Protocol of the Session on July 21, 2016

Es ist nicht zu leugnen, dass die Stimmung gegenüber der Windenergie auch in Schleswig-Holstein gekippt ist. Ob wir als Politiker das gut oder schlecht, richtig oder falsch finden, spielt überhaupt keine Rolle. Wir müssen uns mit der Skepsis der Bevölkerung aktiv auseinandersetzen.

(Beifall CDU und FDP)

Sowohl meine Fraktion als auch die FDP-Fraktion haben hierzu Vorschläge eingebracht. Für meine Fraktion bleibt es das Ziel, dass die Abstände zur Wohnbebauung 1.200 m beziehungsweise 500 m betragen müssen. Es ist der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass der Schlaf der Kraniche und der Fledermäuse wichtiger ist als der Schlaf der Menschen.

Ministerpräsident Albig sagt zum Thema Abstände in der Zeitschrift „Cicero“ vom Juni 2016:

„Größere Abstände sind natürlich wünschenswert … Je größer der Abstand, umso mehr geht das auf Kosten des Natur- oder Landschaftsschutzes … was ich für falsch hielte. Schleswig-Holstein hat sich 2011 vorgenommen, Strom, der einmal durch Kohle und Atom produziert werden sollte, durch erneuerbare Energie zu ersetzen. Das sind etwa 42 TWh, also dreimal so viel, wie 2011 bei uns an Strom verbraucht wurde. Ich habe keinen Anlass zu glauben, dass es vollkommen unrealistisch ist, diese Menge langfristig insbesondere durch Wind onshore ersetzen zu wollen. Dazu stehe ich. Dies wird aber nicht ohne Belastungen gehen. Meine Aufgabe ist es, den Menschen zu erklären, warum sie manche Lasten tragen müssen. Ich habe die Pflicht und Schuldigkeit, das Möglichste zu tun, um die Last klein zu halten.“

Hört, hört! Herr Ministerpräsident, dann tun Sie doch auch etwas! Weichen Sie der Diskussion mit den Menschen doch nicht aus!

(Zurufe SPD: Tut er doch auch nicht!)

Das 300-%-Ziel zur Erreichung der Energiewende sowie der Richtwert, circa 2 % der Landesfläche für Windenergie zur Verfügung zu stellen, stehen für uns als Fraktion nicht zur Disposition.

Wo befinden wir uns zurzeit? Das wissen wir nicht genau, wir befinden uns irgendwo zwischen 0,3 %, 1,2 % der Landesfläche, dann waren wir bei 0,8 % der Landesfläche. Dass Repowering auch innerhalb des 3-km-Küstenstreifens möglich sein muss, hat für uns weiter hohe Priorität.

(Beifall CDU)

Viele Fragen, die eine Anhörung erforderlich gemacht hätten. Diese wurde im Ausschuss allerdings abgelehnt. Das verstehen wir überhaupt nicht.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Wenn Sie mit den Menschen in Kontakt treten wollen, dann brauchen wir dafür eine Anhörung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der PIRATEN, auf den ich jetzt nicht noch einmal eingehen möchte, hat ein nachvollziehbares Ziel. Aber wir haben bereits in der ersten Lesung deutlich gemacht, dass wir erhebliche rechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf haben. Der Wissenschaftliche Dienst hat diese Bedenken in einem Gutachten übrigens in großer Deutlichkeit bestätigt. Die schwierige Situation, in die uns das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gebracht hat, lässt uns keinen Spielraum für Risiken. Deshalb ist es für meine Fraktion nicht zu verantworten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Frau Abgeordnete, wenn Sie bitte einmal auf die Uhr schauen.

Ja, mein letzter Satz: Aber auch für uns ist das Thema der Berücksichtigung des Gemeindewillens auf der Tagesordnung. Hier wollen wir eine Lösung, und wir arbeiten nach wie vor daran.

Den heute eingegangenen Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen lehnen wir ab. Dort ist in Teilen etwas aufgenommen worden, was wir gefordert haben, aber das hätte man in einer Anhörung auch ganz anders deutlich machen können. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses hat uns der Kollege Detlef Matthiessen von den Grünen wirklich anschaulich erläutert, wie er zum

Thema Infraschall steht. Er bezeichnete alle Windkraftkritiker pauschal als Irrationale. Dann hat er berichtet, dass er vor Kurzem nach Holtsee gefahren sei und dort mit dem Auto vor dem Haus von Frau Dr. Kirchhof, der Landesvorsitzenden von Gegenwind, gehalten habe. Er stieg aus dem Auto heraus, schaute zu den Windkraftanlagen und hörte nach eigenen Angaben nichts. Dann schildert Kollege Matthiessen, dass er ein paar Tage später noch einmal nach Holtsee gefahren sei, dieses Mal zusammen mit seiner Frau. Beide hörten nach eigenen Angaben wiederum nichts. Ob nun die Windkraftanlagen stillstanden, weil es wieder einen Netzengpass gab, ist uns nicht übermittelt worden,

(Beifall Uli König [PIRATEN])

aber allen Ernstes, meine Damen und Herren, Herr Dr. Habeck: Sieht so wie eben beschrieben wirklich die Windenergiepolitik der Koalition aus?

(Zuruf Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Ist das der wissenschaftliche Beitrag der Koalition zur Erforschung von gesundheitlichen Auswirkungen? Nimmt man so die Bürger ernst? - Das ist die Frage, die ich Ihnen stelle.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Uns alle erreichen immer wieder Briefe oder Gespräche mit Personen beispielsweise von der Westküste oder aus dem Raum Silberstedt, in denen über gesundheitliche Beschwerden durch Windkraftanlagen geklagt wird. Bei den gesundheitlichen Risiken durch Windkraftanlagen bestehen zweifelsohne Wissensdefizite, die dringend beseitigt werden müssen. Mit unserem Antrag fordern wir die Regierung auf, ein umfangreiches Messprogramm aufzulegen.

(Sandra Redmann [SPD]: Was Sie vorher nie wollten!)

Mit einer unabhängigen Langzeituntersuchung sollen gesundheitliche Auswirkungen von Infraschall, tieffrequenten Geräuschen und rhythmisch pulsierenden Geräuschen von Windkraftanlagen erforscht werden. Gegebenenfalls ist anschließend dann auf Bundesebene eine Neubewertung der bestehenden Grenzwerte vorzusehen.

(Beifall FDP und Jens-Christian Magnussen [CDU])

- Da kann man gern klatschen. Dann kam gestern Abend ein Änderungsantrag der Koalition, und dieser Änderungsantrag ist - gelinde gesagt - wirklich ein Witz, ein schlechter Witz. Sie verweisen auf eine Vortragsveranstaltung des MELUR.

(Petra Nicolaisen)

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Eine einzige Vortragsveranstaltung ist da gemacht worden. Und dann ziehen Sie sich auf die Bundesebene zurück und sagen: Der Bund macht das schon. Das kann doch nicht Anspruch von Windkraftland Nummer eins sein, und das kann vor allem auch nicht der Anspruch von Robert Habeck sein.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Dr. Hei- ner Garg [FDP]: Bravo!)

Beim Thema Pflanzenschutz sind Sie die ganz Großen, da machen Sie eigene Gutachten, stellen sie groß in Berlin vor, aber beim Immissionsschutz wollen Sie es dann nicht. - Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

(Beifall FDP, CDU und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Jetzt hätte ich gern noch den Ministerpräsidenten angesprochen. Der Ministerpräsident hat vor einem Jahr hier an dieser Stelle gesagt, dass er sich an der Erfüllung der Aufgabe, die Bürgerbeteiligung nicht nur fakultativ, sondern möglichst verbindlich auszugestalten, messen lassen will. Inzwischen hat die Landesregierung - nach über einem Jahr Untätigkeit - immerhin einen Prüfauftrag erteilt. Dass die Landesregierung hierbei aber gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck erweckt, den Gemeinden bei Abständen von Windkraftanlagen zu Wohnbebauung ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen, gleichzeitig aber nur prüfen lässt, ob Höhenbegrenzungen durch die Gemeinden möglich wären, ist eine bewusste Irreführung der Bevölkerung.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und PIRA- TEN)

Die Landesregierung muss entsprechend ihrer Ankündigung endlich ernsthaft prüfen, ob eine Bürgerbeteiligung bezogen auf die Abstände innerhalb von Windeignungsgebieten möglich ist. Wenn eine Bürgerbeteiligung beim Ob der windenergetischen Nutzung von der Landesregierung nicht realisiert werden kann, muss sie zumindest versuchen, den Gemeinden bei der konkreten Ausgestaltung möglichst umfangreiche Beteiligungsrechte zu ermöglichen. Denn eines ist sicher: Die Energiewende stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen, und gerade Bürgerbeteiligung wird mit dazu beitragen, diese Herausforderung anzunehmen und positiv zu gestalten.

Ein weiterer Aspekt, den ich noch ansprechen will, ist das Thema Wertverlust von Immobilien.

Durch den Bau von Windkraftanlagen droht teilweise ein nicht unerheblicher Wertverlust.

(Zuruf Lars Winter [SPD])

Diese Tatsache haben Eigentümerverbände schon vor Jahren beklagt, zu einer Zeit, als entsprechende Anlagen noch deutlich kleiner waren als heute.

(Zuruf Lars Winter [SPD])

Dass die Landesregierung bei der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage jetzt aber den Eindruck erwecken will, Windkraftanlagen hätten keinen Einfluss auf die Kaufpreise oder Mieten der im Einflussbereich solcher Anlagen liegenden Wohngebäude, ist nicht nur realitätsfern, sondern zeigt auch, dass diese Regierung die Sorgen der Menschen überhaupt nicht mehr ernst nimmt.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Uli König [PIRATEN])

Bemerkenswert ist übrigens auch, dass sich diese Regierung einzig und allein auf eine Studie eines eingetragenen Vereins beruft, in dem die Regierung selbst Mitglied ist und der in seiner Satzung die Förderung der Windenergie als Satzungszweck stehen hat - auch das wirklich großartig.

Es ist doch naheliegend, dass Geräuschimmissionen, Lichtreflexion, Schattenwurf und Infraschall sowie damit einhergehende Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen und Beklemmungsgefühl Wertminderung von Gebäuden als Folge haben. Wir Freie Demokraten fordern deshalb nach wie vor eine Eindämmung dieser gravierenden Nachteile durch eine Zugrundelegung des Siebenfachen einer Windkraftanlagenhöhe bei der Bemessung der Abstände zu Wohnbebauungen.

Unser Antrag steht also heute zur Abstimmung. Ich frage mich selbst, warum er eigentlich heute schon zur Abstimmung gestellt wird. Wir hatten ihn ja erst vor einem Monat gestellt. Das ist der nächste Punkt, den ich kritisieren möchte: Dass Sie nicht einmal eine Anhörung zu unseren Anträgen zulassen, ist wirklich absolut unparlamentarisch.

(Beifall FDP und CDU)