Vielen Dank, liebe Kollegin Midyatli. Ich möchte Sie nur freundlich darauf hinweisen, dass das skizzierte Verhalten in dem einen oder anderen Fall in Regierungsverantwortung möglicherweise so sein kann. In diesem Fall - beim Thema Flüchtlings- und Asylpolitik - möchte ich aber darauf hinweisen, dass das definitiv nicht zutrifft, sondern dass der von der FDP ins Kabinett gebrachte Justizminister Schmalfuß genau diese Linie politisch in Regierungsverantwortung mit Unterstützung der FDP-Landtagsfraktion unterstützt und durchgesetzt hat.
Ja, ich möchte für die Historie festhalten, dass die ehemalige Kollegin Luise Amtsberg den Antrag zur Lockerung beziehungsweise Aufhebung der Residenzpflicht hier in den Landtag mit unserer Unterstützung eingebracht hat,
und dass Sie danach in den Ausschussberatungen diesem Antrag zugestimmt haben. Der Vorstoß ging damals von der Opposition aus. - Liebe Luise, von hier aus noch einmal einen herzlichen Gruß, ab und an fehlst du mir hier.
- Schade. Ich nehme jedenfalls zur Kenntnis, dass wir hier eine Mehrheit im Landtag haben, um der Forderung der Aufhebung des Arbeitsverbots und nach mehr Mobilität für Flüchtlinge nachzukommen, hinter der - so hoffe ich - nicht nur purer wirtschaftsliberaler Utilitarismus steckt, der den Wert des Menschen allein durch seine Arbeitskraft definiert. Sei es drum, auch wir sind der Meinung, dass der Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt deutlich erleichtert werden muss. Denn arbeiten zu können, aber nicht zu dürfen, ist für einen Menschen einfach unwürdig,
zisiert haben. Dabei handelt es sich nicht um sozialromantische Vorstellungen, sondern um einen pragmatischen Umgang mit der Lebenswirklichkeit der Flüchtlinge, die unter uns leben. Wir sind für eine Aufhebung des Arbeitsverbots von einem frühestmöglichen Zeitpunkt an. Außerdem bedeutet Arbeit auch die Vermittlung gesellschaftlicher Teilhabe und Anerkennung von Selbstwert und Selbstbestimmung. Hierdurch lassen sich gesellschaftliche Fehlentwicklungen frühzeitig vermeiden, die sonst später aufwendig korrigiert werden müssten, sofern das überhaupt noch möglich ist.
Liebe Kollegen und liebe Kollegin von der FDP, dieser Antrag ist sicher sozusagen ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn wer Hü sagt, muss auch Hott sagen. Für die Weiterentwicklung des Asylrechts gehe ich fest davon aus, dass Sie auch für uns auf Bundesebene die Erweiterung der Sprach- und Integrationskurse auf Flüchtlinge einfordern, damit auch hier der Zugang erleichtert wird, weil nur der Arbeitsmarktzugang oder die Arbeitserlaubnis hier nicht ausreicht, denn es müssen selbstverständlich auch andere Rahmenbedingungen passen.
Das Zweite, das in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig ist und sich gerade in der Anhörung befindet, ist das Anerkennungsgesetz. Auch hier erwarte ich konstruktive Vorschläge von der FDP. Darauf bin ich auch wirklich gespannt.
Was das Sachleistungsprinzip und dessen Anwendung angeht, haben Sie, Herr Kubicki, schon gesagt, dass es einen enormen organisatorischen Aufwand erfordert. Wir nehmen schon längst davon Abstand. Soweit ich informiert bin, wenden wir, obwohl es im Gesetz noch steht, das seit Jahren nicht mehr an. Mir ist zumindest kein Kreis bekannt, der das Sachleistungsprinzip verfolgt. Wir haben uns schon längst davon verabschiedet. Aber dennoch ist es richtig, das Gesetz dahin gehend zu ändern, denn aus unserer Warte entspricht es nicht dem Verständnis von Menschenwürde, weil die Betroffenen zu Bezugsempfängern degradiert werden. Ich glaube, es ist hinreichend bekannt, dass wir als SPD-Fraktion, aber auch die Grünen und der SSW, schon lange gegen dieses Prinzip sind.
Zur Residenzpflicht wurde schon einiges gesagt. Da haben wir in Schleswig-Holstein auch schon eine Verbesserung hinbekommen. Ich hoffe aber, dass der flexiblere Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge, der für uns auch Freiheit und ein Men
Um die Sache am Ende ganz rund zu machen, möchte ich gern auf die Rede Ralf Stegners von gestern eingehen und die Position zum Thema Mindestlohn; denn ich hoffe nicht, dass der Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt bedeutet, einen Pool von Arbeitskräften zu schaffen, auf den wir für die Jobs, die wir als Deutsche selbst nicht machen wollen und die aufgrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung frei werden, zurückgreifen, weil das günstige und billige Arbeitskräfte sind. Das möchte ich ganz deutlich bekräftigen: Der Mindestlohn gilt selbstverständlich für jeden, der in diesem Land arbeitet. Der gilt auch für Flüchtlinge, die dann eine Arbeitserlaubnis haben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Viöl. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ich erteile jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Burkhard Peters das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist der internationale Tag des Rassismus
- gegen den Rassismus. Deswegen begrüße ich es sehr, dass wir die Debatte nicht gestern ohne mündliche Aussprache „abgeräumt“ haben, sondern dass wir das heute zur Sprache bringen.
Es ist zu begrüßen, dass nun endlich auch die FDP das Asylrecht weiterentwickeln will. Zunächst soll
ten wir uns jedoch daran erinnern, dass das bis 1993 in Deutschland bestehende Asylrecht im sogenannten Asylkompromiss auch unter Verantwortung der Bundes-FDP in einem beispiellosen Kahlschlag zurückentwickelt, ja weitgehend abgewickelt wurde.
- Herr Kubicki, „Schutzsuchende“ umfasst nicht nur die originär Asylsuchenden, sondern auch die von der Genfer Flüchtlingskonvention Umfassten und in Deutschland weiter Geduldeten, solange sie nicht abgeschoben werden können, wenn sie aus humanitären Gründen hier sind, zum Beispiel aus Krankheitsgründen. Deswegen der Begriff „Schutzsuchende“.
Mit der sogenannten Drittstaatenlösung gab und gibt es grundgesetzlichen Asylrechtsschutz nur noch für denjenigen, der nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Mit einem Schlag wurde somit für mehr als 90 % der Schutzsuchenden der Zugang zu Asyl in Deutschland abgeschnitten.
Mindestens genauso gravierend waren die im Zuge des Asylkompromisses durchgesetzten sozialrechtlichen Einschränkungen für die Schutzsuchenden. Diese Einschränkungen standen und stehen für die CDU/CSU noch heute unter der Generalüberschrift: Fluchtanreize sollen vermindert werden.
Das bedeutet für Asylsuchende seit 1993: Sozialleistungen circa ein Drittel unter den Regelsätzen der normalen Sozialhilfe, Essenspakete und Einkaufsgutscheine anstelle von Geldleistungen, medizinische Leistungen nur für Akutbehandlungen, Unterbringung in Sammelunterkünften, striktes Verbot von Arbeitsaufnahme vor Ablauf eines Jahres nach Einreise, danach nur Arbeit, die kein Deutscher oder EG-Bürger machen will, Reduzierung der Bewegungsfreiheit auf das Kreis- oder Stadtgebiet, keinerlei sprachliche Förderung vor Anerkennung.
Das eindeutige Signal an die Asylsuchenden heißt: Ihr seid hier nicht willkommen, je früher ihr wieder verschwindet, umso besser, und erzählt den Daheimgebliebenen, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu fliehen. Das war die Intention dieser Sonderregelungen.
Die Konzeption der Vermeidung von Fluchtanreizen geht von der Grundannahme aus, dass sich die überwiegende Zahl der Asylsuchenden allein aus wirtschaftlichen Gründen auf die Flucht begibt. Die Analyse der Hauptherkunftsländer und Herkunftszahlen belegt jedoch, dass die These, Flucht sei überwiegend Wirtschaftsflucht, grundfalsch ist. Schon die regelmäßige Betrachtung der „Tagesschau“ führt uns dies vor Augen. Die Bilder aus den Bürgerkriegen im Libanon, im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, im Irak, in Libyen und aktuell in Syrien zeigen und zeigten uns brutalste Verhältnisse, unendliches Leid für Zivilisten, Tod und Verstümmelung, Verrohung und lebensbedrohende Verelendung. Niemand von uns würde angesichts solcher Verhältnisse und Erlebnisse nicht an Flucht denken.
Wer wie ich in der beruflichen Praxis über Jahre hinweg mit Flüchtlingen in Kontakt stand, weiß genau, dass sich die allerwenigsten von ihnen aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg gemacht haben, in eine völlig ungewisse Zukunft, in ein für sie völlig fremdes Land.
Das Konzept der Vermeidung von Fluchtanreizen durch gezielte Schlechterstellung ist zutiefst zynisch und menschenverachtend. Es instrumentalisiert hier lebende Flüchtlinge und Geduldete im Interesse einer Abschreckung weiterer Schutzsuchender.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr zu den Leistungssätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes war somit eine längst überfällige Korrektur eines eindeutig verfassungswidrigen Umgangs mit Asylsuchenden und Geduldeten.
Sehr geehrte Damen und Herren von der FDP, wirklich bemerkenswert an Ihrem Antrag ist für uns nicht der Inhalt selbst. Wir Grüne fordern seit jeher substanzielle Verbesserungen. Viel beachtlicher ist, dass Sie beim Arbeitsverbot, beim Vorrang von Sachleistungen und bei der bundesweiten Lockerung - besser Aufhebung - der Residenzpflicht jetzt offenbar einen Paradigmenwechsel bei der Behandlung der Flüchtlinge in der Bundesrepublik vornehmen wollen, nachdem Sie über Jahrzehnte
hinweg der CDU/CSU im Konzept der Abschreckung durch Schlechtbehandlung gefolgt sind. Da würde uns doch schon einmal interessieren, was denn die tatsächlichen Beweggründe für diesen Sinneswandel sind.