Protocol of the Session on March 20, 2013

(Beifall CDU, FDP und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Für die Fraktion der SPD erteile ich Frau Abgeordneter Regina Poersch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Bundeskanzlerin mag nach Abschluss des EU-Gipfels am 8. Februar erleichtert gewesen sein. Die Staats- und Regierungschefs können bestimmt auch gut mit ihrem Kompromiss leben. Ich frage mich aber, ob auch Europa gut damit leben kann. Denn allein dass es Kritik aus allen politischen Richtungen im Europäischen Parlament gegeben hat, lässt doch aufhorchen. Diese Kritik ist berechtigt. Es geht in dieser Debatte nicht nur darum, irgendeinen Haushalt aufzustellen, sondern es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft Europas. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat nicht nur einige Staaten Europas so hart getroffen, dass sie finanzielle Hilfe aus Europa in Anspruch nehmen müssen. Die Krise kann auch zu einer Krise der europäischen Institutionen und der europäischen Idee werden, wenn nämlich junge Menschen keine Perspektive mehr haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Deshalb ist es wichtig, dass Europa in Wachstum und Beschäftigung investiert und nicht kaputtgespart wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau! Sensatio- nell!)

Die jungen Menschen, von denen ich eben sprach, sollen keine verlorene Generation für Europa sein.

Wer trägt den europäischen Gedanken, wenn nicht Europas Jugend?

(Zuruf Rainer Wiegard [CDU])

Wie sollen sie ihr Vertrauen in Europa aufrechterhalten, wenn sie für sich selbst keine Perspektive sehen? Die Antwort auf Europas Krise muss deshalb sein, Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu geben. Die Antwort darf nicht sein, Europa die Luft zum Atmen zu nehmen.

(Beifall SPD und Burkhard Peters [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] - Christopher Vogt [FDP]: Schulden!)

Die Kommission weiß das, der Ausschuss der Regionen weiß das, das Europäische Parlament weiß das, nur die Opposition in diesem Haus weiß das nicht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch! - Chri- stopher Vogt [FDP]: Wer hat Ihnen diesen Unsinn aufgeschrieben?)

Unser Antrag soll das Interesse Schleswig-Holsteins an einem ausgewogenen und tragfähigen EUHaushalt beschreiben. Als eine der vielen Regionen Europas können wir selbstbewusst beschreiben, wo unsere Interessen liegen, und die können wir dann auch in Europa und in Brüssel formulieren.

Wir wollen gemeinsam mit unserer Landesregierung dafür kämpfen, dass der EU-Haushalt sowohl ausgewogen auf Wachstum, Innovation und Beschäftigung setzt als auch auf eine gerechte Kohäsionspolitik, auf nachhaltiges Wachstum und natürliche Ressourcen. An der Stelle wird es wichtig für uns.

Natürlich werden uns die geplanten Kürzungen treffen. Meine Fraktion hat in der Februar-Tagung betont, dass sich die Kürzungen im EU-Haushalt in Euro und Cent direkt auf Schleswig-Holstein auswirken werden. Die Rede ist von etwa einem Viertel weniger, je nach Les- und Rechenart 150 Millionen bis 200 Millionen € weniger für unsere ländlichen Räume, den Breitbandausbau, Innovationen, Arbeitsmarktprogramme und Maßnahmen, die junge Menschen in Lohn und Arbeit bringen.

Was aber passiert, wenn - heruntergebrochen auf Schleswig-Holstein - eben diese Säule der Strukturfonds, wenn zum Beispiel der Europäische Sozialfonds, eingedampft wird? Was dann passiert, lässt sich klar vorhersehen. Jugendliche, die heute noch von Produktionsschulen, Jugendaufbauwerken, vom Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt

(Rainer Wiegard)

aufgefangen werden, denen wir eine Perspektive gegen Mutlosigkeit und das ständige Gefühl des Versagens geben können, lassen wir fallen, wenn wir nicht die Kraft aufbringen, den ESF auskömmlich auszustatten. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Der ESF ist kein Selbstzweck. Er sorgt dafür, dass wir niemanden zurücklassen. Unter anderem ist das unsere Vorstellung eines sozialen Europas.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Schmidt von der Piratenfraktion?

Herr Schmidt, bitte schön.

Vielen Dank. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Ihr Antrag zum Beispiel den Breitbandausbau außen vor lässt und sich nur auf den Ausbau der Energienetze bezieht?

Können Sie bitte den letzten Halbsatz noch einmal wiederholen?

In Ihrem Antrag steht, dass sich die Rücknahme der Fazilität nur auf das Energienetz bezieht und nicht auf Breitbandausbau, der noch in diesem Programm steht.

In unserem Antrag steht es beispielhaft. „Connecting Europe” steht dort beispielhaft. Wir wollen eine andere Struktur des EU-Haushalts. Ich habe eben anhand des ESF beschrieben, dass wir als Schleswig-Holstein an einer ausgewogenen und starken Kohäsionspolitik Interesse haben. Wir wollen nicht nur an das Volumen des Haushalts, sondern auch beschreiben, was für Schleswig-Holstein hinten dabei herauskommen soll. Die Netze, die in unserem Antrag genannt sind und die Sie ansprechen, sind beispielhaft.

Ich muss an dieser Stelle betonen: Wir müssen am Ball bleiben, was die Förderfähigkeit von Tourismus und Kultur als eigenständiges Förderziel angeht. Da ist der Zug möglicherweise abgefahren, was die Eigenständigkeit der Förderziele angeht. Aber wir müssen am Ball bleiben, dass wir gemeinsam mit unserer Landesregierung erreichen, dass touristische Infrastruktur weiter gefördert werden kann. Das ist doch kein Selbstzweck, sondern wir wollen Impulse geben für Investitionen, wir wollen die wirtschaftliche Entwicklung fördern.

(Beifall SSW)

Damit geht es eben nicht - noch einmal - um das Volumen. Herr Wiegard, es geht nicht darum, einfach ein „Oben drauf!“ zu fordern, sondern wir verlangen, dass innerhalb des EU-Haushalts anders strukturiert wird. Wir finden, Schleswig-Holstein sollte eine Meinung haben. Wir finden, das ist in unserem Antrag gut beschrieben. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Frau Abgeordnete, auch der Kollege Dr. Garg hat dazu eine Meinung, die er vermutlich kundtun möchte, oder er möchte eine Frage stellen. Ich frage Sie jetzt, ob Sie dieses zulassen wollen.

Das lasse ich zu.

Dann hat der Kollege Dr. Garg das Wort.

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Frau Kollegin, da Sie in Ihrem Beitrag mehrfach auf das Volumen, das Schleswig-Holstein vermeintlich entgehen würde, abgezielt haben, die Frage: Können Sie das Volumen nennen, das SchleswigHolstein an Kofinanzierungsmitteln aufbringen müsste, um die von Ihnen beklagten 150 Millionen bis 200 Millionen € abrufen zu können?

Das kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht beantworten.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Nicht einmal das!)

Ich bin auch am Ende meiner Ausführungen. - Vielen Dank.

(Regina Poersch)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aktuell findet in Brüssel zwischen dem Europaparlament und dem Ministerrat ein kleines Tauziehen über den EU-Haushalt für die Jahre 2014 bis 2020 statt. Es versteht sich, dass die anstehenden Entscheidungen auch für die deutschen Bundesländer von erheblichem Interesse sind. Aus Sicht der FDPFraktion gibt es mit Blick auf die Ratsvorschläge von Anfang Februar einige Änderungswünsche. Wir hoffen, dass es noch zu entsprechenden Nachbesserungen kommen wird. Dabei geht es freilich nicht um die simple Forderung, Brüssel brauche mehr Geld. In Zeiten, in denen praktisch alle Mitgliedsländer der Europäischen Union mehr oder weniger sparen müssen, ist auch die Europäische Union zu Sparsamkeit und zu Haushaltsdisziplin verpflichtet.

(Beifall PIRATEN und Peter Lehnert [CDU])

Die EU braucht nicht mehr Geld, sondern eine effizientere Mittelverwendung.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Sie braucht zudem mehr Flexibilität in der Verwendung ihrer Mittel und eine stärkere Ausrichtung des Haushalts auf Wachstumsförderung, auf die Förderung von Innovationen und damit auf politische Zukunftssicherung.

Um zwei Beispiele zu nennen: Nach dem Ratsvorschlag soll der Anteil der Forschungsmittel am EUHaushalt von 9 % auf 13 % steigen. Das ist die richtige Tendenz. Andererseits haben die Staatsund Regierungschefs für die Weiterentwicklung der Telekommunikation - Stichwort: Breitbandausbau - lediglich 1 Milliarde € gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag von 9,2 Milliarden € vorgesehen, also eine Kürzung von 8 Milliarden €. Das ist mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, eindeutig ein Signal in die falsche Richtung.

(Beifall FDP, PIRATEN und vereinzelt CDU)

Es geht also um die Struktur des EU-Haushalts und zukunftweisende Weichenstellungen und nicht um die Steigerung von Mitteln für alles Mögliche und Wünschenswerte.

Ein weiteres Stichwort zum Thema Flexibilität: Angesichts eines mittelfristigen Finanzrahmens von sieben Jahren braucht die Europäische Union erweiterte Möglichkeiten für eine flexiblere Haushaltsgestaltung. Ich nehme ein Beispiel. Vor gut einem Jahr hat die EU entschieden, dass aus laufenden EU-Programmmitteln Gelder für das neue politische Brennpunktthema „Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit“ umgeschichtet werden können. Eine richtige Entscheidung. Acht Mitgliedsländer, die von diesem Problem besonders betroffen sind, haben diese neuen Spielräume genutzt. Spanien hat es leider nicht getan, obwohl derzeit fast jeder zweite junge Spanier und jede junge zweite Spanierin arbeitslos ist. Das Beispiel macht aber deutlich, wie sinnvoll mehr Flexibilität der EU-Haushaltspolitik ist, denn im Verlauf von sieben Jahren können immer neue Herausforderungen und Probleme auftreten.

(Beifall FDP und CDU)