Protocol of the Session on February 18, 2016

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Mit anderen Worten: Ob nicht die allein um 50 % erhöhte Mannstärke potenzielle Angreifer abgeschreckt hat und, in welchem Umfang auch immer, zum genannten Rückgang beigetragen hat, lässt sich im Nachhinein überhaupt nicht mehr feststellen.

(Beifall Anita Klahn [FDP] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

(Burkhard Peters)

Angesichts total misslungener Versuchsbedingungen kann man aus diesen hessischen Untersuchungen wirklich gar nichts ableiten.

(Beifall FDP und Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN])

Dass andere Bundesländer hier nun auch Pilotversuche gestartet haben, ist vorhin schon genannt worden. Auf jeden Fall ist die Aussagekraft der hessischen Untersuchungen, die die CDU in der Antragsbegründung ganz prominent heraushebt, eher bei null anzusetzen.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Wenn man darüber diskutiert, wann und unter welchen Bedingungen der Einsatz von Body-Cams vielleicht zulässig, machbar und sinnvoll ist, dann sollte das auf einer soliden Grundlage geschehen und nicht aus blauem Dunst heraus.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die derzeitige Ausgestaltung des Einsatzes polizeilicher Body-Cams lässt mit Blick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erhebliche Zweifel aufkommen, ob ein solcher Einsatz verfassungskonform wäre. Hierzu sind insbesondere Fragen nach der hinlänglichen Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage sowie Fragen der Verhältnismäßigkeit solcher Einsätze zu prüfen. Es geht also um notwendige verfahrensrechtliche Konkretisierungen, die in jedem Fall einer Zustimmung zu solchen Einsätzen unter bestimmten Voraussetzungen vorausgehen müssen.

Es geht mithin nicht nur, wie in dem völlig misslungenen hessischen Modellversuch, um die Frage nach dem polizeilichen Nutzen der Body-Cams. Es wäre sicherlich hilfreich, wenn erst einmal durch eine wissenschaftliche Untersuchung geklärt würde, welche Wirkung die Einführung von Videokameras zur Eigensicherung in Polizeifahrzeugen hatte, bevor man schon über eine Erweiterung der Überwachung mithilfe von Body-Cams beschließen will.

(Beifall FDP, Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Uli König [PIRATEN])

Die FDP-Fraktion ist bereit, all diese Fragen weiter konstruktiv zu prüfen, aber nicht in der naiv-blauäugigen Form, wie sie in dem Antrag der CDULandtagsfraktion bedauerlicherweise offen zutage tritt. Den Antrag der Union lehnen wir daher ab.

Wir lehnen aber ebenfalls den Antrag der PIRATEN ab. Ihre Argumentation auf Seite 1 liest sich ganz gut, aber auf der folgenden Seite sind bedauer

licherweise einige Schlussfolgerungen gezogen worden, die wir so nicht teilen können. Wenn Sie Videoüberwachung durch die Polizei generell ablehnen, frage ich mich, warum uns gerade der Kollege Breyer kürzlich in einer Sitzung des Innenausschusses die von dritter Seite angefertigte Videoaufzeichnung eines strittigen Polizeieinsatzes in Flensburg vorgeführt hat.

Bei den PIRATEN ist das so: Wenn die Polizei Videoüberwachung in irgendeiner vielleicht sinnvollen Weise macht, ist das etwas ganz Schlimmes und Böses. Wenn aber von dritter Seite Videoaufzeichnungen

(Wortmeldung Lars Harms [SSW])

- ich komme gleich dazu, Herr Kollege Harms - angefertigt werden, die tatsächliche oder vermeintliche Polizeiübergriffe aufdecken, dann ist das etwas ganz Tolles und Wunderbares, und Sie begrüßen das nach Kräften. Das ist eine Form politischer Schizophrenie bei den PIRATEN, die ich nicht nachvollziehen kann.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Harms?

Herr Kollege Harms, ja bitte.

Bitte schön.

Vielen Dank, lieber Kollege. - Ich wollte eigentlich gar keine Frage stellen, sondern nur noch einmal auf eines aufmerksam machen: Sie haben gesagt, der Kollege Patrick Breyer wollte nur Videos veröffentlichen lassen, die in irgendeiner Art und Weise schon im Netz waren. Er hat aber sogar darauf gedrungen, dass Polizeivideos, die dort gemacht worden sind, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und öffentlich ins Netz gestellt werden. Er wollte zwar ein paar Verpixelungen hineinnehmen, aber das würde bedeuten, dass man in die informationelle Selbstbestimmung der Menschen dergestalt eingreift, dass ich das gar nicht ertragen könnte.

(Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN])

(Dr. Ekkehard Klug)

- Der Kollege spricht immer hinter mir, aber er kann ja gleich selbst sprechen. Das darf er dann auch für sich selbst.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Polizei ist, Aufnahmen zu tätigen, die dann in irgendeiner Art und Weise öffentlich gemacht oder ins Netz gestellt werden, und dann eben möglicherweise trotz Verpixelungen auch noch nachvollziehbar zu machen, wo sich Menschen aufgehalten haben. Das ist eigentlich nicht Aufgabe der Polizei. Ich glaube, da sind wir beide uns auch einig.

Da sind wir uns einig, lieber Kollege Harms. Ich finde, dass das eine sehr schöne Ergänzung ist, die noch einmal deutlich macht, dass die PIRATEN bei diesem Thema auf ganz merkwürdige Art und Weise mit zweierlei Maß messen.

(Beifall FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Dr. Breyer? Bitte schön.

Herr Kollege Dr. Klug, der Kollege Lars Harms hat ja schon selbst durch den Hinweis auf die Verpixelung, die wir gefordert haben, sein Statement diskreditiert.

Zu dem, was Sie gesagt haben, möchte ich Sie fragen: Würden Sie bestätigen, dass wir seit den Beratungen um das Versammlungsgesetz hier in Schleswig-Holstein einen ganz klaren Kurs der Videoüberwachung von Polizeieinsätzen verfolgen, nämlich dass wir sagen: Die Videoüberwachung von Straftaten nach der Strafprozessordnung reicht aus, es soll keine präventive Videoüberwachung geben? Würden Sie bestätigen, dass wir das immer so fordern und dass der Vorfall in Flensburg deswegen zu zeigen war, weil dort eben der Verdacht von Straftaten bestand?

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Lieber Herr Kollege Dr. Breyer, ich nehme das, was Sie hier dargelegt haben, gern so entgegen,

muss aber sagen, dass ich keine präzise Erinnerung mehr an die von Ihnen angesprochenen Zusammenhänge habe. Das mag meinem in diesem Punkt lückenhaften Gedächtnis geschuldet sein. Wie auch immer: Sie haben ja die glorreichen vergangenen Äußerungen Ihrer Fraktion noch einmal in Erinnerung gerufen. Das war die Antwort. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! CDU und SPD auf Bundesebene haben gerade die Vorfälle rund um Köln zum willkommenen Anlass genommen, eine Ausweitung der ohnehin ausufernden Videoüberwachung weiter Teile des öffentlichen Lebens zu fordern. Aber auch unter Rot-Grün-Blau in Schleswig-Holstein nimmt die Videoüberwachung des täglichen Lebens überhand.

Da verpflichtet die Landesregierung die Bahn ab diesem Jahr zur anlasslosen und massenhaften Videoüberwachung aller Bahnfahrer zwischen Flensburg, Kiel und Hamburg. Da werden Überwachungskameras an Streifenwagen installiert. Da sieht ein neues Versammlungsgesetz die Videoüberwachung ganzer Demonstrationszüge sogar mit Drohnen vor. Gestern wurde bekannt, dass der Innenminister in einem internen Strategiepapier sogar die Anschaffung von Schulterkameras für Polizeibeamte befürwortet - wie wir heute hören mussten, durchaus nicht auf Ablehnung in der Koalition stoßend.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir PIRATEN möchten nicht in einer Welt leben, in der alles, was wir tun und sagen, aufgezeichnet wird, weil man unter ständiger Beobachtung nicht mehr frei handeln kann und weil Überwachungskameras eben nicht von Gewalt abschrecken - so das Ergebnis vieler unabhängiger wissenschaftlicher Studien.

(Beifall PIRATEN)

Der von der CDU gestellte hessische Innenminister täuscht die Öffentlichkeit, wenn er behauptet, dass das Filmen von Polizeieinsätzen mit Schulterkameras dort Gewalt gegen Polizeibeamte verhindere. Die Selbststudie der dortigen Polizei gibt für diese Behauptung nichts her; denn - das hat Herr Kollege Dr. Klug noch nicht erwähnt - zum Ersten wurde

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

während dieses hessischen Modellversuchs eine verstärkte taktisch-kommunikative Aus- und Fortbildung der eingesetzten Beamten vorgenommen. Allein diese verbesserte Aus- und Fortbildung kann schon den Rückgang von Gewalt erklären. Zum Zweiten - wie Kollege Dr. Klug schon sagte - waren bei den videoüberwachten Einsätzen in Hessen drei statt zwei Beamte vor Ort. Angesichts dessen ist es doch kein Wunder, dass weniger Gewalt zu verzeichnen ist.

Der Evaluierungsbericht der hessischen Polizei regt selbst an, zukünftige Pilotprojekte von Beginn an offiziell wissenschaftlich begleiten zu lassen, damit überhaupt eine seriöse Aussage getroffen werden kann. Der Landesverband Hessen der Deutschen Polizeigewerkschaft warnt sogar, Body-Cams könnten dazu führen, dass Menschen bei Einsätzen ohne Kamerapräsenz rechtmäßige polizeiliche Maßnahmen nicht mehr ohne Widerstandshandlung über sich ergehen lassen könnten, weil sie davon ausgingen, dass ein Nachweis mit Filmmaterial nicht möglich wäre.

Auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat nach eingehender Erforschung gewalttätiger Übergriffe auf Polizeibeamte in seinem über 100-seitigen Forschungsbericht den Einsatz von Überwachungskameras mit genau null Zeilen bedacht, Herr Dr. Bernstein. Es fordert stattdessen zum Beispiel eine evaluierte Aus- und Fortbildung, den verstärkten Einsatz weiblicher Beamter, eine bessere Einsatzvor- und -nachbereitung, deeskalierende Kommunikation sowie den verstärkten Einsatz von Schutzausstattung. Lesen Sie sich das durch, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Innenminister, ich fordere Sie erstens auf, tatsächlich wirksame Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Gewalt gegen Polizeibeamte zu ergreifen, statt unseren Polizeibeamten nur Schutz vorzugaukeln; denn Kameras können diesen gerade nicht leisten.

(Beifall PIRATEN)

Zweitens. Machen Sie sich für eine unabhängige und aussagekräftige Evaluierung in anderen Bundesländern stark - nicht so, wie es in Hessen geschehen ist.