Wir müssen auch deshalb Schlussfolgerungen aus den Ereignissen von Köln ziehen, weil sie unsere Gesellschaft schon ein Stück verändert haben. Gucken Sie sich bestimmte Bereiche an. Wenn Sie in Hamburg über den Kiez gehen, merken Sie, wie viel weniger Menschen dort unterwegs sind. Dort sind übrigens viel weniger Frauen unterwegs.
- Machen Sie das einmal. Sprechen Sie mit den Leuten. Sie können sich darüber gerne lustig machen. Das ist aber eine Veränderung, die in unserer Gesellschaft stattfindet, die wir nicht dulden können.
Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Wenn wir nicht die Kraft haben, schonungslos über die Konsequenzen dieser Ereignisse zu sprechen und zu zeigen, dass wir mit unseren demokratischen Mitteln dazu in der Lage sind, dieses Unsicherheitsgefühl der Menschen zu beseitigen, dann verlieren wir die breite politische Mitte als Unterstützer für unsere demokratischen Institutionen.
Ich komme zum Schluss. - Deswegen fordere ich Sie dringend dazu auf: Negieren Sie nicht die Ursachen. Sprechen Sie mit uns schonungslos über die Konsequenzen, die wir daraus ziehen müssen. Wenn wir das gemeinsam tun, dann haben wir auch wieder viel mehr Akzeptanz und Unterstützung. Das ist übrigens auch der richtige Weg, um Rechtspopulisten aus den Parlamenten fernzuhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss mich auch einen Moment sammeln, Herr Günther, weil Sie eben wieder eine Rede gehalten haben, die ein bisschen - so finde ich - in ein ganz bestimmtes Schema passt, das Sie hier nutzen. Sie versuchen, mit staatstragenden, beruhigenden, gemäßigten Worten auf die Überfälle in Köln zu rea
gieren - was gut ist. Und dann spicken Sie Ihre Rede mit Unterstellungen, die genau das widerspiegeln, was im Moment die Debatte prägt, nämlich dieses Unterschwellige: Sie müssen einmal Ihr Verhältnis zur Polizei in Ordnung bringen, Herr Stegner
- das ist unglaublich -, oder dass man bestimmte Dinge bisher nicht ansprechen durfte, und jetzt darf man sie ansprechen. - Mein Gott, wer hat denn in diesem Land irgendjemandem den Mund verboten? - Niemand!
Schauen Sie sich doch Montagabends an, was auf den Straßen los ist. Da werden rechtspopulistische Schilder hochgehalten, da wird ganz deutliche Sprache gezeigt - überall in der Republik. Manche Menschen werfen Brandbeschleuniger, um ihre Position klarzumachen. Es ist doch nicht so, dass in dieser Republik geschwiegen würde oder dass es irgendwie einen Common Sense gebe, man dürfe nicht darüber reden. Wenn man behauptet, dass es so ist, und zwar hier aus einer demokratischen Partei heraus, aus der CDU heraus, dann gibt man genau denen Recht, die mit „Lügenpresse“ und solchen Worten argumentieren. Das ist doch das Fatale.
Deshalb ärgere ich mich so darüber, weil Ihr Antrag, den Sie vorgelegt haben, in Teilen Positionen enthält, die wir teilen, die auch mit dem, was wir hier vorgetragen haben, und auch dem, was wir geschrieben haben, übereinstimmen. Aber der ist eben genau gespickt mit diesen unterschwelligen Unterstellungen, die behaupten, eine linksideologisch verbrämte Elite verbiete es, darüber zu reden, dass auch Flüchtlinge kriminell werden.
Ja, es kommen nicht nur Frauenversteher und Menschen, die alles richtig machen, sondern es kommen auch Menschen, die kriminell sind. Es ist wichtig, dass diese Menschen bestraft werden, wenn sie kriminell werden, dass aufgeklärt wird, was sie gemacht haben, dass sie verurteilt werden, und dass sie, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, auch abgeschoben werden können. - Ja. Aber darüber müssen wir nicht neu nachdenken. Wir haben nie etwas anderes behauptet.
Wenn Sie sagen, wir hätten etwas anderes behauptet, dann schüren Sie damit eine Stimmung, die brandgefährlich ist.
Ich glaube, dass im Moment - in der derzeit stattfindenden Debatte - viele Dinge in einem Topf gemust werden. Wir wollten in dieser Debatte in erster Linie über das Thema Sexismus reden.
- Nicht Quatsch! Herr Kubicki, Sie wissen doch gar nicht, was wir wollten. Wir wollten in dieser Debatte über sexualisierte Gewalt gegen Frauen reden. Sie vielleicht nicht, brauchen Sie auch nicht. Wir wollten das.
Meine Damen und Herren, in der Silvesternacht sind nämlich viele Frauen in Deutschland Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Die Polizei war nicht ausreichend vorbereitet.
- Herr Präsident, ist der Ausdruck „Es geht mir auf den Sack“ unparlamentarisch? - Dann bitte ich, dass das gerügt wird, gerade in dieser Debatte.
Frau Abgeordnete, ich rüge diesen Begriff, der ist nicht in Ordnung. Ich habe das nicht gehört, pardon.
Ich rüge diesen Begriff, das ist nicht in Ordnung. Ich bitte wirklich, sich bei dieser Debatte mit persönlichen Dingen zurückzuhalten.
Frau Abgeordnete, ich richte die Bitte an uns alle. Ich habe viel Verständnis dafür, dass wir solche Debatten auch ein Stück weit emotional führen. Ich richte noch einmal die dringende Bitte an uns alle, dass die persönlichen Dinge insgesamt draußen bleiben. - Vielen Dank.
Danke. - Meine Damen und Herren, in der Silvesternacht sind viele Frauen in Deutschland Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Die Polizei war nicht ausreichend vorbereitet; sie konnte die Übergriffe in Köln nicht verhindern.
Es ist doch keine Frage: Eine gute Ausstattung der Polizei muss sichergestellt sein, und für solche Fälle wie in Köln müssen angemessene Einsatzkonzepte geschaffen werden. Polizistinnen und Polizisten müssen im Umgang mit sexualisierter Gewalt umfassend sensibilisiert und geschult werden. Wenn jetzt selbst ernannte Hilfsscheriffs die Straßen verunsichern, angeblich um Frauen zu beschützen, dann gefährdet auch das die Sicherheit.
Statt ausverkauftem Pfefferspray zur Selbstverteidigung müssen wir dafür sorgen, dass sich Frau auf die Polizei verlassen kann und die Polizei den Respekt erhält, den sie verdient.
Von Polizei und Justiz wird jetzt erwartet, dass die Taten und ihre Hintergründe schnell und umfassend aufgeklärt werden. Das wünschen sich die Opfer, das erwarten auch diejenigen, die jetzt verstärkt Angst haben. Ja, auch ich nehme wahr, dass gerade im Hamburger Rand Frauen verstärkt Angst haben, zum Beispiel auf den Kiez zu gehen. Das erwarten auch die Migranten, die in diesen Tagen zu Unrecht unter Pauschalverdacht genommen werden, weil auch sie ja Angst haben.
Wie viele der Taten aufgeklärt werden, ist unklar, wie viele der Täter verurteilt und bestraft werden können, auch. Das ist unbefriedigend und wird gern gleich als „Staatsversagen“ betitelt. Auch das ist ein unsäglicher Begriff in der aufgeheizten Debatte.
Meine Damen und Herren, Gewalt gegen Frauen ist kein neues Phänomen der Silvesternacht 2015, auch wenn es in dieser Dimension dort besonders deutlich wurde. Ich habe ein bisschen den Eindruck - da ist es auch wieder so -, wenn man das ausspricht, gerät man in Verdacht, die Problematik von Köln zu relativieren. Das will ich nicht. Doch es ist andererseits auch wichtig zu sagen, dass sexualisierte Gewalt ein Problem dieser Gesellschaft ist.