Protocol of the Session on February 18, 2016

„Die Mitbestimmung hat zur Schwächung des deutschen Wirtschaftsstandortes beigetragen“.

- Mitbestimmung von Mitarbeitern in Unternehmen soll es für die anscheinend nicht mehr geben.

Er sagt auch:

„Ein ausufernder Sozialstaat lädt zu Missbrauch ein. Natürlich gibt es Arbeitsscheue, Subventionsbetrüger oder Einwanderer, denen es nur auf das soziale Netz ankommt.“

- Das sind echt schräge Äußerungen.

Er sagt auch:

„Demokratie und Schulden sind Zwillinge.“

- Das heißt, wer keine Schulden machen will, muss die Demokratie abschaffen. Das ist das Bild, das

solche Menschen vertreten. Der Gipfel ist, dass sie es auch sagen. Er sagt zum Beispiel:

„Repräsentation durch ein Parlament ist keine essenzielle Voraussetzung für eine freiheitlich demokratische Grundordnung“.

- Diese Leute wollen Parlamente abschaffen. Diese Leute wollen die Demokratie abschaffen. Das sind die eigentlichen Feinde und nicht wir untereinander.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Die Conclusio für heute lautet: Eine Zusammenarbeit mit der AfD kann es nicht geben, nicht in diesem Parlament und nicht andernorts. Selbstverständlich werden wir uns den Diskussionen mit diesen Leuten stellen, aber eine Zusammenarbeit wird es nicht geben.

Meine Damen und Herren, Anfang der 90er-Jahre - auch damals hatten wir es mit einer Flüchtlingskrise zu tun - saßen die demokratischen Parteien zusammen, und die Rechtsradikalen von der DVU saßen mit einem räumlichen Puffer dazwischen auf der rechten Seite. Es gab keine politischen Schnittmengen, keine Annäherung, keine Chance auf Einfluss für diese Leute. Sie standen mit ihrem fremdenfeindlichen Weltbild allein da. Wir Demokraten haben zusammengestanden und den Menschen im Land gezeigt: Mit denen ist kein Staat zu machen. Denn wir haben eine tiefe und weite Kluft gezogen zwischen gelebter Demokratie auf der einen Seite und Hass und Zwietracht auf der anderen. Ein politisches Niemandsland sozusagen. Seit damals ist es keiner rechtsextremen Partei gelungen, die Kluft zu überwinden und ihren Fuß in dieses Parlament zu setzen.

Glaubt man den Prognosen, könnte sich dies absehbar ändern. Mit der AfD setzt eine Partei zum Sprung ins Parlament an, die mit der Umschreibung Wolf im Schafspelz gelinde davonkäme. Wie ist das möglich? - Ich will es Ihnen sagen: AfD, NPD und PEGIDA arbeiten seit geraumer Zeit daran, die Kluft zu überwinden. Allein können sie es nicht schaffen, die brauchen jemanden, der ihnen von der anderen Seite eine Brücke entgegenbaut.

Zu diesem jemand - ich muss leider sagen, wie es ist - entwickeln sich zunehmend auch Teile des demokratischen Parteienspektrums. Standen früher Parteien wie DVU und NPD in dem Ruf, die Ängste der Bürger auszunutzen, sich immer neue Schikanen gegen Asylsuchende auszudenken, so müssen wir heute erleben, dass es insbesondere die

(Lars Harms)

CSU ist, die kaum eine Gelegenheit auslässt, den Ton in der Asyldebatte zu verschärfen. Das ist kein Vorwurf gegenüber der CDU, die da völlig anders aufgestellt ist.

Aus der deutschen Willkommenskultur droht eine Art Verabschiedungskultur zu werden. Rhetorische Brücken führen immer dazu, dass rechtes Gedankengut von der Mitte der Gesellschaft nicht ferngehalten werden kann. Wortkreationen wie „Verabschiedungskultur“, aber auch immer wiederkehrende Forderungen nach Grenzschließungen oder Abschiebung - obwohl dies gar nicht geht, das wissen wir alle - sind genauso eine Brücke.

Ich möchte mit Verlaub ein Zitat zum Thema Asylbewerber verlesen, nicht um anzuprangern, sondern um zum Nachdenken anzuregen. In diesem Haus wurde einmal gesagt:

„Wenn sie hier sind, die Asylverfahren abgeschlossen sind, dann … sollen sie unverzüglich zurückgeschickt werden.“

- Das war es schon; ich vermute, Sie haben Schlimmeres erwartet. Das Bemerkenswerte an diesem Zitat ist: Es stammt vom März 1993 vom damaligen DVU-Abgeordneten Helmut Thienemann, der dadurch nahezu tumultartige Zustände im Haus auslöste, als er im Plenum unter anderem auch forderte, den Zuzug von Flüchtlingen zu stoppen. Es müsse Schluss sein mit Scharen junger alleinstehender Männer, die schließlich auch sexuelle Bedürfnisse hätten, wie seine Parteikollegin Renate Köhler anmerkte. - Sie merken, dass wir von der heutigen Diskussion nicht weit weg sind. Die DVU hatte an dem Tag drei Anträge im Gepäck. Einer davon war die Einführung einer Straßennutzungsgebühr für Ausländer. - Das kommt einem sehr bekannt vor. Das lasse ich einfach einmal so stehen. Viel wichtiger ist: Es war ein CDU-Abgeordneter - Reinhard Sager -, der sehr deutlich die Haltung aller demokratischen Parteien im Haus auf den Punkt brachte: Die Anträge hätten nichts anderes zum Ziel, als Ressentiments gegen Ausländer zu schüren, und seien abzulehnen. - So kam es dann auch.

Eigentlich müsste ich jetzt Karl Otto Meyer zitieren, der sich vor diesen Menschen aufbaute, während im heimischen Postkasten in Schafflund die Morddrohungen eintrudelten, und Herrn Stawitz schonungslos die Leviten las.

Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidiums aber jemand anderen aus der damaligen Debatte zitieren, nämlich die CDU-Abgeordnete Ursula Röper. Sie sagte kurz und knapp:

„Gewalt beginnt mit Worten.“

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für das Klima in unserem Land trage jeder seinen Teil der Verantwortung, zum Beispiel auch durch das, was er sage. - Ich frage mich nun, welche Worte Frau Röper zu Teilen der heutigen Debatten benutzt hätte.

Wir Demokraten müssen zusammenstehen - heute wie früher - gegen die AfD und die anderen, die meinen, dieses Land mit rechten Stammtischsalven in die Vergangenheit bomben zu können. Nur dann kann es uns gelingen, dies zu verhindern. Die Kluft, die wir einst schufen, um ein Vakuum zu schaffen zwischen Demokratie und Hass, zwischen humaner Politik und stumpfer Gewalt, brauchen wir mehr denn je. Wenn wir Demokraten uns alle einig sind, dann schicken wir die AfD dorthin, wohin sie gehört: auf den Müllhaufen der Geschichte.

Meine Damen und Herren, wir müssen zusammenstehen. Es gibt keinen Streit, wer der bessere Demokrat ist. Das dürfen wir nicht tun. Wir alle sind Demokraten, und wir alle können nur gemeinsam unsere Werte verteidigen. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Günther, es wundert Sie wahrscheinlich nicht, dass ich jetzt hier stehe. Ich wollte aber eigentlich sowieso zu diesem Thema sprechen, denn ich finde, das ist ein wichtiges Thema, bei dem man auch über die guten Beiträge von einigen der Fraktionsvorsitzenden hinausgehen und sich noch einmal genauer damit beschäftigen kann, wie man eigentlich heutzutage mit Rechtspopulismus bei uns umgehen sollte.

Ich möchte aber natürlich trotzdem kurz auf die von Ihnen ziemlich dreisten Vorwürfe eingehen, bei denen Sie Facebook-Posts von anarchistischen Gruppen - bei denen ich noch nicht einmal weiß, wer dahintersteht - hier mit mir in einen Topf werfen. Sie zitieren aus Zeitungsartikeln verkürzt und verschweigen beispielsweise, dass der CDU-Fraktions

(Lars Harms)

vorsitzende im Stadtrat in Flensburg, ein von mir sehr geschätzter Kommunalpolitiker, übrigens Rechtsanwalt von Beruf, sich zu demselben Artikel auch geäußert und Sachen gesagt hat - ich werde die Zitate gleich vortragen -, von denen ich sagen muss, soweit würde ich nie gehen:

„Frank Markus Döring … nimmt die Angelegenheit dagegen außerordentlich gelassen.“

- Es geht also um die Angelegenheit, die Sie hier gerade angesprochen haben.

„Er will von juristischen Schritten absehen. ‚Wenn man das als Politiker nicht aushält‘, sagt er, ‚hat man sich den falschen Job ausgesucht‘.“

Und er sagt weiter:

„Er habe ein gewisses Verständnis für die Frustration der Besetzer und wolle nun nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.“

Ich habe noch nicht einmal Verständnis für die Besetzer. Ich finde es nicht okay, wenn man zu Gewalttaten aufruft. Und ich finde, dass man das auch scharf zurückweisen muss.

Was aber aus meiner Sicht nicht geht, ist, das hier in einen Topf mit der Debatte darüber zu werfen, dass Asylbewerberheime in Deutschland brennen, dass es Anschläge gibt, dass rechte Übergriffe wieder auf der Tagesordnung stehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Herr Kollege, es ist so, dass weite Teile der Öffentlichkeit nicht mehr aufschreien, anders als vor einigen Jahren, wo Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem breiten Bündnis der Zivilgesellschaft mit Kirchen, Gewerkschaften, anderen Akteuren und mit allen Parteien - wenn ich richtig informiert bin für einen „Aufschrei der Anständigen“ gesorgt hat. Jetzt kann man von dem Begriff halten, was man will. Aber genau so etwas fehlt in der heutigen gesellschaftlichen Debatte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Solange Ihre Partei so auftritt und mit dem Aufmachen von Nebenkriegsschauplätzen keine Antworten oder Lösungen im Kampf gegen rechts versucht zu formulieren, solange muss man das auch kritisieren und darf man das auch deutlich äußern.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Beifall Sven Krumbeck [PIRATEN])

Vor einigen Jahren haben wir hier noch sehr kontrovers über die Präventionsprogramme gegen rechts gestritten, die wir im Dezember 2015 Gott sei Dank einstimmig bei den Haushaltsberatungen beschlossen haben, und die hier von Eka von Kalben auch lobend erwähnt worden sind. Das alles sind Maßnahmen, die waren vor ein paar Jahren noch umstritten. Da gab es keine Unterstützung aus Ihren Reihen. Ich sage das nicht als Kritik, ich sage das, weil das zur Debatte mit dazugehört und weil man sich auch selbst in seiner eigenen Rolle kritisch reflektieren sollte.

Ich glaube, Dänemark ist ein ganz gutes Beispiel. Ich weiß, meine Zeit ist abgelaufen.

(Heiterkeit)

Herr Kollege, das ist tatsächlich so.