Protocol of the Session on December 13, 2012

Wenn man sich Ihren Antrag in diesem Sinne ansieht, dann besagt er: Sie wollen künftig nicht mehr die Hand dafür ins Feuer legen, dass all diejenigen, die Sie als Partner aussuchen, an dieser Stelle sicher und sauber sind. Das ist ein verheerender Eindruck für jede glaubhafte Arbeit gegen Extremismus. Deswegen fordere ich Sie, meine Damen und Herren, auf: Ziehen Sie diesen Antrag zurück. Er scha

(Dr. Axel Bernstein)

det der gemeinsamen Aufgabe, die wir vor uns haben.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Abgeordneten Rasmus Andresen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Kubicki, ich erwarte bei diesem Tagesordnungspunkt weniger Einigkeit mit Ihnen; aber mal schauen, vielleicht klappt auch das.

9 % der Deutschen haben ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild.

(Zuruf CDU)

- Ich habe ja gesagt, dass ich abwarte. - 50 % wünschen sich eine starke Führerfigur. 20 % stimmen antisemitischen Aussagen im Grundsatz zu. 35 % wollen bei ansteigenden Arbeitslosenzahlen Menschen mit Migrationshintergrund am liebsten abschieben, und 37 % stimmen der These zu, dass Menschen mit Migrationshintergrund nur nach Deutschland kommen, um den Sozialstaat auszunutzen. Fast 40 % der Deutschen stimmen der These zu, dass Deutschland inzwischen überfremdet ist. Die aktuellen Zahlen der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der Kollege von Pein eben schon erwähnt hat, beweisen erschreckend, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der Bundesrepublik salonfähig ist.

Gesellschaftliche Stimmungen sind der Nährboden für die immer stärker werdende rechte Gewalt. Aufgabe der Politik sollte es sein, Prävention, Demokratiebildung und Opferschutz massiv zu fördern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Gerade nach den fürchterlichen Anschlägen der NSU-Terrorzelle wäre es wichtig gewesen zu handeln. Doch danach ist auf Bundesebene leider wenig passiert. Statt Verstetigung und Heraufsetzung von Mitteln im Kampf gegen Rechts gab es durch Ausweitung von Projekten de facto Kürzungen für die einzelnen Initiativen. Zur unsicheren Zukunft und dem tiefen Misstrauen gegenüber Initiativen gehört auch die sogenannte Extremismusklausel. Es

geht nicht nur darum, dass sich Initiativen nicht zur Demokratie bekennen wollen, sondern darum, dass Sie Misstrauen schüren und gleichzeitig wollen, dass sich die Initiativen untereinander bespitzeln. Statt Misstrauen sollten sie von uns Vertrauen und die notwendige Planungssicherheit bekommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Erst nachdem mit vielen Rechtsgutachten und vor allem auch mit dem Urteil, das der Kollege Bernstein von der CDU-Fraktion erwähnt hat, der Regierung Merkel beziehungsweise Ministerin Schröder die Rechtswidrigkeit deutlich ins Buch geschrieben wurde, wurde dieser Bespitzelungsparagraf abgeschafft. Das war eben nicht im Sinne der Bundesregierung, sondern eine schallende Ohrfeige für sie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Kristina Schröders Misstrauensklausel ist allerdings auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus falsch. Darauf ist der Kollege von Pein schon eingegangen. Sie setzt nämlich Links- und Rechtsextremismus gleich und legt zugrunde, dass es sogenannte Ränder der Gesellschaft gibt, die es zu bekämpfen gelte. Die Mitte der Gesellschaft müsse sich also nur von diesen Rändern ausreichend distanzieren. Dies könnte man durch so eine Extremismusklausel oder Demokratieerklärung machen. Böse Ränder und eine saubere Mitte: So funktioniert Kristina Schröders Weltbild. Dieser Ansatz ist ideologisch falsch, demokratiepolitisch gefährlich und zutiefst unwissenschaftlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Sie verkennt, welchen Nährboden es bei uns in breiten gesellschaftlichen Schichten für Rassismus, Antisemitismus oder auch Sexismus gibt. Neben den bereits erwähnten Zahlen der Friedrich-EbertStiftung wird dies vor allem auch durch die wissenschaftliche Langzeitstudie vor Professor Heitmeyer deutlich.

Wir beantragen deshalb heute die Abschaffung der sogenannten Extremismusklausel - wohl wissend, dass wir dazu, mindestens was den Bundesrat angeht, den baldigen Regierungswechsel in Niedersachsen abwarten müssen. Wir brauchen einen Neustart im Kampf gegen Faschismus. Dazu gehört die Abschaffung dieser schwarz-gelben Misstrauensklausel.

(Dr. Axel Bernstein)

Es geht aber um viel mehr. Wir in der Koalition haben es vorbehaltlich der zweiten Lesung des Haushalts Ende Januar 2013 geschafft, 300.000 € für den Kampf gegen Faschismus und Rassismus einzustellen. Dadurch sollen vor allem dezentrale Projekte in der Fläche gefördert werden. Ich glaube, dass das ein goldrichtiger Ansatz ist. Damit wollen wir Akteure wie beispielsweise den Jugendring, die Gewerkschaften, Runde Tische vor Ort, die AWO und alle weiteren, die in diesem Bereich in Schleswig-Holstein arbeiten, weiter miteinander vernetzen und fördern, damit sie besser präventiv tätig werden können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Gleichzeitig - das ist ein Anliegen, das vielen bei uns in der Fraktion Herzensangelegenheit ist - wollen wir, dass der Landtag die Verzahnung von NSZeit und Nachkriegszeit wissenschaftlich, strukturell und unabhängig aufarbeitet und verstärkt Bildungsarbeit dazu im Land stattfindet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Darüber hinaus wird diese Koalition mit der Kulturministerin ein neues Gedenkstättenkonzept entwickeln. Weiter werden wir verstärkt Projekte an Schulen fördern. Liebe Ministerin Spoorendonk auch wenn sie jetzt gerade nicht hier ist; ich bin sicher, dass ich es ihr auch noch persönlich sagen werde -, wenn Sie dafür - wie kürzlich in der Tageszeitung der dänischen Minderheit „Flensburg Avis“ geschehen - von dänischen Rechtspopulisten scharf attackiert werden, bestärkt uns dieses nur in unserem Handeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Die Zeit der Misstrauenskultur im Kampf gegen Faschismus muss jetzt enden. Als Koalition der Einladung wollen wir gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, aber auch gemeinsam hier im Parlament mit allen, die daran Interesse haben, daran arbeiten - darauf freue ich mich -, damit wir gemeinsam diesen Kampf angehen können. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es besser, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren, bevor man einen Antrag ins Plenum bringt. Abraham Lincoln formulierte es so:

„Besser schweigen und als Narr scheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen.“

(Beifall FDP)

Den Kollegen von Pein, Andresen, Harms und Breyer hätte es gut zu Gesicht gestanden, zuerst die Fakten zusammenzutragen, um nicht in die Gefahr zu kommen, einen Antrag zur Diskussion zu stellen, dessen Hauptangriffspunkt in der kritisierten Form gar nicht mehr besteht. Der Wortlaut der sogenannten Extremismusklausel oder der Demokratieerklärung wurde nach dem Urteil des Dresdner Verwaltungsgerichtes vom April dieses Jahres nämlich verändert.

(Zuruf SPD: Haben wir schon gehört!)

- Dann müssen Sie den Hinweisen des Gerichtes folgend - das ist in der Bundestagsdrucksache 17/10973 vom 12. Oktober 2012 nachzulesen, bei der es sich um eine Kleine Anfrage handelt, die übrigens unter anderem von Herrn Rix, SPD, mit unterzeichnet wurde, nachzulesen - den Antrag vielleicht ein bisschen anpassen.

Wenn also in der Begründung Ihres Antrags steht, dass es eine erste Gerichtsentscheidung gebe, dass die Extremismusklausel in Teilen rechtswidrig sei, bezieht sich das jedenfalls nicht auf den aktuellen Wortlaut dieser Gerichtsentscheidung. Schon aus diesem Grund ist ein solcher Antrag nicht zustimmungsfähig. Er sollte es im Übrigen auch nicht für Sie sein, sollten Sie den Anspruch erheben, dem Parlament seriöse Anträge vorzulegen.

(Beifall FDP und CDU)

Ich wundere mich, dass es für Sie nicht mehr selbstverständlich ist, dass sich wenigstens die Abgeordneten und diejenigen, die öffentliche Mittel erhalten, zu unserer Verfassung bekennen sollten. Das wundert mich wirklich. Was erwarten Sie denn von den Menschen außerhalb dieses Parlaments,

(Rasmus Andresen)

wenn der Eindruck entsteht, nicht einmal Sie seien bereit, sich zur Verfassung unseres Landes zu bekennen?

(Beifall FDP und CDU)

Aber auch aus einem anderen wichtigen Grund ist dieser Antrag nicht zustimmungsfähig, Herr Dr. Stegner.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Warten Sie es doch erst einmal ab. Sie bekommen doch noch das, was Sie brauchen. Das ist nicht zustimmungsfähig.

Ein Demokratiebekenntnis per se hat nämlich durchaus seinen Sinn; denn sonst müssten Sie hier auch die sozialdemokratische Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, an den Pranger stellen, die vor allem zum Schutz vor einer rechtsradikalen Unterwanderung von Kindertagesstätten eine im Wortlaut andere, im materiellen Sinne aber nahezu identische Erklärung von potenziellen Trägern einfordert.

(Zuruf SPD: Das ist etwas völlig anderes!)

- Das ist überhaupt nicht etwas völlig anderes, das begreifen Sie bedauerlicherweise nur nicht.

Im Erlass des mecklenburg-vorpommerischen Ministeriums für Soziales und Gesundheit vom 20. Juli 2010 wird in einer Handreichung dieses Ministeriums aus dem Jahr 2006 zur Erlaubniserteilung für den Betrieb von Kindertagesstätten unter anderem folgender Satz eingeführt:

„Die Verweigerung der Selbstauskunft nach Anlage 1“