Protocol of the Session on August 23, 2013

Die FDP tut so, als sei es Absicht der Landesregierung, in den Kantinen Fleischverbote zu erlassen, um sich dann als Verteidigerin der Freiheit aufzuspielen.

(Anita Klahn [FDP]: Immer!)

Sie tut so, als müssten die Bürgerinnen und Bürger vor Bevormundung durch diese rot-grün-blaue Landesregierung geschützt werden.

(Beifall FDP)

Das ist absolut lächerlich. Ich darf das einmal auf die Spitze treiben: Es hätte nur noch gefehlt, dass Sie in die Vergangenheit gegangen wären und gesagt hätten: Hätte es den Veggie-Day schon länger gegeben, Rotkäppchen wäre am Donnerstag zum Wolf gegangen und nicht gefressen worden. Was wäre dann aus dem märchenpolitischen Sprecher Ihrer Fraktion geworden?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Der war jetzt echt lustig!)

Es ist überhaupt nicht lächerlich, wie wir uns ernähren. Der Mensch ist, was er isst. Weil das so ist, ist es auch nicht egal, wie das Speiseangebot in öffentlichen Kantinen und in Schulen beschaffen ist. Wir setzen uns dafür ein, dass dort ein gesundes, ausgewogenes Speiseangebot da ist.

Wir haben das auch in den Koalitionsverhandlungen berücksichtigt.

(Heiterkeit Dr. Heiner Garg [FDP])

Sie haben das in unserem Änderungsantrag wiedergefunden. Hätte die FDP den Koalitionsvertrag gelesen, hätte sie sich den Antrag sparen können.

Dabei ist klar, dass der Antrag der FDP im Grunde auf den Bundestagswahlkampf abzielt.

(Zurufe CDU und FDP: Oh! - Oliver Kum- bartzky [FDP]: Solche Unterstellung!)

Ich halte es für falsch, im Landtag Wahlkampfreden für den Bundestag zu halten. Aber wenn es sein muss, will ich gern auf das grüne Wahlprogramm zur Bundestagswahl eingehen. Frau Klahn, Sie haben es bereits zitiert und wissen im Grunde ganz

(Kirsten Eickhoff-Weber)

genau, dass das, was drinsteht, überhaupt keine Bevormundung ist, dass da von keinem Verbot oder keiner Beschränkung die Rede ist. Ich kann mich voll und ganz dahinterstellen.

Was die Grünen im Bund und in Schleswig-Holstein wollen, ist die gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir uns ernähren und mit welchen sozialen und Umweltfolgen Nahrungsmittel produziert werden. Diese Debatte haben wir bereits gestern geführt. Was für ein Leben hatten die Tiere, bevor sie in die Currywurst kamen? Woher kommt unser Obst und Gemüse? Woher kommt unser Brot? Welche Strukturen in der Landwirtschaft, der Ernährungsindustrie und im Handel hängen damit zusammen?

Das zu fragen und zu diskutieren hat überhaupt nichts mit Bevormundung oder Beschränkung zu tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil, unser Ziel ist nicht die Beschränkung, sondern die Erweiterung des Angebots in öffentlichen Kantinen und ein vielfältiges Angebot.

Auch die Erkenntnis, dass das Stück Fleisch auf dem Teller nicht der zentrale Bestandteil des Essens sein muss, ohne den es nicht geht, haben schon viele in diesem Raum einmal gewonnen. Vegetarisch bedeutet nicht, dass nur Fleisch weggelassen wird und ein fades, düsteres gedünstetes Gemüse daliegt oder Sojabratlinge oder ähnliche Bilder greifen, die gern verbreitet werden.

Ja, es geht bei diesem Thema um gesunde Ernährung. Die Gesundheitskosten durch Fehlernährung liegen in Deutschland bereits bei 70 Milliarden € jährlich. Es geht um Lebensmittelqualität, und es geht überhaupt nicht um Spaßbremse. Es geht bei dem ganzen Thema um zentrale kulturelle Werte, um nachhaltige Esskultur, das Wiederentdecken der Kochkunst und die Lust an der Lebensmittelzubereitung,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das besondere regionaler und saisonaler Lebensmittel zu erkennen und die Erzeugung von Lebensmitteln. Kurz gesagt: There is no culture without agriculture.

Ich freue mich darüber, dass immer mehr junge Menschen vorurteilsfrei - etwas anders als Sie - und unideologisch an dieses Thema herangehen und es entdecken

(Peter Lehnert [CDU]: Aber freiwillig!)

und dass es nicht um ein Entweder-Oder geht, dass es nicht darum geht, entweder Vegetarier oder strammer Kämpfer für das billige Stück Fleisch zu sein, sondern dass es ein ganz großes Dazwischen gibt. Dieses Dazwischen, den Raum für freie Entscheidungen jedes Einzelnen, wollen wir erweitern. Dafür stehen wir Grüne - ob im Bund, in Europa oder auch in den Kommunen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zu- ruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion der PIRATEN hat Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal an die FDP gerichtet: Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal an einer Debatte über ein grünes Bundestagswahlprogramm teilnehme. Ich tue das mit Freude.

(Vereinzelter Beifall, Heiterkeit und Zurufe)

- Klar, es ist Wahlkampf, aber es geht auch um ernste Themen.

Sie haben ja nicht ganz unrecht: Statt dass wir - in welchem Umfang auch immer - vegetarische Ernährung von oben verordnen, sollten wir es erst einmal denen, die wünschen, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, überhaupt ermöglichen.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Eine wirklich konsequente vegetarische oder vegane Ernährung ist bei der derzeitigen Gesetzeslage überhaupt nicht möglich. Unser Ziel als Piratenfraktion ist es, dass sich der mündige Bürger oder die mündige Bürgerin aufgrund von Informationen, die ideologiefrei zur Verfügung gestellt werden müssen, ein eigenes Urteil bilden kann. Dazu brauchen sie Transparenz, und dazu müssen sie wissen, was in dem drinsteckt, was sie kaufen und essen.

(Beifall PIRATEN und Dr. Kai Dolgner [SPD])

Statt einer undemokratischen Verbotsmentalität meine ich damit die Mündigkeit des Bürgers. Wir sind gegen die Entmündigung des Bürgers in jedem Bereich.

(Beifall PIRATEN)

(Bernd Voß)

Ich will ein Beispiel nennen: Wer seinen Kindern heute gemeine Schweineknochen mit Aroma und Farbstoffen in den Mund stecken will, kann im Supermarkt bei den Gummibärchen gern zugreifen. Es ist nicht an uns, dies zu verbieten, auch nicht für einen Tag oder eine Woche lang, aber wir wollen die Kennzeichnungspflicht. Die gegenwärtige Geheimnistuerei um Inhaltsstoffe ist nicht länger hinzunehmen. Während bei Gummibärchen einigermaßen einfach, ersichtlich und bekannt ist, dass sie aus Gelatine hergestellt werden, werden andere Mittel tierischen Ursprungs vielfach überhaupt nicht gekennzeichnet, weil es keine Pflicht dazu gibt. Jetzt sind wir bei der Frage, wo wir eine Pflicht wollen.

Ich komme zu dem, was wir als PIRATEN antizipiert haben, um dies zu ermöglichen. Wir haben einen entsprechenden Antrag eingebracht, der im Umwelt- und Agrarausschuss mit dem Versuch diskutiert worden ist, die Kennzeichnung einzuführen. Und was ist passiert? - Die Grünen haben den einfach torpediert und vom Tisch gewischt.

(Zurufe CDU und FDP: Unerhört!)

Sie haben gesagt, sie wollten keine nationale Regelung und Kennzeichnungspflicht, sondern auf die Europäische Union warten.

(Uli König [PIRATEN]: Das kann lange dau- ern!)

Wissen Sie, was die Europäische Union 2014 festschreiben möchte? - Die Freiwilligkeit zur Kennzeichnung dessen, was tatsächlich drin ist. Bernd Voß und liebe Grüne, da ist der Widerspruch: Auf der einen Seite wollen Sie einen Veggie-Day einführen - das ist ja Programmlage -, und auf der anderen Seite verhindern Sie das, was der Verbraucher will, Transparenz und Klarheit. Das müssen Sie dem mündigen Bürger einmal erklären.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP - Christo- pher Vogt [FDP]: Unerhört!)

Jetzt habe ich sehr viel zu den Kollegen der FDP gesprochen. Wir können nicht akzeptieren, dass in einem demokratischen Land Eingriffe verordnet werden, die die Bürger nicht nachvollziehen können und die sie entmündigen in der Art und Weise, wie sie leben wollen. Da sind wir uns einig.

Gleichwohl möchte ich der SPD gratulieren. Es ist im Ausschuss deutlich geworden, dass Sie es geschafft haben, die Grünen hier wieder einzufangen.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Das ist zu unser aller Wohl. Mit Ihrem Antrag können wir durchaus leben. Deswegen werden wir dem Koalitionsantrag zustimmen, weil es endlich einmal eine gute Sache ist. Das muss ja echt umkämpft gewesen sein, denn der Koalitionsantrag ist kurzfristig gekommen und enthält sogar noch Rechtschreibfehler. Das spricht für die Eile.

(Zurufe)

Wir brauchen eine klare Regelung. Deswegen werden wir für unseren Antrag stimmen, bedanken uns noch einmal und empfehlen den Grünen, ihre Widersprüchlichkeit im Ausschuss schnellstmöglich auszuräumen.