Das sind die großen Herausforderungen für den Umgang mit einer älter werdenden Gesellschaft. Deswegen brauchen wir eigentlich keinen neuen Demenzplan, sondern mehr Kompetenz durch mehr Information und flächendeckenden fachlichen Rat für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Institutionen und Unternehmen.
Wir fordern deswegen, die Aktivitäten der bestehenden Fachstellen dauerhaft zu fördern und abzusichern und für das Kompetenzzentrum Demenz, das Sie schon gelobt haben, eine Zukunft zu bieten. Wir beantragen für unseren Änderungsantrag die Ausschussüberweisung. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Vergiss mein nicht“, so heißt der aktuelle Kinofilm zum Thema Demenz von David Sieveking. Er begleitet hierin seine an Alzheimer erkrankte Mutter auf ihrer Reise in die Demenz, eine Reise, von der seine Mutter nie wiederkehren wird, weil Demenz nicht heilbar ist.
Manche Menschen haben ein Gedächtnis wie ein Elefant, manche können sich nach wenigen Minuten nicht mehr merken, was eben gesagt worden ist, und sie können sich teilweise nicht mehr an ihre eigenen Angehörigen erinnern. Das ist eine Situation, die insbesondere für die Angehörigen selbst sehr belastend ist.
Demenz gehört zum Leben vieler Menschen. Niemand von uns weiß genau, ob er später einmal selbst betroffen sein wird. Eines ist klar: Es gibt deutliche Hinweise, dass sich regelmäßige Bewegung im Sinne der Prävention günstig auswirkt. Mehr als 45.000 Menschen in Schleswig-Holstein leiden schon jetzt an Demenz, und ihre Anzahl wird in den nächsten Jahren deutlich steigen.
Darauf sind wir, egal, welcher Fraktion wir angehören, fachlich einfach nicht gut genug vorbereitet. Es gibt eine Lücke im Versorgungssystem, und diese Lücke - da gebe ich dem Kollegen Flemming Meyer recht - wollen wir endlich schließen.
Wer morgen eine gute Pflege für seine demenzkranken Angehörigen will, muss heute handeln. Wer übermorgen für sich selbst, falls er Demenz bekommt, eine gute Versorgung möchte, muss jetzt die Weichen stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Pflege ist mehr als körperliche Versorgung. Gerade der Betreuungsaufwand bei Demenz wird immer noch völlig unterschätzt.
Es hat sich in dieser Richtung viel getan, aber es muss - die Kollegin Pauls wird mir sicher recht geben - noch viel mehr geschehen.
Wir Grüne werden uns auch weiterhin auf Bundesebene dafür einsetzen, dass der Pflegebedürftigkeitsbegriff endlich neu definiert wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Schneckentempo auf Bundesebene wollen wir nicht mitmachen. Wir wollen in Schleswig-Holstein das tun, was wir hier auf Landesebene auch tun können. Alles, was möglich ist, muss für eine gute Vorbereitung getan werden. Unser Motto ist: Jetzt handeln und nicht länger abwarten.
2008 wurde die Landesagentur Demenz für drei Jahre als Modellprojekt in Norderstedt eingerichtet. „Vergissmeinnicht“ ist übrigens auch der Titel der Kampagne, die die Alzheimer Gesellschaft 2008/ 2009 in Schleswig-Holstein startete. Inzwischen ist die Landesagentur in das „Kompetenzzentrum Demenz“ umgewandelt worden und wird dauerhaft gefördert. Das begrüßen wir Grüne ganz ausdrücklich. Das Team in Norderstedt leistet hervorragende Arbeit. Aber ein Kompetenzzentrum allein, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann den Bedarf in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein nun wirklich nicht decken. Das müsste uns allen klar sein.
Wir brauchen eine systematische Erhebung, welche Angebote für Demenzkranke und ihre Angehörigen schon vorliegen. Wir brauchen entsprechende Beratungs- und Unterstützungsangebote, und wir brauchen vor allen Dingen eines - dieser Punkt ist
mir ganz besonders wichtig -, mehr wissenschaftliche und medizinische Forschung zu Alzheimer und Demenz. Je früher wir ein Mittel gegen die Erkrankung finden, desto besser ist es für die Betroffenen, die nicht krank werden, und für unsere Gesellschaft insgesamt.
Wir müssen dahin kommen, dass wir die Erkrankung im Frühstadium erkennen und irgendwann auch einmal heilen können.
Demenz ist ein Massenphänomen und damit eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Menschen mit Demenz gehören zu unserem Alltag. Sie bewegen sich genau wie wir im öffentlichen Raum. Deshalb sollten wir alle wissen, wie wir angemessen und respektvoll mit Demenzkranken umgehen. Was macht die Busfahrerin, wenn der Fahrgast unbedingt nach Schilksee möchte, die Linie aber nach Wellsee fährt? Was macht der Verkäufer, wenn die alte Dame nach einer roten Jacke sucht, aber im Schuhgeschäft steht? Wie reagiert die Polizei, wenn sich der ältere Herr weder an seinen Namen noch an seine Adresse erinnern kann? - Wenn Sie sich all diese Situationen vor Augen führen, wird klar: Wir brauchen mehr Information, wir brauchen mehr Wissen über Demenz, und wir müssen versuchen, die Anzahl der Demenzerkrankungen zu verringern. Je schneller wir uns darauf einstellen, desto besser. Wir alle sind daher dazu verpflichtet, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern zu handeln je früher, desto besser.
Ich würde mich freuen, wenn Sie jetzt nicht vergessen, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Dr. Bohn hat hier sehr einfühlsam dargestellt, wie es um Demenzerkrankte steht, welche Probleme im Alltag auftauchen. Wir von der FDP teilen das auch ohne Einschränkung, das sage ich ganz deutlich. Dennoch fragen wir uns, ob ein Demenzplan tatsächlich das Allheilmittel ist. Wir sagen ganz klar und deutlich: Er wird es allein
nicht sein. Das, was Sie eben gerade beschrieben haben, was Sie erwarten, was der Demenzplan alles bringen soll, hat mich zu der Frage gebracht, ob es nicht ohnehin das eigentlich originäre Handeln des Ministeriums ist, darüber Bestandsaufnahmen zu machen und das darzustellen. Ich weiß nicht, ob wir wirklich einen Demenzplan brauchen, für den wir 15.000 € zur Verfügung stellen, der anschließend als Hochglanzbroschüre verteilt wird.
Einrichtungen wie das Kompetenzzentrum Demenz in Norderstedt - auch das ist von dem Kollegen Heinemann dargestellt worden - sind wichtige und richtige Maßnahmen gewesen. Ich teile Ihre Auffassung, dass eine einzige Einrichtung in Schleswig-Holstein sicherlich zu wenig ist. Aber auch das wird uns ein Demenzplan nicht aufzeigen. Ich glaube, dass bekommen wir auch so geklärt.
Wir haben diese Maßnahmen in der 17. Legislaturperiode aus voller Überzeugung unterstützt. Wir werden das auch weiterhin tun.
Frau Kollegin Klahn, würden Sie mir zustimmen, dass das Kompetenzzentrum Demenz in Norderstedt die vorrangige Aufgabe hat, die bereits seit einigen Jahren im Land vielfältig vorhandenen Aktivitäten in diesem Bereich zu koordinieren, zu bündeln und dieses Wissen weiterzugeben?
Meine Damen und Herren, Betroffene sollten so lange wie möglich im Kreis ihrer Angehörigen bleiben. Hilfestellung und Aufklärungskampagnen
können in Kooperation mit Krankenkassen und auch Selbsthilfeorganisationen erfolgen. Man muss an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen, dass wir die finanziellen Ressourcen unseres Landes, die recht knapp sind, sehr sinnvoll einsetzen sollten, damit es zu einer deutlichen Verbesserung der Lage der Betroffenen kommt.
Gestern hat ein vor dem Landesseniorenrat anwesender Mediziner in seinem Vortrag dargestellt, dass es kleine, niedrigschwellige Angebote sein müssen. Das hat die Kollegin Bohn auch eben herausgehoben. Es ist der frühzeitige Erhalt von Leistungsfähigkeit, die Mobilität. Ich gebe den gestrigen Ratschlag des Mediziners gern für die kommende Mittagspause weiter: Wer frühzeitig anfängt, täglich 20 Minuten im forschen, flotten Schritt spazieren zu gehen, hilft, dazu beizutragen, nicht an Demenz zu erkranken beziehungsweise nicht so frühzeitig. Das ist eine ganz simple Maßnahme.
Anders als Sie es in Ihrem Antrag suggerieren wollen: Demenz ist der Gesellschaft bewusst. Damit ist der Gesellschaft inzwischen auch bewusst, wie diffizil dieses Krankheitsbild ist. Es geht nicht allein um das Vergessen, um das Problem, sich an etwas nicht erinnern zu können, es geht auch einher mit vielen Einschränkungen der Mobilität und der Alltagsbewältigung. Dafür muss ein Mensch, der erkrankt ist, nicht unbedingt sofort in eine stationäre Einrichtung, sondern wir sollten dem Anspruch Rechnung tragen, dass die Menschen in ihrem privaten Umfeld bleiben wollen. Dafür brauchen die Angehörigen Unterstützung.
An dieser Stelle muss ich ganz klar sagen, dass es die schwarz-gelbe Bundesregierung gewesen ist, die im Rahmen des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung erstmals demenziell Erkrankte mit ihren spezifischen Bedürfnissen in den Leistungskatalog aufgenommen hat.
Damit dem Personenkreis mit eingeschränkter Alltagskompetenz die Leistungen zugutekommen, werden Leistungen bereits in der Übergangsphase ab Januar 2013 bezahlt. Dazu gehören die Verbesserung der ambulanten Versorgung und der Anspruch auf häusliche Betreuung. Pflegebedürftige und auch wir - haben doch eine Vorstellung davon, wie man betreut und versorgt werden möchte. Aus
diesem Grunde sagen wir ganz deutlich: Wir möchten ihnen eine echte Wahlfreiheit zusichern, ihr Leben so weit wie möglich selbst zu gestalten. Dazu benötigen die Betroffenen gute Beratung. Das können Pflegestützpunkte leisten, aber ich betone an der Stelle, dass ich mir unabhängige - und zwar trägerunabhängige - Beratungsstellen wünsche.
Es gibt in allen Pflegestufen mehr Geld für Demenzkranke. So erhöht sich zum Beispiel in Pflegestufe I das Betrag um 70 €. Es gibt höhere Pflegesachleistungen, und seit März 2012 klärt ein Expertenbeirat die wesentlichen Umsetzungsschritte zur Neudefinierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs.