Protocol of the Session on June 8, 2016

uns alle wünschenswert wäre, wenn die Kommunen ein Mitspracherecht bei den Abstandsregelungen und beim Ausbau der Windkraft hätten. Ihre Juristen sagen in allen Gesprächen, die wir geführt haben, das sei rechtlich überhaupt nicht möglich. Frau Nestle sagt eine Woche vor dieser Landtagstagung: Wir als Landesregierung werden ein Mitspracherecht der Kommunen einführen. - Der Ministerpräsident sagt eine Woche später kein einziges Wort dazu. Was ist jetzt Ihre Auffassung dazu? Wollen Sie das Mitspracherecht der Kommunen durchsetzen, oder wollen Sie es nicht? Darauf hätten Sie hier doch eine Antwort geben müssen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall CDU und FDP)

Bei all den Themen, über die wie hier miteinander diskutieren, fallen mir an konkreten Punkten, die Sie energiepolitisch umgesetzt haben - das mag auch daran liegen, dass in Ihrer Regierung eigentlich nicht so ganz klar ist, wer wirklich für Energie zuständig ist -, außer den Initiativen von CDU und FDP der letzten Regierung keine Punkte ein. Sie haben von den neu dazugekommenen konkreten Punkten nicht einen einzigen aufgegriffen. Dass alles sind Maßnahmen, ob das denn Netzausbau ist, ob das überhaupt die Regelung zur Windkraft ist, die von den Amtsvorgängern von Herrn Habeck das hat er im Landtag mehrfach gesagt - eingeführt worden sind.

Wo sind Ihre Impulse gewesen dafür, dass sich in unserem Land etwas ändert? Wo sind Ihre Ankündigungen nachher in Regierungspolitik umgesetzt worden? Sie haben den Menschen vor der letzten Landtagswahl noch gesagt, für Sie wäre es sinnvoller, nicht die Netze auszubauen, sondern die Industrie aus dem Süden in den Norden zu holen. Dann könnt man den Strom hier sozusagen direkt verkaufen. Das haben Sie im Originalton im Landtag den Menschen versprochen. Was haben Sie denn dafür getan, dass wir in unserm Land Industrieansiedlungen bekommen? - Nichts, Herr Ministerpräsident, haben Sie in diesen Bereichen gesagt.

(Beifall CDU und FDP)

Es kann doch auch nicht angehen, dass Sie vor der Landtagssitzung hier groß erklären lassen, dass Sie jetzt Konzepte dafür entwickeln wollen, wie Sie den überflüssigen Strom, der entsteht, wenn wir die Netze nicht schnell genug ausbauen, sinnvoll verwenden. Wo sind Ihre Konzepte in diesem Bereich, um hier etwas umzusetzen?

Herr Ministerpräsident, es tut mir leid, aber das muss man bei dieser Regierungserklärung einmal

deutlich sagen: Es hilft einfach nichts, wenn man am Ende der Wahlperiode, weil man keine Ideen mehr hat, nur noch eine Landesentwicklungsstrategie vorlegt, um mit den Leuten einmal ein bisschen darüber zu diskutieren, was es für neue Megathemen in Schleswig-Holstein gibt. Es kann doch nicht sein, dass man das am Ende der Wahlperiode macht. Solche eine Diskussion hätte an den Anfang der Wahlperiode gehört, Herr Ministerpräsident. Dann hätten wir bei den vielen Themen, über die wir heute gesprochen haben, über die Umsetzung und die Bilanz der Landesregierung reden können und darüber, was Sie in diesen Bereichen gemacht haben. Herr Ministerpräsident, das haben Sie alles versäumt. Deshalb sage ich Ihnen: Ihre Ideensammlung, die Sie hier heute präsentiert haben, in allen Ehren, aber für mich war das heute keine Regierungserklärung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schülerinnen und Schüler aus dem Schulzentrum Sylt, der Beruflichen Schule Elmshorn und Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer der Volkshochschule Kiel. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung zu Recht davon gesprochen, dass die Energiewende ein Jahrhundertprojekt ist: Raus aus dem Atomstrom, weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien, und das in einer Industriegesellschaft, die Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz verbinden muss. Das hat es in dieser Form auf der Welt noch nie gegeben. Das ist mit vielen Herausforderungen verbunden und mit enormen Chancen für dieses Land Schleswig-Holstein auf Wertschöpfungen, für Zukunftsorientierung und etwas, das den Wohlstand unserer Kinder und Enkel sichern kann, und zwar auf eine bessere Art und Weise, als dies mit diesen herkömmlichen Energieformen geschehen

(Daniel Günther)

ist. Lieber Herr Ministerpräsident, deswegen: Herzlichen Dank für diese Regierungserklärung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn man das daran misst, was die beiden Oppositionsredner hier vorgetragen haben, dann muss ich sagen: Das hatte weniger etwas mit einem Jahrhundertprojekt zu tun. Wenn ich ein Tier wählen sollte, um dies zu beschreiben, was Sie gesagt haben, dann würde mir die Eintagsfliege einfallen. Maximal so viel Aufmerksamkeit hat das verdient, was Sie hier vorgetragen haben. Es war nämlich weitgehend Polemik und ohne jegliche Substanz.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe CDU und FDP)

Es gab überhaupt keine Idee. Auf die Widersprüche komme ich nachher noch zu sprechen, wenn ich zu dem energiepolitischen Teil komme. Herr Kollege, ich muss aber sagen: Wenn Sie so humorvoll sind, hier allen Ernstes zu behaupten, diese Regierungskoalition kopiere das, was Sie uns vorschlagen, dann muss ich Ihnen sagen: Wir haben eine ganze Broschüre darüber, was wir bei den Themen Arbeit, Soziales, Minderheitenpolitik, Bildungspolitik und Energiepolitik anders machen als Sie. Das ist das Gegenteil von dem, was Sie wollen. Dafür sind Sie abgewählt worden. Wir machen genau das Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren. Schmücken Sie sich hier nicht mit fremden Federn.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe CDU)

Also, Herr Kollege Günther, Herr Kollege Kumbartzky, Regierungsfähigkeit sieht wirklich anders aus. Da muss man schon mehr drauf haben, als sich mit fremden Federn zu schmücken oder das Gegenteil dessen zu behaupten, was alle Bürgerinnen und Bürger sehen können.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie haben im Gegenteil noch einmal deutlich gemacht, wie Sie sich Regieren vorstellen. Sie stellen sich nämlich vor, dass man nicht mit den Menschen redet. Sie kritisieren es immer wieder, wenn wir den Dialog führen. Sie kritisieren, es gebe hier keine abgeschlossene Meinung. Wenn man aber einen Vorschlag hat und diesen diskutiert, dann kritisieren Sie wiederum, dass es eine Haltung gibt, die die Regierung hat. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie richtig finden; das eine oder das andere.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Nein, ich glaube wirklich, guter Dialog gehört zum guten Regieren dazu. Das haben Sie noch nie so gehalten, das ist wahr in der Tradition Ihrer Regierungszeiten. Wir machen das anders. Ich glaube, dass es wichtig ist, bei der Landesplanung und dem Ausbau der Windkraftanlagen ein gutes Beispiel dafür zu geben, dass wir es wirklich ernst damit meinen, sehr wohl mit Vorstellungen darüber mit den Menschen zu reden, aber zu hören, was sie dazu sagen.

Von Ihnen lassen wir uns da im Übrigen nicht treiben, denn ich muss Ihnen ehrlich sagen: Der Ministerpräsident und für die Regierungskoalition, wir vertreten die Interessen des Landes. Diese Interessen stimmen nicht immer mit den Beschlüssen auf Bundesebene überein. Es ist aber auch vorrangig so, dass Schleswig-Holstein seiner Verantwortung für die Energiewende gerecht werden muss.

Ich habe gerade beschrieben, wo die Herausforderungen liegen. Ein solcher Dialog fällt übrigens mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht immer leicht. Aber Leichtigkeit ist auch nicht das Ziel eines Austausches von Argumenten, besonders dann nicht, wenn man einander ernst nehmen möchte. Das habe ich komplett vermisst. Ich möchte meinen Dank ausdrücklich nicht nur an den Ministerpräsidenten und sein Team, sondern auch an den Energieminister Robert Habeck richten, die beide nicht müde werden, genau dies landesweit überall zu praktizieren. Wo sind Sie eigentlich, dass Sie das gar nicht registrieren und hier kritisieren, dies finde gar nicht statt?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist landesweit so. In dieser Form gibt es das nirgendwo so in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben gerade in Lübeck zusammengesessen. Fragen Sie einmal Ihre Kollegen von der CSU, wie die das machen. Da erzählt denen der Ministerpräsident, der Strom komme aus der Steckdose, man brauche gar keine Anlagen. So sieht der Dialog aus, den die dort führen. Das hat mit modernem Regieren wirklich nichts zu tun.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was wir feststellen können, ist: Schleswig-Holstein ist das Energiewendeland. Wir sind und bleiben bundesweit Spitze beim Ausbau der Windkraft und bei der Versorgungsquote mit Strom aus erneuerbaren Energien. Das können Sie nicht schlechtreden, auch wenn Sie sich hier noch so aufplustern mit Ihren

(Dr. Ralf Stegner)

Versatzbausteinen, die wir zum hundertsten Mal gehört haben.

Das ist wichtig, denn wenn man den Dreiklang zwischen Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit ernst nehmen will, dann muss man genau damit umgehen. Das ist übrigens auch ein wichtiger Antriebsmotor für unsere Wirtschaft und damit für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein und für Wertschöpfung in diesem Land.

Die Balance zwischen den Interessen von Umwelt und Wirtschaft einerseits, aber auch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für den Ausbau der Windenergie ist und bleibt unsere Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Windenergie dem Beobachter natürlich ins Auge springt, wohingegen die Folgen von Atomkraft und fossilen Energieträgern oft nicht sichtbar sind, was aber mit der Schädlichkeit für die Umwelt und den Folgen für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie dem Gefahrenpotenzial überhaupt nicht im Einklang steht. Man muss sich daher davor hüten, diese Debatte mit populistischen Argumenten zu führen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Mit der Herausforderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Schleswig sind wir im vergangenen Jahr gemeinsam gut umgegangen. Wir haben feststellen können, was wir übrigens immer gesagt haben: Energiewende geht nur mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht gegen sie. Die Energiewende muss konsequent umgesetzt werden, aber im Dialog mit allen Beteiligten, um Akzeptanz zu sichern. Ein Wildwuchs und eine komplette Verspargelung unserer Landschaft kommen für uns nicht in Betracht. Es braucht entsprechende landesplanerische Regelungen, und im Zuge des laufenden Verfahrens sind wir bereit, einen gemeinsamen Weg zu entwickeln und eben nicht starrköpfig zu sagen: Da sind sie nun und keine anderen. Es ist aber auch nicht so, dass wir ohne Vorstellungen darüber sind, über die man diskutieren kann, oder dass es windige Zahlenspielereien gibt, auf die ich noch komme.

In den nächsten zehn Jahren kann Schleswig-Holstein den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auf mindestens 300 % steigern. Das war die Ausgangslage. Ob dieses Ziel weiterhin sinnvoll ist, haben wir infrage gestellt. Ja, es stimmt, wir haben - wie übrigens auch CDU und FDP - lange das Jahr 2020 angestrebt. Wir haben

dann darauf gesetzt, das Jahr 2025 zu erreichen, und wir glauben jetzt, dass das Jahr 2030 realistisch ist, wenn man sowohl die Ziele der Energiewende erreichen als auch den Ausbau der erneuerbaren Energien behutsam und im größtmöglichen Einvernehmen mit den Bürgerinnen und Bürgern vorantreiben will.

Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Dass Sie das kritisieren, Herr Oppositionsführer, zeigt doch nur, dass Ihnen genau dieses fehlt, nämlich die Balance zwischen dem, zu sagen, was man politisch will, und dem, was man im Einvernehmen mit den Bürgerinnen und Bürgern vorantreiben will. Das ist das, was Sie nicht verstehen. Deswegen kritisieren Sie das hier. Insoweit ist die Koalition ganz anderer Meinung.

(Beifall SPD und SSW)

Ich sage Ihnen auch: Wir werden den Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin gut zuhören - das ist übrigens auch interessanter, als Ihnen zuzuhören bei dem, was Sie hier vorgetragen haben -; denn wir wollen auf der einen Seite die Energiewende und auf der anderen Seite eine behutsame Gestaltung unserer Umwelt. Wir wollen Hightech und Natur- und Artenschutz. Wir wollen wirtschaftlichen Erfolg und Akzeptanz durch die Menschen in unserem Land. Wenn man das will, dann muss man ein bisschen differenzierter an die Dinge herangehen, als das in Ihren Reden heute zum Ausdruck gekommen ist. Zur Regierungsfähigkeit gehört ein bisschen mehr, als nur ein paar polemische Reden zu halten und die anderen zu beschimpfen bar jeden Sachverstandes oder gar bar aller Argumente, wie Sie es hier vorgetragen haben.

Deswegen glaube ich auch, dass die anderen, die davon wirklich betroffen sind, auch gar nicht so sehr zu Ihnen schauen, sondern eher von uns wissen wollen, wie wir die enormen Chancen für die Industrie und das größte industriepolitische Projekt Schleswig-Holsteins umsetzen. Chemieunternehmen profitieren beispielsweise vom Ausbau von Solarzellen, Kabelunternehmen sind stärker gefragt, und auch die Baubranche kann von einem Nachfrageimpuls bei der Umsetzung der Energiewende profitieren.

Torsten Albig hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das Projekt „NEW 4.0 - Norddeutsche Energiewende“, das wir in Schleswig-Holstein gemeinsam mit Hamburg umsetzen, die Zukunftsfähigkeit unserer Region stärkt. Wir sind im Übrigen dafür verantwortlich, über die Zukunftsfähigkeit zu reden. Das heißt, Energiewende und Industrie leben

(Dr. Ralf Stegner)

von Innovation. Übrigens wird auch der Hochschulstandort Schleswig-Holstein dadurch gestärkt. Solche Beiträge habe ich in Ihren Reden auch nicht gehört. Es lohnt schon, auch einmal über die Sachverhalte zu reden und hier nicht nur Polemik zu verbreiten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende bleibt eine große, aber auch notwendige Herausforderung für unsere Gesellschaft. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, für die es keine Blaupausen gibt, sodass man dabei in der Tat auch Fehler macht; das will ich überhaupt nicht bestreiten. Es geht hier um eine gesellschaftliche Aufgabe, die es in drei Aspekten umzusetzen gilt: durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, durch mehr Energieeffizienz und Einsparung - die ja die größte Energiequelle ist, wie wir wissen - sowie durch Fortschritte bei den Energiespeichern.

Fast drei Jahre Schwarz-Gelb sind natürlich auch nicht spurlos vorübergegangen, weil wir Zeit verloren haben durch die Debatten über Brokdorf, Krümmel, Brunsbüttel, Kohlekraftwerksneubau oder nicht CCS, und Kohlendioxid-Verpressung und anderes mehr. Die Politik der Vorgängerregierung hat uns natürlich den Streit auch über solche Themen aufgezwungen. Dass sich am Ende unsere Positionen durchgesetzt haben, ist erfreulich. Aber es ist auch nicht zu bestreiten, dass uns dies viel Zeit gekostet hat; das ist einfach so.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Energiewende - da sind wir uns vollständig einig in unserer Koalition mit dem Energieminister und mit dem Herrn Ministerpräsidenten - bedeutet am Ende Fortschritt für unser Land. Sie bietet eine Perspektive für Schleswig-Holstein, die Ökologie, die Ökonomie und die soziokulturellen Aspekte in Einklang zu bringen. Genau dieses müssen wir auch tun. Wir müssen Vorzeigeland dafür sein. Und diese Koalition bewegt genau dies in diese Richtung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)