Protocol of the Session on January 25, 2017

Wenn Sie sich einmal anschauen, wie viele Gefährder sich in Deutschland aufhalten und wie viele davon statistisch auf SchleswigHolstein entfallen, stellen Sie fest, dass wir sehr wohl in der Lage wären, diese unterzubringen, entweder in der gemeinsamen Einrichtung mit Hamburg oder in einer Bundeseinrichtung. Es ist ja angedacht, das bundesweit zu zentralisieren. Mit anderen Worten: Das hat nichts damit zu tun, dass wir es nach wie vor falsch finden, ganz normale Flüchtlingsfamilien in Abschiebehaft zu bringen. Die haben nichts verbrochen. Die Gefährder schon. Das ist der Unterschied. Herr Kollege Klug, so viel Differenzierung muss auch am Mittwochvormittag schon möglich sein.

(Beifall SPD)

- Das mit der Bundeseinrichtung ist nach meiner Kenntnis eine neue Aussage von Ihnen.

(Zurufe)

Können wir uns darauf verständigen, dass jetzt der Abgeordnete Dr. Klug das Wort hat?

Ich habe von Ihrer Seite bisher nicht gehört, dass Sie das auch gern in die zentrale Verantwortung des Bundes abgeben wollen. Darüber ließe sich ja auch reden.

Aber es bleibt dabei: Schleswig-Holstein nutzt bislang nicht einmal den Abschiebegewahrsam in Hamburg, den Anteil, den sich Schleswig-Holstein reserviert hat. Dass da bisher überhaupt keine Plätze belegt worden sind, zeigt nach meiner Überzeugung, dass sich die kommunalen Ausländerbehörden mit dem erforderlichen Verfahren offenkundig überfordert fühlen. Da schließt sich der Kreis: Ohne dass von Landesseite hier eine zentrale Verantwortung wahrgenommen wird, bleibt das Instrument komplett unwirksam.

Herr Abgeordneter Dr. Klug, der Abgeordnete Dr. Stegner möchte eine weitere Bemerkung machen.

Aber sehr gern.

Lieber Herr Kollege Dr. Klug, wir haben uns eben auf die Abschiebehaft für Gefährder bezogen. Mir ist nicht bekannt, dass es einen Gefährder in Schleswig-Holstein gibt, dessen Asylverfahren rechtskräftig beendet ist und den wir in Hamburg hätten unterbringen können. Wenn Sie da mehr wissen, wäre es nett, wenn Sie das dem Hohen Haus verraten. Nur darauf bezog sich meine Antwort.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Vielleicht kann der Kollege selbst antworten, Herr Kollege Kubicki; vielleicht schafft er das. - Das war das, worauf ich mich eben bezogen habe, Herr Kollege Dr. Klug.

- Herr Kollege Stegner, auch Sie müssten das eigentlich wissen: Da das Innenministerium erklärt, dass es genau diese Angaben nicht öffentlich machen will und sie nur im Parlamentarischen Kontrollgremium präsentiert oder - wie uns Montag mitgeteilt worden ist - durch VS-Vertrauliche Einsichtnahme im Innenministerium, was ich morgen übrigens machen will, ist es leider nicht möglich, dass ich Ihnen Ihre Frage beantworte. Selbst wenn die Zahl zurzeit nicht ausreichen sollte, muss natürlich, wenn das, was Sie gefordert haben, im Bedarfsfall in Zukunft tatsächlich so gehandhabt werden soll, eine Einrichtung da sein. Dann darf man nicht erst ein halbes Jahr oder noch länger warten, bis man eine derartige Einrichtung geschaffen hat.

(Beifall FDP und CDU)

Eine weitere Zwischenfrage lasse ich jetzt nicht zu. - Ich möchte an das, was ich eben gesagt habe, anschließen und auf den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz verweisen, der in der „Zeit“ am 11. Januar 2017 ein härteres Vorgehen bei Abschiebungen gefordert hat. Herr Scholz sagte: Andernfalls „werden wir ein großes Problem bekommen“. Dann entstehe „ein Legitimationsproblem, das man gar nicht überschätzen kann“.

Das sehe ich genauso: Wenn der deutsche Staat darauf verzichtet, geltendes Recht durchzusetzen, dann wird in der Bevölkerung die Akzeptanz für ei

(Dr. Ekkehard Klug)

ne humane Asyl- und Flüchtlingspolitik über kurz oder lang weitgehend zerstört.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sicher!)

Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Ministerpräsident Albig, der heute nicht da sein kann, hat ja kürzlich erklärt, dass Bürgermeister Scholz im Landtagswahlkampf im Hamburger Umland eine herausragende Rolle für die SPD spielen soll. Wird da dann die Hamburger Parteilinie und die Hamburger oder die schleswig-holsteinische Asylpolitik vertreten? Oder ist das je nach Art der Veranstaltung beliebig?

(Beifall FDP und CDU - Zurufe SPD)

Es ist doch nachvollziehbar, dass man auf diese Widersprüche in Ihren Reihen hinweist.

(Zurufe SPD)

Wenn Sie uns eine unakzeptable und unvertretbare politische Haltung vorwerfen, richtet sich Ihre Kritik doch genauso an Ihre eigenen Parteifreunde in Hamburg und vielen anderen Bundesländern.

Eine letzte Anmerkung zu den sicheren Herkunftsländern: Algerien, Marokko und Tunesien so einzustufen, würde niemanden, der dort tatsächlich Verfolgung erlitten hat, von einem humanitären Schutz oder vom Asylrecht ausschließen.

(Zurufe)

Die Verfahren, die bei diesen Ländern fast in allen Fällen mit Ablehnung enden, könnte man dadurch wirksam beschleunigen. Diese Beschleunigung ist genau das, was Bürgermeister Scholz gefordert hat. Das ist eine richtige Forderung. Sie sollten sich endlich einmal an Ihren Parteifreunden in Hamburg und anderen Bundesländern südlich der Landesgrenze ein Beispiel nehmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Für die CDU-Fraktion hat der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Daniel Günther, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landesregierung ist in der Flüchtlingsund Asylpolitik seit Monaten der Kompass abhandengekommen.

(Widerspruch SPD)

Während der Bund und fast alle Länder Maß und Mitte gefunden haben, isoliert sich Schleswig-Holstein immer mehr. Seit dem Jahreswechsel irrlichtert diese Koalition in einer Art und Weise, die man nur als atemberaubend bezeichnen kann.

(Zurufe)

Die Grünen stimmen auf Bundesebene einem Positionspapier zu, zukünftig keine Abschiebungen mehr zu blockieren, auch die Grünen in SchleswigHolstein. Dieselben Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag wollen der Ausweisung der sicheren Herkunftsländer die Zustimmung verweigern und einen Abschiebestopp nach Afghanistan erwirken. Und Herr Stegner, der auf Bundesebene Abschiebehaft propagiert, lehnt die Abschiebehaft hier im Land ab.

Sie mögen Ihre Orientierung nach der letzten Wahlumfrage völlig verloren haben - ich kann die Panik nachempfinden. Verantwortungsbewusstsein sieht aber anders aus.

(Beifall CDU)

Nehmen wir die Diskussion über die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg sagt dazu:

„Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden. Baden-Württemberg wird der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer um die Maghreb-Staaten zustimmen, sofern die Bundesregierung das Ansinnen in den Bundesrat einbringt.“

Der SPD-Bürgermeister von Hamburg spricht sich ebenfalls für die Einstufung aus. Ich empfehle allen Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen, einmal zu den Wahlkampfveranstaltungen der SPD mit Herrn Scholz zu gehen: Dort können Sie lernen, was in Zeiten wie diesen Verantwortungsbewusstsein bedeutet.

(Beifall CDU - Zuruf Lars Harms [SSW])

Was sagt der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein dazu? - Für Schleswig-Holstein sei das Thema ohnehin bedeutungslos. Das Ganze sei ein Problem in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein hätten wir null - ich wiederhole: null! - Menschen aus dem Maghreb. Diese Aussage ist natürlich schon rein sachlich vollkommener Blödsinn. Selbstverständlich leben in Schleswig-Holstein Menschen aus den Maghreb-Staaten.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Das Innenministerium hat auf eine Kleine Anfrage der Kollegen Damerow und Dr. Bernstein selbst angegeben, dass mehr als 1.500 Menschen aus diesen Staaten in Schleswig-Holstein gemeldet sind. Im Jahr 2015 waren übrigens mehr als 600 dieser Menschen einer Straftat verdächtig.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Gehen wir aber einmal für einen Moment davon aus, dass der Ministerpräsident etwas sachlich Richtiges gesagt hätte, das Thema für SchleswigHolstein tatsächlich bedeutungslos wäre und man deswegen nicht zustimmen müsste. Es wäre ja nur ein Problem in Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg. - Was ist denn das für ein Verantwortungsbewusstsein? Sie sind es doch immer, die Gesamtverantwortung einfordern und betonen, deshalb müsse es mehr Geld vom Bund geben. Was ist mit Ihrer Verantwortung gegenüber NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg? Für diese Länder sind Asylbewerber aus dem Maghreb nicht bedeutungslos.

Das interessiert Sie aber nicht. Für Sie ist die Hauptsache, dass Sie sich wegducken können. Damit isolieren Sie Schleswig-Holstein in der Familie der Bundesländer. Das ist Politik auf Trump-Niveau und schadet Schleswig-Holstein am meisten.

(Beifall CDU - Heiterkeit und Unruhe SPD)

Beim Thema Rückführung gibt es von dieser Landesregierung eine Blockadehaltung. Herr Minister Studt, Ihre Entgleisungen gegenüber unserer kommunalen Familie sind unanständig. Völlig zu Recht hat der Landkreistag Ihnen vorgeworfen, dass Sie nichts tun, um die Ausländerbehörden bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Personen zu unterstützen. Sie wollen keine Abschiebehaft oder andere Maßnahmen, die verhindern, dass sich Menschen aus dem Ausreisezentrum in Boostedt der Abschiebung entziehen. Wenn sich die Ausländerbehörden bemühen, Recht und Gesetz umzusetzen, sagen Sie allen Ernstes, die Kreise sollten klar sagen, wenn sie ein „Internierungslager für Flüchtlinge“ wollten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Für Flüchtlinge darf es das gar nicht geben! Das ist ein völli- ger Nonsenssatz! - Zuruf Volker Dornquast [CDU])