Protocol of the Session on March 20, 2013

Das ist eine Frage von guter Arbeit, aber auch von Gleichstellung und vor allem Gerechtigkeit. An die Adresse der sogenannten bürgerlichen Parteien sage ich hier, dass wir es gewesen sind, die die meisten bürgerlichen Freiheiten erstritten haben. Auch diese Freiheit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, wird von uns erstritten werden müssen, von Rot-GrünBlau in diesem Hause und von Rot-Grün bundesweit, weil Sie dagegen sind, meine sehr verehrten Damen und Herren von Schwarz und Gelb.

Zum Thema gute Arbeit gehört aber auch eine ordentliche Mitbestimmung. Sie haben heute Morgen gekniffen, Herr Kollege Callsen, als der DGBNord-Vorsitzende Briefe übergeben hat. Darin wollte er sich bei denen bedanken, die das eingehalten haben, was sie im Wahlkamp versprochen haben, und er hat seine Verwunderung gegenüber denjenigen geäußert, die nicht gehalten haben, was sie in Wahlkampfreden Tolles erzählt haben.

Ich hatte das Vergnügen, an einer Betriebsrätekonferenz teilzunehmen. Da waren Herr Callsen und Herr Kubicki mit mir auf dem Podium. Da hat Herr Kubicki Herrn Callsen gefragt: „Wie, haben wir etwas bei der Mitbestimmung verändert?“ Er war sich nicht so ganz sicher, er konnte nicht jedes Detail kennen, Herr Kollege Garg. Dann antwortete Herr Callsen: „Nein, wir haben eigentlich nicht viel verändert.“ Die Beschäftigten dort haben das ganz anders gesehen. Sie haben die Mitbestimmung ausgehöhlt. Wir hatten ein gutes Mitbestimmungsgesetz, und das stellen wir wieder her.

(Beifall SPD)

Unter dem fadenscheinigen Vorwand der Haushaltskonsolidierung haben CDU und FDP damit begonnen, die Entwicklung zurückzudrängen. Sie haben die Reduzierung der Größe der Personalräte und weitere Behinderungen der Arbeit beschlossen: marginale Einsparungen, maximaler Schaden für die Interessenvertretung der Beamtinnen und Beamten.

Heute wollen und werden wir ein Gesetz beschließen, das das wieder umkehrt. Die betriebliche Mitbestimmung ist ein wesentlicher Teil der Demokratisierung unserer Gesellschaft, und angesichts der anstehenden Entscheidungen in den Personalhaushalten sind starke Personalräte unverzichtbar. Auch das ist übrigens eine Frage der Wertschätzung des Miteinanders. Sie hätten heute Morgen nicht so große Reden schwingen sollen, wenn Sie bei der Frage der Mitbestimmung nur mit den Landräten reden, wie wir wissen, aber nicht mit den Beschäftigten. Das ist das, was Sie von uns unterscheidet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist eben so, Sie halten laute Reden, weil Sie sagen: Es kommt nicht so darauf an, ich bin in der Opposition. Aber wenn man einmal darauf guckt, was Sie wirklich tun, dann ist Arbeitnehmerpolitik für Sie ein Fremdwort. Das gilt für die CDU, und das gilt auch für die FDP, wenngleich man der FDP zugute halten muss, dass der Landesverband Schleswig-Holstein ein bisschen weniger unsozial ist als die Bundespartei. Da haben Sie recht. Trotzdem sind auch Sie nicht für echte Mindestlöhne, sondern nur für diese Schein- und Pseudomindestlöhne.

Ich muss sagen: Arbeitnehmerpolitik ist für uns sehr wichtig. Ich will hier aber auch sagen, damit wir uns nicht missverstehen: Auch wir sind nicht frei von Fehlern gewesen. Die Entwertung von Arbeit zuzulassen, gehört zu den Fehlentscheidungen der rot-grünen Sozialreformen vor zehn Jahren, der sogenannten Agenda 2010, die unser Land insgesamt durchaus vorangebracht haben, aber, ich glaube, es musste beim Thema prekäre Beschäftigung, bei Leih- und Zeitarbeit nachgesteuert werden, übrigens auch, weil die Wirtschaft missbraucht hat, was sie an Möglichkeiten hatte. Auch das haben wir getan.

(Beifall SPD)

Ich will Ihnen ehrlich sagen: Dass mit der guten Arbeit setzt sich überall durch. Das erleben Sie hier bei den Wahlen. Auch dafür sind Sie abgewählt worden, und bei der Bundestagswahl wird es ähnlich sein. Sie von der Opposition hatten in dieser Debatte - jedenfalls der Kollege Callsen - nur schlechte Argumente zu bieten, die man am Besten dadurch bekämpft, dass man ihre Darlegung nicht stört und bekannt macht. Wilhelm Busch hat einmal gesagt: „Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie.“ Wenn Sie hier vom „sozialistischen Stegner-Paradies“ reden, dann beschreibt das

(Dr. Ralf Stegner)

weniger das, was Sie damit anprangern wollten, sondern den wirklich kläglichen Zustand der Opposition in diesem Hause. Holen Sie sich wenigstens einen besseren Redensschreiber, wenn es schon sonst mit der Opposition nicht klappt. Herr Kubicki kann ja inzwischen schon öffentlich sagen, er sei der Oppositionsführer, ohne dass jemand widerspricht. Nicht einmal aus der Union widerspricht da noch jemand. Das beschreibt doch den Zustand Ihrer Fraktion hinreichend. Das, muss ich sagen, ist beklagenswert, weil eine starke Christlich Demokratische Union beim Thema „gute Arbeit“ durchaus hilfreich wäre, wenn Sie das nicht der FDP allein überließen. Ich finde es auch für dieses Haus ganz schön, wenn Sie das täten. Das tun Sie aber nicht.

Mitbestimmung, der Kampf gegen prekäre Beschäftigung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn - das ist etwas, das das Prädikat „gute Arbeit“ verdient hat. Das ist gute Arbeit, die wir übrigens auch hier im Parlament leisten wollen.

Deswegen appelliere ich an Sie alle: Geben Sie sich einen Ruck. Stimmen Sie diesen guten Gesetzen zu, sowohl dem Mindestlohngesetz als auch dem Mitbestimmungsgesetz. Treten Sie endlich für gleichen Lohn für gleiche Arbeit ein.

Herr Kollege Garg, da Sie ja bald reden werden: Es wäre wunderbar, wenn Sie das nicht nur am Mikrofon sagen würden, sondern auch dabei wären, wenn am Ende die Hand gehoben wird. Dann könnten Sie einmal zeigen, dass Sie beim Thema „gute Arbeit“ besser sind als Ihre Kollegen rechts von Ihnen. Aber ich fürchte, auch bei Ihnen wird nur der Mund gespitzt und am Ende nicht gepfiffen. Aber die Mehrheit im Hause ist da für Mindestlohn, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für Tariftreue, für Mitbestimmung. All das machen Rot-Grün-Blau hier zusammen. Liebe Kollegen von den PIRATEN, wir laden Sie ein, seien Sie auch noch mit dabei. Das wäre prima. Die da drüben wollen, glaube ich, nicht. Dann haben wir einen guten Tag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Andreas Tietze.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau einem Jahr habe ich hier an dieser Stelle gestanden und im Auftrag meiner Fraktion ein grünes Gesetz zum Landesmindestlohn eingebracht. Was ist denn in diesem einem Jahr passiert? Auf der Bundesebene nichts.

Herr Callsen, Sie stellen sich hin und wiederholen altbekannte Positionen. Ich kann ja verstehen, dass Sie in diesem Jahr viel mit sich selbst zu tun gehabt haben. Ihre Vorsitzenden gingen und kamen ja. Ihre programmatische Erneuerung in Schleswig-Holstein hat nicht stattgefunden. Im Gegenteil, wie die Debatte auf Bundesebene zeigt, die Ihre Arbeitsministerin Frau von Leyen führt, ist mittlerweile auch in der CDU die Frage eines bundesweiten Mindestlohns von 8,50 € ein Thema. Die Wahrheit ist: Die Einzigen, die das blockieren, sind die FDP. Herr Rösler hat sich dieser Frage auf der Bundesebene verweigert. Die Ausgangslage nach einem Jahr ist, dass Ihre Koalition in Berlin sich einem bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn verweigert.

Deshalb sage ich noch einmal: Bei keinem anderen Thema ist der Unterschied auch in diesem Landtag so deutlich wie beim Thema Mindestlohn. Sie lehnen weiterhin die gesetzlichen Mindestlöhne ab.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja, und?)

Das heißt auch, dass Sie sich um die Frage herumdrücken: Was ist in Deutschland ein armutsfester Lohn?

(Johannes Callsen [CDU]: Das ist doch falsch!)

Sie wollen diese Frage nicht beantworten. Sie geben den Menschen keine politische Antwort. Deshalb ist das eine Politik der sozialen Kälte, die in unterschiedlichen Bundesländern abgewählt worden ist, zuletzt in Niedersachsen.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich garantiere Ihnen: Wenn Sie als FDP bei dieser Haltung bleiben, Herr Kollege Garg - da kann Herr Kubicki noch und nöcher in Ihrem Präsidium herumfuhrwerken und herumwurschteln, wie er möchte -, werden Sie im September dieses Jahres von den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland abgewählt.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Ralf Stegner)

Diese Politik der sozialen Kälte kann kein Mensch mehr gebrauchen und will auch kein Menschen mehr. Wissen Sie, was das Peinlichste ist? Herr Kollege Garg, ich habe die Debatte um den Armuts- und Reichtumsbericht verfolgt. Da hat Ihr Parteikollege Herr Rösler darauf bestanden, dass folgender Satz aus dem Armuts- und Reichtumsbericht gestrichen wird. In diesem Bericht sollte der Satz, von Wissenschaftlern erarbeitet, stehen - ich zitiere, Herr Präsident -: Insgesamt arbeiten in Deutschland über 3,5 Millionen Menschen für einen Bruttoarbeitslohn von weniger als 7 €. - Diesen Satz, der mit Statistik und mit Grundrechenarten zu tun, streicht Herr Rösler aus dem Armutsund Reichtumsbericht. Was für eine erbärmliche Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Mit 7 € können Menschen nicht von ihrer Hände Arbeit leben, und Sie verweigern sich dieser Erkenntnis durch kollektive Ignoranz.

Deshalb sagen wir: Der Niedriglohnsektor muss gestoppt werden, die Lohnspirale nach unten muss gebremst werden. Sie sind doch in der FDP vehement gegen Subventionierungen. In allen möglichen Parteiprogrammen liest man das. Warum sind Sie dann nicht gegen die Subventionierung des Niedriglohnsektors? Warum wollen Sie weiterhin daran festhalten, dass der Staat die Löhne quer subventioniert? Warum ist das Ihre Politik? Da ist ein Bruch.

(Beifall SSW)

Ich sage Ihnen: Das Sprichwort: „Wo eine Wille ist, ist auch ein Weg“, heißt im Umkehrschluss: Bei Ihnen, wo kein Wille ist, gibt es auch keinen Weg. Deshalb sind Sie auch nicht bereit, eine soziale, gerechte Politik für Deutschland zu machen.

Wir haben gerade von Ihnen gehört, Herr Callsen, dass Sie gesagt haben: Da ermächtigen wir den Wirtschaftsminister; der soll das richten. Nein, wir haben gesagt: untere Grenze öffentlicher Dienst das war immer unsere politische Position -, Eingangsbezahlung öffentlicher Dienst 8,88 €. Die Tarifsteigerung, die wir jetzt bei den Angestellten haben, haben wir eins zu eins auf diese 8,88 € aufgerechnet. Deshalb kommen wir auf 9,09 €.

(Johannes Callsen [CDU]: Donnerwetter!)

Da ist nicht par ordre du mufti oder ein Wirtschaftminister, der etwas feststellt. Die Behauptung, Herr Kollege Callsen, die Sie hier tatsächlich aufgestellt haben, wir ignorierten die Tarifpartner, ist doch

eine Unwahrheit erster Güte. Wir haben gerade in dieser Entscheidung bewiesen, dass wir genau diese Tarifabschlüsse achten, wertschätzen und auch in unser Gesetz übernehmen. Das ist eben der Unterschied. Wir wollen keine Dumpinglöhne. Dumpinglöhne sind die falsche Antwort.

Deshalb sagen wir noch einmal: Wir müssen in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein durch dieses Gesetz mehr Gerechtigkeit schaffen. Für uns ist es ein Dreiklang der sozialen Gerechtigkeit: Tariftreue, Mindestlohn und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das ist der Dreiklang einer sozialgerechten Arbeitsmarktpolitik, für die wir stehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Deshalb sage ich Ihnen: Ihre Argumente sind von gestern, wenn ich immer wieder höre: Abwanderung der Firmen. Sie malen ja den Untergang der schleswig-holsteinischen Wirtschaft an die Wand. Das Gegenteil ist der Fall. Alle Studien, die ich kenne, sagen: Steigerung der Kaufkraft, Anstieg der Binnennachfrage, der Konsumgüternachfrage, sinkende Staatsleistungen für Sozialaufgaben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann fangen Sie doch jetzt damit an!)

Das, was 20 europäische Länder machen, kann doch nicht so falsch sein. Der Arbeitsmarkt und die Binnenkonjunktur profitieren von einem gesetzlichen Mindestlohn, der armutsfest ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Super! Dann ma- chen Sie das doch mal!)

In einigen europäischen Ländern liegt das Niveau des gesetzlichen, allgemeinverbindlichen Mindestlohns über 10 €. Ich will hier deutlich machen. Das, was wir hier tun, hat auch eine wirtschaftspolitische Komponente und ist ein Anreizprogramm für Arbeitsmarktpolitik, für die Konjunktur und hat eben nicht zur Folge, wie Sie hier ständig behaupten, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Das Gegenteil ist der Fall.

Im Übrigen sind das Arbeitsplätze in Bäckereien, in Wäschereien. Wissen Sie, die Brötchen kann man eben nicht in China kaufen, und die Wäsche kann man sich auch nicht in China waschen lassen. Da geht es um Arbeitsplätze hier in Schleswig-Holstein, um kleine und mittelständische Unternehmen, die hier in Schleswig-Holstein das Rückgrat unserer Wirtschaft sind. Genau diese Arbeitsplätze stärken wir und schwächen wir nicht mit unserem Gesetz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Andreas Tietze)

Ich sage Ihnen auch: Sie werfen uns Staatsgläubigkeit vor. Sie sagen ja: Da kommen wieder die Staatsparteien; der Staat wird es schon richten. Wo stünden wir denn in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, wenn wir nicht eingegriffen hätten? Im Grunde genommen wissen doch alle: Es war mangelnde Kontrolle, die das Chaos in den weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrisen ausgelöst hat. Der Neoliberalismus, lieber Herr Kollege, ist nicht die Problemlösungsstrategie der Zukunft. Mit diesen ollen Kamellen kann man die Herausforderungen der Zukunft nicht lösen. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.

Deshalb sagen wir Ihnen auch: Mit diesem Gesetz verpflichten wir uns. Wir sind in einer Vorbildfunktion. Wir sagen: Wer vom Land künftig Zuschüsse erhalten möchte, der muss sich verpflichten, faire Löhne zu zahlen. Das ist eine ziemlich klare Botschaft. Wer Landesgeld haben will, muss faire Löhne zahlen. Das ist eine klare Botschaft. Das gilt auch für die Arbeiterwohlfahrt, für die Diakonie und für andere Wohlfahrtsverbände, die über das Tariftreuegesetz nicht erreicht werden. Insofern schließen wir in Schleswig-Holstein auch die Gerechtigkeitslücken vollständig. Das ist unsere Politik. Wir wollen eine lückenlose gerechte und faire Arbeitsmarktpolitik für Schleswig-Holstein. Deshalb ist dieses Gesetz ein weiterer Baustein unserer Gesamtpolitik, auf die wir uns vereinbart haben.