Protocol of the Session on January 21, 2016

Jetzt kommen wir zur Pflegedokumentation. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Nichts ist schlimmer als das: Sie wollen Zeit für Ihre Patienten, stattdessen brauchen Sie die kostbare Arbeitszeit für Papier, Elektronik und Dokumentation.

Auch da ist Schleswig-Holstein vorbildlich. Wir beteiligen uns an einem bundesweiten Modellversuch. Hier ist das Ziel klar: mehr Zeit für die Pflegebedürftigen, weniger fürs Papier. Auch das geht Schritt für Schritt voran.

Was wir im Bereich der Ausbildungsplätze geleistet haben, muss ich hier noch einmal ganz deutlich hervorheben. Ich finde, es war aberwitzig, dass in einem Mangelberuf junge Menschen Geld mitbringen mussten, um eine Ausbildung zu machen. Dieses System haben wir vom Kopf auf die Füße gestellt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Katja Rathje-Hoffmann)

Beim Pflegeberufegesetz bin ich mir ganz sicher, dass wir vonseiten der Bundesländer noch erheblichen Einfluss auf die Große Koalition nehmen müssen. Das, was jetzt vorgelegt worden ist, erscheint mir doch eher als kleinster gemeinsamer Nenner, ein großer Sprung oder auch Schritt nach vorne ist es nicht. Aber da bin ich ganz optimistisch, dass da noch Nachbesserungen erfolgen werden und auch erfolgen müssen.

Die Kollegin Pauls hat gerade eben schon über das Pflegestudium in Lübeck gesprochen - auch das von Fachleuten seit Jahren gefordert. Wir setzen es um, wir machen es, wir bringen es auf die Schiene.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Sie sehen mit allen Maßnahmen, die ich jetzt nicht noch einmal wiederholen möchte, wie wichtig uns die Pflege ist. Sie ist bei der Küstenkoalition in guten Händen, und ich freue mich auf die nächsten Schritte, die wir tun werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Richtung Landesregierung will ich eigentlich nur eine Bemerkung machen. Ich war jetzt ein bisschen erstaunt, dass es offensichtlich in irgendeiner Form einen schriftlichen Bericht gibt. Mir hat man immer gesagt, Sie gäben heute einen mündlichen Bericht, und ich solle Ihnen einmal zuhören, dazu könnte ich dann etwas sagen. Ich habe keinen schriftlichen Bericht, brauche ich aber auch nicht. Ich setze mich lieber - das mache ich sehr gern - mit der Kollegin Pauls auseinander, das weiß sie auch.

(Wortmeldung Dr. Andreas Tietze [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich lasse im Moment keine Zwischenfragen zu, Herr Präsident.

Ebenso gern setze ich mich mit der Kollegin Bohn auseinander, weil wir in bestimmten Feldern politisch gar nicht weit auseinanderliegen. Die spannende Frage, Frau Pauls, ist - ich habe mir diese wunderbaren Statistiken auf über 50 Seiten auch

genau angesehen -: Was für Konsequenzen ziehen wir daraus? Sie haben beispielsweise vollkommen zu Recht angemahnt, von Pflege müsse man leben können, wer pflegt, müsse auch anständig verdienen. Das gilt aus meiner Sicht sowohl für die Altenpflegerinnen und Altenpfleger als auch für die Krankenpflegeberufe.

Sie haben den hohen Anteil an Teilzeitarbeit bemängelt, wenn ich es richtig verstanden habe. Zu dem hohen Anteil an Teilzeitarbeit kann ich Ihnen sagen: In den Pflegeeinrichtungen, die ich besuche, wäre es den Einrichtungsleitungen unglaublich lieb, sie hätten mehr Vollzeitbeschäftigte. Es liegt nicht unbedingt an den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in dem Punkt, sondern es liegt bedauerlicherweise - aufgrund der Rahmenbedingungen, die die Pflege nach wie vor vorfindet - vor allem - ich will es gar nicht Wunsch nennen, aber - an dem Zwang für diejenigen, die diesen Beruf ausüben. Es sind nach wie vor zu fast 90 % Frauen, gerade im Altenpflegebereich, die sagen: Wir wollen unseren erlernten Beruf, den wir eigentlich mögen, ausüben, wir können ihn aber unter ganz vielen Voraussetzungen nur halbtags ausüben.

Ich will einmal eine Zahl in den Raum stellen, weil ich die erschütternd finde. Genau das wäre so eine Konsequenz, die wird nicht die Ministerin Alheit oder welcher Landesminister oder welche Landesministerin auch immer ziehen, das ist eine Geschichte, die in der Tat mit dem Pflegeausbildungsgesetz auf Bundesebene hoffentlich zumindest ansatzweise in die richtige Richtung geschoben wird. Eine Krankenschwester - Frau Pauls, Sie sind doch selbst Intensivschwester von Beruf, ich weiß nicht, was Sie exakt verdient haben - im Staat New York verdient zwischen 100.000 und 120.000 $ im Jahr. Ich behaupte einmal, eine Krankenschwester Birte Pauls hat noch nicht einmal ein Drittel davon im Jahr verdient.

(Birte Pauls [SPD]: Das stimmt! - Zurufe)

- Verdient hätte sie es möglicherweise schon, ich glaube, Sie verstehen mich ganz richtig. Das hat etwas mit dem Ausbildungsverständnis bisher zu tun.

Erstens hielt und halte ich die Trennung der Ausbildung in der Altenpflege auf der einen Seite und der Krankenpflege auf der anderen Seite für falsch. Ich halte die Befürchtung in der Altenpflege, dass dadurch Menschen verloren gehen, indem man eine generalisierte Ausbildung in Modulen, die möglichst durchlässig sind, auf den Weg bringen will, für nicht angebracht; denn überall dort, wo es

(Dr. Marret Bohn)

integrierte Ausbildungsgänge gegeben hat, überall dort, wo Modellversuche stattgefunden haben, hat sich gezeigt, dass die Altenpflege gerade nicht schlechter abgeschnitten hat.

(Vereinzelter Beifall FDP und SPD)

Der zweite Punkt. Ich habe hier nie der Akademisierung der Pflege das Wort geredet, weil ich glaube, der Zugang zur Pflegeausbildung muss relativ niedrigschwellig bleiben. Aber die Möglichkeit zur Spezialisierung, die Möglichkeit im Zweifel auch zur Akademisierung, also sich wissenschaftlich weiterzubilden, muss wesentlich einfacher werden, denn es kann nicht sein, dass engagierte Frauen und Männer mit 25 Jahren eine Stationsleitung übernehmen, und das war dann die Perspektive für die restlichen 40 Jahre ihres Berufslebens.

(Beifall SPD)

An einer Stelle war ich etwas überrascht, Frau Kollegin Bohn. Ich sehe die Ansätze des Pflegeweiterbildungsgesetzes nicht ganz so kritisch, wie Sie es dargestellt haben. Es sollte gelingen, auf Bundesebene diese irrwitzige Entwicklung, die die Kollegen vor mir bereits geschildert haben - wer in die Pflege wollte, durfte zum Teil jedenfalls sein Geld noch mitbringen -, zu verändern. An der Stelle, Kollegin Pauls, will ich sehr deutlich sagen: Die Entwicklung, wie Sie sie geschildert haben, war doch sehr küstenkoalitionsfreundlich. Sie stimmt nicht ganz. Mit der Problematik haben sich die Kollegin Moser, die Kollegin Trauernicht, der Kollege Garg und natürlich auch die Kollegin Alheit herumschlagen müssen. Tatsächlich ist es so, dass es immer mehr Bewerber als staatlich finanzierte Schulplätze gegeben hat. Es war sowohl unter der Kollegin Trauernicht als auch unter dem Kollegen Garg als auch unter der Kollegin Alheit so, dass wir die Zahl der staatlich finanzierten Plätze immer weiter erhöht haben. Dass die so einen großen Sprung machen konnten, liegt an der Haushaltsvorbereitung der Vorgängerkoalition, die Sie nicht sonderlich mochten.

(Beifall FDP und CDU - Zurufe)

Ohne Witz, schauen Sie sich -

(Zuruf SPD)

- Entschuldigung, Kollege Baasch, ich finde, es war bisher sehr redlich. Die Redlichkeit sollten Sie auch besitzen, dass es einen Haushaltsentwurf zum Doppelhaushalt 2013/2014 gegeben hat, in dem genau diese Anzahl vorgesehen war. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, wenn Sie das abstreiten, dann stimmt das schlicht und ergreifend nicht.

Herr Abgeordneter Dr. Garg, gestatten Sie eine Bemerkung der Abgeordneten Pauls?

Logisch, klar.

Ich freue mich sehr über so viel Einigkeit heute zu diesem wichtigen Thema. Frau Kollegin Redmann staunt schon.

- Sandra!

Geben Sie mir recht, dass Sie in den zweieinhalb Jahren, in denen Sie Sozialminister des Landes und damit für die Ausbildungsplätze zuständig waren, ganz genau 80 zusätzliche kostenfreie Ausbildungsplätze in der Altenpflege zur Verfügung gestellt haben, auch wenn der Wunsch da war, es vielleicht im folgenden Jahr besser zu machen? Aber insgesamt haben Sie 80 zusätzliche Ausbildungsplätze eingerichtet?

- Ja, selbstverständlich stimmt das, Sie wissen ja auch, unter welchen finanziellen Voraussetzungen wir gestartet sind. Es war nicht der Wunsch da, Frau Kollegin Pauls, sondern es war die Haushaltsanmeldung da, die Sie sich vielleicht einmal zeigen lassen können. Ich habe da nichts zuzugeben, sondern das war Politik. Wir haben genau an der Stelle - das haben wir hier in verschiedener Form miteinander kritisiert - nicht gespart, sondern weiter draufgelegt. Ich finde, es gehört zur Redlichkeit dazu, dass die Vorbereitung dessen, womit Sie sich heute schmücken wollen, auch durch eine Vorgängerregierung gemacht worden ist. Warum fällt Ihnen das so unglaublich schwer? - Ich bin fertig mit der Beantwortung.

Es geht doch am Ende darum - da hoffe ich in der Tat auf die Novelle der Pflegeausbildung auf Bundesebene -, dass wir diese Diskussion, die die Kollegin Pauls und ich gerade wieder geführt haben, in Zukunft überhaupt nicht mehr führen müssen, weil völlig klar ist, dass dieser Unsinn endgültig ein Ende hat, dass jemand - auch wenn es nur eine einzige Pflegeschülerin ist - in Zukunft sein eigenes Schulgeld mitbringen muss, weil es schlicht Blödsinn ist.

Zweitens. Lassen Sie mich aus einer Geschichte, die ich der Pressemitteilung der Ministerin entnommen habe, oder der Zusammenfassung einen Bereich herausgreifen, der die vermeintlich abnehmende Pflegefalleintrittswahrscheinlichkeit aufgreift. Es soll ja nicht mehr ganz so wahrscheinlich

(Dr. Heiner Garg)

sein, im Alter pflegebedürftig zu werden. Was uns das an der Stelle wirklich weiterhilft, weiß ich nicht. Die Kollegin Bohn hat beschrieben, wie sich die Pflegebedürftigenpopulation in Schleswig-Holstein weiterentwickeln wird. Wir haben es in Zukunft mit rund 130.000, möglichweise auch mit 140.000 Menschen zu tun, die pflegebedürftig sein werden.

Für mich ist viel wichtiger: Wie setzt sich diese Pflegebedürftigenpopulation in Zukunft zusammen? Sind es sehr viele sehr hochbetagte multimorbide Patientinnen und Patienten, die im Zweifel eine ganz andere Pflege brauchen, als wir sie uns heute vorstellen, oder geht die Schwere der Pflegebedürftigkeit - was ich bezweifle - zurück?

Frau Rathje-Hoffmann, an einer Stelle will und muss ich Ihnen vehement widersprechen. Sie haben gesagt, Pflege werde weiterhin überwiegend von Angehörigen erfolgen. Ich glaube, dass genau das nicht der Fall sein wird. Wir können nämlich nicht auf der einen Seite, wenn wir hier im Landtag arbeitsmarktpolitische Debatten führen, sagen, dass wir Frauen, die diese familiären Pflegeleistungen zu über 85 % erbringen, in Zukunft dringend als Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt brauchen, und auf der anderen Seite bei all den Kalkulationen, auch den finanziellen Kalkulationen zur Pflegeversicherung, so tun, als stünde ein familiäres Pflegekräftepotenzial von mindestens 50 % in der Bevölkerung zur Verfügung.

Ich glaube, wir brauchen eine weitere Professionalisierung und eine Vernetzung der Professionen, und wir brauchen eine bessere Vernetzung aus Ehrenamt, familiärer und professioneller Pflege. Ich glaube nicht, dass wir uns hier mit der Hoffnung zufriedengeben können, dass Schwiegermütter, Töchter und Ehefrauen weiterhin schon zur Hälfte das Pflegekräftepotenzial abdecken werden. Das ist eine ganz gefährliche Annahme, die schon 1994 bei Norbert Blüm nicht gestimmt hat. Sie stimmt heute erst recht nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setze möglicherweise unbegründet zu viel Hoffnung auf die Weiterentwicklung der Ausbildung auf Bundesebene, weil ich mir in der Tat eine Menge davon verspreche. Ich glaube, der Appell der Kollegin Bohn an die jungen Menschen, in die Pflege- oder die Gesundheitsberufe einzusteigen, ist aus Sicht der Krisenfestigkeit vollkommen richtig. Aus Sicht der Arbeitsbedingungen ist noch eine ganze Menge nachzuarbeiten, damit diese Berufe tatsächlich attraktiv werden. Wenn man nämlich nicht die große Empathie mitbringen würde - was die meisten im

Pflegebereich tun -, hätten wir den Status, den wir im Moment haben, nämlich die menschliche und vernünftige Versorgung, die viele Pflegende den Menschen im Land angedeihen lassen, heute nicht. Ich finde, wir sollten sie in Zukunft verbessern. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Wolfgang Dudda.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bedanke mich bei der Ministerin für den Bericht. Ein mündlich gehaltener Bericht sollte immer besonders aktuell sein. Das war er für mich auch, weil Zahlen genannt wurden, die ich bisher nicht kannte. Den Landespflegebericht habe ich auch nicht bekommen. Wie ich heute erfahren durfte, ist es auch nicht so relevant, ihn zu bekommen, weil er eigentlich das beschreibt, was hier seit drei Jahren relativ unverändert passiert.

Beschäftigt man sich mit politischen Initiativen, muss man sich immer fragen: Was soll das? Was macht das? Was für ein Problem löse ich eigentlich? - Auf diese Fragen werde ich am Ende meiner Rede zurückkommen. Das betrifft nämlich genauso die Situation der Pflege, über die wir heute eigentlich reden wollten, und nicht marginale und hier und da vielleicht sogar bemerkenswerte Veränderungen für die Pflegenden.

Wir wissen, dass uns in den nächsten Jahren Zehntausende Pflegende fehlen werden. Sie werden uns an allen Ecken und Kanten fehlen. Ich bin völlig bei Ihnen, Herr Garg, wenn Sie sagen, dass das in den Familien nicht geleistet werden kann. Familiäre Leistungen können staatliche Leistungen nicht ersetzen, weil uns auch die Demografie andere Antworten gibt.