- Okay. Dann ist Abstimmung in der Sache beantragt. Das scheint so auch von allen mitgetragen zu werden. Wer also zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen. Damit ist der Antrag angenommen.
Begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des Carl-Maria-von-Weber-Gymnasiums aus Eutin und der Schule am Burgfeld aus Bad Segeberg. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3647
Ich erteile das Wort der Frau Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Kristin Alheit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Sicherstellung guter Pflege ist ein Thema, das alle angeht an der Präsenz im Plenum kann man das leider nicht unbedingt erkennen; das muss ich schon sagen -, alle in der Politik und alle in unserer Gesellschaft. Pflege ist und bleibt, insbesondere mit Blick auf den demografischen Wandel, ein Dauerthema und eine Daueraufgabe, der sich wirklich niemand wird entziehen können. Der demografische Wandel ist Fakt. Unser Land wird immer mehr Menschen mit Pflegebedarf haben, und diese Entwicklung wird sich auf Dauer fortsetzen.
Wir wissen heute um die differenzierten Bedarfe verschiedener Gruppen von Pflegebedürftigen. Wir wissen um den Wunsch vieler, auch mit Pflegebedarf im eigenen Haus zu leben. Wir wissen auch, dass die personellen Kapazitäten für berufliche Pflege endlich sind und dass es immer wichtiger
Dabei haben wir einen klaren Maßstab: Es geht hier eben nicht um die Versorgung von Fällen, sondern es geht um Menschen, um ihre Selbstbestimmung und ihre Lebensqualität, auch im Alter.
Die Landesregierung hat im Dezember mit dem ersten Landespflegebericht eine fundierte und regional aussagekräftige Datengrundlage zur Situation und zur Entwicklung der Pflege vorgelegt. Er ist gedacht als Grundlage für die notwendige Diskussion, für die Planung und für die Weiterentwicklung der Pflegestruktur bei uns im Land.
Zukunftsweisende Infrastrukturplanung bedeutet Orientierung am Sozialraum und Ausrichtung an den Lebenslagen der Menschen vor Ort, in ihren Quartieren, in den Gemeinden, im Kreis. Pflege bedeutet Aufbau von Unterstützungsnetzwerken im Zusammenwirken von familiären, ehrenamtlichen, nachbarschaftlichen und eben ganz niederschwelligen, aber auch professionellen Hilfen und Angeboten. Die Zukunft besteht in weniger standardisierten Angeboten und einer viel stärken Berücksichtigung ganz spezifischer Faktoren, eben der Lebenssituation und des Lebensumfeldes. Zukünftig wird Pflege noch stärker eine Ermöglichung einer selbstbestimmten, passgenauen, individuellen Unterstützung bedeuten.
Voraussetzung für eine sozialraumorientierte Infrastrukturplanung ist das Wissen um die regionalen Gegebenheiten und Besonderheiten vor Ort. Wir legen in diesem Bericht deshalb eine Vielzahl von regionalen Daten für die Planung vor Ort vor. Regionale Planung erfordert eine regionale Kompetenz und eine differenzierte Kenntnis der jeweiligen Lage. Der Landespflegebericht enthält daher eine Vielzahl von Daten und Informationen, richtig heruntergebrochen auf die einzelnen Kreise und die kreisfreien Städte, bezogen auf den Grad des Pflegebedarfs, bezogen auf die Art der in Anspruch genommen Leistungen zu den vorhandenen ambulanten oder stationären Angeboten sowie bezogen auf das zur Verfügung stehende Personal.
Der Blick auf die Situation der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte zeigt: Wir haben regional deutlich unterschiedliche Lagen und Entwicklungen. Die Auswertung der Daten weist jedoch auch übergreifende Zusammenhänge und übergreifende Entwicklungen aus, aus denen Handlungsfelder abgeleitet werden können.
Wichtig für die zukünftige Entwicklung von Hilfen und Angeboten sind beispielsweise die erstmals überhaupt vorliegenden konkreten Zahlen über Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz. Dazu hat das Land beispielsweise die Erstellung eines Demenzplans auf den Weg gebracht. Unser landespolitisches Ziel ist es, gemeinsam mit den Kommunen Altenhilfestrukturen zu entwickeln, die es erlauben, bei Unterstützungsund Pflegebedarf so lange wie möglich selbstbestimmt in der eigenen Häuslichkeit verbleiben zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte bereits auf den Aspekt der regionalen Kompetenz hingewiesen, der für die Entwicklung der Pflegeinfrastruktur zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es ist notwendig, zukünftig die Rolle der Kommunen im Bereich der Pflege durch größere Steuerungsund größere Planungskompetenz weiter zu stärken. Das muss meiner Ansicht nach der Bundesgesetzgeber ermöglichen. Wir haben im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu genau diesem Thema mitgewirkt und erwarten, dass seitens des Bundes langsam ein Gesetzentwurf vorgelegt wird.
Das Land tut nämlich, was es kann. Es leistet seien Beitrag zur qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen. Wir fördern beispielsweise die landesweiten Anlaufstellen, etwa das gemeinsam mit den Pflegekassen errichtete Kompetenzzentrum Demenz, wir haben gemeinsam mit dem Forum Pflegegesellschaft die Koordinierungsstelle für innovative Wohn- und Pflegeformen im Alter, KIWA abgekürzt, geschaffen, und wir fördern als freiwillige Leistung die Pflegestützpunkte in den Kreisen und kreisfreien Städte. Ich glaube, Sie alle wissen, dass es seit dem letzten Jahr in 13 Kreisen und kreisfreien Städten Pflegestützpunkte gibt. Ich bin immer noch zuversichtlich, dass wir irgendwann flächendeckend mit Pflegestützpunkten ausgestattet sein werden.
Der Landespflegebericht liefert auch wichtige Informationen zur Altersstruktur und zum Beschäftigungsumfang im Bereich der Pflege alter Menschen. Personal ist sogar ein ganz zentrales Thema. Ohne Beschäftigte, insbesondere ohne Pflegefachkräfte, gibt es nämlich keine gute Pflege. Aber - alle wissen es - Pflegekräfte zu gewinnen und vor al
lem auf Dauer im Beruf zu halten, ist schon länger eine Herausforderung, die mit Sicherheit in Zukunft nicht geringer werden wird. Hier sind die Einrichtungsträger gefragt, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Aber hier ist natürlich auch die Politik gefragt; sie muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.
Sie wissen, mir geht es dabei um eine nachhaltige Stärkung der Rolle der Pflegenden im Gefüge der verschiedenen Gesundheitsberufe, insbesondere was Berufsansehen und Berufsperspektiven betrifft. Wir haben die Voraussetzungen für die Errichtung einer Pflegeberufekammer geschaffen. Mit der Kammer erhalten die Pflegeberufe eine kompetente und vor allem auch mandatierte Stimme. Es ist gut, dass der Errichtungsausschuss nun seine Arbeit aufgenommen hat, um die Gründungswahlen zu organisieren. Ich will die Grundsatzdebatte nicht ein weiteres Mal eröffnen. Aber ich bin weiterhin davon überzeugt: Aufgrund der Entwicklung wird sich die Kammer als wichtiger Beitrag zur Stärkung der Pflege insgesamt erweisen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, letzter Punkt in meinem Bericht ist das auf Bundesebene in Arbeit befindliche Pflegekräftegesetz. Sie wissen, es geht darum, die Pflegeberufe insgesamt und insbesondere die Altenpflege attraktiver zu machen. Es geht um bessere berufliche Entwicklungsperspektiven und auch darum, dass Arbeit in der Pflege besser bezahlt wird. Das hat etwas mit Ausbildung und damit zu tun, ob man eine akademische Schiene eröffnet, wie es jetzt geschehen soll. Davon werden übrigens insbesondere Frauen profitieren. Es ist gut, dass auf Bundesebene die Weichen gestellt werden, damit wir in Zukunft nicht mehr über das abschreckende und auch massiv ungerechte Schulgeld in den Pflegeberufen reden müssen, sondern nur noch über eine angemessene Ausbildungsvergütung.
Meine Damen und Herren, das sind wichtige Punkte, und es ist dringend an der Zeit, sie zu verwirklichen, auch wenn es im Gesetz noch einige Punkte gibt - das muss man auch ganz ehrlich sagen -, die aus Sicht der Landesregierung besser gemacht werden können. Das haben wir bereits im Dezember in einer umfangreichen Stellungnahme zum Entwurf gegenüber Minister Gröhe und Ministerin Schwesig verdeutlicht. Wir werden das auch im Bundesrats
verfahren noch einmal auf die Tagesordnung bringen. Aber wichtig ist, dass dieses Gesetz wirklich auf den Weg gebracht wird.
Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Berichtsantrag hat ein sehr weites Feld aufgemacht. Ich habe, da wir das Thema Pflege hier Gott sei Dank doch relativ häufig debattieren, den Fokus in meiner Darstellung auf den aktuellen, von der Landesregierung vorgelegten Pflegebericht gelegt. Ehrlich gesagt, einen Anspruch auf Vollständigkeit kann ein solcher mündlicher Bericht in so kurzer Zeit leider nicht erheben. Aber gute Pflege - das ist und bleibt unser Anspruch - ist ein zentrales Thema für die Menschen. Es ist ein ganz wichtiger Bereich für die Landesregierung. Mit dem Pflegebericht haben wir eine ganz hervorragende Grundlage, um mit den Akteuren im Land zielgenau über Strukturentscheidungen und Maßnahmen zu beraten, die den Bedürfnissen von Menschen mit Pflegebedarf in unserem Land bestmöglich gerecht werden. Danke schön.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die im Ältestenrat vereinbarte Redezeit um 5 Minuten überzogen. Diese zusätzliche Redezeit steht jetzt auch allen anderen Rednern, wenn gewünscht, zur Verfügung. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Birte Pauls.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an Ministerin Alheit und natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen sehr umfangreichen ersten Landespflegebericht in Schleswig Holstein. Diese umfangreiche Datensammlung mit dem Fokus auf der Altenpflege gibt uns einen hervorragenden Überblick über allgemeine Entwicklungen, stellt regionale Versorgungsunterschiede heraus und bietet fundierte Grundlagen für weitere pflegepolitische Maßnahmen, die wir natürlich auch gemeinsam angehen wollen. Ich freue mich sehr, dass die Ministerin in einem Interview in der letzten Woche den Bereich Pflege erneut zu einem großen Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer mehr Menschen werden immer älter; das ist auch gut so. Die frühere Annahme allerdings, dass Pflegebedürftigkeit mit wachsendem Alter automatisch steigt, bestätigt sich laut vorliegenden Daten nicht. In dem Berichtszeitraum 2001 bis 2013 ist die Anzahl der Leistungsempfängerinnen und -empfänger zwar um 14 % gestiegen. 7 % davon erhalten aber Leistungen aufgrund von erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz. Das ist eine Leistung, die es noch gar nicht lange gibt und die bestätigt, dass eine individuelle Betrachtung der Menschen mit Hilfebedarf wirklich sehr sinnvoll ist.
Das Pflegestärkungsgesetz II mit der Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und mit der Erweiterung der Pflegegrade ist daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass man die Leistungen für Pflegebedürftigkeit noch individueller anpassen sollte, auch um die pflegenden Angehörigen mehr zu entlasten, sodass ein Leben mit Pflege und Beruf ohne Aufgabe der eigenen persönlichen Bedürfnisse möglich ist.
Die steigende Anzahl von Tagespflegeplätzen ist in diesem Zusammenhang ein wunderbares Angebot. Gleichzeitig verhindert Tagespflege Einsamkeit und fördert die Mobilität der Älteren. Unsere politische Richtung lautet weiterhin: ambulant vor stationär. Das entspricht auch dem Wunsch der meisten älteren Menschen, nämlich so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit bleiben zu können.
Für eine individuelle Versorgung bedarf es professioneller Begleitung, niedrigschwelliger Angebote, guter Vernetzung im Quartier, eines sogenannten Pflegemixes und natürlich einer kommunalen Sozialraumplanung. Das wollen wir, und das will diese Landesregierung weiter mit den Akteuren in den Kommunen gestalten. Unsere KIWA, die Koordinationsstelle für innovative Wohn- und Pflegeformen, hat dabei eine tragende und wichtige Funktion.
Unsere Seniorinnen und Senioren sind alt genug, um selber zu entscheiden, wie und wo sie leben möchten. Sie darin allerdings zu unterstützen, das muss unsere politische und auch gesellschaftliche Aufgabe sein. Damit Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aber überhaupt eine Wahl für die Gestaltung ihrer Versorgung haben, benötigen sie ausreichend Informationen. Das Internetportal „Wege
zur Pflege“ gibt einen allgemeinen Überblick. Das kann aber natürlich ein persönliches Gespräch im Pflegefall nicht ersetzen. Deshalb findet die individuelle und kompetente Beratung vor Ort bei den trägerunabhängigen Pflegestützpunkten in diesem Land statt. Für die flächendeckende Einrichtung und Sicherung der Pflegestützpunkte haben wir zusätzliche freiwillige Haushaltsmittel bereitgestellt.