende Lehrerinnen und Lehrer gut ausbilden, die wir in den Schulen nicht brauchen, weil es dort Überkapazitäten gibt, und auf der anderen Seite zunehmend Mangelfächer produzieren, für die wir keine Lehrkräfte finden. Wir brauchen wenigstens eine grobe Erhebung der Bedarfe für die nächsten Jahre und darüber hinaus eine langfristige Planung.
Meine Damen und Herren, ein Studium umfasst in der Regel bummelig fünf Jahre. Wir müssen unsere Studierenden doch bereits am Anfang ihres Studiums dahin gehend beraten können, wo in Zukunft die Bedarfe sind und wie ihre Einstellungsmöglichkeiten sind. Wir erleben doch jetzt schon immer wieder, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht in den Schuldienst übernommen werden können, weil die Fächerkombinationen nicht gefragt sind. Das ist eine Vergeudung von Kapazitäten, die wir uns nicht leisten können. Wir sind alle gemeinsam gefragt, dem entgegenzutreten.
Lassen Sie uns die Ausschussberatungen dazu nutzen, einmal über den Tellerrand von SchleswigHolstein zu schauen und zu sehen, was andere Bundesländer machen, wie sie damit umgehen, um zu einer guten und wirklich bedarfsgerechten Personalentwicklung im Bildungsbereich in Schleswig-Holstein zu kommen. Wir bieten unsere Mitarbeit an der Stelle ausdrücklich an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Mit der Bewertung der Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2012/13 befinden wir uns sozusagen auf neutralem Boden. Die Küstenkoalition war schon im Amt, aber alle wesentlichen Weichenstellungen waren durch den Landeshaushalt für 2012 durch die damalige CDU-FDP-Regierung erfolgt. Als die ehemalige Landesregierung im Juni 2003 den entsprechenden Bericht vorlegte, in dem die Prognosen für die Entwicklung der Schülerzahlen in den folgenden zehn Jahren enthalten sind, sagte sie für die allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2012/13 296.653 Schülerinnen und Schüler voraus. Tatsächlich sind es nur ganze 144 mehr. Wie gesagt, das war die Prognose aus dem Jahr 2003. Viel treffsicherer geht es kaum. Ich muss sagen, ich bin selbst überrascht, dass man bei so vielen Variablen auf einen so langen Zeitraum eine solche Zielsicherheit erreichen kann. Das gibt mir auch die Sicherheit, dass die Prognose für die nächsten neun Jahre ähnlich zuverlässig ist, wonach die Zahl der Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2021/22 bei knapp 252.000 liegen wird.
Wir haben uns im Bildungsausschuss vor Kurzem intensiv über das Thema des Einschulungsalters beraten und werden diesen Diskussionspunkt auch im Zusammenhang mit der Schulgesetznovelle erneut thematisieren. Mit 92,8 % erreicht die Zahl der Kinder, die fristgemäß eingeschult wurden, einen neuen Höhepunkt. Wir halten es für richtig, dass das Bildungsministerium einen Erlass vorbereitet, der die Vielzahl von Gründen auflistet, aus denen Kinder vom Schulbesuch beurlaubt werden können. Dazu gehören nicht nur schwere Erkrankungen oder verzögerte Entwicklung aufgrund von zu früher Geburt, sondern ausdrücklich auch schwierige Familiensituationen. Ich nenne als Beispiel die Trennung der Eltern. Wir werden sehr genau beraten, ob die jetzige Regelung einer Modifizierung bedarf. Die Beliebigkeit bei der Rückstellung, wie wir sie vor 2007 hatten und mit der wir bundesweit auf einem der schlechtesten Plätze landeten, kann es jedenfalls nicht geben.
Die Landesregierung und die Küstenkoalition treten für Transparenz ein. Wir haben in unserer Eröffnungsbilanz klar eingeräumt, dass wir eine Versorgungslücke haben, die, je nachdem, wie man die
Erzieherstellen gegenrechnet, zwischen 1.250 und 1.650 Stellen liegt. Dazu kommt zusätzlicher Bedarf für die Umsetzung der Inklusion; ich habe es bereits gesagt. Wir werden diese Lücke nicht kurzfristig schließen können; keine Regierung kann das. Aber wir werden diese Lücke schrittweise kleiner machen, wobei uns der demografische Faktor wesentlich zu Hilfe kommt. Wir werden sie aber nur dann wirklich nachhaltig verengen können, wenn der Bund bereit ist und rechtlich in die Lage versetzt wird, den Ländern bei der Erfüllung ihrer Schulaufgaben zu helfen.
Die Landesregierung hat sich deshalb in konsequenter Umsetzung des Landtagsbeschlusses für eine umfassende Streichung des Kooperationsverbots eingesetzt und nicht für eine Begrenzung auf Wissenschaft und Forschung.
Ich bedanke mich beim Ministerium und bei der fragestellenden Piratenfraktion für die Daten in der Antwort auf die Große Anfrage zur Lehrerbedarfsprognose.
Der Anteil der Lehrkräfte in der obersten Altersgruppe ab 60 Jahren wächst jährlich um rund 1 %. Das ist gut, weil der Ersatzbedarf trotz der aus Haushaltsgründen notwendigen Stellenstreichungen immer noch einen Einstellungskorridor offenhalten wird, sodass diejenigen, die sich heute für ein Lehramtsstudium entscheiden, nicht in die Dauerarbeitslosigkeit hineinlaufen. Zugleich besteht hier natürlich die Gefahr einer Versorgungslücke, besonders bei den weniger stark nachgefragten Fächern. Wenn kürzlich bei „Wer wird Millionär?“ schon die Frage gestellt wurde, mit welchem Problem sich der Begriff „MINT-Fächer“ verbindet, und die richtige Antwort „Lehrermangel“ war, können wir sehen, dass dies keineswegs nur ein Thema für die Kultusbürokratien ist.
Im Schuljahr 2011/12 standen 1.027 qualifizierte Bewerber 998 pensionierten Lehrkräften gegenüber. Da ist nicht viel Spielraum drin, weil Fächer, Schulart und Wohnort selten deckungsgleich sind.
Die Daten geben Auskunft darüber, wie sich die Einstellungschancen in den einzelnen Fächern voraussichtlich gestalten werden. Wir können hier kaum steuern, und wir sollten auch keinen Schulabgänger dazu verleiten, an seinen Interessen und Fähigkeiten vorbei zu studieren. Wir sollten aber die Chance einer guten Beratung nutzen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich vor Beginn des Lehramtsstudiums zwischen den Fächern Deutsch und
Mathematik schwankte. Für eine sinnvolle Beratung wäre ich damals dankbar gewesen. Ich wäre durchaus bereit gewesen, mich für das eine oder andere Fach zu entscheiden. Diese Beratung fand nicht statt. Da besteht durchaus Nachsteuerungsbedarf. Der begeisterte Historiker ist selten auch ein begeisterter Mathematiker. Wenn jemand die Perspektive vor sich hat, 30 oder 40 Jahre in einem Fach zu unterrichten, benötigt man diese Begeisterung, damit man den Schülerinnen und Schülern Unterrichtsinhalte fesselnd vermitteln kann.
Herr König, ich gebe Ihnen Recht, die Datenerhebung und die Erkenntnisse daraus könnten deutlich besser sein.
Sie sind Ihrer Aufgabe als Opposition in dem Moment nachgekommen und haben den Finger in die Wunde gelegt. Aber nicht alles ist schlecht. pbOn hat zum Beispiel die Einstellungssituation deutlich verbessert, sodass sich auch Menschen aus Hessen hier bewerben können. Das tun sei auch zahlreich. Die Erkenntnis, dass da Verbesserungsbedarf besteht, ist im letzten Jahr auch im Ministerium die daraus gewonnen worden. Auch dieses System ist verbessert worden.
Lassen Sie uns die Chance nutzen, dieses Thema im Ausschuss weiter zu beraten, sodass wir noch besser werden können.
Entschuldigung! Das Präsidium in meiner Person war etwas unaufmerksam. - Herr Krumbek, Sie haben das Wort.
Herr Vogel, stimmen Sie mir zu, dass der gestern im Bildungsausschuss vorgelegte Bericht der Ministerin zu der weiteren Entwicklung von ODIS eindeutig ein gutes Zeichen dafür ist, dass im Ministerium daran gearbeitet wird, die vorhandenen Lücken zu schließen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über ODIS möchte ich nur ganz wenige Worte verlieren. Ich möchte mich für die konstruktive überparteiliche Arbeit an diesem Thema im Ausschuss bedanken. Ich finde, da sind wir einen Schritt vorangekommen. Es geht nicht so schnell, wie wir wollen. Aber ich möchte mich an dieser Stelle auch bei der Ministerin bedanken. Denn das, was Sie gestern vorgelegt haben, zeigt, dass es vorangeht, und das ist gut.
Ich möchte mich für diese Große Anfrage vor allem bei den PIRATEN und auch beim Ministerium bedanken. Ich sehe nicht, dass gar keine Zahlen vorgelegt worden sind. Aber die Stellungnahme zeigt, wie es schwer es offensichtlich ist, die notwendigen Steuerungsdaten auch tatsächlich zu bekommen. Das ist ein Versäumnis. Es ist ein Versäumnis über Jahre, und es trifft im Prinzip alle Fraktionen bis auf die PIRATEN. Wir haben das ziemlich vergeigt, möchte ich einmal sagen.
Natürlich kann man niemanden zwingen, bestimmte Fachkombinationen zu studieren. Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Frau Ministerin. Das ist zwar richtig, aber es hilft nicht weiter. Wir haben kein Schema F, müssen aber der Not der Schulen irgendwie gerecht werden. Ich glaube, wir müssen genauer hinsehen.
Es gibt, bezogen auf die Große Anfrage, eine gute und eine schlechte Nachricht und meines Erachtens drei Konsequenzen.
Die erste, die schlechte Nachricht, mit der ich einsteigen möchte, ist, dass viele Schulleitungen von der großen Suche berichten. Die Schulleitungen sind selber dazu aufgefordert, ihre Lehrkräfte einzustellen. Das ist eingeführt worden. Ich glaube, im Grunde ist das auch genau der richtige Gedanke: Welche Leute passen in unser Schulteam? Aber da dieses System eingeführt worden ist, als wir wirklich Lehrermangel auf den Märkten hatten, führt es dazu, dass viele Schulleitungen, auch wenn sie noch so sehr suchen, gar keine entsprechenden Lehrkräfte bekommen. Es wird jetzt nicht nur gesucht, wer wirklich gebraucht wird. Schulleitungen