Protocol of the Session on July 21, 2016

b) Energiewende und Klimaschutz in SchleswigHolstein - Ziele, Maßnahmen und Monitoring 2016

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/4389

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich erteile zunächst dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Robert Habeck, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schönes Wetter - das ist gut. Wir werden - bisher in Schleswig-Holstein nicht unbedingt zu spüren wahrscheinlich im Jahr 2016 das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen haben. Wir haben katastrophale Klimaereignisse überall in der Welt, auch in Deutschland, und nur Ignoranten können sagen, dass wir kein Problem haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wenn ich das mit Blick auf die leere Bank des Fraktionsvorsitzenden der CDU sagen darf: Dass ein Klimaschutzgesetz als „endgültig scheinheilig“ in meine Richtung diskreditiert wird, zeigt, wo die Ignoranten sitzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Und: Dass man erst die Backen so aufbläst und dann zur Debatte nicht erscheint, finde ich ziemlich merkwürdig. Das, würde ich sagen, ist ein bisschen scheinheilig. Wahrscheinlich nicht endgültig, aber scheinheilig scheint es mir dann doch zu sein.

Meine Damen und Herren, Klimaschutz ist eine kommunale und landespolitische Aufgabe. Zu sagen: „Kümmert euch nicht darum, macht das nur in Brüssel und Berlin“, bedeutet zu sagen, dass alle Kommunen, die sich Klimaschutzpläne ausgedacht haben, alle Bürger, die sich E-Mobile angeschafft haben, alle Stadtwerke, die sich bemühen, den Klimaschutz voranzubringen, scheinheilig wären. So etwas vorzuhalten verdreht doch die ganze Laufrichtung, die wir in diesem Land als Verantwortungsgemeinschaft aufzubauen versucht haben. Nein, Klimaschutz lohnt sich vor Ort mit den Menschen hier im Land. Wir brauchen Anstrengungen vor Ort, vor der Haustür. Das ist der Sinn von Landespolitik.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das ist ein Sinn, der sich lohnt. Wenn Sie in den 130 Seiten starken Bericht schauen, den wir jähr

(Uli König)

lich vorlegen, werden Sie sehen, dass wir seit 1990 7 Millionen t CO2 eingespart haben. Nimmt man alle Treibhausgase dazu und rechnet sie in CO2-Äquivalente um, so sind das seit 1990 10 Millionen t das sind 25 % der Treibhausgasemissionen von Schleswig-Holstein 1990. 25 % wurden durch verschiedenste Maßnahmen eingespart, unter anderem den Ausbau der erneuerbaren Energien. Auch das ist in dem Bericht schön dargestellt.

Sie wissen, dass wir im letzten Jahr bilanziell 100 % der Energieversorgung in Schleswig-Holstein erreicht haben. Nun sagen einige: Okay, 100 % sind erreicht - warum noch weiter? Ich weise einmal vorsichtig darauf hin, dass Schleswig-Holstein keine Insel ist und dass die Metropole Hamburg keine Chance hat, jemals 100 % erneuerbare Energien herzustellen. Wenn wir also ein bisschen größer denken und nicht nur bis zum Tellerrand, erkennen wir, dass es Sinn macht, die Energiewende fortzusetzen - mit Bedacht, mit den Menschen, aber konsequent.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das tun wir. Der Bericht beschreibt, dass wir in Schleswig-Holstein ungefähr zehn Jahre vor der bundesrepublikanischen Wirklichkeit sind, sowohl was die Geschwindigkeit beim Netzausbau, die Durchdringung des Energiesystems mit den Erneuerbaren als auch die Herausforderungen angeht.

Wir haben jetzt ärgerlicherweise Strom, der nicht ins Netz geht. Wir werden das in den nächsten Jahren sukzessive abstellen können. Wenn Sie die Autobahn nach Hamburg nehmen, sehen Sie die Mittelachse. Die Strommasten liegen rechts und links neben der im Bau befindlichen A 7 im Graben. Der erste Abschnitt - Westküstenleitung - ist quasi fertig. Der zweite befindet sich im Bau. Es geht jetzt sehr schnell; 2017/2018 werden wir das Schlimmste überstanden haben.

Aber ja, wir haben Energie, die nicht abfließen kann, und das wird sich, weil SuedLink fehlt, auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht ändern. Wir müssen uns also überlegen, wie wir diesen Strom sinnvoll verwenden können. Die Projekte sind in dem Bericht beschrieben: Speicherprojekte, zuschaltbare Lasten, die Industrie einbeziehen - all das listet der Bericht auf.

Wir haben die Förderprogramme der Landesregierung konsequent umgestellt, sodass wir hier jetzt tatsächlich versuchen, die Bereiche Verkehr, Wärme und Industrie mit erneuerbaren Energien zu

durchdringen. Dazu gehört auch das Klimaschutzgesetz, der zweite Teil der heutigen Debatte.

Das Klimaschutzgesetz ist in Wahrheit ein Energie-Wärmewende-Gesetz. Es enthält den Versuch, erneuerbare Energien in das Wärmesystem zu übertragen, und dazu braucht man die Kommunen. Deswegen ist das kein Vorschriftsgesetz, das die Kommunen zwingt, etwas gegen ihren Willen zu tun, sondern das ihnen im Wesentlichen Mittel an die Hand gibt, die Wärmewende im Energiebereich umzusetzen.

Wir haben uns an Dänemark orientiert. Dänemark hat heute schon 50 % erneuerbare Energien im Wärmesystem bei gleich gutem oder schlechtem Wetter wie in Schleswig-Holstein, wir haben nur 14 %. Warum hat Dänemark so viel erneuerbare Energie in der Wärme? Weil sie vernetzt denken, weil sie nicht von der Einzelbefeuerungsanlage, nicht vom Einzelhaus ausgehen, sondern vom Quartier. Sie bauen Systeme auf. Sie sind großvolumiger, da speisen sie dann aus erneuerbaren Energiequellen ein - von Solarthermie über Biomasse bis Abwasserwärme und Geothermie. Genau dorthin wollen wir auch.

Die Kommunen bekommen mit dem Energiewendegesetz die Möglichkeit, Daten zu erheben. Es wird eine Transparenzvorschrift erlassen, nach der die Daten für die Verbraucher öffentlich gemacht werden. Die Ämter dürfen den Kommunen helfen, wenn die Gemeinden zu klein sind. - Lauter kleine Schritte, die den großen Schritt beflügeln sollen. Hinzu kommen die Selbstbindung der Landesregierung bei der Sanierung der Liegenschaften, um Vorbildcharakter zu beweisen, und weitere Maßnahmen wie Monitoring und Fortschreibung des Energiewendeberichts. Alles in allem ist das ein rundes Paket, das die Möglichkeiten, die das Land als Ermutigung zur Energiewende hat, gut beschreibt.

Ich freue mich auf die Debatte und hoffe, dass der Landtag weise mit dem Gesetz verfährt. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir begrüßen auf der Besuchertribüne des Landtags unseren ehemaligen Kollegen Klaus Klinckhamer. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Minister Dr. Robert Habeck)

(Beifall)

Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegen heute ein Gesetzentwurf und ein Bericht vor. Ich möchte hierzu aus Sicht der CDU Stellung nehmen.

Herr Minister Habeck, unser Fraktionsvorsitzender Daniel Günther hat Ihnen deswegen Scheinheiligkeit vorgeworfen, weil Sie hier versuchen, den Klimaschutz, den wir international sehen müssen, regional zu organisieren. Warum scheinheilig? Jetzt komme ich zu dem Argument. Das wurde in der Debatte über die Krise in der Landwirtschaft diskutiert. Dabei wird immer auf Europa verwiesen und gesagt, das man in Schleswig-Holstein gar nichts unternehmen könne. Wir haben Ihnen Vorschläge unterbreitet. Da hätten Sie auch regional tätig werden können. Bei der Landwirtschaft soll europäisch gelöst werden, was wir regional lösen können. Das ist ein Stück weit scheinheilig, nicht aus Sicht unserer Partei, sondern bei Ihnen.

(Beifall CDU)

Kommen wir zum Bericht. Ich muss zugeben, dass dieser Bericht durchaus lesenswert, interessant und mit aktuellen Zahlen bestückt ist, sodass wir alle ein Stück weit daraus lernen können. Deswegen herzlichen Dank für diesen Bericht. Das ist ein Nachschlagewerk auf 139 Seiten zu den Themen Klimaverbesserung, Emissionsquellen, Emissionsausstoß und so weiter. Das ist alles wirklich hervorragend beschrieben. Ich habe ihn aber zweimal lesen müssen, um mein Gefühl, das irgendetwas fehlt, am Ende auch bestätigen zu können.

Es fehlt - darauf sind Sie auch nicht in Ihrer Rede eingegangen - der Sektor der Karbonisierung, also der Sektor betreffend den Kohlenstoffverbrauch. Das betrifft das Heizen. Das betrifft den Wärmemarkt, den Verkehr, die Mobilität auf unseren Straßen. Das sind immerhin 85 % des Gesamtenergieverbrauchs in Schleswig-Holstein und des Gesamtaufkommens von Treibhausgasen in Form von Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Das ist in diesem Bericht nicht vernünftig beschrieben. Man muss sich sehr viel Mühe geben, um da auf Zahlen zu kommen und etwas herauszulesen.

Richtig beschrieben haben Sie, dass wir alle gemeinsam zu Lösungsansätzen kommen müssen. Da

sind wir uns einig bezüglich des Klimagipfels in Paris im vergangenen Jahr, bei der die Entscheidung getroffen worden ist, im Höchstfall nur 2 °C Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten in Kauf zu nehmen. Sie können sich sicher sein, dass Sie dabei auch die CDU an Ihrer Seite haben.

In Ihrer Rede haben Sie vorhin etwas falsch dargestellt, und das dürfen Sie durchaus im Nachgang berichtigen. Sie haben gesagt, 100 % der Energieversorgung in Schleswig-Holstein sei theoretisch schon über erneuerbare Energien gedeckt. Sie haben aber Strom gemeint, und das ist das Problem.

Wir beziehen uns immer wieder auf Strom. Aber wir kommen zu dem, was uns viel mehr belastet, nämlich zur Mobilität, also zum Verkehr und zum Wärmemarkt, nur eingeschränkt. Das ist auch ein Stück weit ein Problem Ihres Berichts.

(Beifall CDU)

Wir sind uns politisch einig, dass wir an dieses System heran müssen. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Meeresspiegel steigen werden und dies im Land zwischen den Meeren für uns in den nächsten Jahrzehnten essentiell sein wird, sind wir uns einig, dass wir politisch handeln müssen.

Sie sagen, dass wir das über ein Gesetz machen können. Wir sagen: Wenn Sie schon ein Gesetz machen, dann müssen Sie es so machen, dass genau diese Kernpunkte, die ich vorhin angesprochen habe, nämlich Mobilität, Wärmemarkt und so weiter dabei bearbeitet werden. Das werden sie aber eben nicht. Sie schreiben einen Gesetzentwurf für öffentliche Gebäude und fangen mit den Landesliegenschaften an.

Da frage ich Sie, ob es richtig sein kann, wenn man selbst Minister ist, seine eigenen Behörden jeden Tag in irgendeiner Form informell oder sonstwie anweisen kann, wie man mit öffentlichen Gebäuden umgeht, für die eigenen Behörden im eigenen Land, für die eigenen Gebäude und Liegenschaften auch noch ein eigenes Gesetz zu schreiben. Das kann es eigentlich nicht sein. Da arbeiten Sie auf Ihrer Ebene schlecht zusammen.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Sie beschränken sich auf diejenigen, denen Sie dann wieder etwas vorschreiben können, und das sind die Kommunen. Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag hat in seiner gestrigen Pressemitteilung nicht nur mitgeteilt, dass er sich nicht richtig verstanden fühlt. Im Gegenteil. Darin steht sogar, dass Sie es den Kommunen nicht zutrauen, ihre Selbstverwaltungsaufgaben ordentlich wahrzu

(Präsident Klaus Schlie)

nehmen. Sie bauen Bürokratie auf. Sie schaffen Dokumentationspflichten. Am Ende wettern Sie gegen diejenigen, die eigentlich nicht diejenigen sind, die dafür leiden müssten.

Mit diesem Klimaschutzgesetzentwurf strafen Sie die Falschen ab. Beginnen Sie bei sich selbst! Lassen Sie das Klimaschutzgesetz weg! Setzen Sie das um, was Sie ohne große Gesetzeskultur in Ihren Behörden umsetzen können! Nutzen Sie das, was Sie als Anregung in Ihrem Bericht verwendet haben, bei der politischen Arbeit. Dann sind wir dicht bei Ihnen und würden auf jeden Fall in dieser Hinsicht mitarbeiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Thomas Hölck.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Klimaschutz ist ein Thema, das weltweit alle Menschen betrifft. Alle Länder müssen hierzu einen Beitrag leisten. Deshalb brauchen wir Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene und letztendlich auch auf kommunaler Ebene, die die Energiewende nachhaltig ausgestalten und den Klimaschutz fördern.

(Vereinzelter Beifall SPD)