Die Schulreform von 2007, die Schulreform der Großen Koalition, ist die Grundlage für das Gesetz, das wir heute - ich finde, immer noch behutsam und im Dialog - weiterentwickeln. Wir Grünen waren damals relativ kritisch. Aber ich möchte an Johann Wadephul erinnern, einen der wenigen CDU-Abgeordneten, die damals und auch heute eine Relevanz in der schleswig-holsteinischen CDU haben. Er hat damals in der Plenardebatte hier gesagt: „Es ist ein Kompromiss, es ist ein gelungener Kompromiss.“ An dieses Gesetz, das Johann Wadephul als gelungenen Kompromiss bezeichnet, knüpfen wir an.
Der erste Punkt ist: Die Regionalschulen werden tatsächlich weiterentwickelt. Ich kann verstehen, dass die CDU da einen ganz bitteren Abschiedsschmerz empfindet. Denn das war Ihr Thema, das war Ihre Idee, und Sie haben festgestellt, dass sich die Idee der Regionalschule in der breiten Fläche gar nicht so durchgesetzt hat wie die Gemeinschaftsschule, auch nicht bei Ihren eigenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern. Viele sitzen ja auch hier im Raum. Die haben ja sozusagen auch eine kommunale Seite. Im Dialog - wir haben es gerade schon gehört - gab es dazu überhaupt keine Kontrapunkte. Es gab kein Dagegen. Es hat sich niemand dem Prozess in den Weg geworfen. Es ging nicht mehr um das Ob, es ging nur noch um das Wie.
Sie sagen, jetzt wären nur noch undifferenzierte Unterrichtsmodelle möglich. Dort oben sitzen Schülerinnen und Schüler der Geschwister-PrenskiGemeinschaftsschule in Lübeck. Das ist eine sehr gute Schule. Sie stellen sich jetzt hier hin und wettern, es sei Schluss mit der Vielfalt, es sei Schluss mit der Praxis in den Schulen. Frau Franzen, ich will genau sein: 149 Gemeinschaftsschulen im Land - es sind jetzt mehr Schulen, weil sich Regionalschulen schon in diesem Sommer umgewandelt haben - kümmern sich darum, den Schülerinnen und Schülern vor Ort in ihrem Unterricht gerecht zu werden. Diesen Schulen werfen Sie vor, durch sie sei Schluss mit der Vielfalt. Ich finde das ziemlich ungehörig. Das ist wie in den 50er-Jahren.
Einen zweiten Punkt haben Sie selbst erwähnt. Er hat sich im Vergleich zu 2007 meiner Meinung nach substanziell verändert. Ich meine die Koope
rationsmöglichkeiten von Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe mit Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe. Sie selbst haben diese Möglichkeit begrüßt. Martin Habersaat hat gesagt, welche Schulen es konkret sind. Diese Schulen wollten, dass wir dies im Vorschaltgesetz regeln. Wir waren aber nicht so weit und haben gesagt: Das kriegen wir so schnell nicht hin, denn die vorangegangene Regierung hat leider nicht vorgearbeitet.
Apropos vorgearbeitet: Sie stellen sich hier hin und sagen, die Mindestgrößen führten dazu, dass die Regionalschulen auf einmal schließen müssten.
- Okay, dann habe ich Sie missverstanden. Richtig ist, dass es in diesem Jahr um fünf Regionalschulen geht, die weniger als 240 Schülerinnen und Schüler haben. Ich habe vorher nachgefragt. Eine Schule liegt schon sehr lange unter diesem Wert. Wenn ich es richtig sehe, ringen die anderen vier Schulen darum, möglicherweise mit einer organisatorischen Verbindung Standorte zu halten. Die Mindestgröße von 240 Schülern ist eine Mindestgröße, die unter Schwarz-Rot gesetzt worden ist und die unter Schwarz-Gelb bestätigt wurde, und ich finde, dazu können Sie wirklich einmal stehen.
Die Frage der Schulen im ländlichen Raum haben wir bisher im Rahmen des Schulgesetzes noch nicht bearbeitet. Viele hier sind sich einig über das Motto: kurze Beine, kurze Wege. Es ist klar, dass diese Frage im Schulgesetz noch nicht geregelt ist. Die Öffnung der Mindestgrößenverordnung kommt unseres Erachtens logischerweise nach der Verabschiedung des Schulgesetzes. Es gibt unter anderem von dem Netzwerk der kleinen Dorfgrundschulen Konzepte. Im Zusammenhang mit dem Schulgesetz muss man vielleicht über die Rollen der Schulentwicklungsplanung und der Schulleitungen vor Ort sprechen. Ich finde, diese Aspekte im Zusammenhang mit den Schulen im ländlichen Raum müssen gut durchdacht werden.
Ich komme nun zu der Frage, was wir für die Schulen im ländlichen Raum sonst tun. Robert Habeck ist da. Ich möchte mich ganz herzlich bei ihm dafür bedanken, dass der Europäische Strukturfonds für den ländlichen Raum auch für Kitas und Schulen im ländlichen Raum geöffnet werden soll.
Wir schaffen damit natürlich nicht die große Trendwende, aber dies wäre eine Möglichkeit gewesen, die schon Christian von Boetticher gehabt hätte.
Beim Strukturfonds für den ländlichen Raum geht es um die Attraktivität des ländlichen Raums. Dieser Fonds sieht genau solche Dinge vor. Christian von Boetticher hatte andere Schwerpunkte gesetzt. Er setzte vor allem auf Stallbauten. Wir finden das falsch.
Frau Franzen, Sie haben am Dienstag im Offenen Kanal gesagt, Sie setzen sich für die kleinen Dorfschulen und für zusätzliche Lehrerstellen an kleinen Dorfgrundschulen ein.
- Ja, dazu will ich kurz sagen: Die Meldung der Vorgängerregierung an den Stabilitätsrat ging von einer Optimierung von Schulen- und Klassengrößen aus. Diese Optimierungen erwirtschaften 50 Lehrerstellen pro Jahr. Was heißt das auf Eltern- und Schülerdeutsch? Durch die Schließung von Schulen und durch die Vergrößerung von Klassen wollten Sie pro Jahr 50 Lehrerstellen erwirtschaften. Das sind die Zahlen, die an den Stabilitätsrat gemeldet worden sind. Daran würgen die Schulen, und daran würgen auch wir. Sie sagen, es gäbe nun eine Unterstützung aus dem Lehrertopf für Dorfgrundschulen. Ich sage: Frau Franzen, das ist ein rückwärts gebrochenes Wahlversprechen.
Da ich beim Thema Doppelzüngigkeit bin: Ich war sehr verwundert über eine Presseerklärung der Jungen Union von gestern. Wir wissen jetzt, dass Sie mit der Jungen Union eigentlich nicht viel zu tun haben. In der Jungen Union aber beklagt Hannah Wadephul gestern - ich zitiere - „die Schwächung der Gymnasien, die durch die Einführung von G 8 erfolgt“.
Vielleicht kann einmal jemand anrufen und Frau Wadephul sagen, dass wir G 8 nicht eingeführt haben, sondern dass dies 2007 unter einem Fraktionsvorsitzenden Dr. Johann Wadephul geschehen ist.
Das ist die Kampagne, die Sie um den gesamten Landtag herum plakatieren. Daher muss man darauf eingehen. Diese Kampagne spricht auch von der Einheitsschule. Das habe Sie heute Morgen nicht gemacht, aber es klang ähnlich. Ich sage es noch einmal: Ich finde es unmöglich, wie Sie hier die Arbeit an 149 Schulen im Land diffamieren. Viele andere Schulen kommen hinzu.
Die Gemeinschaftsschule als Schulform und die Option für Oberstufen wurden im Übrigen unter einem Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen eingeführt.
- Ich weiß es nicht mehr, das wechselt so schnell; übrigens bei uns auch. - G 8 ist nun von Übel. Gemeinschaftsschulen sind auch des Bösen. Oberstufenoptionen sind ganz schlimm. Die Mindestgröße von 240 Schülerinnen und Schülern wird irgendwie kritisiert. Der Sparkorridor von kleinen Schulen war jetzt auch irgendwie falsch. - All dies wurde unter Peter Harry Carstensen eingeführt.
Jetzt sagen Sie: Sie können EVIT ja wieder einführen. Natürlich denken wir darüber nach, aber Sie haben unheimlich viel zerschlagenes Porzellan hinterlassen. Sie müssen doch einmal zu Ihren Entscheidungen stehen.
Ich kann heute sprichwörtlich sagen: Von Ihrem Schlingerkurs in der Bildungspolitik wird einem schon vom Zuschauen schlecht.
Auf das Thema Oberstufen und auf die Frage, ob sie zu klein seien, ist Martin Habersaat sehr treffend eingegangen. Eine Frage aber haben weder FDP noch CDU beantwortet, und das ist die Frage: Was ist mit den Oberstufen, die klein sind, aber schon bestehen? - Ich frage dies vor dem Hintergrund, dass Sie sagen, wir könnten uns so kleine Minioberstufen nicht leisten. 20 % der ehemaligen Gesamtschulen und 10 % der Gymnasien haben so kleine Oberstufen. Sie müssen sich entscheiden. Wollen Sie mit zweierlei Maß messen, oder gilt dies für alle? - Die Aufregung an nur einer Stelle ist echt ideologisch, das muss ich hier einmal sagen.
Sie reden darüber, wie schlimm das alle sei. Ich glaube, das Kabinett war vor Kurzem in Lauenburg und hat einen Besuch vor Ort gemacht. Der Bürgermeister von der CDU, Herr Thiede, hat sich dafür bedankt, dass die Gemeinschaftsschule vor Ort eine neue Oberstufe bekommt. Er sagte: Das ist wunderbar. Die Schüler können bei uns vor Ort Abitur machen. Wir werden mehr Leute erreichen. Er hat klar gesagt: Lauenburg wird dadurch attraktiver. Ihre
Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind meilenweit voraus, während Sie noch in den 50er-Jahren herumstapfen.
Martin Habersaat hat es angesprochen: Nicht alles ist geklärt: Wir haben Ihren Antrag zur flexiblen Einschulung im Ausschuss sehr kontrovers, konstruktiv und gewinnbringend diskutiert. Das war kein Gesetzentwurf, aber wir haben gesagt, das ist ein wichtiger Punkt, wir wollen drei oder vier Stunden lang Expertinnen und Experten anhören. Martin Habersaat hat die Frage der Übergänge ebenfalls angesprochen. Diese Frage ist noch offen.
Beim Thema Inklusion stellen Sie sich jetzt hier hin und sagen, was uns ins Stammbuch geschrieben worden sei. Frau Franzen, ja, das ist uns ins Stammbuch geschrieben worden. Sie können mir glauben, dass ich momentan schlaflose Nächte wegen der Frage habe, wie wir die Schulen gut auf den Weg zu einer inklusiven Schulen bringen. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Sich jetzt hier aber mit Unschuldsmine hinzustellen, schlägt dem Fass den Boden aus. 2010 gab es von der alten Landesregierung einen Bericht zum Stand der Inklusion. Darin stand erstens: Wir haben ein Konzept. Zweitens stand dort: Das Ganze geht aufkommensneutral. Das war der Bericht der vorigen Landesregierung. Wir können den Tanker nicht überall und sofort umlenken, aber wir verweigern uns nicht der Realität, wie Sie das in Regierungszeiten gemacht haben und es jetzt in der Opposition noch viel schlimmer tun.
Es geht darum, mit diesem Schulgesetz zwei starke Säulen zu schaffen. Das ist eine gemeinsame Verantwortung. Wir sind bereit, diese anzunehmen. Ich würde mir wünschen, Sie wären auch dazu bereit.
Enden möchte ich mit einem Zitat von Johann Wadephul, das sehr gut war. Es bietet vielleicht die Möglichkeit, in einen guten Beratungsprozess einzusteigen. Herr Wadephul hat am 11. Oktober 2006 etwas sehr Kluges gesagt:
„Wenn ich die Parteiengeschichte im Lande verfolge, so sind es sehr viele Jahre, in denen wir uns bildungspolitisch gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben und der Überzeugung waren, wir hätten die jeweilige bil
dungspolitische Weisheit mit Löffeln gefressen. Ich finde es sehr wohltuend, dass wir nunmehr problemorientiert darüber reden, was wir dafür tun können, dass die Kinder in Schleswig-Holstein besseren Unterricht bekommen …“
Da waren wir schon einmal. Wir waren schon einmal ein Stück weiter. Ich bitte Sie wirklich eindringlich: Kommen Sie aus dem Graben heraus. „Stoppt die Wende!“, ist die Kampagne überschrieben.
(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es! - Volker Dornquast [CDU]: Sie weichen von dem Weg ab!)