Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem ich eine Nacht über die gestrige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes geschlafen habe zugegebenermaßen etwas schlecht -, stelle ich fest: Die Würfel sind gefallen. Das Gericht in Leipzig hat die Klagen der Naturschutzverbände und der Gemeinde Kollmar abgelehnt und die Linienführung der A 20 anerkannt.
In der Tat, dieses Urteil ist nach 20 Jahren eine Zäsur. Ich darf daran erinnern, dass gerade meine Partei seit 20 Jahren auch in Gegnerschaft zu dieser A 20 stand,
nicht aus dem Prinzip einer Gegnerschaft heraus, sondern aus dem Prinzip einer Überzeugungshaltung, dass diese Autobahn falsch ist.
Wenn ich heute in der „taz“ lese „Maximales Handeln wider die Natur“, dann haben wir genau dies durch das Bundesumweltamt in zahlreichen Expertisen in der letzten Woche bestätigt bekommen.
Also, wenn Sie mir vorwerfen, die Ökonomie habe sich gegen die Ökologie durchgesetzt, dann gilt dies ganz besonders für die A 20. Aber ich sage auch: Es ist Recht gesprochen, und dies müssen wir anerkennen.
Ich kann aber auch verstehen, dass die Gegner der A 20 enttäuscht sind. Das sind Menschen, die in der Tat eine besondere Beziehung zur Natur haben, das sind übrigens Menschen, die nicht nur Grün wählen, es sind Menschen, die in der Gesellschaft tief verankert sind, die heute in allen gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten sind - ich nehme an, auch in Ihrer Partei. Diese Menschen, die jahrzehntelang für Klimaschutz und Natur kämpfen, weil sie die Natur lieben, weil sie sich ernsthaft Sorgen machen, dass diese Natur bedroht ist, als Verlierer zu bezeichnen, finde ich unangemessen.
Wenn es aus dieser inneren Motivation heraus Menschen gab, die sich gegen diese Autobahn, für Lärmschutz engagiert haben, weil sie Wanderkorridore von Tieren und Lebensräume eingeschnitten
Ich sage aber auch, und das aus voller politischer Überzeugung und auch Vernunft, dass ein Kampf gegen Windmühlen keinen Sinn macht. Man muss die Realität jetzt anerkennen. Es ist bitter für die Verbände und für viele Menschen, aber noch einmal: Wir haben dieses Urteil, und auch wir Grüne respektieren die Entscheidung, die gestern vor diesem Gericht gefallen ist.
Wir sagen aber auch, dass wir uns in unseren politischen Zielen nicht davon abhalten lassen, darauf hinzuweisen, dass der Straßenverkehr in Deutschland der größte und schlimmste Verursacher von Emissionen ist, nämlich mit 162 Millionen t CO2. Ich sage auch: Man kann nicht als Bundesregierung nach Paris fahren, Klimaschutzziele vereinbaren, erkennen, dass die Art und Weise, wie wir Menschen wirtschaften und handeln, für diese Welt nicht gut ist und es so nicht weitergehen kann, und gleichzeitig keinen einzigen Ansatz in diesem Bundesverkehrswegeplan haben, der darauf vernünftig politisch reagiert.
Wenn es in Deutschland so weit ist, dass viele sagen, der Markenkern der Grünen ist die Natur und der Umweltschutz, und viele Parteien haben sich ja im Laufe der Jahre mit unserer parlamentarischen Arbeit auch bei diesem Thema engagiert, dann muss man auch feststellen - und das ist mein Appell an diesem Tag -: Nicht Jubelstimmung ist angesagt. Setzen Sie sich auch mit den Interessen der Natur auseinander, gehen Sie so mit den Forderungen und auch mit den Fragen, die die Menschen stellen, wertschätzend um, und stellen Sie diese Menschen nicht in eine Ecke; denn es geht für uns alle darum, den Schaden für Natur und Mensch so gering wie möglich zu halten.
- Das ist nicht moralinsauer, was ich hier sage. Wenn es jetzt eine Verzögerung von einem halben Jahr gibt, Herr Kollege Garg, weil man Quecksilber im Grundwasser festgestellt hat und Quecksilber die Gesundheit bedroht, dann ist es doch richtig, dort noch einmal gründlich zu prüfen. Quecksilber ist ein Nervengift, die Gesundheit der Menschen geht vor.
Genauso unangemessen sind die Dinge, die in vielen Kommentaren genannt wurden. Hinsichtlich des Tunnels haben auch wir uns im Nachhinein für den Brandschutz ausgesprochen. Wir haben gesagt: „Die Sicherheit geht vor.“
Lassen Sie mich zum Schluss kommen mit der Weissagung der Cree, die in den letzten 20 Jahren immer wieder von A-20-Gegnern vorgebracht wurde und die ich vernommen habe:
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Deutschland kann keine Großprojekte. Um diesen Eindruck zu bekommen, muss man nicht erst auf den Bau des Berliner Flughafens schauen. Auch die feste Fehmarnbelt-Querung und der Ausbau der A 20 tragen zu diesem Eindruck bei.
Nicht nur bei der Finanzierung des Elbtunnels wird unseriös, unsozial und unzuverlässig geplant. Der Tunnel soll privat betrieben und über eine Maut finanziert werden. Immer wieder scheitert die Landesregierung, da sie die Öffentlichkeit nicht beteiligt, Alternativen nicht prüft oder Einbindungen nicht ernst nimmt. Zuletzt geschah dies hinsichtlich der Tunnelfeuerwehr, die erst vor Gericht durchgesetzt werden musste. Die Folge dieser Politik sind Bauverzögerungen, der komplette Neustart von Pla
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Landesverkehrsbetrieb hat das Konzept der Bürgerbeteiligung nicht verstanden. Immer wieder rennt er mit vermeintlich maximaler Geschwindigkeit mit dem Kopf gegen die Wand und muss dann sozusagen im Krankenhaus eine Runde aussetzen. Das Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind nicht zu wenige Planer, sondern die Betonköpfe an der Spitze.
Die Planung einer Privatgesellschaft ohne direkte demokratische Kontrolle übertragen zu wollen, wie es die CDU tut, verspricht eher eine Verschlimmerung als eine Verbesserung der Probleme. Wie Herr Verkehrsminister Meyer oder die FDP noch schnellere Verfahren zu fordern, ist, als wenn man einen Brand mit Benzin löschen wollte, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Verzögerungen ergeben sich nicht aus zu viel Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern daraus, dass die Öffentlichkeit zu wenig beachtet wird und nicht die richtigen Schlüsse aus den Einbindungen der Öffentlichkeit gezogen werden.
Daher möchte ich das Zitat, das mein Kollege Dr. Tietze vorhin vorgetragen hat, abwandeln und wie folgt fassen: Erst wenn Ihr letztes Projekt vor Gericht gescheitert ist, werden Sie verstehen, dass Bürgerbeteiligung auf dem Weg einer rechtssicheren Planung Ihr Freund und nicht Ihr Feind ist.
Wir PIRATEN fordern eine Charta für echte Bürgerbeteiligung bei der Infrastrukturplanung: echte Transparenz und eine ergebnisoffene Diskussion über Großprojekte und ihre Alternativen mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Hinsichtlich der A 20 ist nun der Weg frei für die langjährige Forderung der Piratenpartei, das Projekt unverzüglich umzusetzen. Den Grund dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen jetzt auf diese Linie einschwenken - im Ergebnis ist dies zu begrüßen -, kann ich, ehrlich gesagt, nicht verstehen; denn das genannte Urteil äußert sich nur zur Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses und nicht zu seiner Zweckmäßigkeit. Es ändert nichts an den Gründen, die Sie hier lange Zeit vorgetragen haben. Verstecken Sie sich nicht hinter ei
nem Gerichtsurteil! Sagen Sie ehrlich, ob Sie jetzt anderer Meinung sind als vorher. Wenn Sie das nicht sind, dann sagen Sie das ehrlich. Sich hinter einem Gerichtsurteil zu verstecken, ist an dieser Stelle nicht redlich.
Erstens: Selbst bei der umfänglichsten Bürgerbeteiligung entsprechend der Vorstellung der PIRATEN, kommen Sie am Ende nicht daran vorbei, Entscheidungen zu treffen, die nicht allen gefallen werden. So ist es nun einmal in einer Demokratie.