Protocol of the Session on February 23, 2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und möchte als erstes Frau Ministerin Britta Ernst zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Erkrankt sind die Abgeordneten Johannes Callsen und Serpil Midyatli. - Wir wünschen gute Besserung!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung und sein Team, die an diesem Aktionsplan mitgearbeitet haben. - Seien Sie alle herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 69 auf:

Landesaktionsplan Schleswig-Holstein zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/5091

Ich erteile das Wort der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich, und ich bin wirklich stolz darauf, dass diese Landesregierung erstmals in der Geschichte des Landes einen Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention vorlegt;

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

einen Aktionsplan, der auch im Vergleich mit anderen Plänen von anderen Ländern zukunftweisende Maßstäbe setzt. Möglich wurde das durch einen breiten, ausführlichen und sehr gründlich geführten Diskussionsprozess mit einem ganz klaren Ziel: Überall da, wo die Landesregierung zuständig ist, soll die Behindertenrechtskonvention in Zukunft

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 141. Sitzung - Donnerstag, 23. Februar 2017 11807

noch wirksamer, noch konsequenter umgesetzt werden.

Es gibt den Aktionsplan in gedruckter Form auch in Leichter Sprache. Man kann ihn sich auch vorlesen lassen, und es gibt ein Video. So ist der Aktionsplan, und das ist uns besonders wichtig, tatsächlich einem wirklich großen Kreis von Menschen zugänglich gemacht; Menschen, die es unmittelbar angeht, was die Landesregierung entwickelt und verwirklicht hat und wie sie es umsetzen will.

Dabei ist das Interesse wirklich groß. Das haben wir schon erfahren, als wir den Plan erarbeitet haben, insbesondere in der Phase, in der wir im vergangenen Jahr den Entwurf mit ganz vielen, mit mehreren Hundert, Bürgerinnen und Bürgern zusammen in verschiedenen Dialogforen erarbeitet haben. Diese sind gut angenommen worden. Viele haben sich sehr detailliert und engagiert eingebracht. Ihnen und auch namentlich dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Herrn Hase, gilt unser Dank. - Schön, dass Sie mitgemacht und sich so engagiert haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Ohne Ihre und die vielen anderen konstruktiven Beiträge und Impulse wäre der Aktionsplan nicht so gut geworden, wie er jetzt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ohne intensive Beteiligung gerade von Menschen mit Behinderung wäre ein Aktionsplan bestenfalls eine gut gemeinte Absichtserklärung, aber eben nicht der von uns wirklich gemeinte politische und gesellschaftliche Beitrag zur Inklusion. Darum haben wir bei der Erarbeitung des Aktionsplans die Beteiligung so großgeschrieben, und wir werden das auch bei der Umsetzung tun, denn auch hier ist unser ganz klares Ziel: eine Gesellschaft, ein SchleswigHolstein, in dem Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zusammenleben und zusammenarbeiten. Dieses Ziel der Inklusion erfordert von allen auch Veränderungen im Denken und im Handeln. Die Überwindung von Barrieren in den Köpfen ist Grundvoraussetzung für nachhaltige Veränderungen in der Gesellschaft. Mit dem Aktionsplan schaffen wir dafür einen neuen Aufbruch.

Der Aktionsplan gliedert sich in zehn Handlungsfelder, auf die wir uns verständigt haben und die wir innerhalb der Landesregierung im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und den zivilgesellschaftlichen Akteuren und Beteiligten diskutiert haben. Diese zehn Handlungsfelder haben zentrale Bedeutung für die Menschen, für die Lebenswirk

lichkeit von Menschen mit Behinderung und für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Darum ist es auch kein Zufall, dass diese Handlungsfelder den Leitbildern und -zielen der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechen. Es geht dabei, um nur einige beispielhaft zu nennen, um die Bewusstseinsbildung und um Bildung überhaupt, um Arbeit und Beschäftigung, um unabhängige Lebensführung und ihre Voraussetzungen im Bereich Bauen und Wohnen. Es geht weiter um die Teilhabe an Kultur, Sport und Freizeit. Es geht um mehr Mobilität und um mehr Barrierefreiheit, auch im Bereich Kommunikation und Information.

Zu jedem dieser Handlungsfelder nennt der Aktionsplan Zielsetzungen der einzelnen Ressorts. Dies können zum Beispiel Gesetzesvorhaben sein. Es können Fortbildungen oder auch verschiedene Einzelprojekte sein. Der Aktionsplan nennt dabei eine Vielzahl konkreter Maßnahmen; neue, aber auch erfolgreich bestehende, die wir weiterführen und weiterentwickeln sowie besser verzahnen und dabei noch wirksamer machen wollen, sei es zum Beispiel beim Modellversuch Inklusion in meinem Haus, sei es im Bereich Förderung Barrierefreiheit im Wohnungsbestand oder auch bei der Aufklärung bei steuerrechtlichen Regelungen für Menschen mit Behinderung. Wir unterstützen den Breitensport und Maßnahmen im gemeinsamen Sport für Menschen mit und ohne Behinderung und im Bereich der Kultur, zum Beispiel die Barrierefreiheit, die bei landesgeförderten Kultureinrichtungen zu einem Kriterium werden soll. Kultur für alle eben, Kultur für wirklich alle.

Wir tun eine Menge, und wir haben noch mehr vor. Wenn der Landtag dem Aktionsplan zustimmt, beginnen wir morgen mit seiner Umsetzung, wobei ich sehr froh bin, dass unser Aktionsplan durch die bundesweite Reform des Bundesteilhabegesetzes zusätzlich an Bedeutung und an Dynamik gewinnt. Wir haben es ganz deutlich gemerkt, das war schon bei den vielen Diskussionen über die konkreten Handlungsfelder so. Und das ist ganz besonders wichtig: Bei der Umsetzung des Aktionsplans sind sämtliche Landesministerien und die Staatskanzlei beteiligt. Jedes Haus hat dazu einen Handlungskatalog aufgestellt, den es jetzt Schritt für Schritt umsetzen wird. Es ist wohl bei allen angekommen: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist integraler Bestandteil der zuständigen Häuser. Alle nehmen diese Aufgabe an; das ist bei der Erarbeitung des Aktionsplans deutlich geworden.

Ich bin sehr optimistisch, was die Umsetzung angeht. Zugleich wird der Landesbeauftragte den Um

(Ministerin Kristin Alheit)

setzungsprozess in seiner Funktion als Monitoringstelle begleiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben dem Landesaktionsplan einen Titel gegeben, mit dem wir sagen, welches unser Ziel ist. Wir wollen ein Land des Miteinanders sein. Wir wollen in einem Land leben, in dem die Anliegen von Menschen mit Behinderung als Selbstverständlichkeit in allen Bereichen politischen Handelns und des gesellschaftlichen Lebens berücksichtigt werden. Gehen wir diesen Weg gemeinsam weiter. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Karsten Jasper das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Mein Dank geht an die Landesregierung für den Landesaktionsplan und schließt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien ein. Das Ministerium hat eine sehr gute Broschüre erstellt, vor allem auch in Leichter Sprache. 152 Seiten sind ganz normal geschrieben, aber 53 Seiten sogar in Leichter Sprache. Insoweit bedanke ich mich ganz besonders bei Herrn Dr. Rosendahl.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ganz herzlich möchte ich mich auch bei Herrn Professor Dr. Uli Hase bedanken, ebenso natürlich auch bei seinen Mitarbeitern, die den gesamten Landesaktionsplan schon im Vorfeld mit begleitet haben und die Monitoringstelle in Zukunft betreuen werden.

Natürlich bedanke ich mich auch bei allen Beteiligten - ich selbst habe an zwei Veranstaltungen teilgenommen -, die die Dialogforen mit gestaltet und dort mitdiskutiert haben.

„Es ist normal, verschieden zu sein.“

1993 hat der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker diese Worte über Menschen mit und ohne Behinderung gesagt. Schon damals hat er mit diesem Satz den Kern der Sache getroffen; denn im Kern geht es auch heute noch darum zu vermitteln, dass eine Behinderung Teil der Vielfalt unseres Lebens ist.

Inklusion ist für uns alle ein fortwährender Prozess, den wir in Abstimmung mit den Betroffenen immer besser und effizienter voranbringen müssen. Genau da soll der von Ihnen in den vergangenen Jahren erarbeitete und uns Ende Januar 2017 vorgelegte Landesaktionsplan ansetzen.

Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn die Erarbeitung dieses Planes keine dreieinhalb Jahre gedauert hätte.

(Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN])

- Danke schön, Herr Kollege Dudda! - Ich hätte mich auch gefreut, wenn wir in der vorletzten Landtagstagung dieser Legislaturperiode besser über erste Erfolge des Plans statt nur über die Erarbeitung des Plans diskutieren könnten.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht dass Sie mich falsch verstehen. Natürlich ist mir bewusst, dass den Betroffenen Zeit gelassen werden muss, eigene Ziele zu formulieren und die dann festgehaltenen Ziele auch zu kontrollieren. Aber wenn ich lese, dass von der Beschlussfassung bis zur Genehmigung allein des Konzeptes bereits neun Monate vergangen sind, habe ich meine Zweifel, ob die erste Phase des Planes wirklich so viel Zeit benötigt hätte, zumal der im Jahr 2015 gegebene Zwischenbericht bereits klargestellt hat, was der Aktionsplan nicht kann. Er beinhaltet keine Maßnahmen, die in die Verantwortung Dritter fallen.

Sie alle haben natürlich den Bericht gelesen. Auch ich habe mir den Bericht angesehen. Auf dem ersten Blick betrachtet klingen die darin aufgeschriebenen Maßnahmen sehr umfassend. Will man sich aber durch jeden Handlungsbereich und durch jede darin genannte Maßnahme arbeiten, dann dauert das seine Zeit, um dann festzustellen, dass noch sehr viele der Maßnahmen in der Umsetzung sind, zum Teil aber sicherlich auch einige abgeschlossen sind.

Doch was ist mit den Problemen, die nicht im öffentlichen Dienst und dessen Handlungsbereich liegen, die nicht aus den Ministerien heraus geregelt werden können? Diese werden durch den Landesaktionsplan leider nicht erfasst. Aber gerade die Barrieren in den Köpfen, um die es geht, müssen wir auch in diesem Bereich erfassen. Da hilft auch ein Aktionsplan nichts, obwohl er ja gerade diesen Aspekt im Handlungsfeld 1 aufgreift.

Ich wiederhole an dieser Stelle gern, was meine Kollegin Heike Franzen bereits im Jahr 2013 gesagt hat:

(Ministerin Kristin Alheit)

„Leistungen für Menschen mit Behinderung sind keine Sozialhilfeleistungen, sondern notwendige Leistungen, um Nachteilsausgleiche sicherzustellen.“

(Beifall CDU, Wolfgang Dudda [PIRATEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Diese Botschaft müssen wir alle auch weiterhin unabhängig vom Aktionsplan in die Köpfe der Menschen tragen.

Auch mit unserem Antrag für einen Fonds für Barrierefreiheit wäre es schon in der Erarbeitungsphase des Aktionsplans möglich gewesen, weitere Barrieren abzubauen. Im Handlungsfeld 9 sagen Sie ja selbst, dass die Barrierefreiheit im ÖPNV gut ist. Schade, dass Sie unseren Antrag abgelehnt haben, der zur Förderung der Barrierefreiheit sicherlich ganz hilfreich gewesen wäre.

Frau Ministerin, vielleicht können Sie uns noch einmal darlegen, welche der ergriffenen Maßnahmen in den letzten Jahren bereits ihre Wirkung entfaltet haben. Denn, wie im Bericht richtig festgehalten worden ist, richtet die Landesregierung bereits seit 2006 ihre Politik an der Leitidee Inklusion aus, und schon im Jahr 2007 gab es ein erstes Gesamtkonzept der Politik für Menschen mit Behinderung.