Protocol of the Session on December 13, 2012

Ich darf deshalb an dieser Stelle noch einmal nachfragen. Das ist das, was ich in der Regierungserklärung vermisst habe, weil es ein aktuelles Thema ist. Beabsichtigt die Ministerin, beabsichtigt die Landesregierung, auf politische Gesprächspartner in Schweden zuzugehen, um dort doch noch einen Sinneswandel zu befördern? Und wie vereinbart sie das Stillschweigen in der Regierungserklärung beziehungsweise in ihrer Rede hier mit dem just in der Regierungserklärung erhobenen Anspruch, künftig bei der Umsetzung des Themas Kultur in der Ostseestrategie die Rolle eines Koordinators zu übernehmen? Das ist ein hoher Anspruch, aber dann, wenn ein Problem auftaucht, herrscht Stille. Wenn man Ideengeber für die Ostseekooperation in diesem Bereich sein will, dann muss man, wenn Probleme auftauchen, schon mal die Flagge am Fahnenmast hochziehen.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Birte Pauls?

(Dr. Ekkehard Klug)

Bitte schön.

Herr Kollege Klug, ist Ihnen bekannt, dass der Projektleiter, Herr von Carnap-Bornheim, das Ausscheren von Schweden zwar als ärgerlich ansieht, aber nicht als ganz stark problematisch?

Es ist natürlich eine Schwächung der internationalen Initiative, wenn ein Ostsee-Anrainerstaat, der nun einmal wesentliche archäologische Fundstätten aus der Wikingerzeit vorzuweisen hat, aus dieser gemeinsamen Initiative ausschert. Natürlich haben wir die Hoffnung, dass es auch in der kleineren Variante gut gehen kann. Trotzdem ist es ein Problem. Ich denke, es ist auch unser gemeinsamer Wunsch, dass die Schweden später doch wieder mitmachen.

(Beifall FDP)

Generell ist festzustellen, dass der abrupte Ausstieg eines der wichtigsten Partner bei dem Vorhaben den Eindruck erweckt, dass es um die Ostseezusammenarbeit - ich muss nun ein bisschen Wasser in den Wein gießen - doch nicht so gut bestellt ist, wie dies in Sonntagsreden so gern politisch beschworen wird.

Noch am 13. Juni 2012 proklamierte Ministerpräsident Albig in seiner Regierungserklärung:

„Meine Regierung ist eine bewusst nordeuropäische.“

Wir haben damals auch gehört, dass wir „Teil dieses einen und starken Schleswig-Holsteins sind“ und dass ganz Europa auf Schleswig-Holstein blicke. Das hat der Herr Ministerpräsident Albig uns damals am 13. Juni vorgetragen. Wenn das alles gesagt wird, dann wundere ich mich schon, wenn die Regierungsvertreter zu Punkten, die die Ostseekooperation - schädigend - tangieren, keinen Laut von sich geben.

(Beifall FDP)

Ich frage also: Was macht das starke und stolze Schleswig-Holstein, damit dieses Projekt doch noch in der angestrebten Form verwirklicht werden kann? Es kann ja nicht sein, dass Nordeuropa im Norden nur bis Sonderburg und im Süden bis zur Eider reicht.

Meine Damen und Herren, auf den ersten Blick könnte man es noch als Panne ansehen, dass zu diesem Thema von der Ministerin in der Regierungser

klärung nichts gesagt worden ist. Leider handelt es sich aber nicht - jetzt solltest du zuhören, Anke; Heiner, lenk die Ministerin nicht ab - um einen Einzelfall. Auch zur drohenden Schließung des 1999 eingerichteten Ostseesekretariats für Jugendangelegenheiten haben wir hier bedauerlicherweise in der Regierungserklärung zur Europapolitik und zur Ostseezusammenarbeit von dieser Landesregierung nichts gehört.

(Beifall FDP - Zuruf SPD)

- Jetzt können Sie einmal einen Moment zuhören! Bekanntlich haben Lettland, Island, Schweden und Litauen ihre Teilnahme an der vom die Präsidentschaft zurzeit wahrnehmenden Anrainerstaat Russland anberaumten Konferenz, in der über ein neues Mandat für das Ostseejugendsekretariat gesprochen werden sollte, abgesagt. Das zuständige Ministerium Norwegens hat prinzipiell erklärt, dass es keine Beiträge mehr leisten wolle. Damit droht dem in Kiel beim Landesjugendring angesiedelten Ostseesekretariat für Jugendangelegenheiten das Aus.

Der Vorsitzende der Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Kollege Franz Thönnes, MdB - für alle, die es nicht wissen: SPD - hat sich in dieser Angelegenheit mit Bitte um Unterstützung an die Bundesjugendministerin, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt sowie an die Parlamentspräsidenten der norddeutschen Bundesländer gewandt. Diese Briefe liegen mittlerweile allen Landtagsfraktionen vor, weil sie dankenswerterweise von der Landtagsverwaltung weiterverteilt worden sind. Erstaunlicherweise schreibt er in dem Brief, in dem er alle seine Adressaten anführt, nichts darüber, ob er sich auch an die schleswigholsteinische Landesregierung gewandt hat. Deshalb möchte ich an dieser Stelle fragen: Was tut eigentlich die bewusst nordeuropäische Landesregierung des Ministerpräsidenten Albig, um in den genannten Partnerländern des Ostseeraumes für eine Fortsetzung der Arbeit des Ostseesekretariats für Jugendangelegenheiten zu werben, und warum hat Ministerin Spoorendonk in ihrer Regierungserklärung auch zu diesem Thema nichts gesagt?

(Zuruf: Wusste sie noch nicht!)

- Sie wusste es noch nicht. Das ist ein Ding. - Solche Regierungserklärungen sind doch keine stolzen Schönwetterreden, in denen man Probleme und drohende Rückschläge einfach unter den Teppich kehren darf, damit es das nette Bild nicht beeinträchtigt. Natürlich ist es richtig, wenn Kollege Thönnes die Bundesregierung um Unterstützung bittet, zumal diese in diesem Bereich schon viel geleistet

hat. Ich zitiere aus dem Schreiben des Kollegen Thönnes an Staatsministerin Cornelia Pieper:

„Im Rahmen der erfolgreichen deutschen Präsidentschaft des Ostseerates ist es dem Auswärtigen Amt gelungen, mit der in Berlin durchgeführten Ostseejugendkonferenz einen wichtigen Markierungsstein für die weitere Entwicklung einer jugendpolitischen Kooperation im Ostseeraum zu setzen.“

Auf diese positive Bewertung kann man wirklich stolz sein. Auf die bei diesem Thema eher stolz vor sich hin schweigende schleswig-holsteinische Landesregierung kann man dagegen nicht so sehr stolz sein.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Fraktion der PIRATEN spricht der Fraktionsvorsitzende Dr. Patrick Breyer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir PIRATEN sind ja eine Bewegung, die selbst weltweit aufgestellt und vernetzt ist. Deswegen sind wir uns der Bedeutung der europäischen Einigung für den Frieden, die Freiheit, den Wohlstand und die Rechtsstaatlichkeit auf diesem Kontinent sehr bewusst. Wir erkennen an, dass diese Errungenschaften weder selbstverständlich noch garantiert sind, sondern eines ständigen aktiven Einsatzes und der Ausgestaltung durch die Menschen in Europa bedürfen. Insofern ist die Zusammenarbeit der europäischen Staaten eine historische Errungenschaft, die auch zum Vorbild weltweit geworden ist, wenn wir uns ähnliche Organisationen ansehen, die sich in Südamerika, in Asien, in den arabischen Staaten, in Afrika und anderen Regionen gebildet haben. Trotzdem sage ich auch: Die Wirklichkeit der EU muss sich an den europäischen Werten wie Menschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit auch messen lassen und damit in Einklang stehen.

Es ist fast auf den Tag genau heute vor sieben Jahren gewesen, dass das EU-Parlament der berüchtigten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel zugestimmt hat. Hier wurden die Institutionen der EU richtiggehend missbraucht, muss ich sagen, um eine einzigartige Sammlung aller unserer Kontakte, Bewegungen und Internetnutzungsdaten zu erzwingen, die auf einzelstaatlicher Ebene nie durchsetzbar gewesen wäre. Dieses Verfahren

nennt man Politikwäsche, und dem muss Schleswig-Holstein eine ganz klare Absage erteilen.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP)

Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren neuen Plan der EU-Kommission, die jetzt auch alle unsere Flugreisen aufzeichnen will, ohne jeden Verdacht. Auch dem müssen wir entschieden entgegentreten.

Es gibt Beispiele, wo das besser gelaufen ist. So sollten zeitweise zum Beispiel Internetsperren eingeführt werden oder auch einschneidende Maßnahmen zur Kontrolle des Urheberrechts im Internet durchgesetzt werden, Stichwort ACTA. Hier hat sich erfolgreich eine europäische Bürgerrechtsbewegung gebildet, die dies verhindern konnte; ein großer Erfolg für die europäische Zivilgesellschaft und auch für das Europäische Parlament.

(Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was den Umgang mit Flüchtlingen an den Außengrenzen angeht, muss ich festhalten: Frontex und auch eine mangelnde Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen innerhalb der EU stehen im Widerspruch zu europäischen Werten.

(Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Europa hat eine Verantwortung nicht nur für seine Mitglieder und die inneren Grenzen, sondern eben auch an seinen Außengrenzen. Täglich sterben dort Menschen an dieser von uns mitfinanzierten Mauer, dieser Festung Europas und des Mittelmeeres. Europa muss sich den Ursachen der Migration in den Herkunftsländern stellen und dies mit derselben Energie verfolgen, die bisher in Maßnahmen wie Frontex und die Überwachung der Außengrenzen gesteckt wird.

(Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss ich festhalten: In den Augen der Menschen, die diese Einschnitte von Bürgerrechten und Menschlichkeit kritisieren, muss sich die EU den Friedensnobelpreis erst noch verdienen. Die Ursachen sind ganz klar bekannt. Wir haben eine Intransparenz von Entscheidungen zum Beispiel im Rat zu verzeichnen, wir haben eine fehlende echte Mitbestimmung der Bürger zu verzeichnen und auch eine Ferne demokratischer Legitimation der Ratsmitglieder. Wir müssen einen unzureichenden Schutz der Bürgerrechte konstatieren, weil die EU noch immer nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten ist, weil wir noch im

(Dr. Ekkehard Klug)

mer keine Verfassungsbeschwerde gegen grundrechtswidrige EU-Maßnahmen erheben können.

Aus eigener Erfahrung kann ich hinzufügen: Die EU-Gerichte selbst wollen Transparenz ihrer Verfahren doch eher verhindern. Bei dem Versuch, meine eigenen Schriftsätze aus einem Verfahren zu veröffentlichen, hat die EU-Kommission gefordert, ich solle das doch bitte wieder aus dem Internet löschen. Also das ist keine Transparenz und Rechtsstaatlichkeit.

Die Europäische Union kann in ihrer gegenwärtigen Form eine demokratische Kontrolle durch ihre Bürger nur unzureichend gewährleisten und stößt deswegen auch auf wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Frau Ministerin, Sie haben aber zu Recht gesagt, die EU kann auf Dauer nur mit dem Vertrauen der Bürger funktionieren. Deswegen sind wir der Überzeugung, wir müssen das Vertrauen zurückgewinnen, wir müssen zum Beispiel über Volksabstimmungen über institutionelle Änderungen die Bürger wieder in Veränderungen der Strukturen einbinden. Wir müssen durch Bürgerbeteiligung den Mut haben, wirkliche Verbesserungen gegenüber den Bürgern begründen zu können und inakzeptable Verschlechterungen gerade als gute Europäer auch abzulehnen.

Eines möchte ich noch einmal ganz eindeutig an die Adresse der Fraktionsvorsitzenden der Grünen sagen: Berechtigte Kritik schwächt nicht die europäische Idee, sondern macht sie überhaupt erst zukunftsfähig, weil sie die Unterstützung der Bürger erst sichert. Man darf die Sorgen von Bürgern nicht mit einem Pauschalvorwurf wie Populismus plattmachen, sondern muss sie ernst nehmen.

Eine Möglichkeit zur Schaffung eines wirklich demokratischen europäischen Rechtsstaats - dabei sind wir wieder zusammen - ist die Ausarbeitung einer Verfassung. Diese muss aber durch eine direkt gewählte Versammlung ausgearbeitet werden. Anschließend muss ein Verfassungsreferendum stattfinden, bei dem wir die Bürger befragen müssen, ob sie mit dem Ergebnis einverstanden sind. Einen solchen Prozess wünschen wir PIRATEN uns ausdrücklich.

Die Bürgerbeteiligung hat im Bericht der Europaministerin leider keine große Rolle gespielt. Dabei ist nächstes Jahr das europäische Jahr der Bürger. Wir würden gern klare Aussagen hören zu der Frage, welche Aktivitäten in Schleswig-Holstein dazu geplant sind, zum Bespiel im Rahmen der Europawoche im Mai 2013. Morgen werden wir einen Antrag dazu beraten, der aber erst die Fragen stellt und

noch keine Antworten darauf gibt, wie wir das europäische Jahr hier ausgestalten wollen.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Ich komme auf das Thema Finanzen zu sprechen. Frau Ministerin, Sie haben richtigerweise die bevorstehenden Veränderungen bei den Fonds angesprochen, aus denen auch wir in Schleswig-Holstein Mittel bekommen. Wir müssen allerdings feststellen, dass es für die jetzt geplanten Veränderungen auch gute Gründe und Hintergründe gibt, nämlich nicht zuletzt die Schuldenkrise.

Dazu will ich sagen: Solidarität in Europa bedeutet eben auch, Rücksicht auf die finanzielle Lage unserer Partner in der EU zu nehmen. Diese stehen viel schlechter da als Deutschland. Ich wünsche mir, dass Schleswig-Holstein seine eigenen Interessen auch in Relation zur Gesamtsituation setzt und in Anbetracht der veränderten Gesamtlage nicht auf einem Status Quo in diesem Bereich beharrt, zumal viele EU-Subventionen bei den Bürgern und der Zivilgesellschaft aus guten Gründen auf Kritik oder sogar auf Ablehnung stoßen. Als Stichworte nenne ich die Agrarsubventionen und den Bereich der Fischerei.

Auch warne ich davor, uns als Bundesland immer abhängiger von Fördertöpfen des Bundes oder der EU zu machen. Als eigenständiges Land brauchen wir auch eine starke eigenständige Finanzierung. In den Bereichen, in denen unsere Mittel, wie dies insbesondere im Bildungsbereich erkennbar ist, ersichtlich unzureichend sind, kann eine zunehmende Projektitis keine Dauerlösung sein. Wenn einzelne Projekte durchgeführt werden, wünsche ich mir, dass das mit einer Evaluierung ihres Nutzens einhergeht.