Protocol of the Session on December 16, 2016

Damals wie heute ist die Umsetzung von § 47 f der Gemeindeordnung - Kollegin Bohn hat das eben angesprochen - in der Fläche nicht zufriedenstellend umgesetzt. Auch darüber haben wir mit Jugendlichen gesprochen, und wir haben parteiintern abgefragt, wie die Umsetzung in den Gremien und Regionen stattfindet, in denen wir beteiligt sind.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kalinka wollte es immer abschaffen!)

- Dafür brauchen wir uns jetzt nicht zu rechtfertigen! - Es gibt Regionen, in denen es gut funktioniert, in Nordfriesland und Dithmarschen. Der Kreistag dort - das möchte ich hier ausdrücklich als besonderes Beispiel hervorheben - ist auf Antrag der FDP der Idee gefolgt, einmal jährlich nach dem Vorbild „Jugend im Landtag“ „Jugend im Kreistag“ durchzuführen.

(Beifall FDP)

Das sind Maßnahmen, die wir brauchen. Was wir nicht brauchen, sind Jugendliche in den klassischen Gremien vor Ort, in denen Alte darüber diskutieren, was sie wollen, und das in einer eingefahrenen, sehr bürokratischen Art des Sprechens, der Begrifflichkeiten. Unsere Lübecker Kollegen haben deutlich gemacht, dass wir Räume brauchen, in denen sich Jugendliche wohlfühlen, in denen sie sich zu sprechen trauen. Sie wollen sich nicht von starren Sitz

ordnungsregeln und parlamentarischen Abläufen erdrücken lassen.

An dieser Stelle können wir alle viel tun. Wir haben ehrlicherweise keine Lösungsansätze, wie wir den § 47 f verpflichtend umsetzen wollen, wie man es im Zweifel sanktioniert, wenn er nicht umgesetzt wird.

(Zuruf Lars Winter [SPD])

- Überzeugungsarbeit können Sie nicht von oben verordnen! Sie überzeugen durch Worte, durch Taten.

Schauen wir uns um: Es gibt in Kiel hervorragende Beispiele, es gibt in Stormarn hervorragende Beispiele. Wir haben eben von den Kollegen Bohn und Neve gehört, dass die PartizipAction gezeigt hat, wie schnell und gut Jugendliche sind. Ich fand es hervorragend, dass uns die Jugendlichen per Vertrag festgenagelt haben, was wir ihnen dort mündlich zugesagt haben. Wir sind uns sicher, dass wir das im nächsten Jahr zur Landtagswahl zu hören bekommen.

Wir müssen aber auch einen Blick in die Schulen werfen; denn hier findet die erste politische Information und Interessensbildung statt. Frau Ministerin Ernst hat mit dem Erlass klargestellt - besser als es vorher geregelt war -, wie politische Parteien in Schulen auftreten dürfen. Aus meiner Sicht wäre dort aber noch mehr möglich gewesen. Wir hätten dort auch regeln können, wie die technische Abwicklung von Besuchen von Abgeordneten in den Schulen ist. Denn Lehrer brauchen schlicht und einfach Rückendeckung, wenn sie zum Beispiel Podiumsdiskussionen durchführen wollen. Wir wissen doch alle, wie schwierig es werden wird, wenn Parteien vom linken und rechten Rand eingeladen werden wollen, vielleicht auch sinnvollerweise zur Entlarvung einmal dargestellt werden müssen.

Ich hoffe, dass das Ministerium bei mündlichen Anfragen von Lehrern diesen den Rücken stärkt, weil wir sonst Gefahr laufen, dass es hier zum Verzicht einer Podiumsdiskussion kommt, anstatt Aufklärung zu bekommen. Das kann niemand von uns wollen.

Frau Abgeordnete Klahn, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben?

(Anita Klahn)

Sie sagen selbst, der Erlass sei gut, aber man hätte noch mehr machen müssen, man hätte die technische Abwicklung regeln sollen. Das ist mir nicht klar. Wir wollen, dass die Schulen autonom vorgehen, wen sie einladen und in welcher Form sie das durchführen. Was stellen Sie sich konkret unter mehr Handlungsanleitung des Ministeriums für Podiumsdiskussionen vor?

- Der Erlass ging ja sehr schnell raus; man konnte gar nicht mehr eingreifen. Wir haben ja auch kein wirkliches Mitspracherecht. - Wir könnten uns eine Formulierung vorstellen, die deutlicher regelt, in welchen Zeitabständen Regierungs- und Oppositionsgruppierungen eingeladen werden sollen, wie viele alleine eingeladen werden können et cetera. Das sollten wir im Ausschuss vertiefen. Ich habe konkrete Vorschläge dazu.

Ich möchte noch einen letzten Satz sagen.

Das geht leider nicht mehr, Frau Abgeordnete. Denn die Zeit, die Ihnen zur Verfügung steht, ist abgelaufen.

Mir wäre sonst der Punkt Partizipation in Kinderund Jugendhilfeeinrichtungen wichtig gewesen.

Das kann ich mir vorstellen.

Denn der Untersuchungsausschuss hat gezeigt, wie schwierig das ist. - Herr Präsident, vielen Dank. Wir werden das im Ausschuss vertiefen.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Wolfgang Dudda das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bedanke mich für den vorgelegten Bericht, der naturgemäß nicht ganz so selbstkritisch ist, wie wir uns das gewünscht hätten. Ich möchte ihn dem gegenüberstellen, was der Landesbeauf

tragte für politische Bildung zur tatsächlichen Praxis gesagt hat. Sein Bericht ist ja fast parallel dazu erschienen. Er betont, dass Schleswig-Holstein zwar eines der wenigen Bundesländer sei, das Kindern und Jugendlichen eine politische Beteiligung durch eine Muss-Regelung garantiere, allerdings kritisiert er in dem Zusammenhang genau das, was hier schon mehrfach angesprochen worden ist, dass die Kommunen nach wie vor nicht flächendeckend für eine angemessene Beteiligung junger Menschen Sorge tragen, obwohl § 47 f der Gemeindeordnung dies vorschreibt. Nun kann man ja sagen, dass der Landesbeauftragte für politische Bildung Kritik an den Kommunen und nicht an der Landesregierung übt. Aber das würde zu kurz greifen. Denn die beiden Dinge berühren sich unzweifelhaft.

Es ist richtig, dass wir den § 47 haben und dass auch geregelt ist, wie die Beteiligung zu organisieren ist. Offen geblieben ist bei dieser Regelung allerdings, welche Folgen ein Verstoß gegen diese Pflichten hat. Da bin ich ausdrücklich beim Kollegen von Pein: Auch ich glaube, dass es nach über 20 Jahren Praxis ohne Druck und mit so unterschiedlichen Ausprägungen, wie wir es heute von den Vorrednern gehört haben, nicht möglich sein wird, einen einheitlichen, gewährleistenden Standard zu etablieren. Da bin ich anderer Auffassung als die Kollegin Bohn. Wir können zwar zufrieden sein, aber wenn wir es nicht ganz und gar hinbekommen, wenn wir es nicht flächendeckend mit hohem Standard hinbekommen, dann fällt mir hierzu ein Ausspruch von Hennes Weisweiler ein, der einmal gesagt hat: Zeige mir den zufriedenen Zweiten, und ich zeige dir den ewigen Verlierer. - Entsprechendes würde hier auch gelten.

Wir haben mit anderen Worten ein fortschrittliches Gesetz, gegen das man leider folgenlos verstoßen kann, weil keine Kontroll- und Korrekturmechanismen eingezogen worden sind. Das erinnert mich fatal an die Erkenntnisse, die wir jetzt seit über einem Jahr aus dem Untersuchungsausschuss „Friesenhof“ haben: Runde Tische werden eingeführt, Ergebnisse werden präsentiert, Gesetze werden geschaffen. Ob diese Gesetze eingehalten werden und wie sie eingehalten werden, scheint dann allerdings nicht mehr interessant zu sein. Die Ministerin selbst sprach ja in diesem Zusammenhang von einem stumpfen Schwert. Ich teile diese Auffassung nicht, aber sie ist nicht unbegründet.

Bei der Kinder- und Jugendhilfe - das haben Sie selbst angeführt, Frau Ministerin - erleben wir eine ähnliche Situation. Denn auch das SGB VIII schreibt seit dem 1. Januar 2012 für Einrichtungen

(Anita Klahn)

der stationären Jugendhilfe vor, geeignete Verfahren zur Beteiligung zu installieren. Inwieweit diese Pflicht in Schleswig-Holstein umgesetzt wurde, vermag die Landesregierung allerdings bis heute nicht zu sagen. Auf meine entsprechende Kleine Anfrage von Mai dieses Jahres wurde mir gesagt, dass man sich nicht in der Lage sehe, mir mitzuteilen, in wie vielen Einrichtungen im Land diese Pflicht umgesetzt und diese Umsetzung dokumentiert wurde. Mit anderen Worten: Man weiß als zuständige Aufsichtsbehörde auch nach viereinhalb Jahren nicht, ob das seit 2012 geltende Gesetz überhaupt überall umgesetzt worden ist.

Das zeigt mir: Wir können noch so viele Gesetze, Berichte und Ähnliches fordern und solche verfassen; solange wir deren Umsetzung nicht einfordern und dies - wie Herr Kollege von Pein völlig zu Recht gesagt hat - auch mit ein bisschen Druck ausstatten, solange wir also nicht dafür sorgen, dass Rechte von Kindern und Jugendlichen im Alltag Realität werden, so lange helfen uns diese Berichte auch nicht viel weiter. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Es wäre nett, wenn notwendige Gespräche auf der Regierungsbank außerhalb des Plenarsaals stattfänden. - Für den SSW hat jetzt der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zwar ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ein Aspekt unseres Kinderund Jugendaktionsplans, aber ich habe es doch ein bisschen bedauert, dass beide Berichte hier zu einem Tagesordnungspunkt zusammengeführt wurden. Ich denke, jeder Bericht für sich wäre eine Debatte wert gewesen. Unabhängig davon möchte ich mich aber gerne für die sehr informativen und ausführlichen Berichte bedanken. Beide sind sehr umfassend und liefern einen wirklich guten Überblick über die kinder- und jugendpolitischen Aktivitäten hier im Land.

Im Zusammenhang mit dem Bericht zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen freut mich natürlich, dass dieser auf eine Initiative des SSW aus dem Jahr 2002 zurückgeht. Aber unabhängig davon, wer welche Dinge auf den Weg gebracht hat, ist es einfach wichtig, dass wir uns regelmäßig mit den Themen Schutz und Förderung sowie Beteili

gung von Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Denn auch wenn wir hier in Schleswig-Holstein in mancher Hinsicht Vorreiter sind, gibt es ohne Frage noch Luft nach oben.

Regelmäßige Berichte über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und über unseren Aktionsplan sind für sich genommen schön und gut. Wenn sie jedoch im Anschluss in der Schublade verschwinden, ist damit wenig gewonnen. Zum Glück zeigt die Erfahrung, dass es in diesem Bereich ganz anders ist: Ganz offensichtlich stehen hier alle Parteien hinter diesem Politikansatz für Kinder und Jugendliche, und alle wollen diesen Ansatz auch aktiv weiterentwickeln. Das freut mich persönlich sehr. Denn der Vergleich mit anderen Ländern zeigt deutlich, dass diese Einigkeit, die wir hier im Land haben, keine Selbstverständlichkeit ist.

(Beifall SSW)

Eines ist klar: Landespolitik ist nicht nur in der Verantwortung, wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen oder um ihre chancengerechte Bildung geht. Auch wenn Kinder und Jugendliche angemessen beteiligt werden sollen, sind wir in der Pflicht. Natürlich muss Partizipation in erster Linie da gelebt werden, wo Entscheidungen direkt das Leben der jungen Menschen betreffen. Wir müssen zum einen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Kinder und Jugendliche vor Ort einbezogen werden können, und wir müssen zum anderen gleichzeitig dafür sorgen, dass Kinder so früh wie möglich Beteiligung erleben und erlernen und die Spielregeln der Demokratie kennenlernen. Hier wollen wir natürlich auch in Zukunft anhand guter Beispiele werben und die nötigen Informationen und Hilfen zur Verfügung stellen.

Aus dem Bericht zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen geht deutlich hervor, dass wir auf breite Erfahrungen zurückgreifen können. Ich denke, insgesamt gesehen hat Partizipation den Stellenwert, der ihr zusteht. Die gewählten Schwerpunkte kommunale Beteiligung, Beteiligung in Kindertageseinrichtungen, in der stationären Erziehungshilfe und in der Schule sind aus Sicht des SSW absolut sinnvoll. Mir ist durchaus bewusst, dass es zum Beispiel bei der Beteiligung im öffentlichen Raum, und damit auf der kommunalen Ebene, mitunter noch hakt. Das liegt meiner Meinung nach häufig an den sehr kleinteiligen Strukturen, die wir hier in Schleswig-Holstein haben. Aber mir ist auch wichtig zu betonen, dass es nicht etwa um eine Verschärfung der gesetzlichen Grundlagen oder um Sanktionen gehen kann.

(Wolfgang Dudda)

(Zurufe)

- Da sind wir uns offenbar einig! - Wir alle müssen uns dafür einsetzen, dass den Menschen vor Ort noch bewusster wird, wie wichtig und wie wertvoll Kinder- und Jugendbeteiligung ist. Mit Zwang kommen wir sicher nicht zu der Beteiligungskultur, die wir uns alle wünschen.

Wenn wir uns beide Berichte vor Augen führen, wird ganz deutlich, dass das Land Schleswig-Holstein die Belange seiner Kinder und Jugendlichen ernst nimmt. Es wird auch klar, dass wir unsere Verantwortung für gute Lebens- und Entwicklungsbedingungen und für möglichst gleiche Chancen auf Bildung nicht nur sehen, sondern dieser auch nachkommen. Das heißt allerdings nicht, dass wir hier nicht noch besser werden können. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Berichte der Landesregierung, Drucksachen 18/4721 und 18/4722, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.

(Zuruf: Von mir aus können wir jetzt Schluss machen! - Heiterkeit)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:

Zweiter Bericht über die Entwicklung der Schülerkostensätze nach Neuordnung der Ersatzschulfinanzierung