Protocol of the Session on December 13, 2012

Ich bin öfter auf Demonstrationen und engagiere mich, wie Sie vielleicht wissen. Meine Wahrnehmung ist, dass der politische Schaden unheimlich groß ist. Der zweifelhafte Nutzen hat sich bis heute in keiner Weise erklärt und durchgesetzt. Ich sage es noch einmal: Menschen, die sich oft genug verbunden mit einem hohen Risiko für Leib und Leben für unsere Demokratie einsetzen und gegen Rechtsextremismus eintreten, brauchen unsere Ermutigung und nicht eine generelle Verdächtigung. Danke schön.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für den SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Vielen Dank - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Januar vergangenen Jahres müssen Organisationen eine schriftliche Demokratieerklärung abgeben, um Förderungen aus einem Programm des Bundesfamilienministeriums zu erhalten. Die Organisationen und Vereine müssen bestätigen, dass sie sich zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Das ist etwas, was in diesem Staat eigentlich gar nicht mehr möglich sein sollte, dass man das Organisationen abverlangt. Der Kollege Dudda hat recht, eigentlich sollte es der Grundsatz sein, dass das so ist. Nur im Ausnahmefall sollte man solche Dinge überprüfen wollen.

Diese Klausel soll angeblich verhindern, dass extremistische Gruppen und Vereine von einer Förderung aus dem Familienministerium profitieren können. Von einem solchen Missbrauch ist aber bisher nichts bekannt. Der SSW bezweifelt daher auch die Zielsetzung einer solchen Verordnung.

Die sogenannte Demokratieerklärung gilt nicht nur für die besagten Organisationen, sondern auch für ihre Partner; egal ob dies nun feste Partner oder nur Partner für einmalige Projekte sind. Die Organisation muss also quasi für die Partner mit unterschreiben. Mit dieser Unterschrift haben sich die Träger quasi dazu verpflichtet, Informationen über ihre

Kooperationspartner zu sammeln, damit sie diese Erklärung überhaupt seriös abgeben können. Da man davon ausgeht, dass das alles keine Demokraten sind, müssten sie dies eigentlich heimlich machen. Sie müssten also eigentlich einen Geheimdienst einstellen, damit sie diese Forderung überhaupt erfüllen können.

Man muss sich das einmal überlegen: Diese Organisationen können ganz schön zahlreich sein. Die Frage ist auch, über wen jetzt Informationen gesammelt werden müssen; über Mitarbeiter dieser Organisation, über Spender oder möglicherweise auch über dritte Geschäftspartner, die mit der Partnerorganisation zusammenarbeiten? - Das ist irre, was da auf einmal den Organisationen abverlangt wird.

Eine solche Überprüfung ist nicht nur ein erheblicher bürokratischer Aufwand, und zwar für beide Seiten, sondern aus unserer Sicht auch völlig unnötig und ungerechtfertigt. Hinzu kommt eine andere Frage, nämlich was mit den gesammelten Informationen von Projektpartnern eigentlich passiert. Wie werden diese weitergegeben, und wo und wozu werden diese Informationen eventuell archiviert?

Noch viel unnötiger ist es jedoch, einen Generalverdacht gegen Organisationen und Vereine aufzustellen, die sich täglich mit hohem persönlichen Engagement für eine gesunde Demokratie einsetzen und diese auch leben. Die Extremismusklausel legt grundlegendes Misstrauen dar, und dieses Misstrauen, Verdächtigen und Unterstellen, verhindert ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten von Vereinen und Behörden.

Für uns als SSW ist es völlig unangebracht, nach einer solchen Gesinnung zu forschen. Ein solcher pauschaler Verdacht gehört nicht in einen Rechtsstaat. Entweder gibt es sachgerechte Gründe für ein Verbot beispielsweise von Organisationen oder eben nicht. Entweder man verbietet etwas, oder es bleibt legal und wird nicht unter Generalverdacht gestellt. Ich bin der Auffassung, dass man niemanden hier in der Bundesrepublik Deutschland unter einen Generalverdacht stellen darf.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Deswegen sagt der SSW ganz klar Nein zu einem solchen Generalverdacht und somit auch zur sogenannten Extremismusklausel.

Wir sagen Nein zum Auslöschen des Grundvertrauens. Wir wollen nicht, dass sich Menschen gegenseitig so bespitzeln, dass jegliche Art von aufbauen

der Zusammenarbeit unmöglich gemacht wird. In unseren Augen ist diese Extremismusklausel eine Klausel des Misstrauens, mit der Zivilcourage bestraft wird. Was diese Menschen brauchen, ist Anerkennung und Unterstützung, was sie bekommen, ist Misstrauen und Unterstellungen. Genau das wollen wir nicht mitmachen und fordern daher die ersatzlose Streichung dieser Klausel.

Meine Damen und Herren, einer meiner Vorgänger, Karl Otto Meyer, hat einmal einen dänischen Ministerpräsidenten mit folgenden Worten zitiert: Es ist mit der Demokratie wie mit der Luft, es kann gefährlich sein, die Luft einzuatmen, denn sie könnte vergiftet sein; aber noch gefährlicher ist es, sie nicht einzuatmen. Genauso ist es mit der Demokratie, es kann gefährlich sein, demokratische Rechte zu gewähren, denn sie können missbraucht werden, zum Beispiel von Extremisten. Aber noch gefährlicher ist es, demokratische Rechte abzuschaffen.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Ich füge hinzu: Eines dieser demokratischen Rechte ist das Recht, sich gegen extremistische Bewegungen einzusetzen.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Burkhard Peters von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Kubicki! Der Vergleich mit dem, was die Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern von Erzieherinnen und Erziehern verlangt, hinkt. Das erkennt man allein daran, dass die dortigen Einrichtungen - Kindertagesstätten und so weiter - einen Erziehungsauftrag haben. Aus diesem Grund muss von dortigen Bewerbern nicht nur so eine Erklärung abgegeben werden, sondern auch ein sogenanntes erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, das darüber Auskunft gibt, ob sie in der Vergangenheit bestimmte Sexualstraftaten begangen haben.

Es geht um zwei völlig unterschiedliche Dinge, und Ihre formale Gleichsetzung der beiden ganz unterschiedlichen Regelungstatbestände ist völlig unangemessen und schief.

(Lars Harms)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Tobias von Pein das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Herr Kubicki, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Äußerung. Als wir Sie ein bisschen in die Ecke gedrängt haben, kam ja heraus, um was es Ihnen eigentlich geht: Es geht Ihnen um Misstrauen gegenüber Initiativen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, gar nicht!)

Es geht Ihnen darum, dass es - was auch ich immer wieder höre - linke Chaoten gebe, die da mitmachen und denen man nicht traue. Es ist schade, dass von einer großen liberalen und staatstragenden Partei wie der FDP so etwas geäußert wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wenn man sich in Lübeck oder in Stormarn zum Beispiel das Antirassistische Bündnis anguckt - da wird sich getroffen, da gibt es verschiedene Initiativen, die sich treffen; die sind alle ganz unterschiedlich, kulturell, personell; man würde in der Freizeit wahrscheinlich nie zusammen ein Bier trinken. Aber in diesem einen Punkt setzt man sich an einen Tisch, und da ist es sogar möglich, dass ein CDUBürgermeister wie Henning Görtz und andere dabei sind. Da setzt man sich an einen Tisch und einigt sich auf einen Konsens für eine gemeinsame Sache, nämlich dass man gegen Rechtsextremismus ist. Das ist möglich.

Dazu braucht man keine Klausel, weil man sich ja vorher an einen Tisch zusammengesetzt und sich auf diesen einen Konsens geeinigt hat. Da braucht man kein Misstrauen zu schüren durch einen großen Stein, den man den Initiativen in den Weg legt.

Ich lade Sie herzlich ein, kommen Sie einmal vorbei, gucken Sie sich das an! Ihr Misstrauen ist an der Stelle wirklich unbegründet.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Bernstein?

Herr Bernstein, Sie haben das Wort.

Geschätzter Kollege, wir sind uns ja überhaupt nicht uneinig darüber, welche wertvolle Arbeit von den meisten Initiativen geleistet wird. Im Übrigen haben die meisten ja auch gar keine Probleme damit, diese Erklärung abzugeben. Meine Frage ist: Warum beantragen Sie die Streichung der Demokratieerklärung nur für die landesweiten Pläne und nicht für die lokalen Aktionsbündnisse, nicht für die Modellprojekte? Das sind Hunderte von Antragstellern bundesweit und nicht 16.

Wenn Sie es richtig gelesen haben, wird Ihnen wahrscheinlich aufgefallen sein, dass es darum geht, eine Bundesratsinitiative zu starten, die es ja auch in der Vergangenheit schon gab; eine Mehrheit gab es dafür nicht. Uns geht es darum, dass sich unsere Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, das für die gesamten Projekte im gesamten Bundesgebiet zu streichen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Alheit das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zum Hintergrund der Demokratieerklärung muss ich an dieser Stelle nach den vielen Wortbeiträgen wohl nichts mehr sagen, auch nicht dazu, dass aus Steuergeldern keine Organisation und keine Aktivität gefördert werden soll, die sich gegen Demokratie richtet. Das versteht sich von selbst und ist beispielsweise auch als Leitlinie der Anerkennung und Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe im SGB VIII geregelt. Solche Träger müssen die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten.

Alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist es aber, von denen eine Erklärung zu verlangen, die

(Burkhard Peters)

sich vorbildlich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Genau das tut die Bundesregierung und verkehrt die Ausnahme, nämlich keine Förderung, wenn positive Kenntnisse von Hinderungsgründen vorliegt, in die Regel eines Generalverdachts. Ich meine, die Verbände lehnen das zu Recht ab.

Das ist nicht das, was wir brauchen, wenn wir wollen, dass sich Menschen für unsere Demokratie starkmachen. Das ist schon gar nicht die Botschaft auch Herr Dudda hat das treffend formuliert -, die wir jungen Menschen geben sollten, jungen Menschen, die wir dafür gewinnen wollen, sich in unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft zu engagieren. Wir sind doch froh über all diejenigen, die sich für unsere Demokratie starkmachen. Die Landesregierung begrüßt daher den vorliegenden Antrag.

Daher hat die Landesregierung bereits am 15. Juni 2012 im Bundesrat entsprechend votiert. Damals hat der Antrag aber noch keine Mehrheit gefunden. Wir werden uns auch weiter auf Bundesebene dafür einsetzen, dass diese Klausel ersatzlos gestrichen wird. Das gilt auch - das Thema hatten wir in mehrfachen Facetten -, obwohl sich das Bundesfamilienministerium vor dem Hintergrund der juristischen Niederlage gezwungen gesehen hat, die Klausel zu modifizieren. Diese Modifizierung ist in der Tat ein Erfolg der Zivilgesellschaft.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn das Bundesfamilienministerium hat auf die sehr laute Kritik sehr lange gar nicht reagiert. Es wurde geradezu - und das ist sehr gefährlich - suggeriert: Wer gegen die Extremismusklausel sei, der habe Probleme mit der Abgrenzung gegen Extremismus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)