Protocol of the Session on March 20, 2013

Dass dieses Ergebnis allerdings auf der Basis des Vorschlags der PIRATEN erzielt wird, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Das ist doch wohl eher ein Operettenantrag: Großer Auftritt, bunte Kostüme, alles auf die Bühne, was geht - mit Ausnahme des Wohnorts und des Geburtsdatums des „Piratenführers“.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Petra Nicolaisen)

Daran muss es aber nicht scheitern. Schließlich können wir auf gute Vorschläge aus den vergangenen Jahren zurückgreifen, basierend auf Anträgen von SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vom SSW. Wir Sozialdemokraten streben eine Änderung des Abgeordnetengesetzes an. Nebentätigkeiten und Einkünfte aus solchen müssen zukünftig anzeigepflichtig sein, und die Höhe der Einkünfte muss für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar sein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die CDU wollte immer so lange warten, bis der Bundestag dieses Thema auf der Basis neuer verfassungsrechtlicher Entscheidungen geregelt hat. Das war über all die Jahre hinweg der Freifahrtschein für Stillstand. Die FDP hat das sowieso nie ernst genommen und hält sich nicht einmal an die Bestimmungen des derzeit gültigen Abgeordnetengesetzes.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und PIRA- TEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Maßstab für eine Transparenzregelung über die Nebentätigkeiten von Abgeordneten sollte nicht sein, alles offenzulegen, was möglich ist. Das ist die Philosophie der PIRATEN. Da fehlt dann nur noch die Verbindung mit der Payback-Karte der Tante zweiten Grades. Das ist nicht unser Ansatz. Der Maßstab sollte vielmehr sein, dass das offengelegt wird, was erforderlich ist, um mögliche Abhängigkeiten und Interessenüberschneidungen durch Lobbygruppen transparent zu machen.

Bei der CDU ist in den vergangenen Monaten möglicherweise ein Sinneswandel eingetreten. Nachdem sie den zukünftigen Bundeskanzler Peer Steinbrück wegen seiner Nebeneinkünfte heftig gerüffelt und brutalstmögliche Transparenz gefordert hat, wird sie sich jetzt kaum einer angemessene Regelung verschließen können. Allen muss klar sein: Die Sensibilität innerhalb der Bevölkerung ist durch viele Ereignisse, nicht zuletzt durch die Debatte um den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff, sehr groß.

Meine Damen und Herren, einige Fraktionen neigen dazu, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Transparenzregelung für Abgeordnete etwas zu verbiegen. Frau Nicolaisen, bei Ihrer Rede habe ich davon sehr viel verspürt. Das Gericht hat zum einen gesagt, dass der Wähler sehr wohl wissen müsse, wen er wählt. Es hat ergänzt, dass es dem Grundanliegen demokratischer Wil

lensbildung entspreche, die Abgeordneten zu verpflichten, Angaben über Nebentätigkeiten neben dem Mandat zu machen, die auf Interessenverpflichtung und wirtschaftliche Abhängigkeit hindeuten könnten.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Das Interesse des Abgeordneten, Informationen aus dieser Sphäre vertraulich behandelt zu sehen, sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfungen grundsätzlich nachrangig.

(Vereinzelter Beifall SPD und PIRATEN)

Das Gericht sagt auch - das finde ich für unsere parlamentarische Arbeit sehr wichtig -, dass andere Abgeordnete ebenfalls ein legitimes Interesse haben zu wissen, welchen Interessenverbindungen ihre Kolleginnen und Kollegen unterliegen. Dies könne für die Einschätzung, welche Argumente einer besonders wachsamen Prüfung bedürften, von Bedeutung sein, so das Gericht.

Nicht zuletzt wird man sich trotz aller Entschlossenheit, mehr Transparenz zu erreichen, in diesem Zusammenhang auch mit den schützenswerten Daten von Abgeordneten beschäftigen müssen. An dieser Stelle eine angemessene Regelung zu finden, ist vermutlich das Schwierigste. Ich bin sicher, wir werden uns im Ausschuss intensiv damit befassen. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den PIRATEN, wenn Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für mehr Transparenz sorgen wollen, dann geht das aus der Sicht meiner Fraktion grundsätzlich in die richtige Richtung. Dann sind wir an Ihrer Seite. Angesichts der Art und Weise aber, wie Sie das hier vorgetragen haben, müssen wir erheblichen Klärungsbedarf anmelden.

Die Wahlbeteiligung spricht leider eine klare Sprache. Viele Bürgerinnen und Bürger machen von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch. Das ist schade angesichts der Situation in anderen Ländern. Im „Ara

(Peter Eichstädt)

bischen Frühling“ wurde hart für mehr demokratische Rechte gekämpft. Bei uns gibt es diese Rechte, und sie werden nicht von allen in Anspruch genommen. Daher begrüßen wir Grüne ganz ausdrücklich jede Initiative und jede Aktion, die zu mehr Bürgerbeteiligung und zu mehr Bürgerinformation führt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch mehr Transparenz, was die Tätigkeiten und Einkünfte der Abgeordneten angeht. Dem Vorurteil - Sie haben es eben schon ein bisschen beschrieben, Frau Kollegin Nicolaisen -, alle Politiker seien gleich und dächten nur an sich selbst, sollten wir alle gemeinsam entschlossen entgegentreten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dass dies unserem Ansehen schadet, ist eine Sache. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es schadet auch dem Ansehen der vielen Kolleginnen und Kollegen; denn zu 95 % wird Politik ehrenamtlich von den Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen und in den Kreistagen gemacht. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt CDU)

Daher ist Transparenz das Mittel der Wahl, um Licht ins Dunkel zu bringen. Da sind wir dann wieder an Ihrer Seite.

Wir Grüne haben für unsere Fraktion die Rubrik „Der gläserne Abgeordnete“ auf unserer Homepage mit Angabe von beruflicher Tätigkeit vor der Mitgliedschaft im Landtag, entgeltlicher Tätigkeiten neben dem Mandat, Funktion in Unternehmen und in Körperschaften, Funktion in Vereinen, Verbänden und Stiftungen, Vereinbarungen über künftige Tätigkeiten und Beteiligung an Kapital- oder Personengesellschaften. Darüber kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger einen Überblick verschaffen.

Weiterhin haben wir - das hat der Kollege Eichstädt eben deutlich gemacht - in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir, wenn die Regelungen aus dem Bundestag vorliegen, darüber hinausgehende weitere Regelung für Schleswig-Holstein wollen. Das bedeutet logischerweise, dass wir uns erst einmal anschauen, was da ist, um dann darauf in dieser Legislaturperiode aufzubauen.

Wenn Sie uns jetzt in Ihrer Pressemitteilung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den PIRATEN, indirekt unterstellen, wir seien nicht tätig geworden,

dann weise ich dies aufs Schärfste zurück. Das ist nicht richtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW - Zuruf Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Unser ehrlich und ernst gemeintes Angebot einer gemeinsamen fraktionsübergreifenden Initiative wischen Sie mit einem Finger vom Tisch. Stattdessen wenden Sie sich mit billigen Populismus über die Medien an die Öffentlichkeit. Das scheint Ihr Verständnis von Kollegialität zu sein, und das finde ich höchst bedauerlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Gerade bei einem Thema wie dem Vertrauen in die Mitglieder des Landtags würde es allen Fraktionen gut zu Gesicht stehen, an einem Strang zu ziehen und eine gemeinsame Initiative auf den Weg zu bringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Hierbei müssen aus unserer Sicht besondere Gesichtspunkte wie zum Beispiel bei Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern berücksichtigt werden. Der Grundsatz muss jedoch sein, dass für die Bürgerinnen und Bürger transparent aufgezeigt wird, in welchen Zusammenhängen die Abgeordneten tätig sind und in welchen Zusammenhängen sie abstimmen.

Ich beantrage für meine Fraktion Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Transparenzregeln hat ja auch unmittelbar etwas mit der Frage zu tun, wie wir uns wünschen - vielleicht unterschiedlich -, wie Parlamente zusammengesetzt sind. Welche Berufsgruppen vertreten sind oder auch nicht, darauf komme ich später noch einmal zurück. Wir haben in Bezug auf die Transparenzregeln schon in der Vergangenheit heftige Debatten in diesem Hause geführt. Es wurden viele Argumente ausgetauscht, und ich muss

(Dr. Marret Bohn)

sagen, es gibt durchaus gute Argumente für beide Seiten. Dies sage ich ausdrücklich.

Nicht ohne Grund hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2007 eine Patt-Entscheidung - eine Vier-zu-vier-Entscheidung - gefällt, weshalb, Herr Kollege Eichstädt, eigentlich wenig drin ist, aus diesem Urteil selbst eine Gerichtsentscheidung zu machen, durch die man seine eigene Argumentation unterstützen kann. Ich werde nachher einmal eine Passage von den Vieren zitieren, die anderer Auffassung waren als die Vier, die die vollständige Transparenz für sinnvoll erachtet haben.

Ich möchte jetzt gar nicht so sehr darauf eingehen, inwieweit ich speziell den von den PIRATEN vorgelegten Gesetzentwurf für sinnvoll halte. Ich habe allerdings bemerkt, dass sich die PIRATEN-Abgeordneten selbst nicht an die eigenen Transparenzregeln halten. So legen bisher sämtliche PIRATENAbgeordneten nicht offen, welche Einnahmen sie selbst in den vergangenen zwei Jahren vor ihrer Mitgliedschaft im Landtag hatten, also das, was sie in § 47 a Abs. 4 Abgeordnetengesetz ändern wollen. Niemand hindert Sie daran, Herr Kollege Dr. Breyer und die anderen, dies bereits jetzt auf freiwilliger Basis zu tun.

(Zuruf Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

- Ich will das aber gar nicht. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

Ich finde es immer so faszinierend, dass Sie immer für die Bürgerinnen und Bürger sprechen wollen. Die FDP-Landtagsfraktion ist im Jahre 2009 mit 14,9 %, im letzten Jahr mit 8,2 % gewählt worden, obwohl sie die von Ihnen formulierten Bedingungen nicht erfüllt. Die Menschen haben uns also gerade unter diesem Aspekt ihre Stimme gegeben, wahrscheinlich aber auch, weil sie erstens darauf vertrauen, dass wir unsere Mandate ordnungsgemäß wahrnehmen, und zweitens darauf vertrauen, dass jemand, der beruflich unabhängig ist, vielleicht doch etwas anders agieren kann als jemand, der in Abhängigkeit zu seiner eigener Partei steht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen anderen recht wichtigen Punkt konnte ich bei Ihren Transparenzforderungen nicht finden. Der Kollege Eichstädt hat darauf hingewiesen: Geburtsdatum, Wohnanschrift. Die Bürgerinnen und Bürger haben doch Anspruch darauf zu wissen, wo Sie wohnen, vielleicht auch darauf, wann Sie geboren sind, um einschätzen zu können, ob Ihre Erklärungen von Lebenserfahrungen geprägt sind oder nur von kindlicher Naivität. Und wie ist es mit Freundschaften,

Herr Kollege Dr. Breyer, die doch ungleich stärkeren Einfluss auf die Willensbildung eines Abgeordneten nehmen können als möglicherweise berufliche Ambitionen?