Protocol of the Session on December 13, 2012

(Beifall)

Das Wort hat der FDP-Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Stegner, ich frage mich, wo Ihre intellektuelle Brillanz geblieben ist. Das, was Sie hier machen, ist nichts mehr als stupide Polemik.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Sie waren wirklich einmal besser. Ich weiß nicht, was mit Ihnen passiert ist, dass Sie so absacken.

(Zurufe SPD)

- Wenn er denn eine deutsche Eiche wäre, dann würde man sich an ihm auch reiben können. Davon ist er aber deutlich entfernt.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Ich will das einmal auf den Europabereich herunterbrechen. Sie treten hier auf und sagen, wir wollten uns in der Sache streiten, bringen sachlich aber keinen einzigen Beitrag.

(Beifall FDP)

Es stellt sich doch nicht die Frage, ob wir ein soziales Europa wollen, sondern, wie wir dort hinkommen. Ich kann Ihnen sagen, Herr Dr. Stegner, wenn Sie in Griechenland auftreten und den griechischen arbeitslosen Jugendlichen versprechen, dass sie mit Ihrer Mithilfe einen Job bekommen werden, werden sie Sie fragen: Wie denn? Das Problem, das Griechenland, Spanien und Italien haben, ist ihre man

gelnde Wettbewerbsfähigkeit. Das bekommen Sie nicht durch Appelle in den Griff, sondern nur durch eine verbesserte wirtschaftliche Kompetenz, eine verbesserte Infrastruktur und durch eine verbesserte Grundbuchgeschichte. Noch einmal: Nicht durch Appelle wird die Welt besser, sondern durch Taten wird die Welt besser. Da lassen Sie einiges vermissen.

(Beifall FDP und CDU)

Ich will nun hier nicht Angela Merkel verteidigen, weil auch ich einige ihrer Äußerungen und Auftritte anders sehe. Wie sollte es auch anders sein, ich bin Mitglied der FDP. Gleichwohl sage ich Ihnen, dass 70 % der deutschen Bevölkerung ihr gegenwärtiges Engagement in der europäischen Staatsschuldenkrise nicht nur befürworten, sondern auch für angemessen halten. Warum? - Weil die ständigen Appelle, egal was passiert, wir helfen den anderen Ländern, ihre Schuldenprobleme zu lösen, nicht dazu führen, dass die Schuldenprobleme gelöst werden, sondern dass sie sich verstärken. Wir müssen schon erwarten, wenn wir helfen wollen, dass die Hilfe im Zweifel auch angenommen und nicht als selbstverständlich angesehen wird. Das bedeutet, dass die Griechen und die Spanier ihre Hausaufgaben machen müssen, um ihre eigene Leistungsfähigkeit wieder herzustellen und nicht darauf vertrauen, dass andere das machen.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Dr. Stegner, ich bin ein vehementer Europäer. Sie werden demnächst von mir etwas in einer doch bedeutenderen Zeitschrift lesen - die bei mir nachgefragt hat und nicht bei Ihnen -, nämlich in der Zeitschrift „Kapital“, zu der Frage: Wie soll es in Europa weitergehen?

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Herzlichen Glück- wunsch! - Weitere Zurufe SPD)

- Ja, selbstverständlich. Weil sie von Leuten mit ökonomischem Sachverstand gelesen wird und weil darin auch Peer Steinbrück gelegentlich veröffentlicht hat - noch ohne Honorar, wahrscheinlich würde er jetzt ein Honorar nehmen.

(Zuruf SPD: Und was nehmen Sie? - Weitere Zurufe SPD)

Aber das muss man auch nicht machen. Sie als Sozialdemokraten sind ja so bedeutsam - mit 27 % bundesweit. Sie müssen vielleicht einmal darüber nachdenken, was das bedeutet. Eine Partei, die einmal mehr als 40 % der Stimmen organisiert hat, muss sich doch fragen, ob ihre Politik überhaupt noch richtig ist und von den Menschen verstanden

(Dr. Ralf Stegner)

wird. Sie sollten sich nicht dauernd hier hinstellen und sagen, wir befinden uns im Bereich der Besserwisser.

Wenn Europa künftig eine Zukunft haben soll, müssen wir die europäische Integration verstärken. Das geht nur, wenn wir nationale Souveränitätsrechte aufgeben. Wir können wegen der ökonomischen Disparitäten auf Dauer keinen gemeinsamen Währungsraum unterhalten, wenn wir keine gemeinsame Fiskal-, keine gemeinsame Sozial- und keine gemeinsame Wirtschaftspolitik haben.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Lars Harms [SSW])

Wer das nicht begreifen will, der lügt nicht nur sich selbst in die Tasche, sondern wird auch Probleme schaffen, zu deren Bewältigung die nationalen Kapazitäten nicht mehr ausreichen werden.

Wer uns heute empfiehlt, wir sollten zur D-Mark zurückkehren, der hat den Schuss nicht gehört. Wer in der logischen Folge einer Veränderung der bisherigen Eurozone die D-Mark zu einer Fluchtwährung machen will, muss nur in die Schweiz schauen. Die Schweiz merkt gerade, was dann passiert. Die Schweizer Nationalbank ist stark genug, um mit Gelddrucken dagegen anzugehen. Aber für uns würde das bedeuten, dass wir von heute auf morgen eine Aufwertung von 40 bis 50 % hätten mit der Folge, dass die Exporte zusammenbrächen und wir ökonomische Probleme bekämen, deren Folgewirkungen wir heute gar nicht absehen können, die jedenfalls schlimmer wären als all das, was wir leisten, um die Eurozone zu stabilisieren.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Dr. Kai Dolgner [SPD])

Herr Kollege Dr. Stegner, ich habe überhaupt nicht verstanden, was das deutsch-schweizerische Steuerabkommen mit griechischen Steuerflüchtlingen zu tun haben soll. Bisher bin ich nicht davon ausgegangen, dass wir Griechenland okkupiert haben und die griechischen Staatsbürger Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz unterliegen.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Der gleiche Geist, Herr Dr. Stegner, könnte Sie vielleicht dazu veranlassen - darüber müssen wir mit Martin Schulz vielleicht einmal reden -, Ihre Genossinnen und Genossen in Griechenland zu veranlassen, endlich die Norm aus der Verfassung herauszustreichen, wonach Reeder in Griechenland von der Steuer befreit sind. Ich kenne kein anderes Land, in dem eine Berufsgruppe von der Steuer befreit ist. Das ist übrigens mit Zustimmung der dorti

gen Sozialisten so. Das ist eine Nummer, zu der auch ich als Parlamentarier sage: Wenn das nicht beseitigt wird - das erwarte ich vom griechischen Parlament -, dann muss man schon begründen, warum man von Deutschland Geld haben will, das man von den eigenen Staatsbürger nicht einnimmt.

(Beifall FDP, CDU und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Wolfgang Baasch [SPD]: Sie haben die Hoteliers auch befreit!)

- Ja, wir haben die Hoteliers befreit. Wir befreien viele.

(Zurufe SPD)

- Ja, Sie doch auch, Herr Baasch. Diese ganzen Mehrwertsteuerausnahmetatbestände sind doch nicht geschaffen worden, weil einige böse Menschen das wollten, sondern weil immer mehr Gruppen kamen und sagten, wir brauchen für die Zeitschriftenverleger, wir brauchen für die Blumenhändler, wir brauchen für bestimmte Leute und Regionen Ausnahmetatbestände. Das geht doch bis heute so, bei Ihnen in gleicher Weise. Der Vorschlag, der von Herrn Wiegard und mir auf dem Tisch lag und hoffentlich von Frau Heinold weiterverfolgt werden wird, war deshalb doch auch der, alle Ausnahmetatbestände bei der Mehrwertsteuer zu streichen und dann einfach den Satz zu senken.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt PIRA- TEN)

Dann wollen wir doch einmal sehen, wie intensiv und stark Sie auf unserer Seite kämpfen werden, Herr Baasch, Herr Dr. Stegner oder auch andere.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa ist ein wichtiges Projekt. Das, was wir momentan erleben, ist eine Renationalilsierung der Gedankengänge. Ich bin noch mit einer Emphase für Europa großgeworden. Meine Kinder sind mit einer Emphase für Europa groß geworden. Ich merke, dass diese Emphase mittlerweise nachlässt. Wenn es uns nicht gelingt, eine neue Euphorie für die europäische Integration zu schaffen, dann werden die jungen Menschen, die Europa nur im Frieden erlebt haben, für die es selbstverständlich ist, dass sie ohne Pässe quer durch Europa reisen können, dass sie an keiner Zollstation mehr aufgehalten werden, nicht mehr bereit sein, den Integrationsprozess so zu beschreiten, wie wir ihn uns vorstellen.

Lieber Ekkehard Klug, das bedeutet nicht, dass wir eine allgemeine Sülze verbreiten sollen. Ich will mich mit Herrn Dr. Stegner darüber streiten, wohin der gemeinsame Weg geht. Aber was wir dokumentieren müssen, ist, dass Europa uns als Projekt am

(Wolfgang Kubicki)

Herzen liegt, dass Europa mehr ist als nur Frieden in Europa zu sichern und kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Es ist das Projekt einer stärkeren Bedeutung in der Welt, die kein einzelner Nationalstaat in Europa erhalten kann - so wie sich die Welt verändert. Wir sind auch als Deutsche das sage ich immer wieder - nur stark als Europäer und nicht als Deutsche allein, so wie alle anderen auch. Wenn es uns gelingt, dort wieder eine gewisse Emphase zu entfachen, dann werden wir mit den Problemen, die wir haben, die zu beschreiben sind, fertig - nicht in Angst, sondern in großer Euphorie und in großer Zuversicht. Europa hat in den letzten 60 Jahren so viel geschafft. Mit dem, was wir jetzt haben, werden wir spielend fertig - auch mit Herrn Dr. Stegner. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Johannes Callsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da hat eben - sozusagen vor mir - ein großer Europäer gesprochen. Herr Dr. Stegner, Sie haben von Besserwisserei, von Ressentiments in der Europäischen Union gegenüber kleineren Staaten gesprochen. Mir fällt auf: Sie sagen so etwas immer, zum Beispiel gegenüber Malta, gegenüber der ehemaligen dänischen Regierung, wenn Ihnen bestimmte Dinge ideologisch nicht in den Kram passen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genauso ist es!)

Das ist nicht das Europa, das ich mir vorstelle, wenn man von einer gegenseitigen Achtung in Europa spricht.

(Beifall CDU)

Wir haben die Regierungserklärung gehört. Liebe Anke Spoorendonk, ich habe mich in der Tat gefragt, wie diese Regierungserklärung uns heute vorangebracht hat außer mit der gemeinsamen Botschaft, dass wir zu und hinter Europa stehen. Die Regierungserklärung hat über den Europabericht hinaus, der dem Parlament vorliegt, nichts Neues gebracht. Das hat auch nichts damit zu tun, dass es hier um die Perspektive für die Zukunft geht, sondern es ist ausdrücklich Auftrag des Landtags gewesen, dass der Europabericht - und das schreibt die Landesregierung auch in ihrem Bericht in den Vorbemerkungen - nicht nur Rückschau, sondern ausdrücklich auch Vorausschau ist. Insofern hätte

es dieser Regierungserklärung formal nicht bedurft. Es hätte ihrer auch inhaltlich nicht bedurft, weil es in der Tat kaum etwas Neues gab.

Ich möchte das kurz an drei Beispielen festmachen. Sie haben Ihren angeblichen Erfolg gewürdigt, dass Kultur, regionale Identität und Tourismus jetzt endlich in die Förderprogramme aufgenommen worden sind. Wir haben uns in der letzten Wahlperiode häufig darüber gestritten - Sie haben uns dabei alles Mögliche vorgeworfen -, aber Sie schreiben in Ihrem Europabericht dezidiert, dass seit 2011 das Land genau dafür eintrete. Das heißt, dieser Erfolg ist der Erfolg der alten Landesregierung.

(Vereinzelter Beifall CDU)