Protocol of the Session on May 29, 2013

Beim Breitband haben Sie beschlossen, dass Sie die flächendeckende Versorgung mit Glasfasernetzen im Land um zehn Jahre nach hinten verschieben. Nicht 2020, sondern erst 2030 soll eine flächendeckende Versorgung mit Glasfasernetzen entstehen. Eine Mehrzahl der Bewohnerinnen und Bewohner von vielen Dörfern wird bis dahin bedauerlicherweise entweder dort nicht mehr wohnen oder gestorben sein. Bis dahin müssen sich die Betroffenen im Zweifelsfall mit Schmalspurleitungen zufriedengeben. Wollen Sie so Ansiedlungspolitik in der Fläche betreiben? - Ich halte das für eher unwahrscheinlich.

Herr Ministerpräsident, Sie setzen nicht nur Ihre finanziellen Mittel falsch ein, nein, Sie betreiben auch ansonsten eine durch und durch wirtschaftsfeindliche Politik - entgegen Ihren Reden. Mit der Änderung des Sparkassengesetzes haben Sie dafür gesorgt, dass die Sparkassen im Land Ihr Kreditengagement zurückfahren werden. Filialsterben und Arbeitsplatzabbau - das sage ich Ihnen voraus werden Folgen dieser Politik sein.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Sie haben im Kabinett beschlossen, zum 1. Januar 2014 die Grunderwerbsteuer um 1,5 Prozentpunkte zu erhöhen und damit den höchsten Satz bundesweit zu erheben. Glauben Sie, das hat keine Auswirkungen auf Unternehmensansiedlungen, glauben Sie, das hat keine Auswirkungen auf den Kauf von Wohnungseigentum für junge Familien? Denken Sie wirklich, dass Sie dadurch den Neubau von Wohnungen fördern und den Anstieg der Mieten begrenzen können? - Wenn Sie das wirklich glauben, dann tun Sie mir leid.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Ministerpräsident, glauben Sie wirklich, dass Überlegungen Ihres Koalitionspartners, die Ausbaggerung der Elbe - die Fahrrinnenanpassung nicht vorzunehmen, die Wertschöpfung in Schleswig-Holstein steigern wird? Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie wirklich, dass der Verzicht darauf, die westliche Elbquerung der A 20 zu bauen, zur Wertschöpfung in Schleswig-Holstein beitragen wird? - Glauben Sie das wirklich?

Ich warte ja darauf, was passiert, wenn die A 7 erweitert wird, wie viele Urlauberinnen und Urlaub das Tourismusland Schleswig-Holstein noch ansteuern werden, wenn sie feststellen müssen, dass sie ein oder zwei Tage auf dem Hin- oder Rückweg im Stau stehen. Das wird Auswirkungen auf unsere Tourismuswirtschaft haben, die exorbitant sind. Wenn wir dort nicht gegensteuern, Herr Ministerpräsident, und zwar rechtzeitig mit einer offensiven Politik, dann werden Sie erleben, wie viele Wertschöpfungspotenziale dabei kaputtgehen.

(Beifall FDP und CDU)

Glauben Sie wirklich, dass Sie mit Ihrem Tariftreue- und Vergabegesetz zu weniger Bürokratie beigetragen und damit die wirtschaftsfreundliche Politik der Regierung ins Werk gesetzt haben? Glauben Sie das ernsthaft? - Das genaue Gegenteil ist der Fall, wie Ihnen Ihr Wirtschaftsminister bei der Anhörung bereits selbst attestiert hat.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Abgeordneter Kubicki, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Für Eminenz immer.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Kollege Kubicki, das ging jetzt etwas zu schnell. Ich bin noch bei Ihrem vorherigen Argument. Glauben Sie tatsächlich, dass Wachstum um jeden Preis heute die Antwort ist? Sie sind ja sehr belesen.

(Zurufe)

Ich gehe davon aus, dass Sie Meadows, „Die Grenzen des Wachstums“ gelesen haben. Glauben Sie, dass man alles Wachstum auf Kosten der Natur vorantreiben soll? Ist das Ihre Auffassung, hemmungsloses Wachstum auf Kosten der Natur?

- Herr Kollege Tietze, an Ihrer Frage merke ich, dass Sie gar nicht wissen, wie Wachstum definiert wird. Sie können das Bruttoinlandsprodukt beispielsweise auch durch die energetische Sanierung von Häusern steigern, deren Förderung Rot-Grün im Bundesrat gerade verhindert.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wenn Sie Meadows „Die Grenzen des Wachstums“ noch einmal nachlesen, werden Sie feststellen, dass keine der Prognosen eingetroffen ist; sonst wären wir heute schon tot.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Von 1972 bis 2013 ist keine der Prognosen eingetroffen.

(Beate Raudies [SPD]: Deswegen können wir so weitermachen?)

- Es geht doch nicht darum, so weiterzumachen.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Ministerpräsident, ich empfehle, dass Sie Ihre regierungstragende Fraktion einmal auf Auslandsreisen mitnehmen und auch auf Ökonomen treffen lassen.

(Beifall Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Denn beispielsweise die Frage, mit welchen Fahrzeugen Sie auf Straßen fahren, um die Mobilität zu sichern, ist keine Frage des Wachstums, sondern eine Frage der Entscheidung. Sie können auch Elektrocars auf Straßen fahren lassen. Damit haben Sie etwas für den Klimaschutz getan und die Mobilität gewährleistet. Aber auch dafür brauchen Sie Straßen. Gnädige Frau, Güter können Sie nicht auf Fahrrädern transportieren und auch nicht durch das Internet. Wenn Sie bei Amazon bestellen, wird das in echt geliefert und nicht nur auf den Bildschirm.

(Heiterkeit und Beifall FDP und CDU)

Herr Ministerpräsident, glauben Sie ernsthaft, dass Sie die Verwaltung durch das motivieren, was Sie bei der Beamtenbesoldung gerade machen, dass Sie Lehrer motivieren, die Schule so auszugestalten, dass nicht alle gleich werden, aber jeder besser? Glauben Sie das ernsthaft? Wenn wir keine vernünftige, entscheidungsfreudige Verwaltung haben - das sehen wir in Griechenland und anderswo -, ist das ein Wachstumshemmnis.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Wenn die Motivation der Mitarbeiter in der Verwaltung nachlässt, ist das ein Wachstumshemmnis. Wenn Sie Wachstum generieren wollen, verhalten Sie sich anständig gegenüber den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes! Sonst wird das nichts.

(Beifall FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Peer Steinbrück hat in seiner Zeit als Wirtschaftsminister Frau Simonis damals richtigerweise vorgeworfen, sie betreibe Politik im Klein-Klein, auf Pepita-Niveau. Herr Ministerpräsident, Sie schaffen nicht einmal dieses Niveau. Es geht nicht einmal in kleinen Schritten voran. Seit zwölf Monaten geht es in Schleswig-Holstein rückwärts. Vor lauter kleinen Symbolen und hohlen Phrasen haben Sie das große Ganze aus Ihrem Blickfeld verloren. Sie bieten dem Land keine Perspektive. Sie haben sich von anderen vor den Karren spannen lassen und haben die Weichen dafür gestellt, dass der Abstand zwischen uns und den anderen Bundesländern weiter wächst. Das werden wir in den nächsten Jahren beobachten.

Herr Ministerpräsident, Ihre Politik ist weder sozial, noch gerecht, noch vernünftig. Sie ist einfach nur falsch, und Ihre Äußerungen über ein starkes Land bleiben hohl und peinlich. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Für die CDU-Fraktion hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Johannes Callsen, das Wort.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Den Oppositions- führer haben wir doch gerade eben gehört!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke der Finanzministerin, Frau Heinold, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Frau Heinold ist wohl etwas überraschend zu diesem Bericht ge

(Wolfgang Kubicki)

kommen - als für die Finanzen des Landes zuständige Ressortchefin -, zu dieser wissenschaftlichen Abhandlung zur Wachstumslücke und zur wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein. Herr Ministerpräsident, dass Sie sich am Ende dieses Berichts selbst annehmen, zeigt mir, dass Sie zuerst offenbar gar keine Lust auf das Thema hatten, als Sie es an das Finanzministerium abgeschoben haben.

Vor einem Jahr - und auch in vielen Passagen Ihrer jetzigen Rede - haben Sie den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern neue Horizonte versprochen. Schwerpunkt Ihrer Arbeit sollten neben Bildung und Energiewende eine solide Haushaltspolitik und Wirtschaftswachstum sein, mit dem Sie Schleswig-Holstein sozial gerechter machen wollten.

Vor einem Jahr haben Sie betont, dass es zur Haushaltskonsolidierung keine Alternative gebe. Schon ein Jahr später kann jeder feststellen, dass Sie schon an den einfachsten Grundrechenarten scheitern: Statt 40 Millionen € hätten Sie 54 Millionen € Vorsorge im Haushalt treffen müssen. Statt 26 Millionen € übrig zu haben, haben Sie 14 Millionen € Defizit. Statt einer faktischen schwarzen Null im Jahr 2012 machen Sie 450 Millionen € neue Schulden und das in einer Zeit, in der wir historisch hohe Steuereinnahmen in diesem Land haben.

(Beifall CDU)

Ich finde es schon bemerkenswert, dass Frau Heinold diesen Bericht verfasst hat, obwohl die Fachleute für Wachstumspolitik doch im Ministerium von Herrn Meyer sitzen. Am Ende hören wir hier eine Rede des Ministerpräsidenten, eine faktische Regierungserklärung über ein Jahr der Ankündigungen, mit Versprechungen und pathetischen Illusionen.

(Zurufe Birgit Herdejürgen [SPD] und Olaf Schulze [SPD])

Das alles sagt mehr über das Innenleben Ihrer Koalition aus als jeder Bericht. Denn es zeigt doch eines: Frau Heinold hat Angst um das grüne Profil in der Koalition und vertraut Herrn Meyer kein Stück. Deshalb muss der Ministerpräsident hier in die Bresche springen,

(Lachen, Beifall, Zurufe SPD und Lars Harms [SSW])

um die angeblich neuen Horizonte am Fenster der Staatskanzlei aufzumalen. Herr Albig, Inhalte haben wir heute Morgen von Ihnen nicht gehört.

Bevor Sie in die Ferne schweifen, beheben Sie doch erst einmal die Kurzsichtigkeit Ihrer Politik! Das Ergebnis Ihres Berichts ist doch eindeutig: Schuldenpolitik kostet Zukunft, und Wachstumspolitik kostet Geld und Einsatz. Ihre Koalition hat das Problem offensichtlich erkannt, aber anstatt zu sparen, machen Sie 450 Millionen € mehr Miese. Gleichzeitig - der Kollege Kubicki hat es gesagt - sinken die Investitionen auf einen historischen Tiefststand.

Bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW wächst außer Schulden überhaupt nichts. Sie brauchen das Geld für die Klientelpolitik in ihren Bereichen. Da ist die BioInformenta mit 380.000 € dabei, die schon in Mecklenburg gescheitert ist. Da ist die Machbarkeitsstudie, die allein 130.000 € kosten soll. Es gibt den zusätzlichen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, den niemand braucht, und ihr Lieblingsprojekt PROFI, bei dem sich noch zeigen wird, ob Sie das Programm mit 50 Millionen € nicht viel zu hoch angesetzt haben und die Ergebnisse der energetischen Sanierung am Ende überhaupt halten, was Sie versprechen. Frau von Kalben scheint schon ihre Zweifel daran zu haben. Sonst kommt es mir schon etwas spanisch vor, dass jetzt ausgerechnet die Fraktionsvorsitzende der Grünen freiwillig für die Instandsetzung der Landesstraßen 10 Millionen € aus diesem Projekt ins Spiel bringt. Wir werden Sie daran messen, was Sie am Ende mit unserem Gesetzentwurf in diesem Landtag beschließen.

(Beifall CDU)