Protocol of the Session on May 29, 2013

(Johannes Callsen)

mehr: ökologische Erneuerung, Schaffung gesicherter und attraktiver Arbeitsplätze für alle, die sozialverträgliche Nutzung von Technologien und eine gerechtere Verteilung des Wohlstands. Nur ein umfassend definierter Begriff von wirtschaftlicher Entwicklung kann längerfristig konsensfähig sein. Diesen Gedanken formulierte unser damaliger Ministerpräsident Björn Engholm vor mehr als 20 Jahren in seinem Buch „Vom öffentlichen Gebrauch der Vernunft“.

Damals wie heute beschreibt diese Anforderung an unsere Wirtschaftspolitik auch einen Unterschied zwischen den Parteien in diesem Land.

(Beifall SPD - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Nach fast 38 Jahren CDU-Regierungsverantwortung in diesem Land wurde es vor 25 Jahren - danach hatten Sie ja gefragt - Zeit für eine neue Regierung. Es wurde Zeit, aus dem agrarisch geprägten eher rückständigen Land im Norden ein modernes und soziales Schleswig-Holstein zu entwickeln. Heide Simonis hat damals John F. Kennedy zitiert und gesagt: Als wir die Regierung übernahmen, war das Überraschendste für uns, dass alles genauso schlimm war, wie wir es vorher immer gesagt haben.

(Christopher Vogt [FDP]: Das war bei uns auch so!)

Zukunftsfest war Schleswig-Holstein damals jedenfalls nicht. Ob Kita-Ausbau, Wirtschafts- und Verkehrsinfrastruktur, die Situation der psychiatrischen Einrichtungen, Gleichstellung, Mitbestimmung, Umwelt- und Energiepolitik - manches war damals schlicht mittelalterlich.

Wir haben die Herausforderungen an das Land Schleswig-Holstein als Sozialdemokraten vielfach gemeinsam mit Grünen und SSW und manchmal sogar darüber hinaus in diesem Hause angepackt. Wir haben die Probleme beseitigt, Herr Kollege Kubicki, und nicht geschaffen, wie Sie hier behauptet haben.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Die Wählerinnen und Wähler haben diese Entwicklung und ihre Regierung für gut befunden. Schleswig-Holstein hat sich in den vergangenen 25 Jahren tatsächlich von einem strukturschwachen und etwas verschlafenen Agrarland zu einem modernen und innovationsfreudigen Land entwickelt. So gab es seitdem nur ein kurzes Intermezzo einer schwarzgelben Landesregierung. Und diese zweieinhalb

Regierungsjahre haben doch vor allem eines gezeigt: Eine solche Regierung passt nicht mehr zu dem modernen Schleswig-Holstein, das sie vorgefunden hatte. Abbau von Mitbestimmung oder Mitwirkungsrechten von Jugendlichen beziehungsweise Bürgerbeteiligung firmierte bei Ihnen unter Bürokratieabbau. Welch anderes Verständnis von Bürokratieabbau hat der Herr Ministerpräsident eben dargelegt, als er von seinem Besuch in den baltischen Staaten sprach.

(Zurufe Wolfgang Kubicki [FDP] und Chri- stopher Vogt [FDP])

Bei Ihnen gab es den Vorrang von Lobbyinteressen gegenüber dem Allgemeinwohl. Das nannten Sie Fortschritt.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Umweltschutz, Denkmalschutz, Bildungsgerechtigkeit, alles Wachstumshemmer, die in Ihren Augen weg mussten. In Wirklichkeit musste die schwarzgelbe Regierungskoalition weg, und sie war nach zweieinhalb Jahren weg. Das ist der Unterschied.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Was hatten wir für eine ganz andere Vision in der Rede des Ministerpräsidenten, wohingegen Sie beide sich noch nicht einmal darauf einigen können, wer hier Oppositionsführer ist.

(Zurufe FDP)

Wir haben mit Interesse gesehen, dass Herr Kubicki nach dem Ministerpräsidenten geredet hat. Verehrter Herr Kollege Callsen, wenn ich Ihre Reden höre, dann erinnert mich das an meine Kindheit, als ich die Augsburger Puppenkiste und da den SeeleFant gehört habe, der immer so schrecklich traurig war. So traurig ist man, wenn man Ihre Reden hier anhören muss. Das muss ich wirklich sagen. Das ist alles mögliche, aber keine Alternative zu dem, was der Herr Ministerpräsident hier dargelegt hat, meine sehr verehren Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall SPD - Christopher Vogt [FDP]: Das ist die falsche Rede, das ist die für Ihre heutige Abendveranstaltung! - Wei- tere Zurufe FDP)

Der vorliegende Bericht beschäftigt sich damit, wie es uns gelingen kann, wieder mehr Wachstum für Schleswig-Holstein zu schaffen. Dabei entwickeln wir das Wachstumsverständnis weiter, zu dem ich eben Björn Engholm und Heide Simonis zitiert habe.

(Dr. Ralf Stegner)

Ich danke der Finanzministerin Monika Heinold für ihren schriftlichen Bericht und dem Herrn Ministerpräsidenten für seine Rede, und ich unterstreiche gleichzeitig, dass es uns bei den Wachstumsdiskussionen eben nicht um reine statistische Wirtschaftsdaten gehen kann. Die können als Momentaufnahme leicht nebeneinandergelegt und verglichen werden.

(Zurufe CDU und FDP)

Meinethalben, Herr Kollege Kubicki, belegen Sie doch damit, dass es Schleswig-Holstein nur in den kümmerlichen zweieinhalb Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung so richtig gut gegangen ist; glauben Sie das ruhig selbst! In Wirklichkeit merkt man Ihnen den Frust doch an. Sie glauben - so wie im Schleswig-Holstein-Lied: wahre treu, was schwer errungen, bis ein schönrer Morgen tagt -, dass der schönere Morgen für Sie in Berlin kommen wird, weil Sie hier abgewählt worden sind. De facto waren die zweieinhalb Jahre aber offenbar keine Erfolgsgeschichte, sonst hätten Sie hier im Land bleiben können und wären auch wiedergewählt worden. Das ist erkennbar nicht geschehen, und dafür gibt es Gründe, auf die wir auch kommen, wenn wir über unser Wachstumsverständnis hier im Haus miteinander diskutieren.

(Zurufe FDP)

Meine Damen und Herren, uns geht es nämlich um ein qualitatives und nachhaltiges Wachstum.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach!)

Es ist doch in Wahrheit verantwortungslos, sich heute über ein Wirtschaftswachstum zu freuen und insgeheim zu hoffen, dass, wenn dieser kurzfristige Effekt endet, andere die Verantwortung tragen. Das nenne ich das schwarz-gelbe Prinzip.

(Zurufe CDU)

Wir wollen dagegen ein Wachstum, von dem unsere Gesellschaft wirklich etwas hat, ein qualitatives Wachstum, durch das das Leben der Menschen besser wird. Wir wollen, dass die Menschen auch nach Jahren davon noch profitieren. Wir wollen, dass sie, wenn das in 25 Jahren ebenfalls gefeiert werden wird, sagen werden: Gut, dass wir die rotgrün-blaue Regierung, Albig, Habeck, Spoorendonk, gehabt haben, die damals Regierungsverantwortung getragen hat. Gut, dass wir damals eine Regierung gehabt haben, die auf gute Arbeit, gerechte Bildung, konsequente Energiewende sowie die Finanzen und eine moderne Gesellschaftspolitik Schwerpunkte gesetzt hat, von denen wir noch lan

ge gut haben. Das ist unser Verständnis von Wachstum, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Die Schwerpunkte, die der Ministerpräsident genannt hat, nämlich Bildung, Arbeit - Herr Kollege Callsen, wir meinen übrigens mit Arbeit immer gute Arbeit; was Sie gegen Korruptionsbekämpfung haben, weiß ich nicht, das habe ich nicht verstanden; wir jedenfalls sind gegen Korruption, das will ich deutlich sagen -,

(Beifall SPD - Zurufe FDP)

gute Arbeit, Mindestlöhne, Infrastruktur, Wirtschaft und Zukunftsmärkte, sind die richtigen Schwerpunkte. Die hat der Ministerpräsident hier dargelegt.

(Zurufe FDP)

- Dass Sie lärmen, verstehe ich gut, Sie haben inhaltlich nichts dazu beigetragen. Aber ein bisschen Geduld könnte mit dem Alter bei Ihnen ja auch einmal aufkommen, Herr Kollege Kubicki. Hören Sie einmal einen Moment zu, wir haben das bei Ihnen auch versucht, auch wenn Sie wenig Argumente hatten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer hat Sie ei- gentlich in das Kompetenzteam gewählt? So einen tollen Typen! - Weitere Zurufe FDP)

- Herr Kollege Kubicki, wir wollen ein Wachstum, das nicht nur und nicht primär dem Einzelnen dient, sondern dem Gemeinwohl. Wir wollen ein Wirtschaftswachstum, das unser „Wir“ in den Vordergrund rückt. Ich weiß, dass Sie gern darüber spotten. Sie fühlen sich wohl in der Egoistenperspektive, aber wir wollen ein anderes Schleswig-Holstein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall SPD - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Sie haben überhaupt keine Ah- nung, wovon Sie reden!)

Sie spotten auch über den Dialog. Wir begrüßen den Bürgerkongress, den der Ministerpräsident hier angekündigt hat. Der Bildungsdialog, liebe Wara Wende, der war große Klasse, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Daran kann man sehen, was dabei herauskommt, wenn man mit den Menschen redet, statt über ihre Köpfe hinweg zu regieren.

(Beifall SPD)

(Dr. Ralf Stegner)

Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Ich verstehe den Rededrang sehr gut, deshalb lasse ich sie gern zu.

Ich wollte gar nicht reden, Herr Kollege Dr. Stegner, sondern ich wollte eine Frage stellen. Die Frage lautet: Bei dem, was Sie gerade formulieren, bei diesen herausragenden Geschichten frage ich mich, warum Sie vor dem Landeshaus keine Fackelzüge der schleswig-holsteinischen Wirtschaft haben.

- Sehr verehrter Herr Kollege Kubicki, wir sind gar nicht so scharf auf die Fackelzüge, die es übrigens auch nicht gegeben hat, als Sie regiert haben. Aber das Urteil der Wähler war sehr eindeutig. Ich habe Ihren Wahlaufruf in der Zeitung „Schleswig-Holstein am Sonntag“ am Sonntag gelesen. Da haben Sie gesagt: Jetzt wählt endlich uns! - Das Ergebnis war ein Minus in Höhe von 5 % für die FDP. So ist das mit Ihren Ankündigungen und der Wirklichkeit.

(Christopher Vogt [FDP]: 4 %!)

- 4 %, Entschuldigung, Herr Kollege Vogt. Sie haben die Prozente fast halbiert, so wie auch bei der Landtagswahl, das stimmt. Das ist das Ergebnis gewesen. Fackelzüge brauchen wir nicht, uns ist mehr daran gelegen, dass das Urteil der Wählerinnen und Wähler über uns anders ist als offenkundig bei Ihnen.

(Zurufe FDP)