Meine Damen und Herren, die Europapolitik in Schleswig-Holstein zeichnet sich durch einen breiten demokratischen Konsens über die Grundsätze und Idee der europäischen Einigung aus. Diesem Konsens ist und bleibt die Landesregierung verpflichtet. Dieser Konsens gibt uns auch den notwendigen Rückenwind für unsere Arbeit und unser Ansehen in Brüssel.
Als gute Europäerin will ich dafür streiten, dass zu einer lebendigen Debatte über Europa auch die Frage gehört: Was soll Europa für mich als Person und für uns als Land leisten? Wir müssen auch darüber diskutieren, wie dieses Europa konkret aussehen soll. Das wird die Diskussion nicht nur auf abzustellende europäische Fehlentwicklungen lenken, sondern auch darauf, dass wir auf die europäische Integration nicht verzichten können.
Europa ist ein Mehrwert für Schleswig-Holstein. Daher muss Europa für Schleswig-Holstein auch mehr wert sein. Gemeinsam mit unseren regionalen Nachbarn sollten wir etwas dafür tun. Europa bedeutet mehr als das Feilschen um Gelder. Die Verständigung über Europa ist zu allererst eine Frage der Kultur, nämlich der Kultur des Umganges miteinander für und mit Europa. Es muss ein Umgang sein, der die Menschen in unserem Land anspricht. Wir hier in Nordeuropa besitzen das Bewusstsein einer gemeinsamen Kultur - gerade in den Regionen von Ost- und Nordsee. Uns eint eine grundlegende Kultur- und Ideengeschichte. Der UNESCOAntrag zum Wikingererbe unterstreicht dies nachdrücklich.
Am Wochenende wurde bekannt, dass Litauens Ministerpräsidentin Dalia Grybauskaite mit dem Karlspreis 2013 geehrt werden soll. Ich freue mich darüber. Litauen ist ein kleiner EU-Staat, vergleichbar etwa mit unserem Schleswig-Holstein. Litauen habe sich - so die Juroren - von einem einst unfreien Staat zu einem Land mit allen europäischen Werten und Freiheiten gewandelt. Ausdrücklich würdigen sie mit der Auszeichnung der Politikerin auch die „wichtige Brückenfunktion Litauens“ zu den östlichen Nachbarn.
Das ist eine große Anerkennung für einen kleinen Nachbarn in unserer Ostseeregion. Dies beweist mir einmal mehr: Das Entscheidende in Europa ist nicht die Größe, sondern der Spirit, der Geist, die innere Haltung.
Monnet hat Recht: Die Fiskal- und Wirtschaftspolitik der EU wird nicht allein durch ökonomische Faktoren beeinflusst, sondern auch durch unsere Traditionen und unsere europaweite Vielfalt der Kulturen und deren gesellschaftliche Unterschiede. Als Europa- und Kulturministerin möchte ich daher seinen Satz ein wenig abändern: Wir würden nicht mit der Kultur beginnen, um Europa zu bauen; wir müssen uns auf unsere Kulturen besinnen, um im Dialog so viel Einheit wie möglich in Europa zu schaffen, ohne den Reiz und den Zauber der Vielfalt Europas zu verlieren. Europa muss uns dies wert sein. - Vielen Dank.
Die Frau Ministerin hat ihre Redezeit um 12 Minuten überzogen. Diese Redezeit steht allen Fraktionen zur Verfügung.
Wir beginnen mit der Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Astrid Damerow von der CDUFraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorweg allgemein ein paar Worte zu Europa sagen: Dies ist eine ganz besondere Woche, denn die Europäische Union hat am Montag den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Das empfinde ich als eine hohe Ehre für Europa und auch als eine Anerkennung; eine Anerkennung für den Weg, den die Staaten Europas seit den letzten beiden Weltkriegen zurückgelegt haben. Wir alle fühlen uns mittlerweile als Europäer und leben das in äußerst vielfältiger Weise sehr selbst
verständlich. Die Vorstellung eines Krieges innerhalb Europas ist für uns völlig undenkbar. Wir haben heute ganz andere Anforderungen an Europa und an die europäische Idee, und wir stehen vor anderen Problemen.
Die europäische Finanz- und Schuldenkrise stellt uns vor ungeahnte Herausforderungen. Sie darf nicht zur Zerreißprobe für Europa werden. Diese Aufgabe müssen wir bewältigen. Das ist eine Herausforderung. Über die Einzelheiten haben wir vor etwa einem Jahr an dieser Stelle sehr ausführlich diskutiert. Deshalb möchte ich heute das Thema der Finanzpolitik außen vor lassen.
- Wir können in Dreiminutenbeiträgen vielleicht noch darüber reden. - Der Nobelpreis ist eine Anerkennung. Er ist aber auch eine Verpflichtung und eine Mahnung. Wir müssen die Probleme, vor denen wir stehen, lösen. Es muss uns gelingen, in Europa Solidarität zu erhalten, und wir müssen es immer wieder schaffen, die Interessen der Einzelstaaten hinter den Interessen des gemeinsamen Ganzen hintanzustellen.
Wie schwer dies ist und auf welch schmalem Grad wir uns hier bewegen, sehen wir bei den gerade gescheiterten Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU.
Kommen wir aber zu Schleswig-Holstein. Auch hier in Schleswig-Holstein hat sich die Akzeptanz Europas stetig weiterentwickelt. Für den Landtag und die Landesregierungen hat die Europapolitik einen immer höheren Stellenwert erhalten. Sehr gut nachzuvollziehen ist dies in den jährlichen Europaberichten der letzten Landesregierung. Sie waren bisher stets eine gute Grundlage zur Bewertung der geleisteten Arbeit und eine Zielbeschreibung der Europapolitik der Landesregierung. Auch deshalb war es meiner Fraktion sehr wichtig, noch in diesem Jahr einen solchen Bericht zu erhalten.
Zunächst möchte ich mich aber bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Europaabteilung des Ministeriums, der Hanseoffices und unserer Repräsentanzen für den vorgelegten Bericht und die geleistete Arbeit bedanken.
Trotz unbestritten knapper Personalausstattung arbeiten sie kompetent, engagiert und stets mit großer Überzeugungskraft.
Es war mir sehr wichtig, dies vorweg zu sagen, denn nun gilt es, die politische Bewertung des Europaberichtes vorzunehmen. Zunächst hebt die Landesregierung in ihrem Bericht und auch in der Regierungserklärung die Bedeutung SchleswigHolsteins als Teil der europäischen Zukunftsregion Ostseeraum hervor. - Das hatte die Vorgängerregierung ebenfalls schon festgestellt. Wir freuen uns, dass Sie uns hier zustimmen.
Sie haben die strategischen Ziele der zukünftigen Förderperiode definiert. Wenn man sich diese anguckt, so entsprechen sie fast eins zu eins den Zielen und Vorgaben der Europa-2020-Strategie. Es wäre also nicht wirklich nötig gewesen, diese noch einmal zu definieren. Sie sind eine Verpflichtung für uns, wir haben uns daran zu halten. Das ist keine eigene Leistung. Sie verkünden, dass Sie die Europapolitik des Landes wieder stärker als bisher auf eine aktive Rolle als Ideengeber ausrichten werden. - Toll, das finde ich klasse. Leider haben Sie vergessen, uns zu sagen, wie Sie das tun wollen. Dazu kann ich im ganzen Bericht nichts entdecken.
Sie identifizieren Kreativität, Kompetenz und Kooperation als Leitfaden Ihrer Europapolitik. - Das ist sehr schön. Kreative Lösungen zu entwickeln und Netzwerke zu bilden, wird durch unser HanseOffice in Brüssel geleistet. Im Übrigen leisten dies auch unsere anderen Repräsentanzen im Ostseeraum schon seit Jahren sehr erfolgreich. Die alte Landesregierung hat mehrfach darauf hingewiesen. Dass Europapolitik eine Querschnittsaufgabe ist, ist auch nicht wirklich neu. Um genau das deutlich zu machen, war das Thema Europa bei der letzten Landesregierung auch in der Staatskanzlei angesiedelt.
- Herr Stegner, vielleicht sollten Sie zuhören, dann kommen wir mit dem Niveau besser klar. - Auch die Kompetenzen des Landtags wurden genutzt. So gab es bereits in der letzten Legislaturperiode Abgeordnete des Landtags im Ausschuss der Regionen, in Gremien der Nordseekooperation und in diversen Gremien des Ostseeraums.
Ich könnte viele der Beispiele, die Sie in Ihrer Regierungserklärung aufgezählt haben, hier noch einmal herunterbeten. Das möchte ich uns allen ersparen. Wenn ich diesen Bericht lese und Ihrer Regierungserklärung zuhöre, dann fällt mir leider auf, dass Sie im Grunde das weitermachen, was die Vorgängerregierungen gemacht haben.
Es ist nur leider so, dass Sie in Ihrem ganzen Bericht und in Ihrer Erklärung sowie in den Presseerklärungen, die Sie in den letzten Wochen und Monaten herausgegeben haben, immer wieder den Eindruck erwecken, als würden Sie all dies neu und das allererste Mal machen. Die kleinen Wörter wie „Wiederbeleben“ und „neu“ und die Aussage, „wir machen das jetzt“, geben Ihren Berichten und Darstellungen einen Duktus, der den Eindruck erwecken soll, es sei vorher nichts passiert. Ich empfehle Ihnen, sich den letzten Europabericht der Landesregierung genau anzuschauen. Dann werden Sie feststellen, dass im neuen Europabericht nahezu das Gleiche steht. Allein die Reihenfolge und die eine oder andere Betonung haben sich verändert. Ich bedauere das außerordentlich. Wir haben in der Europapolitik immer fraktionsübergreifend konstruktiv zusammengearbeitet. Das möchten wir auch in Zukunft gern tun. Es ist nur sehr schwer zu akzeptieren, dass immer so getan wird, als hätten Sie das Rad neu erfunden. Das steigert nicht unbedingt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Um es abzukürzen: Ich hätte es fair gefunden und auch erwartet, dass mit ein oder zwei Sätzen darauf hingewiesen worden wäre, dass ganz viele Dinge, die Sie jetzt als Ihren Erfolg verkünden, von der Vorgängerregierung vorbereitet worden sind.
Das Lieblingsthema der Frau Ministerin ist die Kulturarbeit im Rahmen der Ostseestrategie. Auch die haben nicht Sie erfunden. Die Vorarbeiten dazu sind bereits in der letzten Legislaturperiode gelaufen.
Ich erinnere an die Diskussionen im Europaausschuss zum Thema Ostseegeschichtsbuch. Darüber haben wir dort in epischer Breite diskutiert. Das hat ja wohl auch etwas mit Kultur zu tun. Ich finde es
(Sandra Redmann [SPD]: Ehrlich gesagt, ich finde Ihren Redebeitrag bedauerlich! - Wei- tere Zurufe - Glocke des Präsidenten)
Gott sei Dank haben Sie erkannt, dass dieser Wein so schlecht nicht ist. Deshalb ist das in Ordnung. Wir werden selbstverständlich auch in Zukunft engagiert und kritisch konstruktiv mitarbeiten. Wir haben eine Menge an Arbeit vor uns. Allerdings werden wir weiter darauf hinweisen, dass vieles von dem, was wir heute umsetzen, von uns vorbereitet worden ist.
In der Tat sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sehr, sehr groß. Wir werden eine neue Förderkulisse haben, und wir werden andere Fördergebiete bekommen.