Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse über diesen Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und PIRATEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten vom SSW. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und PIRATEN abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir werden jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag wird die Mittagspause auf 12 bis 14 Uhr vorgezogen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.
a) Regierungserklärung zu den Anmeldungen des Landes Schleswig-Holstein für den Bundesverkehrswegeplan 2015
Ich erteile zunächst das Wort für die Landesregierung dem Herrn Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Herrn Reinhard Meyer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hohen Wogen, die die Debatten um die Verkehrsinfrastruktur schlagen, zeigen die große Bedeutung dieses Themas auch und gerade für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft in Schleswig-Holstein.
Seit meinem Amtsantritt vor mehr als acht Monaten habe ich deshalb das Gefühl, vor allem als Verkehrsminister gefordert zu sein. Deswegen ist es mir wichtig, die Entscheidungen über Verkehrsinfrastrukturinvestitionen und damit auch die Entscheidungen über die Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan 2015 so breit und so transparent wie möglich zu diskutieren. Wo, meine Damen und Herren, könnte dies besser geschehen, als hier im Landtag und in seinen Ausschüssen?
Wir wollen auch als Landesregierung hier den Dialog, und wir wollen eine gemeinsame Verständigung über infrastrukturpolitische Ziele; denn eines ist klar: Wir haben gerade gegenüber der Bundesregierung nur eine Chance, wenn wir möglichst geschlossen auftreten, wenn wir eine breite Unterstützung haben.
Insofern ist es mir in diesem Fall egal, wer wann welche Idee zuerst gehabt hat, wer von wem abschreibt. Meinetwegen kann der Erfolg viele Mütter und Väter haben. Hauptsache, wir haben Erfolg für Schleswig-Holstein.
Die Bundesregierung selbst plant eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor der Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans. Ich bin gespannt darauf.
Lassen Sie mich aber zunächst etwas zu der Bedeutung von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur ausführen und Ihnen darauf aufbauend die Vorstellungen der Landesregierung zum Bundesverkehrswegeplan und insbesondere zum Nord-Ostsee-Kanal erläutern. Zu Letzterem liegen dem Landtag ja entsprechende Anträge vor.
Meine Damen und Herren, Verkehr ist in allererster Linie Ausdruck von Mobilität und damit eine wesentliche Voraussetzung von Teilhabe an gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Prozessen, also unter anderem der Teilhabe an Arbeit, Ausbildung, Versorgung, Freizeit, Erholung und sozialen Kontakten. Er hat damit eine hohe integrative Funktion für die Gesellschaft.
Verkehr dient zugleich dem Güter- und Leistungsaustausch zwischen Wirtschaftobjekten wie Produzenten, Händlern oder Konsumenten. Mit anderen Worten: Investitionen in die Verkehrswege gewährleisten die Mobilität, ohne die unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft zum Stillstand verurteilt wären.
Dabei ist klar, dass wir auch versuchen, aus ökologischen Gründen Verkehrsbelastungen zu vermindern. Dennoch werden die Verkehrsmengen - das ist die Realität - weiterhin steigen. Das gilt insbesondere für den Güterverkehr und betrifft in besonderem Maße die über Schleswig-Holstein laufenden Verkehre von und zum Hamburger Hafen.
Für Schleswig-Holstein stellen sich alleine schon durch die wirtschaftsgeografische Lage hohe Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur. Da ist zum einen die relativ große Entfernung zu den mitteleuropäischen Wirtschaftszentren. Das ist immer noch ein Standortnachteil für so manches Unternehmen in Schleswig-Holstein. Da ist zweitens die starke Nutzung unserer Straßen- und Schienenwege durch Transitverkehre zwischen Skandinavien und den kontinentaleuropäischen Ländern. Drittens ist es die zunehmende Bedeutung der Ost-West-Verbindungen durch die Osterweiterung der EU, und viertens sind es die steigenden Pendlerzahlen insbesondere in der Metropolregion Hamburg.
Durch die wachsenden Verkehrströme wird der Knoten Hamburg immer mehr zu einem Nadelöhr. Wir alle kennen diese Situation aus eigenem Erleben: Stau auf der A 7 vor dem Hamburger Elbtunnel, häufig schon ab Quickborn, überfüllte Züge, Schienenengpass Pinneberg - Elmshorn.
Wir, meine Damen und Herren, reagieren zum einen mit Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur auf die Bedürfnisse und Entwicklungen - wie einen nach wie vor steigenden überregionalen Handel, eine wachsende internationale Arbeitsteilung, aber auch die räumliche Trennung von Wohnen, Arbeiten und Verkauf. Denken Sie auch an solche Dinge wie die mobile Gesundheitsversorgung, insbesondere im ländlichen Raum.
Wir reagieren zum anderen aber auch mit Investitionen in die Erhaltung, den Ausbau und die Instandsetzung dieser Infrastruktur. Dabei lege ich Wert darauf, hier keineswegs nur von Investitionen in die Straße und den Individualverkehr zu reden. Wir können die steigenden Anforderungen an Verkehr nur bewältigen, wenn wir diese Verkehre so ökologisch wie möglich gestalten.
Mehr kombinierter Verkehr, mehr Schiene, mehr Wasser, diesem Duktus folgen auch unsere Vorschläge. Meine Damen und Herren, das ist die Handschrift der neuen Landesregierung.
Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sind aber mehr als bloße Reaktion auf wirtschaftliche oder gesellschaftliche Dynamik. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur kann das Wachstumspotenzial einer Region positiv beeinflussen. Deswegen geht es auch um die bessere Anbindung des westlichen Landesteils an die starken Wachstumsregionen. Ich nenne nur: Nord-Ostsee-Kanal, A 20, A 7, B 5, die Schienenverbindung in der Metropolregion, die Verbindung von Hamburg über den Fehmarnbelt oder über die Jütlandroute nach Skandinavien. Verkehrsachsen, meine Damen und Herren, sind Wachstumsachsen, oder besser: Sie bieten die Chance auf Wachstum.
Schleswig-Holstein braucht Wachstum für mehr Beschäftigung, mehr Wohlstand und für eine höhere Wirtschafts- und Steuerkraft. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist sowohl für die Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger als auch für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein von entscheidender Bedeutung. Leider wurde in den letzten Jahren zu wenig getan. Viele Verkehrswege sind in einem schlechten Zustand. Maßnahmen zum Erhalt und zum Ausbau der bestehenden Verkehrsinfrastruktur blieben aus oder wurden aufgeschoben.
Die aktuellen Meldungen zum Nord-Ostsee-Kanal und zu einzelnen Landesstraßen sind nur die Spitze eines Eisbergs; darüber werden wir heute ja noch sprechen. Nach der aktuellen Untersuchung der
Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung in Deutschland“, auch Daehre-Kommission genannt, beträgt die jährliche Deckungslücke für die Verkehrsinfrastruktur aller Verkehrsträger bundesweit rund 7,2 Milliarden €, um den Instandhaltungsrückstand in 15 Jahren beseitigen zu können. Das ist die Aufgabe, vor der wir alle stehen. So gesehen, haben wir eine massive Unterfinanzierung des Sektors mit der Folge der Schwächung des Standorts Deutschland und insbesondere natürlich der Schwächung des Standorts SchleswigHolstein.
Doch es handelt sich in Wahrheit nicht um ein Einnahmeproblem, sondern vorderhand um ein Verteilungsproblem. Denken Sie allein an das Aufkommen der Mineralölsteuer, das nicht zweckgebunden dann wieder vollständig in die Infrastruktur fließt. Deswegen halte ich auch alle Debatten um eine Pkw-Maut für erheblich verfrüht, für falsch. Wir sollten eine gesellschaftspolitische Debatte darüber führen, welche Infrastruktur wir in Deutschland brauchen.
Wir müssen dabei auch so ehrlich sein und den Menschen die Kosten, die wir für die Erhaltung und für den Ausbau der Infrastruktur brauchen, klarmachen. Auch das sind gesellschaftspolitische Aufgaben. Wir alle haben die Pflicht dazu, diese Diskussionen offen zu führen. Wir werden auch den Vorsitz Schleswig-Holsteins in der Verkehrsministerkonferenz für diese Diskussion nutzen.
Meine Damen und Herren, mit den Anmeldungen für den künftigen Bundesverkehrswegeplan hat das Land die Möglichkeit, die für Schleswig-Holstein wichtigen Verkehrsvorhaben voranzubringen und verkehrspolitische Schwerpunkte zu setzen. Der bestehende Verkehrshaushalt aus dem Jahr 2003 ist seit Jahren erheblich unterfinanziert. Nicht einmal 50 % der Projekte im vordringlichen Bedarf konnten realisiert werden.
Nun hat sich der Bund vorgenommen, für den neuen Bundesverkehrswegeplan eine realistischere Grundlage zu entwickeln. Hierbei soll der Erhalt der bestehenden Infrastruktur Vorrang vor Neubaumaßnahmen haben. Bei Neu- und Ausbaumaßnahmen sollen die Hauptachsen und Güterverkehrskorridore im Vordergrund stehen. Diese Vorgabe ist angesichts der fiskalischen Rahmenbedingungen zwar verständlich, aber es ist mehr eine Reaktion,
es ist kein Agieren. Man erkennt nicht, wo die aktive Verkehrspolitik für Deutschland insgesamt ist.
Nichtsdestotrotz zwingt diese restriktive Vorgabe zur Prioritätensetzung. Unsere Projektanmeldungen können keine Plattform für Wünsch-dir-was-Listen sein; das sage ich ganz ausdrücklich. Chancen für eine Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan haben nur realitätsbezogene Anmeldungen mit einem hohen verkehrs- und regionalwirtschaftlichen Nutzen.