Protocol of the Session on February 21, 2013

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/200

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 18/475

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/543

Ich erteile der Frau Berichterstatterin des Bildungsausschusses, Frau Abgeordneter Anke Erdmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW haben im September letzten Jahres einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vorgelegt, mit dem bis zum 31. Juli 2014 keine neuen abschlussbezogenen Klassenverbände an Gemeinschaftsschulen gebildet und keine neuen G-9- und G-Y-Gymnasien eingerichtet werden sollen. Zu diesem Gesetzentwurf hat der Bildungsausschuss gut 20 schriftliche Stellungnahmen eingeholt.

Im Dezember haben die Koalitionsfraktionen einen Ergänzungsantrag zu ihrem Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Errichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen erleichtert werden soll. Zu diesem Antrag hat der Ausschuss über 30 schriftliche Stellungnahmen eingeholt.

Schließlich hat der Ausschuss vor zwei Wochen eine mündliche Anhörung mit 14 Experten durchgeführt. In der Ausschusssitzung in der letzten Woche bekräftigten die Fraktionen ihre Standpunkte. Der Antrag der Opposition, die abschließende Beratung des Gesetzentwurfs zu vertagen, wurde mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN abgelehnt. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis empfiehlt der Bildungsausschuss dem Landtag, den Gesetzentwurf in der Fassung der Ihnen mit Drucksache 18/475 vorliegenden Beschlussempfehlung anzunehmen.

Außerdem liegt dem Landtag heute ein weiterer Änderungsantrag vor. - Vielen Dank.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Wortmeldungen zum Bericht liegen mir nicht vor.

Bevor wir in die Aussprache eintreten, teile ich Ihnen mit, dass die Kollegin Regina Poersch erkrankt ist. Wir wünschen ihr gute Genesung. Außerdem ist der Kollege Tobias von Pein beurlaubt.

Ich mache folgenden Vorschlag zur Worterteilung: Die CDU als stärkste Fraktion erhält als Erste das Wort, da die erste Lesung des Gesetzentwurfs mit Aussprache erfolgte. Ich sehe hierzu keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Franzen für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im September des letzten Jahres fand die erste Bildungskonferenz statt. Dort kündigte die Bildungsministerin an, den Dialog mit den Betroffenen ernst zu nehmen. Deshalb verschob sie die für dieses Jahr vorgesehene Schulgesetzänderung auf 2014. Drei Tage später brachten die Regierungsfraktionen den ersten Entwurf zum Schulgesetz ins Parlament ein. Der jetzige Bestand der Schulstrukturen sollte auf keinen Fall mehr verändert werden. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW haben Angst. Sie haben Angst davor, dass die Menschen an den Schulen bestehende Freiheiten nutzen, Angst, dass sie Entscheidungen treffen, die Ihnen von den Regierungsfraktionen nicht gefallen.

Dabei haben Sie hier im Parlament immer wieder erzählt, dass die Menschen alles das, was CDU und FDP im Bildungsbereich beschlossen haben, schrecklich fänden und gar nicht wollten. Wozu dann Ihr Entscheidungsfreiheitsbeschneidungsgesetz? Warum führen Sie den Dialog über G 8, G 9, G Y und abschlussbezogene Klassen in den Gemeinschaftsschulen nicht? - Ich sage Ihnen, warum: Sie wissen, dass Sie diesen Dialog verlieren würden. Insbesondere beim Angebot vom neunjährigen

Bildungsgang an den Gymnasien. Viele Eltern wünschen sich das. Deshalb lassen Sie sich auch gar nicht erst darauf ein, einen Dialog in diesem Bereich zu führen. Dialog findet bei Ihnen nur dort statt, wo andere auch Ihrer Meinung sind.

(Beifall Anita Klahn [FDP])

Das wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Ministerin im Bildungsausschuss erklärte, vom Vorgehen der Koalitionsfraktionen durchaus überrascht worden zu sein, allerdings nicht davon, dass diese einen Gesetzentwurf eingebracht haben. Nein, sie war durchaus überrascht, dass dieser so schnell kam. War Ihnen das peinlich, Frau Ministerin? - Ich verstehe das sehr gut. Denn so hat auch jeder davon erfahren, dass Sie schon davon wussten, als Sie noch von einem offenen Bildungsdialog sprachen. Das hätten Sie sicherlich lieber noch ein paar Wochen unter der Decke gehalten, um damit die Berichterstattung über den Bildungsdialog nicht einzutrüben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Dezember ist dann offensichtlich irgendjemandem aufgefallen, dass die versprochenen Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen gar nicht genehmigungsfähig sind. Weder der Bedarf noch das öffentliche Bedürfnis sind da. Einigen Abgeordneten wurde offenbar mulmig, da sie in ihren Wahlkreisen Versprechungen abgegeben haben, die sie nicht halten können. Also wird das öffentliche Bedürfnis schnell einmal neu definiert.

Das Gesetz, das dafür sorgen soll, dass die bestehenden Schulstrukturen bis zum Ende des Bildungsdialogs erhalten bleiben, erfuhr eine Änderung, welche die bestehenden Schulstrukturen vollkommen über den Haufen wirft. Das ist überhaupt gar kein Problem, weil diese Änderungen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW ja gewollt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt noch besser: Bevor wir heute über den Gesetzentwurf abstimmen, haben die Schulen und die Schulträger bereits Nachricht erhalten, dass sie mit der Genehmigung einer Oberstufe rechnen können. Die vom Landkreistag eingeforderte Berücksichtigung der Schulentwicklungspläne interessiert Sie an dieser Stelle nicht die Bohne. Und die vernichtenden Kritiken der Experten aus den Anhörungen im Bildungsausschuss tropfen offensichtlich an Ihnen ab.

Im Zusammenhang mit der Größe kleiner Außenstellen von Grundschulen reden Sie, Frau Ministerin, gern von einer pädagogischen Größe, die gewährleistet sein muss, damit der Unterricht auch ei

ne entsprechende Qualität hat. Das Argument gilt allerdings nur für die kleinen Grundschulen, in die offensichtlich weder SPD, Grüne noch SSW viel Herzblut investieren wollen. Für die Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen wird dieses Argument an die Seite geschoben.

Ich will Ihnen die Rahmenbedingungen nennen, die Sie vorschlagen: Oberstufen an Gemeinschaftsschulen sollen drei Jahre Zeit haben, um 50 Schülerinnen und Schüler in der Einführungsphase zu erreichen. Sie haben neun Oberstufen im Land zugesagt. Diese Oberstufen müssen nach der derzeit gültigen Oberstufenverordnung mindestens zwei Profile anbieten, ein sprachliches und ein mathematischnaturwissenschaftliches. Das heißt, es muss an den Oberstufen ein Spektrum von mindestens 14 Fächern im ersten Jahrgang abdeckt werden. Die Fachleute haben uns im Ausschuss sehr deutlich gemacht, dass man dafür pro Jahrgang mindestens zehn Köpfe braucht, die diese Fächer auf Oberstufenniveau unterrichten können.

Sie haben in der Ausschusssitzung im Dezember erläutert, dass Sie 20 Planstellen für alle neun Oberstufen bereitstellen wollen. Wie Sie an neun Oberstufen mit 20 Planstellen die Unterrichtsversorgung sicherstellen wollen, das bleibt Ihr wohl gehütetes Geheimnis. Wo die Planstellen allerdings herkommen sollen, haben Sie nicht erläutert. Die zusätzlichen Planstellen, die in diesem Jahr bereitgestellt worden sind, sind bereits für die Differenzierungsstunden und für die Inklusion vorgesehen. Es bleiben also nur die bestehenden Gymnasien, von denen für die Oberstufen qualifizierte Lehrkräfte abgezogen werden können.

Vermutlich hat die Betonung der Notwendigkeit der pädagogisch sinnvollen Größe der Grundschulen auch den Hintergrund, dass auch dort Lehrerplanstellen abgezogen werden, um die Gemeinschaftsoberstufen finanzieren zu können.

Jetzt kommen die Regierungsfraktionen mit einer weiteren Änderung des Schulgesetzes. Die Rahmenbedingungen für die Oberstufen sollen nur für ein Jahr gelten. Das haben Sie gestern mit dem Änderungsantrag zum Änderungsantrag zur Änderung des Schulgesetzes wieder zurückgenommen.

Was Sie aber wollen, hat Herr Habersaat im Ausschuss deutlich erklärt. Ich gehe davon aus: ein Habersaat - ein Wort. Sie wollen weitere Anregungen aus dem Bildungsdialog für die Einrichtung von Oberstufen aufnehmen. Es wird also im nächsten Jahr zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen kommen müssen. Das schafft Unruhe an

(Heike Franzen)

den Schulen und untergräbt die Planungssicherheit der Schulträger, die sich nicht auf die heutigen Aussagen im Schulgesetz verlassen können. Man kann nur allen Schulträgern und Schülern empfehlen: Finger weg von den Oberstufen, bevor nicht klar ist, wie die Rahmenbedingungen endgültig aussehen werden.

(Zuruf CDU: Chaotisch!)

Eine ganze Reihe von Fragen bleibt weiterhin unbeantwortet. Sollen die Schulträger jetzt erst einmal investieren, um dann in drei Jahren festzustellen, dass sie die 50 Schülerinnen und Schüler nicht erreichen werden, um dann die Oberstufe wieder zu schließen? Wie soll der Fachlehrermangel, den wir bereits jetzt in den Oberstufen haben, insbesondere in den Naturwissenschaften ausgeglichen werden? Oder fallen diese Fächer gleich von vornherein aus? Welche Auswirkungen haben weitere Oberstufen auf die Profilvielfalt unserer Oberstufen im Land?

Die Schülerzahlen werden weiter sinken. Das heißt, selbst wenn wir die Quote der Abiturienten erhöhen können, werden es nicht mehr Kinder sein, die das Abitur machen. Zumindest darauf haben uns die Experten in der Anhörung im Ausschuss bereits eine Antwort gegeben. Es geht zulasten der Vielfalt der Profile und zulasten der Wahlmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler. Weniger Schüler an immer kleineren Oberstufen führen zu einer deutlichen Verringerung ihrer Wahlmöglichkeiten in der Oberstufe bis hin zur Sorge, dass man an einigen Stufen nur noch mathematisch-naturwissenschaftliche Profile mit dem Profilfach Biologie als Abitur anbieten können wird. Was sagen die Koalitionsfraktionen dazu? - Nichts. Das ist Ihnen schnuppe! All das haben Sie ausgeblendet und schnell einmal im Ruck-Zuck-Verfahren ein Gesetz auf den Weg gebracht.

Gestern haben wir eine Verschiebung der Beschlussfassung beantragt, besonders vor dem Hintergrund, dass in zwei Tagen die Bildungskonferenz tagt. Am Samstagnachmittag soll über schulgesetzliche Änderungen beraten werden. Wir wollen diese Beratungen abwarten und die Anregungen aufnehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, vor allem Sie waren es, die sich bereits in der letzten Legislaturperiode für einen offenen Dialog starkgemacht haben. Sie haben diesen im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Sind Sie eigentlich mit dem Dialog, den wir im Moment führen, zufrieden?

Sie haben mit der Einbringung des Gesetzes durch die Fraktionen eine frühzeitige ministerielle Anhö

rung und eine Einbeziehung aller Beteiligten mit den Kommunen und den Personalräten umgangen. Die Anhörung im Bildungsausschuss zum Thema Oberstufen fand im Schweinsgalopp statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Ministerium bereits mit den Mitteilungen an die Schulträger Fakten geschaffen, und die Anzuhörenden haben zu Recht die Sinnhaftigkeit dieser Anhörung infrage gestellt. Ihre berechtigten Sorgen und ihre Kritik haben überhaupt keinen Widerhall in dem heute vorliegenden Gesetzentwurf gefunden.

Jetzt beschließen Sie zwei Tage vor der Bildungskonferenz dieses Schulgesetz, das nun wirklich alles andere als das von Ihnen benannte Moratorium darstellt. Eine Verschiebung der Gesetzgebung um einen Monat auf März hätte an der derzeitigen Sachlage schlicht nichts geändert.

(Zuruf SPD: Doch!)

Das neue Schuljahr beginnt erst im August, und die Schulen, die Oberstufen einrichten wollen, wissen auch Bescheid.

Sie zeigen heute, dass es Ihnen nicht auf den Dialog ankommt, sondern lediglich auf die Umsetzung Ihrer eigenen bildungspolitischen Vorstellungen. Bei der SPD wundert mich das nicht. Das haben die Menschen nicht anders erwartet. Aber es gibt die Erwartungshaltung an Sie, an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Sie machen sich an der Stelle unglaubwürdig. Denn die Erwartungshaltung an Sie war eine ganz andere.

Frau Abgeordnete Franzen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Habersaat?

Aber gern doch.

Frau Kollegin Franzen, wie beurteilen Sie den Umstand, dass die Anmelderunde an den Gemeinschaftsschulen Anfang März bereits endet, bevor wir uns das nächste Mal im Plenum treffen?

- Das kann ich Ihnen genau sagen, Herr Habersaat. Das Ministerium hat den entsprechenden Schulen bereits mitgeteilt, dass sie beabsichtigen, Oberstufen einzurichten. Insofern dürfte es überhaupt kein Problem sein, im März die Beschlussfassung zu machen.

(Beifall CDU und FDP)

(Heike Franzen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was macht eigentlich die Landesregierung in diesem Verfahren der Schulgesetzgebung? - Die Landesregierung ist wie eine Handpuppe von Herrn Stegner. Der Fundus der Regierungsbank wird immer vorgeholt, wenn es um den Dialog nach außen geht. Dann dürfen Sie voll vor den Vorhang. Aber bei der Gesetzgebung hier im Parlament ist die Landesregierung völlig unbeteiligt. Ich finde, es ist ausgesprochen schwierig, so etwas nach außen zu tragen. An der Stelle hätte ich mir von der Landesregierung sehr viel mehr Engagement gewünscht.

Wir werden diesem Gesetzentwurf ganz sicher nicht zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir Schülerinnen und Schüler des LudwigMeyn-Gymnasiums aus Uetersen auf der Besuchertribüne. Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!