Protocol of the Session on July 21, 2016

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Barbara Ostmeier [CDU]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Unabhängig davon ist es natürlich so, dass auch die Arbeitssituation der Beschäftigten zu beachten ist. Das ist ganz klar, denn die Angebote des Gesetzes sollen natürlich auch umgesetzt werden. Für die erforderlichen Maßnahmen in Bezug auf Bauten, Sachmittel und vor allem Personal braucht es schlichtweg Geld; das stimmt. In der Summe werden 13,1 Millionen € für Bauinvestitionen, Sachmittel von bis zu 710.000 € sowie rund 1,9 Millionen € an Personalausgaben im Vorspann zum Ursprungsgesetzentwurf genannt. Die Personalbedarfe sollen aus dem Etat des Justizministeriums erwirtschaftet werden können. Alles andere muss uns ein fortschrittlicher, menschenwürdiger und erfolgreicher Strafvollzug einfach wert sein, und das wird sich auch in den Haushaltsberatungen widerspiegeln.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf Volker Dornquast [CDU])

Der heutige Beschluss, lieber Herr Dornquast, ist deshalb auch kein Schlusspunkt, sondern der Startschuss für einen verbesserten Vollzug. Wir ziehen damit mit den anderen Bundesländern gleich.

Wir werden uns auch weiter mit den Fragen zum Beispiel der Resozialisierung befassen, auch mit der Frage, ob hier ein weiteres, besonderes Gesetz erforderlich ist. Die Idee, dies im gleichen Zuge zu regeln, klingt zwar gesetzesökonomisch gut, würde aber die sinnvolle Regelungsschrittfolge, die wir gehen sollten, durcheinanderbringen.

Da in ganz vielen Punkten durchaus Gemeinsamkeit besteht, möchte ich mich im Weiteren auf die strittigen Themen Telekommunikation, Anstaltskleidung und Schusswaffengebrauch beschränken.

Die Lebensumstände in der Haft sollen dem Leben draußen so weit wie möglich angeglichen werden. Das sehen wir, Frau Ostmeier, ganz anders als Sie meinetwegen auch aus ideologischen Gründen. Aber wenn wir nicht irgendwelche ideologischen Ziele verfolgen würden, was würden wir dann hier

(Barbara Ostmeier)

machen? Das ist hier keine Beamtenversammlung, sondern eine politische Versammlung.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja- wohl!)

Dazu gehören auch neue Medien und neue Kommunikationsmittel, deren Nutzung heute nahezu unverzichtbar ist und mittlerweile zu den Grundfertigkeiten wie Lesen und Schreiben gehört.

Natürlich gibt es hier ein Spannungsfeld bei der Verhütung neuer Straftaten, die auf diesem Weg begangen werden können. Wir haben daher eine einfach handhabbare Regelung aufgenommen und schreiben den Auftrag zur Einrichtung der Möglichkeiten zur sogenannten Nutzung anderer Formen der Telekommunikation in den Anstalten im Gesetz fest, um den Anstaltsleitungen vor allen Dingen auch an dieser Stelle mehr Rechtssicherheit zu geben. Die Realität, Frau Ostmeier, hat uns hier in der Praxis auch schon eingeholt, beispielsweise in puncto Skype. Es ist gut, dass die Anstalten der Entfremdung der Gefangenen vom Alltagsleben entgegenwirken - auch in Schleswig-Holstein, nicht nur in Berlin, wie uns das immer vorgetragen worden ist.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Das bestreitet kei- ner! Ist das alles?)

- Nein, Frau Ostmeier, das ist der Beginn, das habe ich schon gesagt.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Na eben!)

Die Frage einer obligatorischen Anstaltskleidung ist da tatsächlich schon etwas schwieriger. In der Anhörung wurde von verschiedener Seite der Vorschlag vorgetragen, das Tragen von Privatkleidung für Gefangene freizugeben. Zum einen wurde auf die Ungleichbehandlung im Vergleich mit dem Frauenvollzug oder dem Vollzug in Therapiegruppen hingewiesen, zum anderen die stigmatisierende Wirkung von Anstaltskleidung beschrieben. Herr Schmidt-Elsaeßer hat im Ausschuss auch darauf hingewiesen, dass schon gut 30 % der Insassen von Haftanstalten Privatkleidung tragen.

(Zuruf CDU: So ist es!)

Es ist klar, dass damit ein organisatorischer Mehraufwand verbunden ist.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Ja!)

Es ist auch nicht neu, dass höherwertige Bekleidung - wahrscheinlich wie hier im Raum auch - Be

gehrlichkeiten weckt oder als Zahlungsmittel eingesetzt werden könnte.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Ja!)

Und es hat auch Auswirkungen auf die Übersichtlichkeit im Anstaltsbetrieb, wenn die Gefangenen Privatkleidung - wie manche andere, die im Vollzug tätig oder zu Besuch sind - tragen. Die Erfahrungen aus Hamburg, Niedersachsen und Sachsen lehren jedoch, dass die beschriebenen Probleme in den Griff zu bekommen sind und der Mehraufwand überschaubar bleibt. Daher schlagen wir Ihnen auch die niedersächsische Regelung vor. Wenn Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet sind, kann auch das Tragen von Anstaltskleidung allgemein angeordnet werden. Es gibt also gar keinen Grund, hier Ängste zu schüren.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Wer schürt hier Ängste?)

Auch beim Thema Schusswaffen gehen die Meinungen weit auseinander. Die GdP möchte das nicht nur bei Gefangenentransporten, sondern auch im Nachtdienst und zur Eigensicherung bei schwierigen Lagen. Nun beschreibt die GdP in ihrer Pressemitteilung vom 11. Juli 2016 selbst, dass seit mehr als 30 Jahren keine Schusswaffe eingesetzt wurde. Ebenso wurde keine Waffe von einem Gefangenen entwendet. Es geht schlicht um das Sicherheitsgefühl der Bediensteten, wenn diese Frage plötzlich einen so hohen Stellenwert erhält.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Genau!)

Dem tragen wir mit dieser Änderung jetzt auch Rechnung. Dies geschieht auch mit baulichen Maßnahmen. Wenn man sich beispielsweise die Mauer in Lübeck anschaut, fragt man sich: Was soll da passieren?

Gleichwohl verzichten andere Bundesländer auf Schusswaffen in den Anstalten, offensichtlich ohne Auswirkungen auf die Sicherheitslage. So hielt beispielsweise auch der Verband der niedersächsischen Strafvollzugsbediensteten in seiner Stellungnahme zum dortigen Gesetzentwurf fest: „Eine weitere Aufrüstung in den Anstalten sollte unterbleiben.“

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf mit den vorgeschlagenen Änderungen. - Vielen Dank.

(Thomas Rother)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen heute in zweiter und letzter Lesung ein sehr gutes Strafvollzugsgesetz für Schleswig-Holstein vor, auch und gerade im Ländervergleich.

Ich will mich auch auf drei Punkte, die in der letzten Zeit besonders intensiv diskutiert wurden, beschränken: Privatkleidung auch für männliche Gefangene, die Nutzung neuer Medien und der Gebrauch von Schusswaffen.

Schon heute trägt ungefähr ein Drittel aller Inhaftierten Privatkleidung. Dass wir das nun gesetzlich zum Regelfall machen, ist daher nur folgerichtig und entspricht dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes und dem Angleichungsgrundsatz im Strafvollzug. Nach diesem Grundsatz sollen die Verhältnisse innerhalb der JVA, soweit es geht, den Verhältnissen der Außenwelt angeglichen werden.

Die Empörung einiger Leute über diese Maßnahme kann ich schon aus dem Grund nicht nachvollziehen, dass die Anstaltsleitung nach wir vor jederzeit das Tragen von Anstaltskleidung anordnen kann, wenn sie es für erforderlich hält.

Viel wichtiger noch ist die Zulassung neuer Kommunikationsformen, zum Beispiel das Skypen. Das war uns ein besonderes Anliegen. Familiäre Bindungen sind ein Motor der Resozialisierung. Die häufigeren visuellen Kontakte zu Partnerinnen und Kindern können helfen, sich auf ein Leben nach der Haft besser vorzubereiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Den Kindern wird die Chance auf ein Stück Familienalltag innerhalb der schwierigen Situation gewährt.

Der Einzug des Internets in die Haftanstalten ist überfällig und durch den Angleichungsgrundsatz dringend geboten. Im November 2014 nahmen alle rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprecher an einem Podium im Rahmen einer Fachtagung zur sozialen Strafrechtspflege hier im Landtag teil. Sowohl Kollegin Ostmeier als auch Kollege Dr. Klug zeigten sich damals ausgesprochen aufgeschlossen, unter der Voraussetzung, dass die Belange der Sicherheit gewahrt bleiben. Dazu haben wir jetzt mit

der Vorschrift „Anderen Formen der Telekommunikation“ die Tür aufgemacht. Ihre jüngst geäußerten Vorbehalte, Frau Kollegin Ostmeier, kann ich unter diesen Umständen überhaupt nicht nachvollziehen. Sie reden dort das und hier etwas ganz anderes. Da sollten Sie einmal in sich gehen und eine klare Linie finden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch der Wiedereingliederungsgrundsatz gebietet die kontrollierte Nutzung des Internets, damit Inhaftierte auf ihr Leben nach der Haft vorbereitet werden können, zum Beispiel durch internetbasierte Fernschulungen.

Zum Punkt Waffengebrauch: Für uns Grüne gilt seit jeher ein ganz einfacher Grundsatz: Je weniger Waffen es in der Welt gibt, umso besser ist es prinzipiell um die Sicherheit bestellt. Das gilt im Großen wie im Kleinen, im privaten und im öffentlichen Bereich, also auch innerhalb von Gefängnismauern.

(Zuruf CDU)

Das sehe nicht nur ich so, sondern das sehen auch Lars Harms und Thomas Rother so.

(Beifall SSW)

Diverse Bundesländer, darunter das traditionell tiefschwarze Sachsen, verbieten den Schusswaffengebrauch in der Anstalt.

In der durchgeführten Anhörung zu unserem Gesetzentwurf haben renommierte Fachleute und Vollzugspraktiker aus anderen Bundesländern dringend dazu geraten, den Schusswaffengebrauch zu untersagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt SPD und SSW)

Angesichts der Tatsache, dass der Schusswaffengebrauch in Haftanstalten des Landes nach Aussage der GdP, die es ja wissen muss, seit 30 Jahren keine Rolle mehr spielt, nehme ich an, dass es eher Gefühlslagen und Statusgesichtspunkte waren, die die Diskussion der letzten Wochen befeuerten. Aber sei es drum.