Wir vom SSW möchten, dass Schleswig-Holstein minderheiten- und kulturpolitisch auf europäischer Ebene wieder ganz vorne mitmischt. Die Debatten und Aktivitäten in den nächsten zwölf Monaten sollen dies unterstützen. Vereine, Schulen und Kommunen werden aktiv daran arbeiten, den Bürgerinnen und Bürgern auch hier im Land Europa und die EU sowie die kulturelle Vielfalt näherzubringen.
In Europa gibt es mehr als 300 Volksgruppen, denen ungefähr 103 Millionen Menschen angehören. Das bedeutet, dass jeder siebte Europäer einer Minderheit angehört. Hinzu kommen noch unzählige Menschen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben als das Staatsvolk und die Minderheiten. Viele dieser Menschen haben keine Unionsbürgerschaft. Sie sind keine EU-Bürger. Wir würden uns daher vielmehr ein „Europäisches Jahr der Einwohner Europas“ wünschen, in dem alle Menschen einen Platz haben.
Im Jahre 1984 gab es schon einmal etwas ganz Ähnliches, das „Europäische Jahr der Europäerinnen und Europäer“. Vielleicht sollte man sich diesen Gedanken wieder vor Augen führen und alle Menschen, die in der Europäischen Union leben, einbeziehen. Nichtsdestotrotz freuen wir uns auf ein ereignisreiches und hoffentlich bereicherndes Europäisches Jahr für Bürgerinnen und Bürger 2013.
In diesem Sinne aufgeklärte, aktive und mobile Bürger nehmen teil am politischen Geschehen auf lokaler und europäischer Ebene und beteiligen sich. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, mit der CDU, der FDP und den PIRATEN einen gemeinsamen Antrag zu machen. Das zeigt, auch wenn heute nicht alle im Plenarsaal anwesend sind, dass wir für Europa gemeinsam unseren Bürgerinnen und Bürgern in Schleswig-Holstein Europa 2013 näherbringen wollen. Den Vorschlag mit der AktivRegion finde ich richtig und gut. Es betrifft auch die Minderheit, und wir könnten vielleicht etwas Grenzüberschreitendes machen. Ich freue mich darauf. In diesem Sinne vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich bei den Fraktionen des Landtages für die vorliegenden Anträge und dafür, dass wir gemeinsam wieder deutlich mehr Europa in diesem Haus diskutieren, denn genau darum geht es. Europa hat längst eine immense Bedeutung für den Lebensalltag und die individuelle Zukunft der Menschen in unserem Land. Das jeweils sachgerecht und passgenau zu erklären, ist oft sehr aufwendig und sehr kompliziert. Trotzdem werden Landesregierung und Landespolitik gemeinsam diese Aufgabe angehen müssen. Der gemeinsame Antrag - auch dafür bedanke ich mich - bringt genau dies auf den Punkt. Denn es ist eine gemeinsame Aufgabe, die wir leisten müssen. Wir wollen und wir müssen alle Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte und Möglichkeiten als Bürger der EU informieren. Wer informiert ist und versteht, der versteht auch, was es heißt, bewusste Entscheidungen treffen zu müssen.
Meine Damen und Herren, das Jahr 2013, das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger, bietet eine solche Möglichkeit für Aktivitäten, Debatten und Veranstaltungen. Die Landesregierung wird ihre europapolitische Informationsarbeit intensivieren und dies natürlich auch im Dialog mit dem Parlament tun. Wir werden sehen, ob wir mit Planspielen ein neues Format bekommen, lieber Herr Lehnert; denn ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns ansehen, wer denn die Empfänger sind und mit wem wir es zu tun haben, wenn wir uns überlegen, welche Informationsveranstaltungen wir durchführen, ob Planspiele, Beteiligungsmodule insgesamt oder Multimediadarstellungen für Schulen. Wir müssen auch sehen, wie wir mit klassischem Informationsmaterial für verschiedene Zielgruppen und wie wir mit Online-Newslettern und Informationsmailings, mit Vorträgen und Seminaren für Laien und Experten weiterkommen. Ich denke, es gibt eine ganze Bandbreite von Möglichkeiten.
Es ist, glaube ich, sehr wünschenswert, dies dann auch mit dem zuständigen Europaausschuss gemeinsam zu besprechen. Dafür werden wir natür
lich nicht zuletzt auch die Europawoche 2013 nutzen, die jetzt auch vonseiten der EU unter dem Motto „Europäisches Jahr für Bürgerinnen und Bürger“ steht. Also das passt auch gut zusammen.
Darüber hinaus werden wir viele der europäischen Anlässe nutzen, um auf Europa aufmerksam zu machen, zum Beispiel heute anlässlich des 20-jährigen Binnenmarktjubiläums. Ich lade Sie recht herzlich zur Veranstaltung um 17:15 Uhr ein. Ich mache jetzt einen kleinen Werbeblock. Ich lade Sie dazu recht herzlich in die Räume der Heinrich-Böll-Stiftung ein, denn dort findet diese Veranstaltung statt. Das 50-jährige Jubiläum des Élysée-Vertrages kommt im nächsten Jahr, und vieles Weitere wird im Rahmen der Europawoche 2013 stattfinden. Zudem bereiten wir uns auch jetzt schon auf wichtige Daten im Jahr 2014 vor, besonders natürlich auf die Europawahl im Juni 2014.
Das bringt mich zu etwas, was ich für besonders wichtig halte. Wir müssen unsere Informationsarbeit verstärkt gemeinsam und weitgehend abgestimmt auch mit den verschiedenen Europaakteuren durchführen. Liebe Frau Klahn, das war auch Ihr Punkt, also in Schleswig-Holstein mit der Europa-Union, mit der europäischen Bewegung, mit der JEF, also den Jungen Europäischen Förderalisten, mit dem Eurodesk - nicht vom Landesrechnungshof, das war die vorherige Debatte
beim Landesjugendring, mit dem EEN, das heißt dem European Enterprise Network bei der Investitionsbank, dem Europäischen Verbraucherzentrum und mit dem Verein der Europaschulen. Es gibt sicherlich noch weitere Akteure, die einzubinden sind. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle sehr herzlichen Dank sagen, insbesondere den vielen ehrenamtlich Engagierten für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das, denke ich, muss oft gesagt werden, denn auf diese Zusammenarbeit, diese ehrenamtlich engagierten Menschen sind wir angewiesen.
Meine Damen und Herren, eine abgestimmte und zielgerichtete Informationsarbeit muss darüber hinaus angebunden sein an die Bundesebene, die Landesebene und an die Europaebene. Das gewährleisten wir über die ständige Arbeitsgruppe der Europaministerkonferenz. Sie koordiniert die Aktivitäten zwischen den Bundesländern, aber auch mit dem Bund, hier dem Bundespresseamt und dem Auswärtigen Amt, sowie mit der Europäischen Kommission und mit dem Europäischen Parlament. Das, kann ich Ihnen versichern, ist nicht immer ein
fach. Es hört sich leicht an, ist es aber nicht. Aber es ist notwendig, diese Koordinierungsarbeit zu leisten, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen.
Eine umfassende Kommunikation, und zwar auf allen Ebenen und in allen Verantwortungsbereichen, ist der Schlüssel für ein Mehr an Verständnis über Europa und über europäische Politik bei den Bürgerinnen und Bürgern. Dass dieser Ansatz auch immer konkret betrachtet werden muss, zeigt die aktuelle Debatte um die Zukunft des Ostseesekretariats für Jugendangelegenheiten. Das in Kiel beheimatete Sekretariat arbeitet der Expertengruppe für Jugendangelegenheiten des Ostseerates zu. Ostseezusammenarbeit ist gelebte europäische Politik. Nach dessen beschlossener Selbstauflösung soll jetzt auch das Sekretariat zum Jahresende geschlossen werden.
Ich halte es für mehr als unglücklich, wenn eine solche Einrichtung, die europäische Jugendprojekte betreut und europapolitisches Wissen praktisch und anschaulich durch die Begegnung junger Menschen aus vielen Ländern vermittelt, ein solches Ende finden würde. Für mich ist dies auch ein Affront auch dies sage ich ganz deutlich - gegen die seit Juli bestehende Ostseeratspräsidentschaft Russlands, denn der Beschluss zur Auflösung wurde ohne Anwesenheit des russischen Vertreters gefasst. Ich meine, das Kieler Sekretariat sollte eine Zukunft haben. Ich werde mich daher in einem Brief an Bundesjugendministerin Kristina Schröder mit allem Nachdruck für den Erhalt des Ostseejugendsekretariats einsetzen, übrigens auch im Namen von Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg, weil Schleswig-Holstein in diesem Jahr auf Arbeitsebene den Vorsitz der sogenannten Koordinierungsrunde in Ostsee-Angelegenheiten innehat, in der auch Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern vertreten sind.
Das Bundesfamilienministerium unterstützt diese Einrichtung gemeinsam mit allen Ostsee-Anrainern finanziell. Ich begrüße zudem sehr, dass der Leiter der Delegation des Deutschen Bundestags in der Ostseeparlamentarierkonferenz, Franz Thönnes, Briefe an die Bundesregierung zur Rettung des Kieler Sekretariats auf den Weg gebracht hat. Unterstützung hat auch Dänemark signalisiert. Bei meinem Besuch in Kopenhagen im Oktober hatte ich darüber ein Gespräch mit der dänischen Bildungsund Jugendministerin, Christine Antorini. Unser Landtagspräsident Klaus Schlie setzt sich ebenso für den Erhalt ein. Ich setze auch auf die Unterstützung des Schleswig-Holsteinischen Landtags.
Lassen Sie uns also gemeinsam für den Fortbestand des Kieler Ostseesekretariats für Jugendangelegenheiten eintreten. In diesem weiter gefassten Sinne bitte ich Sie: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir in einem Europa der Bürgerinnen und Bürger viel und konkret über Europa und unsere Belange sprechen. Europa sollte nicht nur mit Krise assoziiert werden, sondern mit Freiheit, kultureller Identität, Chance und Gestaltung der eigenen Zukunft. Dafür haben Sie mich fest an Ihrer Seite. - Vielen Dank.
Die Frau Ministerin hat die Redezeit um 3 Minuten 25 Sekunden überzogen. Diese Zeit steht nun allen Fraktionen zur Verfügung. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann schließe ich die Beratung.
Vor dem Hintergrund des gemeinsam eingebrachten Antrags, Drucksache 18/358 (neu), gehe ich davon aus, dass der Antrag Drucksache 18/415 seine Erledigung gefunden hat. Wird dem widersprochen? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 18/358 (neu) seine Zustimmung geben will, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag so beschlossen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der Fünfprozentsperrklausel bei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Patrick Breyer das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Offenheit für neue Ideen, der politische Wettbewerb und die politische Vielfalt bilden die
Grundlage unserer Demokratie. Wenn die Bürger das Gefühl bekommen, sie können mit ihrer Stimme sowieso nichts ändern, dann verliert die Demokratie an Akzeptanz, und die Gegner der Demokratie gewinnen an Zulauf. Das ist eine gefährliche Entwicklung.
Die Fünfprozentsperrklausel in unserem Wahlrecht schließt viele neue Ideen von unserem Landtag aus. Sie frustriert Zehntausende von Wählern, deren Wille keine Chance gegeben wird, sich parlamentarisch zu bewähren. Deswegen beantragen wir PIRATEN, die Fünfprozentsperrklausel zu streichen.
Im Wahlkampf fördert allein schon die Chance kleiner Parteien, ein Mandat erringen zu können, die Offenheit der Wettbewerber, also der etablierten Parteien für neue politische Vorstellungen, wie auch wir PIRATEN sie einbringen. Eine Abschaffung der Sperrklausel macht Wahlen schlichtweg spannender und führt zu einer höheren Wahlbeteiligung, wie sie unser aller Ziel sein muss.
Außerdem wird überzeugend die viel kritisierte Sonderstellung des SSW beseitigt, ohne aber die Mitwirkung der dänischen Minderheit zu erschweren.
Das Argument, ein Wegfall der Sperrklausel erschwere die Koalitionsbildung, überzeugt mich nicht. Mit diesem Argument ließe sich schließlich auch eine Zehn-, Zwanzig- oder Dreißigprozentsperrklausel rechtfertigen. Wenn es nur eine Partei gäbe, hätten wir gar keine Schwierigkeiten mehr. Das kann aber nicht das Anliegen eines Demokraten sein.
In EU-Partnerstaaten wie zum Beispiel in Portugal, in den Niederlanden oder in Finnland werden sogar auf nationaler Ebene seit langer Zeit ohne Sperrklausel stabile Regierungen gebildet.
Das politisch schwerwiegendste Gegenargument ist sicherlich, dass wir antidemokratische Parteien aus dem Landtag heraushalten wollen. Das ist ganz klar unser gemeinsames Ziel.
Für uns PIRATEN sind die Freiheits- und Bürgerrechte, demokratische Mitbestimmung und Toleranz Kernwerte und Grundlage unserer politischen Arbeit. Es ist keine Frage, dass wir mehr Engagement gegen die Feinde unserer Demokratie brau
chen. Wir können die Gegner unserer Demokratie aber nicht bekämpfen, indem wir mit der Sperrklausel die Demokratie selbst einschränken. Wir dürfen nicht zulassen, dass wegen einer antidemokratischen Partei auch alle anderen demokratischen Parteien, die unter 5 % liegen, von der Volksvertretung ausgeschlossen werden. Das wäre eine Kapitulation vor den Gegnern unserer Verfassung.
Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich entschieden, dass eine Sperrklausel nicht dazu genutzt werden darf, um antidemokratische Parteien auszuschließen. Dazu ist das Verbotsverfahren da.
Die Sperrklausel ist letztendlich auch ungeeignet, um den Einzug antidemokratischer Parteien ins Parlament zu verhindern. Das zeigt sich daran, dass von 16 europäischen Staaten, in deren nationalen Parlamenten solche Parteien 2010 leider vertreten waren, 14 über eine Sperrklausel verfügt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns den Mut aufbringen, gegen Antidemokraten nicht ängstlich mit Wahlrechtsparagrafen, sondern kraftvoll und selbstbewusst mit der Stärke und dem Stolz der Demokratie vorzugehen. Lassen Sie uns verfassungsfeindlichen Gruppierungen mit der Stimme aller Bürger an der Wahlurne eine Absage erteilen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lade Sie ein, zusammen mit uns im Innen- und Rechtsausschuss zu diskutieren und uns mit Sachverständigen im Rahmen einer Anhörung eine Meinung dazu zu bilden, ob wir die Sperrklausel abschaffen oder doch wenigstens - wie bei unserem europäischen Nachbarn in Dänemark und wie es auch der Europarat empfiehlt - deutlich absenken können. Wir PIRATEN werden bei den Beratungen dafür streiten, dass wir mehr Demokratie in Schleswig-Holstein wagen.