Protocol of the Session on June 9, 2016

Für Leute, die im Laufe ihres pflegerischen Berufslebens den Wechsel in einen anderen Pflegebereich anstreben, kann man zusätzlich eine einjährige Weiterqualifizierung vorsehen und organisieren. Man könnte sagen „Flexibilität on demand“ ist da sicherlich besser als „Generalist by default“.

(Beifall PIRATEN)

Ihr Modell mit zweimal 18 Monaten und zwei Ausbildungsabschnitten ist dafür eine gute Grundlage. In der Frage der Ausbildungsorganisation bin ich völlig bei Ihnen, Herr Garg, das ist unstrittig. Bei der Finanzierungsfrage überzeugt mich das Modell, auch das, das in Nordrhein-Westfalen dargestellt worden ist, nicht so richtig. Das betrifft aber mehr die Ausführungen zur föderalen Finanzierung als die zum SGB V oder SGB XI. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

(Dr. Marret Bohn)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Situation im Bereich Pflege ist hinlänglich bekannt. Ich persönlich erinnere mich zum Beispiel sehr genau an Kreistagsdebatten Anfang der 90er-Jahre, in denen schon vor einem kommenden Pflegenotstand gewarnt wurde. Auslöser der Debatte war damals der Wunsch, das kreiseigene Pflegeheim zu privatisieren, aber eines wurde damals ganz klar: Schon vor über 20 Jahren sprach man davon, dass der Pflegeberuf attraktiver werden muss.

Egal ob bessere Bezahlung, weniger Arbeitsverdichtung, flexiblere Rahmenbedingungen oder ein grundsätzlich höheres Ansehen: All diese Dinge waren schon damals in der Diskussion. Für all diese Dinge gilt, dass hier ganz offensichtlich verdammt dicke Bretter zu bohren sind. Auch wenn schon viel passiert ist und manche Verbesserung erreicht wurde - ein echter Durchbruch ist bis heute nicht gelungen.

Ich will ehrlich sein und gern zugeben, dass auch durch die Zusammenführung der Ausbildungen vermutlich nicht alles schlagartig besser wird. Denn nicht nur die Ursachen für die Probleme im Pflegebereich sind vielschichtig, sondern auch die Lösungsansätze.

Die Diskussion für oder gegen eine generalistische Ausbildung wird bekanntlich schon lange geführt. Auch wenn die Ergebnisse der Modellversuche nicht nur positiv waren - im Gegenteil -, ist die Mehrheit der Berufsverbände in der Pflege doch für diesen Weg. Der SSW ist jedenfalls zuversichtlich, dass eine Reform der Ausbildung auf längere Sicht zu wesentlichen Verbesserungen führen wird.

Selbstverständlich haben wir es im Pflegebereich wie so oft - mit völlig unterschiedlichen Interessen zu tun. Schon allein deshalb ist diese Reform natürlich nicht unumstritten. Aber eines ist trotz der Kritik nicht von der Hand zu weisen: Die Aufgabenüberschneidung zwischen den einzelnen Pflegeberufen ist groß und nimmt sogar noch weiter zu. Wenn wir es mit dem Ansatz „ambulant vor stationär“ ernst meinen und die immer kürzere Verweildauer in den Krankenhäusern sehen, macht eine hochqualifizierte und zukunftsorientierte gemeinsame Ausbildung Sinn. Immer mehr Menschen werden ambulant versorgt. Das Spektrum an Aufgaben reicht von Kindern über demenzielle Erkrankungen bis hin zur klassischen Altenpflege.

Wenn wir uns die Situation der gesundheitlichen Versorgung in unserem Flächenland genau anse

hen, wird eines deutlich: In der Stärkung des ambulanten Sektors und in einer damit einhergehenden Kompetenzerweiterung für Pflegefachkräfte liegen sehr große Chancen. Auch vor diesem Hintergrund ist es unheimlich wichtig, die Pflege durch eine qualitativ hochwertige Ausbildung durchlässig und zukunftsfest zu machen.

Ganz nebenbei bemerkt: Nicht nur mit Blick auf die ambulante Versorgung, sondern ganz grundsätzlich kann es nicht angehen, dass die verschiedenen Pflegeberufe noch immer völlig unterschiedlich entlohnt werden. Auch hier könnte die Zusammenlegung langfristig zu einer Verbesserung führen.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns als SSW ist klar: Wir brauchen nicht nur mehr Menschen, die sich für den Pflegeberuf interessieren, sondern auch eine Pflege von unverändert guter Qualität. Dazu muss eine Reform ihren Beitrag leisten. Trotz der gemeinsamen Ausbildung der Kranken-, Alten-, und Kinderkrankenpflege darf nicht auf Praxisbezug und Spezialisierung verzichtet werden. Nach meinem Verständnis ist nicht geplant, eine Pflegeausbildung light zu schaffen, sondern in Qualität zu investieren. Natürlich wird uns das etwas kosten. Aber das ist meiner Meinung nach gut angelegtes Geld. Denn wir wissen alle, wenn man gut qualifiziert ist, kriegt man auch eine gute Arbeitszufriedenheit und bleibt wesentlich länger in seinem Job. Das sollte in unser aller Interesse sein.

Die Sachlage ist sehr komplex. Deshalb ist es wichtig, im Ausschuss intensiv auf die einzelnen Fragen zu gucken. Denn eine Reform kann man bestimmt noch verbessern, wenn man sieht, dass da Verbesserungsbedarf besteht. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach den Fraktionsbeiträgen kommen jetzt die Dreiminutenbeiträge. Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe mich aus zwei Gründen noch einmal gemeldet - um das auch fürs Protokoll festzuhalten. Erstens versichere ich dem Kollegen Dudda, der leider gerade nicht im Raum ist, dass ich durchaus in der Lage bin, selbst einen Antrag zu formulieren.

Sollte er immer noch Zweifel an der Urheberschaft haben, dann empfehle ich, den Antrag des Nordrhein-Westfälischen Landtags Drucksache 16/11420 vom 8. März 2016 und die Landtagsdrucksache 18/4216 vom 19. Mai 2016 zu lesen. Dann gibt es keinen Zweifel daran, wer welchen Antrag in welcher Form formuliert hat.

Zweitens bedanke ich mich bei den meisten Kolleginnen und dem Kollegen vom SSW ausdrücklich für die konstruktiven Redebeiträge und den Willen, etwas zu verbessern, von dem ich gleich zu Beginn gesagt habe, dass es richtig ist, dass es endlich eine Reform der Pflegeausbildung gibt.

Frau Pauls, bei allem Verständnis für persönliche Animositäten, die Sie gern weiterpflegen dürfen, will ich Ihnen sagen, dass ich Ihren Redebeitrag vollkommen unangemessen fand.

Wir haben keine Angst geschürt. Wir haben die Argumente aufgegriffen, die übrigens zu genau dem verheerenden Anhörungsergebnis geführt haben, von dem die Kollegin Bohn noch viel präziser berichtet hat als ich in meinem Redebeitrag. Diese Ergebnisse haben wir aufgegriffen. Es ist Aufgabe eines Landtags, sich gerade in einer solchen Zukunftsfrage konstruktiv mit den Angelegenheiten zu befassen.

Der Höhepunkt ist: Wenn das die Form der Auseinandersetzung sein soll über Pflegepolitik, dann haben Sie nicht verstanden, wozu Sie hier eigentlich da sind, und nicht ich habe das nicht verstanden. Wenn Sie mir vorwerfen, ich wolle die billige Pflege weiterhin, darf Ihnen mit gutem Gewissen sagen: Liebe Frau Kollegin, ich habe seit 2001 immer wieder in unterschiedlichsten Funktionen für eine gemeinsame Basisausbildung mit der entsprechenden modularen Spezialisierung in den Pflegeberufen geworben, um die verschiedenen Pflegekräfte, insbesondere die Altenpflegekräfte, in Fragen der Finanzierung, der Ausbildungsvergütung und der Bezahlung der Pflegekräfte endlich auf Augenhöhe zu bringen.

Mir war nie daran gelegen, dass Menschen wie meine Mutter, die jahre- und jahrzehntelang alte Menschen gepflegt haben, billige Kräfte sind. Mir war immer daran gelegen, dass sich Krankenpflege und Altenpflege endlich auf Augenhöhe begegnen können und dass sie dasselbe Sozialprestige, dieselbe Anerkennung genießen, wie sie es verdient haben.

Wenn Sie das alles infrage stellen, dann ist das glatte Boshaftigkeit, aber kein konstruktiver Beitrag zur Verbesserung der Situation.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Jetzt kommt die Landesregierung zu Wort. Es spricht die Frau Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass Pflege und Pflegeberufe in Deutschland fit gemacht werden müssen für die Zukunft, hat auch die heutige Debatte wieder deutlich gemacht. Das ist ein richtiger Dauerbrenner der sozialpolitischen Auseinandersetzung. Ich finde, dass wir hier in Schleswig-Holstein als Koalition und als Landesregierung in den letzten Jahren einiges dafür getan haben und ein gutes Stück vorangekommen sind.

Woran ich mich aber auch noch sehr gut erinnern kann, ist, dass ich am dritten Tag, als ich Gesundheitsministerin war, zur GMK gefahren bin. Da fassten wir einen Beschluss über die Ausbildungsfinanzierung. Da habe ich gedacht: Super, das ist ja ein großer Schritt, das geht voran!

Das ist jetzt aber vier Jahre her, und ehrlicherweise muss man sagen, dass in dieser Zeit viel geredet und nicht so wahnsinnig viel gehandelt worden ist. Ich finde das wirklich bedauerlich, weil es ein ganz wichtiger Bereich ist, den es zu verändern gilt. Die Einführung und Ausgestaltung einer neuen, integrativen Ausbildung ist seit vielen Jahren ein Thema - Herr Garg oder ein anderer Kollege sagte, seit 20 Jahren. Das ist nicht ein Thema, das die Politik sich am grünen Tisch ausgedacht hätte. Die generalistische Ausbildung ist eine Forderung von Fachverbänden.

Aus folgenden Gründen, die hier auch wiederholt immer wieder Thema waren, halte ich diese Form der Ausbildung auch für klug: Der demografische Wandel hat eine stetige Zunahme an Überschneidungen zwischen den bisher getrennten Berufsgruppen mit sich gebracht. Es gibt - Birte Pauls sagte das auch - eine Zunahme von älteren Pflegebedürftigen und demenziell Erkrankten in Krankenhäusern. Wir haben aber gleichzeitig vermehrt behandlungspflegebedürftige Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen.

Auch deshalb wird seit vielen Jahren von Politik und Fachverbänden die Durchlässigkeit der Aus

(Dr. Heiner Garg)

bildung gefordert. Daher haben sich die Länder schon, bevor ich 2012 Gesundheitsministerin wurde, bei der GMK und der ASMK für die Zusammenführung der Pflegeberufe ausgesprochen.

Für mich steht außer Frage, dass wir nur mit einem attraktiven Pflegeberuf auf längere Sicht im Wettbewerb um die abnehmende Zahl von Schulabgängerinnen und Schulabgängern punkten können. Zur fachlichen Weiterentwicklung, zur Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe und der Fachkräftesicherung gehört eine zukunftsorientierte Reform der Pflegeausbildung einfach dazu.

Natürlich kann man darüber streiten, welche Auswirkungen das hat. Für die Landesregierung darf ich hier sagen, dass die Zusammenlegung der Gesundheits- und Krankenpflegerausbildung, der Kinderkrankenpflegerausbildung und der Altenpflegerausbildung zu einer einheitlichen Pflegeausbildung als richtiger Weg gesehen wird. Wir begrüßen das. Zu Jahresbeginn hat das Bundeskabinett das Gesetzgebungsverfahren in diesem Sinne auf den Weg gebracht.

Die Mehrheit der Berufsverbände der Pflege, der Leistungsträger und der Pflegewissenschaft begrüßt das. Ja, es gibt auch Kritik. Aber ehrlich gesagt: Es gibt keinen Bereich, bei dem ich je erlebt hätte, dass mit einer Reform ein langjährig bestehendes, geregeltes System völlig neu aufgestellt worden wäre und es nicht wesentliche Kritik gegeben hätte.

Natürlich befinden wir uns da auf einem gemeinsamen Weg. Es gibt auch kein Gesetz, das nicht besser gemacht werden kann. Ich finde aber, dass man bei den Interessen, die zum Teil hinter der Kritik an einer solchen Reform stehen, ganz genau hinsehen muss. Auch das wurde hier gesagt: Es muss allen Beteiligten klar sein, dass die ungleichen Rahmenbedingungen, die da gegeben sind, und die ungleiche Gehaltsstruktur wirklich etwas sind, das auf Dauer nicht haltbar ist und das nicht haltbar sein sollte.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Heiner Garg?

Aber sicher.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, zu den von Ihnen zu Recht angeführten ASMK- und GMK

Vereinbarungen aus den erwähnten Jahren: Sie wissen, dass dies kein Beschluss gewesen ist, der in Richtung Ausbildung 3.0, also in Richtung einer komplett generalisierten Ausbildung, so wie Sie es jetzt hier vertreten, ging? Es ist ja Ihr gutes Recht und mag Ihre fachliche Einschätzung sein, das so zu vertreten. Die ASMK- und die GMK-Beschlüsse, auf die Sie sich gerade berufen, waren aber keine 3.0-Empfehlungen, sondern gingen genau in die Richtung der nordrhein-westfälischen Kollegin, die immer noch im Amt ist. Es waren 2.1-Empfehlungen, die unserem Modell, das wir heute auch zur Diskussion gestellt haben, entsprachen.

- Ich finde die Diskussion spannend, denn die Kritik, die ich zum Teil an dem Gesetzentwurf habe, geht ja in die andere Richtung. Wir alle stellen nur Prognosen auf, welche Auswirkungen die Reform haben wird. Der gemeinsame Abschluss wird der entscheidende Kick sein, die Ausbildung weiter attraktiver zu machen.

Ich muss eher kritisieren, dass das Gesetz jetzt vorsieht, dass man sich bereits vor der Ausbildung für Schwerpunkte entscheiden muss. Das kommt Ihrem Bedürfnis nach Schwerpunktsetzung und nach sehr früher Festlegung nahe. Die Frage ist, wo wir uns eigentlich unterscheiden.

Ich glaube, dass es entscheidend ist, ob man ein Kind oder einen älteren Menschen vor sich hat. Es gibt aber viele Berufsgruppen, bei denen es zunächst eine einheitliche Ausbildung gibt, in der späteren Ausführung aber differenzierte Ausübungen der Tätigkeit gibt, und wo natürlich nachqualifiziert werden muss. Für die Attraktivität und Durchlässigkeit des Berufs ist es absolut entscheidend, dass man nach der ersten Ausbildung zunächst einen einheitlichen Abschluss hat, der einen berechtigt, sich weiterzuqualifizieren.

Ich glaube tatsächlich, dass wir ein Stück weit schauen müssen, wie die Diskussion jetzt läuft. Ich halte den Ansatz für richtig. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt ist, um weiterzukommen und diesen Beruf zukunftsfest zu machen. Auch Modellprojekte zeigen, dass dann schon in der Ausbildung eine größere Durchlässigkeit besteht, wenn man so darangeht.

(Beifall Birte Pauls [SPD])

Tatsächlich glaube ich, dass wir das miteinander werden diskutieren müssen.

(Ministerin Kristin Alheit)