Protocol of the Session on March 21, 2013

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung. Zunächst darf ich Ihnen mitteilen, dass heute der Herr Ministerpräsident Torsten Albig ganztägig beurlaubt ist. Ganztägig beurlaubt sind ebenfalls Frau Ministerin Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, sowie Herr Innenminister Andreas Breitner. Nachmittags ist Frau Finanzministerin Monika Heinold beurlaubt. Erkrankt ist Frau Abgeordnete Sandra Redmann. - Wir wünschen ihr von dieser Stelle aus gute Besserung!

(Beifall )

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 und 37 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Völlige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften

Antrag der Fraktionen von FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/581 (neu) - 2. Fassung

Familien und Alleinerziehende fördern - Ehegattensplitting um ein Familiensplitting ergänzen

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/659

b) Eingetragene Lebenspartnerschaften gleichstellen

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/630

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Ich gehe davon aus, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 18/630, durch die Mitantragstellung beim jetzt vorliegenden Antrag Drucksache 18/581 (neu) - 2. Fassung seine Erledigung gefunden hat. - Ich sehe keinen Widerspruch, damit ist der Tagesordnungspunkt 37 erledigt.

Ich eröffne die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 14. Das Wort hat der Abgeordnete der FDPFraktion, Herr Dr. Heiner Garg.

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hillary Clinton hat vor der UN Folgendes gesagt, und ich zitiere aus der deutschen Übersetzung:

„Führung bedeutet wortgemäß, an der Spitze eines Volkes zu stehen, wenn es notwendig ist. Es bedeutet, für die Würde all ihrer Bürger einzustehen und das eigene Volk davon zu überzeugen. Es bedeutet auch sicherzustellen, dass jeder Bürger vor dem Gesetz gleich ist.“

In derselben Rede führte sie weiter aus:

„Zuletzt lassen Sie mich allen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern weltweit sagen: Wo auch immer ihr lebt und was eure Lebensumstände sind, ob ihr Zugang zu einem Netzwerk habt, das euch Halt gibt, ob ihr euch isoliert und verletzt fühlt; ihr müsst wissen, dass ihr nicht allein seid. Menschen überall auf dieser Welt arbeiten hart daran, euch Unterstützung zu geben und die Ungerechtigkeiten und Gefahren, die ihr erleben müsst, zu beenden. Das gilt für mein Land, und ihr habt einen Verbündeten in den Vereinigten Staaten von Amerika, und ihr habt Millionen von Freunden in der US-Bevölkerung.“

(Beifall FDP, PIRATEN, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum zitiere ich aus der Rede? - Wenn Sie im Internet die Stichworte „Hillary Clinton“ und „Gay Marriage“ angeben, dann werden Sie ein erstaunliches Video finden, in dem die ehemalige Außenministerin der Vereinigten Staaten sich wie kaum eine zweite Spitzenpolitikerin für exakt gleiche Rechte stark macht. Sie fordert für die gesamten Vereinigten Staaten: Wenn die Vereinigten Staaten weiterhin einen Führungsanspruch in der Welt haben wollen, dann müssen sie zuerst bei sich selbst anfangen und die völlige Gleichstellung auf den Weg bringen. Ähnliches fordert im Übrigen die britische Regierung, die in einem bemerkenswerten Clip mit zwei Marines die Überschrift darstellt: Jeder Mann kann ein Ehemann sein, und jeder Mann kann ein Held sein.

Ähnlich äußerte sich zum ersten Mal das britische Königshaus. Das sollte man nicht vermuten. Genauso äußerte sich der amerikanische Präsident, der sich noch zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Hinblick auf die Öffnung der Ehe sehr skeptisch geäußert hat. Er hat seine Meinung komplett revidiert und begründet, warum er nun völlig anderer Auffassung ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der heute vorliegende Antrag gibt - so glaube ich - allen noch einmal die Gelegenheit, darüber nachzudenken, warum Menschen, die einen Menschen ihres gleichen Geschlechts lieben, immer noch bestimmte Rechte vorenthalten werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass nicht mehr diejenigen, die diese Rechte einfordern, erklären müssen, warum sie sie einfordern, sondern dass diejenigen, die uns diese Rechte nach wie vor verweigern, erklären müssen, warum sie diese Rechte nach wie vor verweigern.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wir diskutieren in diesem Zusammenhang in Deutschland derzeit vor allem zwei Einzelpunkte: Wir diskutieren über das Steuerrecht. Das haben wir in der letzten Landtagstagung getan, und wir diskutieren über das Adoptionsrecht. Ich will das gar nicht so technisch machen. Ich möchte bitten, darüber nachzudenken, ob es nicht richtig sein könnte, dass Kinder in einer glücklichen gleichgeschlechtlichen Beziehung möglicherweise behüteter aufwachsen als in einer zerrütteten Ehe.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich wünsche mir, dass von diesem Landtag noch einmal das Signal ausgeht, dass Deutschland mindestens ein so fortschrittliches Land ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika es jetzt gern werden wollen.

Herr Kollege Stegner, ich muss jetzt Südafrika nennen, auch wenn das Land gestern in einem anderen Zusammenhang genannt wurde. In Südafrika ist es längst gang und gäbe, dass die Ehe geöffnet ist. Gleiches gilt für Kanada, Spanien, Belgien, Norwegen, Schweden, Portugal, Argentinien, Dänemark oder weite Teile Brasiliens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist der völlig unangebrachte Zeitpunkt und Ort, irgendjemandem einen Vorwurf machen zu wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich bitte nur herzlich darum, darüber nachzudenken, mit

welcher Begründung sich Teile der Union immer noch so schwer tun, gesellschaftliche Realitäten und den Auftrag der Politik, Rahmenbedingungen für gesellschaftliches Miteinander zu gestalten, anzuerkennen.

(Beifall PIRATEN)

Dies betrifft bei Weitem nicht die gesamte Union; weder hier in Schleswig-Holstein noch in der Bundesrepublik. Ich glaube nicht, dass ich Ihnen irgendetwas wegnehme, wenn die Union uns die gleichen Rechte zugestehen würde.

Ich will den Satz noch einmal wiederholen: Nicht diejenigen, die die gleichen Rechte einfordern, müssen erklären, warum sie das tun, sondern jetzt ist es an ihnen, zu erklären, warum sie diese Rechte nicht allen Menschen gewähren. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne den Parteivorsitzenden der Piratenpartei Schleswig-Holsteins, Sven Stückelschweiger. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist von der SPD-Fraktion der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Gleichstellung zeichnet sich unsere neue Landesregierung ganz besonders aus. Gemeinsam mit Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg hat Schleswig-Holstein im Bundesrat die Initiative für ein Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts bereits eingebracht. Diese Regierung hat also die Zeichen der Zeit erkannt. Das ist ein wichtiger Schritt gegen Diskriminierungen in unserem Land.

Mit der Ermöglichung von eingetragenen Lebenspartnerschaften hatten wir Anfang dieses Jahrtausends einen deutlichen Fortschritt erreicht. Wirklich beendet hat dies die Diskriminierung homosexueller Bürgerinnen und Bürger aber nicht. Bis heute bestehen Diskriminierungen, wenn wir beispielsweise an das Steuerrecht oder an die Möglichkeit von Adoptionen denken. Diese Benachteiligung

(Dr. Heiner Garg)

von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Präferenzen müssen wir endlich beenden. Einige unserer Nachbarländer haben das längst getan.

Die Gesellschaft verändert sich, so auch ihr Verständnis von dem, was Ehe und Familie alles bedeuten kann, völlig unabhängig davon, welche Präferenz man selbst hat, was man individuell befürwortet und was nicht. Diese Koalition unterstützt und befürwortet eine Politik, die dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trägt und nicht im Biedermeier vergangener Zeiten verharrt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Familie ist eben nicht nur da, wo ein heterosexueller Mann mit einer heterosexuellen Frau und ihren gemeinsamen Kindern im Einfamilienhaus zusammenlebt. Familie ist überall da, wo Menschen dauerhaft füreinander einstehen und füreinander Verantwortung übernehmen. Familien sind bunter geworden. Sie bleiben übrigens auch dabei das Fundament unserer Gesellschaft. Dass sich Menschen lieben, füreinander da sind, ob mit oder ohne Kinder, und wenn Kinder da sind, dass sie dann für sie liebevoll sorgen, das ist das Einzige, worauf es wirklich ankommt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt PIRATEN, CDU und Bei- fall Dr. Heiner Garg [FDP])

Darüber sollten wir uns freuen, und da darf es weder materielle noch bornierte ideologische Barrieren und Diskriminierungen geben. In dieser Frage geht es auch darum: Sind wir endlich im 21. Jahrhundert angekommen? - In diesem Haus scheint mir das der Fall zu sein, wenn man von einer Fraktion absieht, die sich irgendwie immer noch nicht durchringen kann. Sie folgen der Regierung Merkel, und Frau Merkel ist in dieser Frage nun wirklich kein Vorbild. Den Daumen im Wind und den Blick ängstlich nach Karlsruhe gerichtet: Führung ist das nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Diese wäre aber besonders notwendig, wenn ich zum Beispiel an die unsäglich intoleranten öffentlichen Äußerungen des CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis denke. Dazu müsste man im Bundestag einmal etwas sagen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Es ist nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung Merkel Nachhilfe vom Bundesverfassungsgericht in Sachen Gerechtigkeit braucht.

Ich will Ihnen aber auch sagen: Die Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität zu beenden, sollte für uns eine Selbstverständlichkeit sein, gerade für uns Deutsche. Wir leben in einem Land, in dem Menschen aus vielerlei Gründen, aber eben auch wegen ihrer sexuellen Orientierung systematisch verfolgt und ermordet worden sind. Wir sollten also nicht die Letzten sein, die kapiert haben, dass Toleranz und Lernen aus der Geschichte für uns wichtig und notwendig sind.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wir wollen und wir müssen Diskriminierungen jeglicher Art entschlossen entgegen treten. Dazu dient auch der heutige Antrag. Wir wollen Toleranz und Vielfalt. Wir wissen: Unsere Gesellschaft profitiert nicht durch Einfalt, reicher werden wir durch Vielfalt. Es heißt, ein Vorurteil sei ein Irrtum, der Wurzeln geschlagen hat. Lassen Sie uns diese Wurzeln endlich kappen! Aus ihnen wächst nur Unkraut. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, SSW und vereinzelt FDP)