Herr Kollege Dr. Breyer, die doch ungleich stärkeren Einfluss auf die Willensbildung eines Abgeordneten nehmen können als möglicherweise berufliche Ambitionen?
In meiner Lieblingszeitung „taz“ konnte ich am vergangenen Freitag lesen, die Piratenfraktion wolle ein „Anti-Kubicki-Gesetz“.
Am Ende des Artikels wurde Herr Dr. Breyer mit den Worten zitiert, er glaube, die anderen Fraktionen hiermit - Zitat - „treiben zu können, damit die Kungelei hinter den Kulissen nicht weitergeht“. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Kungelei hinter den Kulissen derzeit schon stattfindet. Das allerdings ist eine sehr interessante Wahrnehmung der derzeitigen parlamentarischen Abläufe hier im Landeshaus. Im Grunde sagen Sie hiermit, dass zumindest Teile der Abgeordneten die eigentliche demokratische Willensbildung im Parlament aus den Angeln heben.
Sie unterstellen damit aber nicht nur der FDP-Fraktion, sondern allen anderen Kollegen von CDU, SPD, Grünen und SSW, dass es ihnen bei ihrer parlamentarischen Arbeit nicht um die Sache geht, sondern dass sie persönliche Interessen verfolgen. Welche Interessen verfolgen eigentlich Sie als Freibeuter der sogenannten Schwarmintelligenz?
Wir haben in bestimmten Fragen durchaus unterschiedliche Auffassungen. Es ist ja auch Sinn einer parlamentarischen Demokratie, dass hier im Parlament unterschiedliche Auffassungen aufeinanderprallen. Wir haben nicht eine Meinung; denn sonst hätten wir auch nur eine Einheitspartei. Das wäre das Gegenteil von dem, was wir uns eigentlich vorstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich einmal den Antrag der PIRATEN durchlesen, dann sollen diejenigen, die Nebentätigkeiten als Anwalt, als Handwerker, als Landwirt ausüben, auch noch erklären, wie viel Zeit sie dafür aufwenden. Herr Kollege Voß könnte vielleicht einmal erklären, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, die Kühe zu melken, und ich könnte dann bei jedem Mandat erklären, wie viel Zeit ich in Anspruch nehme, um das Mandat auszuüben. Das Interessante ist: Irre ich mich in der Zeit, werde ich mit einem Bußgeld belegt, denn das ist eine Ordnungswidrigkeit. Ich kann also mit einem Straf- oder Bußgeld belegt werden, das der Landtagspräsident festsetzt. Was
für eine Vorstellung von einem freien Parlament, von freien Abgeordneten bei der Mandatsausübung hier!
Herr König, ich sage Ihnen: Die Anwesenheit allein, also 40 Stunden im Parlament, oder die Anmeldung des Wohnsitzes hier rechtfertigen es noch nicht, dass die Menschen draußen glauben, dass Sie Ihre Arbeit sinnvoll erledigen.
Wenn ich mir überlege, was die Abgeordneten der PIRATEN in Berlin machen, wo sie den dortigen Senat mit Anfragen wie dieser traktieren wie: „Ist Berlin für den Fall einer Zombie-Katastrophe gerüstet?“,
dann kann ich nur sagen: Die Anträge, die Sie hier gerade vorgelegt haben, entsprechen der Qualität dieser Anfragen. Deshalb werden wir uns intensiv im Innen- und Rechtsausschuss mit dieser Frage beschäftigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Wertschätzung: Freiberufler, Handwerker, Selbstständige und Landwirte müssen im Prinzip das Risiko ihres eigenen Gewerbes tragen, wenn sie im Parlament sitzen. Die meisten von ihnen müssten jemand anderen beschäftigen, der ihre Arbeit erledigt, weil sie dann, wenn sie nach vier oder fünf Jahren aus dem Parlament ausscheiden müssen, nicht vor dem Nichts stehen dürfen.
Öffentlich Bedienstete stehen nicht vor dieser Situation. Vielleicht sollten wir einmal die Frage klären, ob diejenigen, die aus dem öffentlichen Dienst kommen, nicht ausscheiden müssen, wenn sie ins Parlament gehen, also das eigene Berufsrisiko übernehmen müssen wie alle anderen auch. Als hier jemand als Geschäftsführer aus seinem Unternehmen ausgeschieden ist, musste er für den gleichen Betrag, den er hier bekommen hat, jemand anderen in seinem Unternehmen beschäftigen. Das ist die Frage, die wir klären müssen: Wen wollen wir eigentlich mit welchen Risiken im Parlament haben? Dies sollten wir in Ruhe und in Sachlichkeit beraten und nicht mit solchen Anträge, wie Sie sie vorgelegt haben.
“Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Eigennutz zu dienen.”
Das ist die Eidesformel, nach der wir unser Mandat in diesem Parlament ausüben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass alle Abgeordneten dieses Landtags ihr Mandat entsprechend dieser Eidesformel auch ausüben.
Der vorliegende Gesetzentwurf der PIRATEN strotzt allerdings nur so vor Misstrauen gegenüber den Abgeordneten, dem Parlamentarismus und letztendlich auch diesem Parlament. Schon der Titel des Gesetzes ist dabei verräterisch. Er lautet: „Gesetz zur Sicherung des Vertrauens in die Unabhängigkeit der Mitglieder des Landtags“.
Sichern muss man aber nur etwas, wenn es bedroht ist. Ich sage hier noch einmal ganz klar: Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Mitglieder des Landtags ist nicht bedroht, denn es gibt keinen konkreten Anlass, an der Unabhängigkeit jedes Einzelnen von uns hier zu zweifeln.
Im Gegenteil: Nach unserer Auffassung muss erst einmal die Unschuldsvermutung gelten, bevor man hier schwere Geschütze auffährt und Abgeordnete zu gläsernen Menschen macht, zu gläsernen Menschen im Übrigen, deren Schaffung sonst mit Recht von den PIRATEN in allen anderen Zusammenhängen immer abgelehnt wird. Nach dem Gesetzentwurf der PIRATEN sollen alle Einkünfte aus einmaligen und regelmäßigen Tätigkeiten auch unter Einbezug von selbstständigen gewerblichen Tätigkeiten - vollständig und einzeln zuordenbar durch Abgeordnete offengelegt werden. Das heißt erstens, dass jeder, der in den Landtag will, gegenüber möglichen wirtschaftlichen Konkurrenten seine vollständigen wirtschaftlichen Verhältnisse und auch die seines Unternehmens preisgeben muss - eine Regelung, die nicht nur während der
Landtagszeit gilt, sondern auch nach der Landtagszeit die geschäftliche Grundlage des Einzelnen massiv beschädigen kann.
Der Besitzer eines EDEKA-Ladens gibt sensible Geschäftsdaten - nichts anderes ist sein Gewinn preis und muss nach seiner Landtagszeit dann unter erschwerten Bedingungen wieder sein Geld am Markt verdienen. Ich glaube nicht, dass das vernünftig ist.
Herr Kollege, wenn Sie hier anprangern, dass wir eine vollständige Offenlegung der Geschäftsdaten fordern: Würden Sie mir zugeben, dass zum Beispiel Geschäftspartner oder auch einzelne Transaktionen eines Selbstständigen nach unserem Gesetzentwurf nicht offengelegt werden müssen?
Nee, genau das würden wir nicht. Dann müssen Sie Ihren Gesetzentwurf einmal lesen, da steht etwas anderes drin. Das ist ja die Katastrophe.
Aber wenn Sie Ihre Gesetzentwürfe schon nicht einmal mehr selbst lesen, dann zeigt das schon, wie Sie an die ganze Geschichte herangehen. Vorhin wurde schon gesagt: Am besten beschäftigen Sie sich wahrscheinlich wirklich einmal mit Zombi-Katastrophen oder Ähnlichem und lassen uns mit solchen Dingen in Ruhe,
weil ich wirklich glaube, dass diese Vorstellung, dass Parlamentarier per se schlechte Menschen sind - kriminell und nur sich selbst gegenüber verpflichtet -, nicht die richtige Einstellung ist und auch nicht das richtige Bild, das wir als Parlament nach außen abgeben wollen. Und so sind wir auch nicht.
Ich glaube, dass man zumindest genau überlegen muss, ob wir wirklich diese Art der Transparenz haben wollen oder ob es uns nicht mehr interessiert, wo Menschen möglicherweise wirklich konkret bei Entscheidungen in Abhängigkeiten zu Unternehmen und Organisationen stehen. Niemand hat etwas dagegen, wenn man so etwas preisgeben und bei Entscheidungen angeben muss. Das ist in der Kommunalpolitik völlig normal. Ich glaube, kluge Abgeordnete machen das im Vorwege deutlich, wenn sie hier entsprechende Entscheidungen fällen sollen.
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir eine Transparenzregelung schaffen wollen, die sich an der Regelung im Bundestag orientiert. Diese Regelung auf Bundesebene, durch die in Stufen die Nebeneinkünfte der Abgeordneten komplett aufgeführt sind, scheint ein guter Kompromiss zu sein. Aber auch hier wird natürlich nicht jede mögliche Abhängigkeit abgebildet. So kann man zum Beispiel zu Recht fragen, ob nicht auch Schuldner in einer gewissen Abhängigkeit stehen. Ist derjenige, der einen 250.000-€-Hauskredit bei einer Privatbank hat, möglicherweise abhängiger als derjenige, der bei der gleichen Bank Kapital in gleicher Höhe hat? - Wir werden wohl nie eine Antwort auf diese Frage erhalten,