Wir wollen, dass sich die Familien entscheiden dürfen, wir wollen wirkliche Wahlfreiheit für die Eltern.
Meine Damen und Herren, ich finde, dass wir zur Sachlichkeit zurückkehren müssen und uns darum zu kümmern haben, was für die Unterstützung der Familien am geeignetsten ist. Die klassische Familie darf nicht zum Kostenfaktor degradiert werden. Familien brauchen für ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe unterschiedliche Leistungen, und genau um diese müssen wir uns kümmern.
Wir finden es immer noch richtig, dass der Staat die Ehe unterstützt. Genauso sollte aber auch der Staat unverheiratete Paare mit Kindern unterstützen, und genau deswegen sind wir dafür, dass das Ehegattensplitting stufenweise zu einem Familiensplitting weiterzuentwickeln. Hierzu müssen wir uns alle
Gedanken machen - und zwar dann, wenn wir die Ergebnisse der Studie vorliegen haben. - Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! Kaum ein Land in Europa gibt so viel Geld für familienpolitische Leistungen aus wie Deutschland. Dennoch gibt es Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit; die Geburtenrate sinkt, der Ausbau der kinder- und familienfreundlichen Infrastruktur kommt nur schleppend voran und die Kinderarmut ist auf unerträglich hohem Niveau. Es gibt politischen Umsteuerungsbedarf - und zwar nicht zu knapp! Das ist längst klar und bedarf nicht einmal mehr der Vorlage der Expertenstudie des Bundesfamilienministeriums.
Aus Wissenschaft und Praxis, von Kirchen oder aus der Wirtschaft, ja von allen Seiten kommt die Forderung: Wagt endlich eine Modernisierung der familienpolitischen Leistungen.
Wir brauchen in Deutschland kein Ehegattensplitting, weil dies eine Privilegierung eines überholten Familienmodells ist. Das Ehegattensplitting ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten, ein Stolperstein für die Gleichstellung von Frauen und ein Hemmschuh für wirtschaftliche Entwicklung. Es missachtet die heutige Vielfalt und Lebenssituation von Familien. Es hat keinerlei positive Anreizwirkung. Das Ehegattensplitting ist teuer und ungerecht.
So kann es nicht weitergehen! Wir brauchen auch kein Familiensplitting. Das klingt zwar gut, verschärft die soziale Spaltung und die zentralen Probleme des Ehegattensplittings und wäre ein teures Steuergeschenk für finanziell gut situierte Eltern. Das sieht sogar Finanzminister Schäuble so; schon deshalb werden wir den Änderungsantrag der CDU ablehnen.
Längst gibt es ein breites gesellschaftliches Bündnis für eine Individualbesteuerung mit gegenseitiger Unterhaltsverpflichtung für verheiratete und nicht verheiratete Eltern.
Wir brauchen kein Kindergeldsystem, das die Schere zwischen Arm und Reich verschärft, keinen Kinderzuschuss, der arme Familien nicht erreicht, kein Betreuungsgeld, das Kinder aus Bildungseinrichtungen fernhält, kein bürokratisches Teilhabepaket für arme Kinder und anderes mehr.
Wir brauchen ein überzeugendes Gesamtkonzept aus guter Infrastruktur für Bildung, Erziehung und Betreuung und eine überzeugende, eine gerechte Kindergrundsicherung.
Die meisten Organisationen, die sich um Kinder kümmern, fordern dies aus gutem Grund schon lange: Eine Kindergrundsicherung würde bei hohem Einkommen dazu führen, dass nur noch dieser Betrag steuerlich abgezogen und bei den geringen Einkommen voll ausgezahlt wird. Das ist gerecht und bekämpft Kinderarmut, wie uns das skandinavische Länder vormachen. Es geht nicht ohne existenzsichernde Arbeitslöhne und nicht ohne eine an der Grundsicherung orientierte staatliche Transferpolitik. Hier muss Deutschland effizienter und humaner werden. Es ist klar: Die Einführung der Kindergrundsicherung ist finanziell nur realistisch, wenn familienpolitische Leistungen konzentriert werden. Die Bundesregierung macht seit Jahren das Gegenteil. Das Betreuungsgeld ist das letzte unsägliche Beispiel.
Das Credo moderner Familienpolitik ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökonomischer Existenzsicherung für Kinder, guter Bildungsinfrastruktur und partnerschaftlich geteilter Zeit für Kinder!
Ein Paradigmenwechsel in der Familienpolitik ist notwendig; dieser erfordert Kraft, Überzeugung und Mut. Aufbruchsstimmung muss erzeugt werden. Nichts davon ist bei der Bundesregierung erkennbar. Im Gegenteil: Streit um das unsägliche Betreuungsgeld innerhalb der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien, Streit zwischen Bund und Ländern über das Geld für das bürokratische Teilhabegesetz und Streit zwischen der alten und der neuen Bundesfamilienministerin über alles und jedes.
Liebe Ministerin Ahlheit, mit dem vorliegenden Antrag bitten wir Sie, den notwendigen Umschwung in der Familienpolitik auf Bundesebene zu befördern. Von den regierungstragenden Fraktionen im Landtag bekommen Sie dazu ordentlichen Rückenwind.
Meine Damen und Herren! In einigen Dingen sind wir uns einig, in vielen nicht. Worin wir uns nicht einig sind, ist die konkrete Ausgestaltung der Familienförderung. Es geht schon los bei der Frage, was oder wer Familie ist: Ehepaare mit Kindern? Ehepaare ohne Kinder? Alleinerziehende? Eltern und ihre Kinder ohne Trauschein? Paare ohne Trauschein? Paare gleichen Geschlechts? Die Antworten fallen je nach Parteizugehörigkeit sehr unterschiedlich aus.
Wir Grüne sehen das so: Familie ist da, wo Menschen dauerhaft und verbindlich Verantwortung füreinander übernehmen. Daran sollte sich auch eine moderne und gerechte Familienförderung orientieren.
Die Familienförderung in Deutschland ist historisch gewachsen. Sie ist durch das kleinbürgerliche Ideal der Alleinverdienerehe geprägt: „Vattern verdient das Geld, Muttern kümmert sich zu Hause um die Kinderschar“. Das mag vielleicht vor 100 oder mehr Jahren nachvollziehbar gewesen sein. Heute ist es das nicht mehr. Aber das einseitige und starre Familienbild prägt die deutsche Familienförderung immer noch. Daran haben auch diverse Reformen nur wenig geändert.
Das Ehegattensplitting bevorteilt die Alleinverdienerehe - unabhängig davon, ob darin Kinder leben oder nicht. Das System aus Kindergeld und Kinderfreibetrag benachteiligt Familien mit geringem Einkommen. Besserverdienende profitieren. Das ist ungerecht, und das wollen wir ändern. Kinderbetreuung ist teuer und das System der Gebührenbefreiung regional extrem unterschiedlich. Wer viel bezahlen kann, erhält mehr Betreuung und bessere Qualität. Die Angebote sind in allen Altersgruppen weder quantitativ noch qualitativ ausreichend. Gut ausgebildete und qualifizierte Frauen „versauern zu Hause“, während Arbeitgeber händeringend nach Fachkräften suchen. Teilzeitarbeit ist Frauensache, geringfügige Arbeitsverhältnisse auch. Führungspositionen bleiben fest in Männerhand. Die Armutsquote steigt und - wen wundert’s? -: Armut betrifft in erster Linie Kinder und Frauen.
Soweit - so schlecht. Das ist die Situation von Familien in Deutschland - trotz der staatlichen Familienförderung. Was kürzlich über ein Gutachten des Bundesfamilienministeriums durchsickerte, ist nicht neu. Die Ergebnisse wiederholen lediglich, was internationale Studien schon längst erkannt haben. Das deutsche System der Familienförderung ist teuer, unübersichtlich und ineffektiv! Und es muss endlich erneuert werden.
Aber was macht die CDU? Was macht die Bundesregierung? Sie beschließt das Betreuungsgeld. Zurück in die Sechziger, da gab es noch SchwarzWeiß-Filme. Anstatt für mehr und bessere Kinderbetreuung zu sorgen und Frauen den Weg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, tut die Union genau das Gegenteil. Sie zahlt Familien Geld dafür, dass die Kinder keine frühkindliche Bildung in Anspruch nehmen. Sie zahlt Geld dafür, dass Mütter nicht am Erwerbsleben teilnehmen. Verrückter geht es nicht - zumal das Betreuungsgeld auch noch ver
fassungswidrig ist. Und ich wiederhole es noch einmal: Damit sind 80 Millionen € für den Ausbau von Krippen und Kitas in Schleswig-Holstein in den Wind geschrieben worden.
Lassen Sie uns nach vorn schauen. Lassen Sie uns die Streitereien beenden und uns konkret den Schlüsselfragen zuwenden:
Erstens. Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Unabhängig davon, in welcher Familie es aufwächst. Unabhängig davon, ob arm oder reich, ob seine Eltern verheiratet sind oder nicht. Deshalb wollen wir eine Kindergrundsicherung.
Zweitens. Kinder brauchen Geborgenheit, soziale Kontakte und altersangepasste Bildung. Diese verantwortungsvolle Aufgabe können Familien, Kita und Schule nur gemeinsam bewältigen. Deshalb müssen wir das Angebot an Kinderbetreuung weiter verbessern. Wir brauchen insgesamt mehr Angebote - insbesondere für Kinder unter drei. Wir brauchen flexiblere Betreuungszeiten, ganztägig und in den Ferien. Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, denn Erziehung ist eine anspruchsvolle und verantwortungsvolle Aufgabe.
Drittens. Alle Familien müssen uns gleich viel wert sein. Deswegen wollen wir das Ehegattensplitting abschaffen - es ist ein alter Zopf, der nicht mehr in die Zeit passt.
Ich finde unsere Argumente sind überzeugend. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Bekennen Sie sich zu einer modernen Familienförderung, die ihren Namen verdient. Helfen Sie mit, dass die Familie die Keimzelle unserer Gesellschaft bleibt.
Sehr geehrtes Präsidium! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nach Auffassung der Landesregierung gibt es bundesweit Einvernehmen zumindest darüber, dass die Wirkung, familienpolitische Leistungen auf den Prüfstand gehört. Das ist grundsätzlich positiv.
Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob SchwarzGelb in Berlin den Mut hat, die neue umfangreiche Evaluation zu veröffentlichen. Schon der 7. Familienbericht des Bundes hatte bereits 2006 festgestellt, dass Deutschland trotz hoher Ausgaben für die Familienförderung mit gerade mal 1,34 Kindern pro Frau eine der niedrigsten Geburtenraten Europas hat. Schon da wurde festgestellt: In Deutschland
werden Einzelmaßnahmen viel zu selten auf ihre Gesamteffekte überprüft. Schon damals gab es die Empfehlung, dass finanzielle Leistungen für Familien nicht weiter in Einzelmaßnahmen zu zersplittern. Und schon damals war das richtig.
Wer sich anschaut, was die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel über das Verhältnis von Betreuungsgeld und Investitionen in Bildung und Betreuung denken, sieht: Die Menschen haben dazu eine deutliche Meinung, und zwar für Bildung und Betreuung.
Wir kommen angesichts endlicher Ressourcen auch nicht umhin zu diskutieren, was wie zu fördern ist. Der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie steht außer Frage. Warum er bedeuten soll, einseitig zum Beispiel die Einverdienerehe vor moderneren Formen, wie Ehe und Familie gelebt wird, zu privilegieren, steht aber sehr wohl infrage. Das gilt auch für ehebezogene Maßnahmen, die kinderlose Paare gegenüber Alleinerziehenden mit Kindern oder gegenüber unverheirateten Eltern bevorzugen. Ob das dem Gebot, Familie zu schützen, heute noch entspricht, wage ich zu bezweifeln. Das ist eine Frage, über sich die unsere Gesellschaft verständigen muss.
Das Ehegattensplitting bevorzugt und zementiert tradierte Rollenund Geschlechtermuster. Es hemmt die Erwerbstätigkeit von Frauen und fördert damit die Gefahr weiblicher Altersarmut. Auch da kann man klar entscheiden: Will man das, oder will man das nicht? Ich kann Ihnen für diese Landesregierung sagen: Wir wollen das nicht.
Über das Betreuungsgeld ist schon viel gesagt worden, nicht erst heute. Schleswig-Holstein hat sich im Bundesrat - leider vergeblich - gegen das Betreuungsgeld ausgesprochen. Wir werden zukünftige Initiativen gegen dieses unsinnige Gesetz im Bundesrat unterstützen.
Es gibt aber noch weitere, auch schon länger bestehende Baustellen: Das Kindergeld zum Beispiel führt zu einer Bevorzugung von besserverdienenden Eltern und ist damit sozial ungerecht. Diese Feststellung hat nichts damit zu tun, die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Kinderexistenzminimums infrage zu stellen. Deshalb liegen auch Konzepte vor, die verfassungsrechtliche Vorgaben berücksichtigen und dabei für mehr Gerechtigkeit sorgen. Mit einem gestaffelten Kindergeld zum Beispiel. Das würde heißen: Familien mit mittlerem und niedrigem Einkommen erhalten mehr. Bei Familien mit niedrigem Einkommen wird dazu
Ein Umsteuern bei den familienpolitischen Leistungen ist dringend erforderlich. Wir haben in Deutschland - auch ohne das Betreuungsgeld - etwa 150 ehe- oder familienbezogen Leistungen. Zwischen diesen gibt es vielfältige, teils gewollte, teils nicht beabsichtigte Wechselwirkungen und auch die Inkonsistenzen. Um diese beseitigen zu können, ist es notwendig, die familienbezogenen Transferleistungen ganzheitlich zu betrachten und ein auf Transparenz und soziale Ausgewogenheit ausgerichtetes Gesamtkonzept der Kinder- und Familienförderung zu entwickeln. Wir werden diese Diskussion auch auf bundespolitischer Ebene im Sinne dieses Antrages unterstützen.
Die Ergebnisse der Gesamtevaluation wollen und werden wir auch auf landespolitischer Ebene diskutieren und damit die politische Diskussion befördern.