Protocol of the Session on January 25, 2017

Es ist ja nicht so, dass sozusagen die reichen Industrienationen einen Club gründen, um andere auszuschließen. Denn genau das Gleiche wird auch mit vielen Schwellenländern, beispielsweise in Asien, gemacht. Deswegen ist es eben nicht so, wie Sie sagen, dass dort jemand ausgeschlossen würde, sondern wenn wir das mit diesen Ländern machen, muss man sich doch ernsthaft die Frage stellen, warum man das nicht auch mit einer Muster

(Rasmus Andresen)

demokratie wie Kanada hinbekommt. Das ist doch die entscheidende Frage.

Je mächtiger wir Wirtschaftsblöcke machen, sei es zwischen der EU und Kanada oder auch mit den USA, desto mehr Einfluss wird wirtschaftspolitisch und handelspolitisch geschehen. Natürlich sind dann andere davon ausgeschlossen. Natürlich sind dann Entwicklungsländer, beispielsweise afrikanische Länder, außen vor und verlieren weiter an Boden.

Das ist keine Kritik, die sich die Grünen ausgedacht haben, sondern das ist eine Kritik, die sehr bewusst auch von Entwicklungsorganisationen kommt. Der ganze Aspekt der Entwicklungsländer und wie wir mit ihnen weiter umgehen, hat in Ihren Redebeiträgen leider überhaupt keine Rolle gespielt. Ich würde mir wünschen, dass wir einmal darüber diskutieren und dass wir uns darüber unterhalten, wie man den Welthandel insgesamt für alle Staaten besser aufstellen kann und sich nicht immer nur auf bestimmte Länder konzentriert, wo es wirtschaftliche Interessen gibt, die auch die unseren sind.

(Beifall Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Andreas Tietze [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Noch eine weitere Nachfrage?

Natürlich.

Bitte schön.

Noch einmal ganz kurz, Herr Kollege Andresen. Ich glaube, wir helfen keinem Schwellenland und keinem Entwicklungsland, wenn wir es nicht hinbekommen, mit Ländern wie Kanada Abkommen zu schließen. Ich sehe nicht, wo das diesen Ländern helfen soll. Noch einmal: Es ist eigentlich eher andersherum. Wenn Europa sich aus den weltweiten Handelsbeziehungen herausnimmt, nicht dafür sorgt, dass man diese enger knüpft, dann passiert Folgendes: Sie haben gesehen, wenn Sie das in den letz

ten Tagen verfolgt haben, was bei TPP, beim pazifischen Abkommen, passiert ist. Da hat Trump gesagt: „Da gehen wir jetzt raus!“ Was machen denn Länder wie Australien und andere beteiligte Staaten, die jetzt sagen: „Okay, die USA will nichts mehr mit uns zu tun haben“ - das war ja eigentlich ein AntiChina-Bündnis im pazifischen Raum -, „die wollen jetzt China statt der USA reinholen“? Wenn das das Ergebnis ist, dass die westlichen Demokratien bei solchen Handelsabkommen immer mehr außen vor sind, glaube ich, helfen wir keinem Schwellenland und erst recht keinem Entwicklungsland auf dieser Erde.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Noch einmal ganz kurz: Wir Grüne sind nicht dagegen, dass wir mit Kanada Handelskooperationen abschließen. Aber es kann nicht sein, dass wir zu jedem Abkommen - gibt es noch so große Befürchtungen, was die Standards im Umweltbereich oder bei Rechten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, angeht - ja sagen müssen. Ich finde auch, wenn man mit Kanada über die künftige Handelspolitik redet, dann gehört die Perspektive der Entwicklungsländer mit auf den Tisch. Es gehören eigentlich auch die Entwicklungsländer mit an den Tisch. Deshalb glauben wir, dass wir einen anderen Rahmen für eine weltweite Handelspolitik brauchen. Alles das schließt Kooperationen mit Kanada nicht aus - aber nicht so, wie das CETA-Abkommen jetzt ist. Denn das wird gravierende Schäden für die Entwicklungsländer mit sich bringen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Abgeordnete ist Dr. Patrick Breyer.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Dr. Stegner, Sie haben hier gesagt, sie änderten Ihre Meinung nicht. Dann möchte ich Sie doch einmal daran erinnern, dass dieser Landtag auf Antrag unter anderem Ihrer Fraktion 2014 einen Beschluss mit dem Titel „…faire Regeln für Handelsabkommen“ gefasst hat. In diesem Beschluss heißt es wörtlich:

(Rasmus Andresen)

„Sogenannte Investitionsschutzvorschriften wie Investor-Staat-Schiedsverfahren sind in Abkommen mit Drittstaaten, die hinreichend entwickelte Rechtssysteme und eine unabhängige Justiz haben, nicht akzeptabel. Jegliche Form einer Sondergerichtsbarkeit in diesen Fällen ist abzulehnen.“

Und jetzt für CETA zu sprechen, wo genau ein solches Schiedsgericht drin vorgesehen ist, das ist mal wieder eine Fortsetzung von: versprochen - gebrochen, Politik der Küstenkoalition in vielen Fällen.

Herr Dr. Garg, uns als Antwort auf Trump ernsthaft einen Flickenteppich an bilateralen Handelsabkommen verkaufen zu wollen, das ist doch wirklich ein außenpolitisches Armutszeugnis.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihnen will gar keiner etwas verkaufen!)

Das kann doch keine Antwort sein.

Ich habe Ihnen doch in meiner Rede erläutert, dass CETA kein klassisches Freihandelsabkommen ist, sondern weit darüber hinausgeht. Über das Prinzip der Negativliste gilt es plötzlich auch für Bereiche, die gar kein Handel mehr sind, zum Beispiel den Bergbau. Es ist darin enthalten ein Investorenschutz, es ist darin enthalten ein ständiges Schiedsgericht. Auch das hat mit Handel und Freihandel nichts zu tun.

Ich stehe dazu, dass es Freihandel nur zu unseren demokratisch festgelegten Bedingungen geben darf.

(Beifall Uli König [PIRATEN] und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Die Bedingungen sind demokratisch festzulegen und nicht in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Hier ins Parlament gehören sie und nicht hinter verschlossene Türen.

(Beifall Uli König [PIRATEN] und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Freihandel heißt für uns PIRATEN eben nicht: Handel frei von Verbraucherschutz, frei von Umweltschutz, frei von Datenschutz, sondern die Schutzstandards müssen im Parlament von den Volksvertretern festgelegt werden können und nicht in geheimen Verhandlungen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Der nächste Abgeordnete ist Bernd Voß.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal wegen der Äußerungen von Herrn Vogt gemeldet. Natürlich ist es ein Problem, dass wir immer mehr bilaterale Handelsverträge gerade auch mit afrikanischen und mit asiatischen Ländern haben, teilweise auch mit problematischen Inhalten, weil man die Konsequenzen nicht so überblickt hat. Das sind Staatsverträge, die letztendlich eingehalten werden müssen. Unser aller Ziel muss es sein, multilaterale Handelsabkommen, Stichwort WTO, zu haben und auf deren Basis entsprechend aufzubauen.

Ich habe mich noch einmal gemeldet, um auch die Brücke zu einem anderen Thema zu schlagen, das wir immer wieder hier im Landtag diskutieren. Das ist die Flüchtlingsproblematik. Die Flüchtlingsproblematik hat ihre Ursache auch in der prekären Situation vieler Länder. Wir als Land und auch als Bund haben die Verpflichtung, die UN-Nachhaltigkeitsziele bei uns und weltweit zu erfüllen. Dass sie erfüllt werden, dafür sind faire Handelsbedingungen letztlich eine ganz, ganz wesentliche Grundlage. Nur so kann dem begegnet werden, was wir jeden Tag in den Medien wahrnehmen, den Konflikten und den Hungersituationen, die wir weltweit haben. Ich glaube, auch das müssen wir uns noch einmal vor Augen führen, wenn wir meinen, wir sollten hier blind in jedes Handelsabkommen reinrennen.

Ich sage jetzt noch einmal etwas, was sowohl bei der Analyse von CETA, aber viel mehr bei der Analyse der Auswirkungen von TTIP deutlich geworden ist: Die Auswirkungen sind einmal, dass Europa insgesamt, die Integration Europas, auseinanderfleddert, weil man sich nicht mehr zentral darauf konzentriert, den Binnenmarkt, dieses politische Gebilde Europa weiter zusammenzubringen. Das Entscheidende ist, dass die Nachbarländer, gerade Nordafrika und der asiatische Raum, durch diese Handelsabkommen massiv benachteiligt werden.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Dann stimm‘ doch für unseren Antrag!)

Vor dem Hintergrund müssen wir wirklich ganz genau hingucken, wo wir jetzt reinstolpern, wenn wir meinen, bei jedem Handelsabkommen groß Beifall klatschen zu müssen. - Vielen Dank!

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Patrick Breyer)

Der nächste Abgeordnete ist der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt habe ich mich doch noch einmal zu Wort gemeldet. Hier werden Sachen behauptet und Sachen miteinander vermischt, bei denen ich Probleme habe zu verstehen, wo der Zusammenhang besteht.

Herr Voß, Sie haben ein Thema angesprochen, das berechtigt ist: Wie gehen wir mit den Ländern in Afrika um? Sie haben auch die Flüchtlingssituation - Stichwort Ursachenbekämpfung - angesprochen. Was die Europäische Union - als Agrarpolitiker kennen Sie sich ja gut aus - beim Thema Zölle macht, ist doch genau der Punkt. Was tun wir Afrika mit Handelsbarrieren an? Wie geben wir unseren afrikanischen Nachbarn eine Perspektive, wenn wir Handelsbarrieren haben? Wie gehen wir mit unseren afrikanischen Nachbarn um? Wie helfen wir Afrika, wenn wir weiterhin Zölle mit Kanada haben? Ich habe das noch nicht verstanden, dass die Tatsache, dass wir Handelsbarrieren mit Kanada abbauen, die Situation in Afrika verschärfen soll. Das kommt bei mir im Kopf nicht zusammen.

Vielleicht sollten wir andersherum sagen: Gerade deshalb sollten wir uns das zum Vorbild nehmen und auch andere Handelsbarrieren abbauen, um anderen Ländern auf der Welt zu helfen, denen es deutlich schlechter als uns geht.

Ich sage Ihnen noch einen Punkt, der mir wichtig ist, und der hier ein bisschen zerredet wurde, was mich langsam ärgert. Wir sind im Wahlkampf. Wir haben die drittletzte Sitzung vor der Landtagswahl. Wir haben große Veranstaltungen. Der Ministerpräsident hat bei den IHK-Neujahrsempfängen, beim UV-Nord gesprochen. Da werden Reden gehalten, und es wird entsprechend darauf reagiert. Wenn sich der IHK-Präsident von Kiel - der in SchleswigHolstein nicht irgendjemand ist - massiv für CETA einsetzt, der ganze Saal Beifall klatscht, in der ersten Reihe Ihre Regierungsvertreter mitklatschen und Sie sich hier im Parlament hinstellen und sagen: „Im Bundesrat dürfen die aber nicht zustimmen!“, finde ich das nicht in Ordnung.

(Beifall FDP)

Sie müssen heute sagen, wie Sie abstimmen wollen.

Frau Dr. Bohn, die Nummer von Herrn Dr. Stegner, das sei demokratisch nicht geboten, wahrscheinlich

stehe es in dieser Wahlperiode im Bundesrat gar nicht mehr auf der Tagesordnung, ist doch albern.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Dann dürften wir in den nächsten zwei Monaten in den Landtagssitzungen gar nichts mehr beschließen. Das können wir meinetwegen gern machen. Das würde dem Land sehr helfen, wenn Sie nichts mehr beschließen. Aber Sie können doch nicht morgen ein Sondervermögen einrichten, mit dem Sie über die nächsten Jahre kurz vor Ihrer Abwahl noch einmal schnell rot-grün-blaue Verkehrspolitik festschreiben wollen, wenn Sie andererseits sagen: Hier kneifen wir den Schwanz ein.

Herr Abgeordneter Vogt, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten König?

Bitte schön.