Im Dezember haben wir gemeinsam mit der Koalition sehr kluge Anforderungen an die Bestandsdatenauskunft aufgestellt. Daran müssen sich die Gesetze und insbesondere das Landesgesetz zu Bestandsdatenauskunft, das wir heute in erster Lesung beraten, messen lassen. Vor diesem Hintergrund fällt das Gesetz leider in verschiedenen Punkten durch.
Erstens. Wir haben gesagt: Passwörter dürfen allenfalls dort herausgegeben werden, wo man nicht anders an Daten herankommt - und auch nur mit sehr genauer und restriktiver gesetzlicher Regelung der Voraussetzungen.
Im Landesgesetz findet sich keine Subsidiaritätsklausel und im Fall des Landesamtes für Verfassungsschutz auch keine Regelung der Voraussetzungen der Herausgabe von Passwörtern. Im Urteil steht nur: „… wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind“. In den entsprechenden Gesetzen stehen aber keine Vorschriften, die regeln, wann Passwörter genutzt werden dürfen.
Zweitens. Wir haben gesagt: Die Internetnutzer dürfen nur unter den Voraussetzungen identifiziert werden, unter denen Verkehrsdaten herausgegeben werden dürfen. Das ist bei der Polizei nur zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren der Fall. Im Bestandsdatengesetz soll aber stehen, dass eine bevorstehende Gefahr ausreiche, was auch immer das bedeutet.
Drittens. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das Bundesgesetz zur Bestandsdatenabfrage betrifft Telekommunikationsdienste, also zum Beispiel Handy oder E-Mail.
Liebe Landesregierung, Sie wollen in Ihrem Gesetzentwurf zur Bestandsdatenauskunft auf Landesebene aber auch soziale Netzwerke einbeziehen, also Telemediendienste. Dabei besteht überhaupt nicht der Zeitdruck, den wir bei der Bestandsdatenauskunft haben, da wir in diesem Bereich bis Ende des Jahres eine neue Regelung finden müssen. Auch sprechen wir uns strikt dagegen aus, soziale Netzwerke in die Abfrage von Passwörtern und anderen Bestandsdaten einzuführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht, dass man jeden Klick und jede Eingabe im Internet einfach so verfolgen kann, um vermeintlich Verbotenes aufzuspüren. Wir wollen kein gläsernes Überwachungsnetz, sondern wir setzen uns für ein freies und anonym unbefangen benutzbares Internet ein.
Liebe Landesregierung, deshalb ist es Ihre Aufgabe im Bundesrat, sich für gute Sicherungen zum Schutz unserer Privatsphäre gemeinsam mit den anderen Ländern einzusetzen. Dass wir in Schleswig-Holstein bei dem Bundesgesetz nicht mitmachen, ist ein erster Schritt. Jetzt geht es darum, andere Länder mit ins Boot zu holen.
Unsere Aufgabe in diesem Landtag ist es, im Landesgesetz für Bestandsdatenauskunft hohe Hürden und eine gute Sicherung unserer Privatsphäre sowie der Anonymität im Netz zu schaffen. - Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele Beispiele, an denen sich zeigen lässt, dass die Behörden die Möglichkeit haben müssen, Auskünfte über die Inhaber von Telefonanschlüssen oder Handy-Nummern, ja selbst über Passwörter oder die Zuordnung von IP-Adressen zu erhalten. Hier geht es übrigens nicht ausschließlich um Strafverfolgung, sondern zum Beispiel um die Verhinderung von angekündigten Selbstmorden oder das Auffinden von vermissten Personen. Wir sprechen heute über einiges mehr.
Deshalb ist es für uns selbstverständlich, dass wir eine verfassungsfeste, aber auch praktikable Regelung brauchen. Diese brauchen wir übrigens auch in zeitkritischen Situationen. Da wir gerade bei dem Stichwort zeitkritische Situationen sind: Wir brauchen sie auch bis zum 30. Juni. Wie immer müssen die Rechte des Einzelnen dagegen abgewogen werden. Nicht jedes übergeordnete Ziel rechtfertigt jeden Eingriff, auch wenn dies häufig so gesagt wird.
In diesem Zusammenhang ist es erst einmal positiv für uns, dass es auch auf Initiative unserer Landesregierung und der SPD-Bundestagsfraktion hin zu deutlichen Verbesserungen gekommen ist.
So wurde sowohl der Richtervorbehalt bei Passwörtern aufgenommen als auch, wie vom Landtag gefordert, die Systematik des § 113 b TKG, das ist die Vorratsdatenspeicherung, in § 113 übernommen. Nicht so gut ist allerdings, dass die Ordnungswidrigkeiten mit hineingemogelt worden sind.
Das ist sicher kritikwürdig. Was nach unserer Auffassung aber gar nicht geht, ist, dass die Abfrage von IP-Daten keinem Richtervorbehalt unterliegen soll.
Es ist auch nach wie vor unverständlich, dass sich die CDU- und FDP-Fraktionen im Bundestag dem nicht anschließen konnten. Schließlich hat man den Richtervorbehalt im Zusammenhang mit Passwörtern extra aufgenommen. Es wird nun extra ein Absatz für IP-Daten eingefügt. Es muss eigentlich jedem klar sein, dass die IP-Daten die Schnittstelle zwischen Bestandsdaten und Vorratsdaten sind. Nun gibt es einige, die sagen, Bestands- und Vorratsdaten seien gleich schützenswert. Das ist nicht unsere Auffassung. In jedem Fall aber muss die Schnittstelle von Bestandsdaten und Vorratsdaten den höheren und nicht den niedrigeren Schutz genießen, wenn man die Bürgerrechte ernst nimmt.
Nach dem Lesen der Gesetzentwürfe unserer Landesregierung sehe ich, dass wir durchaus unterschiedliche Wertungen haben. Ich komme zunächst zu den Dingen, die unsere Landesregierung eindeutig besser gelöst hat als die Bundestagsfraktionen. Mir ist bewusst, dass man bei Kompromissen eigene Überzeugungen aufgeben muss, weil man sonst keinen Kompromiss schließen kann. Es gibt aber Dinge, die schlicht und ergreifend zu weit gehen. Daher bin ich froh darüber, dass im Gesetzentwurf der Landesregierung sowohl der Richtervorbehalt als auch der G-10-Vorbehalt im Landesverfassungsgesetz für Passwörter und IP-Daten enthalten sind. Das ist keine Frage. Hier müssen einige wohl noch etwas nachlesen.
Im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip möchte ich darauf aufmerksam machen: Es gilt nicht der ursprüngliche Antrag der PIRATEN, sondern es gilt, was wir gemeinsam eingebracht haben. Auch dies müssen wir noch einmal abgleichen. Dazu dienen jedoch die Ausschussberatungen.
Ich komme zum Bundesgesetzentwurf zurück: Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Landesregierung einem Entwurf, der diesen Kernaspekt des Bestandsdatenurteils, nämlich den besonderen Schutz der IP-Adressen, so unbefriedigend umsetzt, ihre Zustimmung gibt.
Der Kollege Breyer vertritt durchaus manches Mal Minderheitenmeinungen, aber der Schutz der IPDaten war Kern des Bestandsdatenauskunftsurteils. Im Zusammenhang mit dem Rest muss man wissen, was man politisch will. Wir stehen zugegebenermaßen vor einem zeitlichen Dilemma. Die FDP-Justizministerin hat leider so viel Zeit ge
braucht, um dem CSU-Innenminister die gröbsten Flausen im Zusammenhang mit den Eingriffen in die Grundrechte auszutreiben.
- Den besonderen Schutz der Passwörter haben aber die Sozialdemokraten über den Bundesrat einbringen müssen.
Es wäre schön gewesen, wenn die FDP dem im Ausschuss hätte zustimmen können, wenn sie jetzt mehr Grundrechtsschutz einfordert. Vielleicht kommt dies aber im Zusammenhang mit dem Landesverwaltungsgesetz.
Die Nachbesserungsmöglichkeiten im Landesverwaltungsgesetz sind leider stark begrenzt. Wir müssen uns natürlich über verschiedene Aspekte unterhalten, zum Beispiel über das Zitiergebot, wie es jetzt im Landesverwaltungsgesetz enthalten ist. Nach unserer Auffassung ist es enthalten, aber es ist nicht sehr anwenderfreundlich. Andererseits haben wir nicht allzu viel Zeit, um im Landesverwaltungsgesetz vieles neu zu formulieren. Teilweise würde dies dadurch überfrachtet werden, und es passt auch zum Teil nicht in die Systematik. Vielleicht sollten wir aber für die Zukunft in einer weiteren Runde über das Landesverwaltungsgesetz sprechen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Kollegen im Innen- und Rechtsausschuss dazu anzuregen, sich jetzt schon über die Teilnehmer der schriftlichen Anhörung Gedanken zu machen. Durch den 1. Mai haben wir nur sehr wenig Zeit für eine vernünftige Beratung. Daher sollten wir uns zügig auf die Anhörungsteilnehmer einigen, damit wir die Beratung bis zum Juni abschließen können, was wir müssen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Beide hier zu behandelnden Anträge haben den gleichen Ausgangspunkt, nämlich das Thema Bestandsdaten und den sicherheitspolitischen Umgang mit ihnen. Gleich zu Beginn möchte ich
eines deutlich machen, da immer wieder bewusst und gewollt Verunsicherung in der Bevölkerung geschaffen werden, wenn es um dieses Thema geht: Die Bestandsdatenauskunft ist kein Mittel zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger. Sie dient nicht dazu, in der Privatsphäre der Menschen herumzuspionieren.
Meine Damen und Herren, die Bestandsdatenauskunft ist heute ein unverzichtbares Instrument für die Sicherheitsbehörden geworden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2012 auch so gesehen und dem Gesetzgeber klare Handlungsanweisungen für die Ausgestaltung von Auskunftstatbeständen erteilt. Sowohl der hier in Rede stehende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes als auch die auf Bundesebene diskutierten Änderungen des Telekommunikationsgesetzes dienen der Umsetzung der Vorhaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Ich betone ausdrücklich: Sie dienen nicht einer Ausweitung behördlicher Befugnisse. Sie dienen nicht einer Intensivierung staatlicher Informationssammlungen. Der nun im Bundesrat zur Abstimmung stehende Entwurf ist ein Kompromiss, an dem auch Sozialdemokraten beteiligt waren. Dr. Dolgner hat es erwähnt.
Meine Damen und Herren, ich halte die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes für eine hinreichende und punktgenaue Umsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben. Dem Bundesverfassungsgericht ging es im Besonderen darum, dass der Gesetzgeber eindeutige Ermächtigungsgrundlagen für Bestandsauskünfte schafft und dass für den Bürger aus dem Gesetz erkennbar ist, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen von behördlicher Seite eine Bestandsauskunft eingeholt werden kann.
Ich betone an dieser Stelle, dass es gerade nicht um Verkehrsdaten geht. Der Gesetzentwurf bezieht sich einzig und allein auf Bestandsdaten. Diese werden in der öffentlichen Diskussion immer wieder vermischt. Es werden Behauptungen laut, die so nicht zutreffen. Die Erlangung von zum Beispiel einer PIN oder eines PUK eines Telefons ist in der Regel eine Hilfsmaßnahme, um eine bestimmte technische Hürde zu überwinden, die vor der eigentlichen Maßnahme steht. Das ist also ein verhältnismäßig geringer Eingriff. Das hat auch das Verfassungsgericht so gesehen. Wer hier durch Dramatisierung Verunsicherung schürt, der verhält sich unseriös.
- Nein, Herr Dr. Dolgner, ich lasse die Zwischenbemerkung oder die Zwischenfrage nicht zu. Wir haben im Ausschuss Gelegenheit, noch einmal darüber zu diskutieren.
Der Schutz persönlicher Daten hat in unserem Land einen hohen Stellenwert. Ich glaube, dass wir uns darin einig sind, dass es keine ausufernde Sammlung persönlicher Daten vonseiten des Staates geben darf. Wir wollen keinen gläsernen Bürger, aber der Staat muss die Möglichkeit haben, zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung bestimmte Daten abzufragen. Hier ist es immer erforderlich, zwischen den kollidierenden Interessen abzuwägen und möglichst alle Interessenlagen zu berücksichtigen. Ich bin der Auffassung, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Fassung, in der er am 3. Mai im Bundesrat verabschiedet werden soll, diesen Ausgleich in vernünftiger Weise vornimmt.