Protocol of the Session on June 13, 2012

Der SSW wird weiter seinen Beitrag leisten, das Land voranzubringen. Wir werden als Koalition gemeinsam die traditionellen vier Kulturen im Land näher zusammenbringen. Wir werden die verschie

denen Regionen im Land vertreten und neue Verbindungen zu unseren Nachbarn schaffen.

Unsere Arbeit wird geprägt sein von der tiefen Verankerung in unserer Region und von der Weltoffenheit, die gerade auch durch die Seefahrt in Schleswig-Holstein jahrhundertelange Tradition hat. Deshalb passt auch gerade eine friesische Lösung sehr gut zu dem, was die Menschen in unserem Land von uns erwarten können: „Rüm hart, klaar kimming“ - weites Herz, klarer Horizont! Nach diesem Motto werden wir als Koalition arbeiten. Darauf kann man sich verlassen. Ich freue mich schon auf die nächsten fünf Jahre.

(Anhaltender Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Meine Damen und Herren, die Fraktion der PIRATEN hat ihre Redezeit unter ihren Abgeordneten aufgeteilt. Das ist auch mit den anderen Fraktionen so abgestimmt. Deshalb erteile ich jetzt nicht zu ihrer ersten Parlamentsrede, aber zu ihrer ersten Rede im Schleswig-Holsteinischen Landtag Frau Abgeordneter Angelika Beer das Wort.

(Beifall)

Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht die erste Rede. 2009 habe ich gesagt, in jedem Ende steckt der Zauber eines Neuanfangs. Dafür, dass dieser Zauber mich hier in den Landtag führt, bin ich überaus dankbar und freue mich auf gute Zusammenarbeit.

Erlauben Sie auch mir, mit einem Zitat zu beginnen.

„Für ein solidarisches und weltoffenes Schleswig-Holstein - Wir erklären ausdrücklich unsere Solidarität mit jenen Mitmenschen, die aufgrund ihrer Abstammung, Religion, Hautfarbe oder Behinderung in Gefahr sind, ausgegrenzt oder angegriffen werden. Wir wollen ein weltoffenes SchleswigHolstein, das Flüchtlinge, Ausländer und Behinderte nicht diskriminiert, und dass jenen, die zu uns kommen und Hilfe brauchen, dieses Grundrecht nicht verweigert werden darf. Wir sind besorgt darüber, dass in SchleswigHolstein rechtsextremistische Strukturen bestehen, die zur bundesweiten beziehungs

(Lars Harms)

weise europaweiten Verzahnung von extremistischem und gewaltbereitem Gedankengut erheblich beitragen. Wir setzen uns für die Förderung einer solidarischen Gemeinschaft ein, die Zivilcourage praktiziert und bei jedem Angriff auf unsere Gesellschaft und auf unsere Mitmenschen demokratisch Gegenwehr leistet. Wir verstehen Europa als ein friedensförderndes Projekt, das den Versuchen der Renationalisierung einzelner Staaten widerstehen muss. Schleswig-Holstein muss dafür im Ostseeraum eine Schlüsselrolle übernehmen.“

Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Zusammenfassung einiger wichtiger Kernaussagen des neuen Koalitionsvertrags, nein, es ist das Zitat aus dem so oft geleugneten, aber existierenden Wahlprogramm der Piratenpartei Schleswig-Holstein.

(Beifall PIRATEN)

Ich will eine zweite Gemeinsamkeit feststellen, bevor ich auf Differenzen eingehe. Nicht nur Ihr Koalitionsvertrag hat 63 Seiten, sondern auch wir haben es geschafft, 63 Seiten für die Zukunft Schleswig-Holsteins zu publizieren.

Ich komme zum Bereich der Flüchtlingspolitik. Wir fühlen uns verpflichtet, alle Schritte aktiv zu unterstützen, die dem Ziel dienen, eine neue Willkommenskultur zu schaffen, die in unserem Land akzeptiert ist; denn uns allen ist vollkommen klar, dass der Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik, die stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung und die Beendigung der unmenschlichen Abschiebehaft längst überfällig sind.

Lassen Sie mich anmerken, dass unter der rot-grünen Bundesregierung und dem ehemaligen Innenminister Otto Schily diese Punkte, die wir in Ihrem Koalitionsvertrag unterstützen, nicht mehrheitsfähig waren und er eine wirkliche Reform des Zuwanderungsgesetzes zu seiner Zeit leider blockiert hat.

Wir PIRATEN werden die von uns geschätzte Arbeit und das Engagement sowohl des Flüchtlingsbeauftragten in Schleswig-Holstein als auch des Flüchtlingsrates nach Kräften unterstützen, denn es geht um Menschenrechte, die wir uns verpflichten zu verteidigen.

Wir hoffen, dass den Worten des Koalitionsvertrages unmittelbar zügiges Handeln folgt, soweit der Rahmen es zulässt. Es gibt öffentliche Berichte über die drohende Abschiebung eines Jugendlichen

aus Afghanistan, der hier seinen Hauptschulabschluss macht und das Angebot hat, eine Lehrstelle zu bekommen. Eine solche Abschiebung würde humanitären Grundsätzen widersprechen.

Es kann und muss uns gelingen, von hier aus ein Signal an die Europäische Union zu senden, das Signal, die Abschottung Europas zu beenden und die Militarisierung der europäischen Flüchtlingspolitik ebenfalls sofort zu beenden. Wer das wirklich will da wende ich mich auch an den Innenminister -, darf Frontex nicht vergessen zu erwähnen. Wir bedauern, dass Frontex als Mittel der Verhinderung der Hilfe und der militärischen Verhinderung des Anlandens von Flüchtlingsbooten im Koalitionsvertrag keine Berücksichtigung gefunden hat.

(Beifall PIRATEN und Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD])

Ich komme zu den groben Zügen Ihrer Europapolitik. Ich sehe jetzt insbesondere unsere Ministerin an. Anke, wir möchten helfen, dort ein bisschen frischen Wind hineinzubringen. „Wir streben an“, „wir setzen uns dafür ein“ und „wir wollen“: Das ist uns zu wenig. Dies ist die Lyrik im Koalitionsvertrag. Wir wünschen uns da etwas mehr Fakten.

Gern diskutieren wir mit allen, ob Ziele, über die wir vollkommen einer Meinung sind, nicht auch durch mehr Bürgerbeteiligung in diesem Rahmen besser umzusetzen sind. Wir müssen etwas tun, damit nicht alle fünf Jahre über Europa diskutiert wird. Das Europäische Bürgerbegehren wollen wir aktiv unterstützen. Ich schlage Ihnen vor, zu überlegen, ob nicht genau das erste Europäische Bürgerbegehrens dazu genutzt werden sollte, um den EURATOM-Vertrag abzuschaffen. Das ist eine Forderung Ihrer Koalition. Sie sollten sich überlegen, ob Sie das unterstützen wollen. Ich bin darüber entsetzt, dass diese Initiative von der Europäischen Kommission vorgestern abgelehnt wurde. So werden wir nicht Menschen an Europa binden. Wir werden sie so auch nicht für einen verständlichen und machbaren Atomaustieg gewinnen, sondern so werden sie abgeschreckt.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, über den heute etwas im „Nordschleswiger“ zu lesen war. Das ist eine Zeitung, die hoffentlich demnächst im Pressespiegel des Landtags mit ausgewertet werden wird. Das gehört zu einer solchen Politik für die Minderheiten dazu. Es geht darum, dass das Europäische Parlament gestern beschlossen hat, jede Kommunikation beziehungsweise jeden Kontakt mit der EU-Ratspräsidentschaft ab sofort einzustellen, solange es Versuche gibt und es

(Angelika Beer)

diese Ratspräsidentschaft zulässt, das Schengenabkommen infrage zu stellen und die Freizügigkeit der Menschen innerhalb Europas einzuschränken.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass das Königreich Dänemark derzeit diese EURatspräsidentschaft innehat. Sie können sich darauf verlassen - wir als PIRATEN unterstützen das -, dass wir als Schleswig-Holsteiner mit sehr engen Beziehungen zu Dänemark versuchen werden, mit den Kollegen in Kopenhagen zu reden und deutlich zu machen, dass eine Wiederherstellung von Grenzen beziehungsweise neue Grenzkontrollen zwischen unseren europäischen Ländern nichts mit dem Bild eines offenen Europas zu tun haben, für das wir streiten. Sie haben im Koalitionsvertrag gesagt, dass Sie mit allen Mitteln versuchen werden, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu verhindern. Ich glaube, wir sollten versuchen, Dänemark die gemeinsame Position transparent und deutlich darzulegen. Insofern freuen wir uns, in der Sache zusammenarbeiten zu können. Wir werden aber auch da, wo wir für Bürgernähe und Transparenz stehen, die Unterschiede deutlich machen.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Den abschließenden Redebeitrag für die Fraktion der PIRATEN hält Uli König. Ich erteile ihm hiermit das Wort.

Sie sehen noch recht frisch aus. Ich habe mir überlegt, mit Ihnen so ein bisschen Touristen-Gymnastik zu machen, damit Sie aufwachen; das scheint aber nicht notwendig zu sein. Okay, fangen wir an.

(Zuruf SPD)

- Bitte?

(Zuruf SPD)

- Das wollte ich jetzt machen. Trotzdem vielen Dank. - Das war noch nicht meine Rede.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Zuschauerrängen! Dort sitzen nicht mehr allzu viele. 60 % Wahlbeteiligung sprechen eine deutliche Sprache. Wir haben das von der RGB-Koalition schon oft genug gehört. Für mich zeigt das aber ein wenig, dass wir wahrscheinlich den Kontakt zum Bürger verloren haben. Das ist ein Problem.

Torsten Albig hat uns eingeladen, mitzumachen, auch wenn wir nicht Teil der Koalition sind. Ich nehme diese Einladung sehr gern an. Daher möchte

ich heute über folgende Themen sprechen, welche die Bürgerbeteiligung tangieren. Ein erstes Thema heißt „Open Data“. Bei dem zweiten Thema handelt es sich um die E-Petition. Das dritte Thema klingt so ein bisschen abgefahren: „Überwindung von Raum, Zeit und anderen Beschränkungen, die die Bürger von den Ausschüssen abhalten“.

Ich fange mit Open Data an. Ich möchte gern, dass der Bürger die Möglichkeit bekommt, so eine Art Kleine Anfrage von zu Hause aus zu stellen. Ich denke dabei an eine Frage wie die folgende: Wie hoch sind eigentlich die Heizkosten von Liegenschaften des Landes Schleswig-Holstein? Ich möchte, dass diese Anfrage möglich ist, ohne dass das Aufwand in der Verwaltung verursacht. Der Bürger soll das bei sich zu Hause machen. Wie kann das gehen? Das Land kann dem Bürger die Finanzrohdaten zur Verfügung stellen. Der Bürger kann dann mit diesen Daten arbeiten. Das Ganze nennt sich Open Data; denn der Bürger kann dann selber eine Auswertung vornehmen.

Ich nehme als Beispiel das Finanzministerium. Die Finanzministerin ist leider nicht anwesend. Schade! - Alle Buchungen im Finanzministerium werden, wie mir gesagt wurde, in SAP durchgeführt. Das heißt, dass sie elektronisch vorliegen. Man kann sie also auch ins Internet stellen. Wir PIRATEN stehen total auf so etwas. Dabei muss man natürlich den Datenschutz beachten. Wenn darin personenbezogene Daten enthalten sind, muss man es ein wenig anonymisieren. Im Großen und Ganzen aber sollte das möglich sein.

Sie werden jetzt sagen: Ein Großteil der Bürger kann mit all diesen Finanzdaten nichts anfangen. Da haben Sie wahrscheinlich recht, aber das macht nichts. Es reicht, wenn ein kleiner Teil der Bürger mit diesen Finanzdaten etwas anfangen kann. Denn dieser Mensch ist möglicherweise in der Lage, diese Finanzdaten so zu visualisieren, dass andere Bürger - beispielsweise in einem Bürgerhaushalt - Einsparpotenziale in dem Haushalt finden können. Dadurch kann mehr Luft für sinnvolle Projekte geschaffen werden, oder es können schneller Schulden abgebaut werden.

(Beifall PIRATEN)

Es kann auch sein, dass diese Person das gleich alles in einem Rutsch macht und mit einem Sparvorschlag kommt, den noch niemand gesehen hat und bei dem man sagt: Das ist eigentlich eine ziemlich gute Idee. Wie gesagt, das Ganze nennt sich Open Data. Es steht im Koalitionsvertrag. Dafür vielen Dank. Ich finde das super.

(Angelika Beer)

Leider ist das nicht sehr konkret. Von daher würde ich mich freuen, wenn Sie - vielleicht mit uns zusammen - noch ein bisschen daran arbeiten würden. Wir sind ja zum Zusammenarbeiten eingeladen. Dann könnten wir es ein bisschen ausführen und voranbringen. Dann müssten wir nicht nach fünf Jahren sagen: Wir hatten es drin, aber irgendwie -

Ich komme zu den Petitionen. Torsten Albig hat gesagt, dass er die Bürger überzeugen möchte, dass uns ihre Meinung wichtig ist. Im Koalitionsvertrag steht, dass Petitionen beziehungsweise Bürgerbegehren einfacher gemacht werden sollen. Es ist aber immer von „Papierpetitionen“ die Rede. Nie ist von einer Online-Petition die Rede.

Ein positives Beispiel für eine Online-Petition ist auf Bundesebene das Begehren, zu überprüfen, ob die Geschäftspraktiken der GEMA der Verfassung entsprechen. Sie hat 106.000 Mitzeichner. Ich finde es interessant, dass die Leute sich dafür interessieren. Auch die Petition gegen Internetsperren - da gibt 134.000 Mitzeichner - finde ich bemerkenswert. 186.000 Mitzeichner haben eine Petition gegen erhöhte Pflichtbeiträge von Hebammen unterzeichnet, die eine superteure Haftpflichtversicherung bezahlen müssen. Immerhin 105.000 davon haben das immerhin online gemacht.

Seit Neuestem bin ich der Vorsitzende des Petitionsausschusses. Deswegen ist mir dieses Thema auch eine Herzensangelegenheit. Ich möchte gern, dass wir das voranbringen. Wenn man sich unser Petitionsportal anschaut, sieht man, dass man eine Petition online einreichen kann. Das ist schon einmal gut. Man kann aber nicht online mitzeichnen. Vor allem Einzelschicksale können im Petitionsausschuss zur Sprache gebracht werden. Ich kann das aber nicht mit so heißen Eisen, wie es der Weiterbau der A 20 ist.

Ich möchte gern, dass man online in der Lage ist, eine Petition einzureichen. Es muss nachvollziehbar sein, wo diese Petition gerade steht, damit man sie auch mitzeichnen kann. Außerdem sollte die Beratung über eine Petition öffentlich sein, wenn der Petent dem zustimmt.

(Beifall PIRATEN)

Ich komme zu meinem letzten Anliegen. Wir machen das jetzt hier gerade schon live. Diese Ausschusssitzung hier - - Nein, das ist keine Ausschusssitzung. Diese Veranstaltung wird ins Internet übertragen. Es gibt ein Live-Streaming. Darüber möchte ich gern reden. Es geht um die Überwindung von Raum, Zeit und Aufwand. Es gibt drei Hemmnisse für die Bürger, sich an der Politik hier

zu beteiligen. Wie Sie sicherlich wissen, findet ein großer Teil der Arbeit in den Ausschüssen statt. Diese ist eine 1-a-Schaukampfbude, die viele Leute hier gern nutzen, aber ich würde den Bürgern gern auch die Ausschüsse näherbringen, in denen die eigentliche Arbeit stattfindet.

Stellen wir uns mal vor: Ein Bürger aus Leck, der gern mal sehen will, was in so einem Ausschuss stattfindet. Wenn er mit dem ÖPNV nach Kiel zum Landtag fahren möchte - ich habe einmal nachgesehen -, benötigt er - das sind die schnellsten Verbindungen - zwei Stunden und 45 Minuten. Das heißt noch nicht, dass er dann zum richtigen Zeitpunkt hier ist. Er muss noch warten.