Protocol of the Session on December 17, 2015

Und den Widerspruch zwischen grundgesetzlicher Freiheit der Forschung und dem, was Sie vorgelegt haben, hat uns der Wissenschaftliche Dienst ja jetzt in aller Klarheit aufgeschrieben. Und allein daran, dass der Wissenschaftliche Dienst das nur vorläufig machen konnte, weil das alles so kurzfristig gekommen ist, sollten Sie schon merken, dass das überhaupt nicht mehr seriös geprüft werden kann bis zur heutigen Sitzung. Aber selbst in der vorläufigen Prüfung hat der Wissenschaftliche Dienst doch in aller Klarheit verfassungsrechtliche Bedenken gegen Ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Herr Habersaat hat dann zwar gesagt, na ja, das ist ja nur in zwei Punkten! Trotzdem ist es verfassungsrechtlich bedenklich. Wie viele Punkte dabei kritisiert werden, ist völlig egal, wichtig ist, dass Bedenken bestehen und dass die Forschungsfreiheit in Schleswig-Holstein gefährdet wird, weil der Senat die Position der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer dermaßen schwächt, dass es erhebliche Bedenken gibt, ob das mit der Freiheit von Forschung und Lehre in Schleswig-Holstein überhaupt in Einklang zu bringen ist.

(Daniel Günther)

Und was ich wirklich beschämend finde, ist das Thema Präsenzpflicht. Ich kann ja einige Studenten verstehen, die dann zusammengesessen und gesagt haben: „Oh, jetzt müssen wir morgen wieder in ein Seminar, lasst uns lieber noch ein bisschen länger sitzen!“

Aber meine Damen und Herren, jeder Bildungsforscher bestätigt, dass die Präsenzpflicht bei den Universitäten in Seminaren in allererster Linie den schwächeren Studierenden hilft, also in allererster Linie zu einem besseren Ergebnis bei schwächeren Studierenden führt. Und genau das ist doch, was Hochschulen bei der Vielzahl von Studierenden erreichen müssen, die sie ja alle zu Abschlüssen bringen sollen. Die Warnung der Hochschulen an Sie können doch bei Ihnen nicht einfach so ungehört vorbeigehen, dass die sagen, es wird zukünftig in Schleswig-Holstein eine höhere Abbrecherquote geben. Und dafür sind Rot-Grün und SSW verantwortlich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Ich will Ihnen die Zitate der Hochschulpräsidien, der IHK, all das, was da heute gekommen ist, ersparen. Das konnten Sie in den letzten Tagen ja selbst lesen. Aber offenkundig ist das, zumindest bei Herrn Stegner, ziemlich ungehört verhallt. Alles bleibt so, wie es ist, hat er formuliert. Ich frage mich wirklich: Was denken Sie eigentlich darüber, mit welchem Anspruch Sie einmal in SchleswigHolstein angefangen haben? Ich meine, drei Jahre ist es her, da sind Sie hier angetreten: „Die Koalition des Dialogs, mit allen wird gesprochen!“

(Beifall SPD)

Sie benutzen dieses Wort überhaupt nicht mehr, weil Ihnen das heute peinlich ist. Ich kann mich auch daran erinnern, dass Sie den Bildungsdialog gemacht haben, Hochschulkonferenzen haben zumindest noch stattgefunden. Die waren sogar manchmal ein bisschen unterhaltsam, als Frau Wende noch Ministerin war. Wenn man sich das angeguckt hat, wie die da hingegangen ist und ihre ehemaligen Kollegen dort öffentlich richtig für Alt und für Neu vermöbelt hat. Das waren ja Ihre tollen Hochschulkonferenzen, die stattgefunden haben. Und heute ist vom Dialog überhaupt nichts mehr zu spüren. Es gibt keinen einzigen sachlichen Grund dafür, dass das Hochschulgesetz heute verabschiedet werden muss, keinen einzigen sachlichen Grund!

(Beifall CDU)

Der einzige Grund ist, dass Sie sich dem kritischen Diskurs nicht mehr stellen wollen. Über richtig und falsch will ich hier nicht reden und auch nicht über politische Unterschiede bei der Herangehensweise. Man kann über alle Punkte diskutieren, aber man muss doch in einer Demokratie darüber diskutieren, mit den Fachleuten darüber sprechen und mit der Opposition darüber sprechen. Und deswegen fordere ich Sie unmissverständlich dazu auf: Stimmen Sie einer dritten Lesung zu! Sie blamieren Schleswig-Holstein mit dem, was Sie heute hier verabschieden wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Einen Augenblick noch, Herr Kollege, ich würde nämlich auf der Tribüne Vertreterinnen des AStA der CAU begrüßen. - Herzlich willkommen hier im Landeshaus!

(Beifall)

So. Nun hat das Wort der Kollege Martin Habersaat von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schatten, Nebel, Pfusch - das sind immer so schöne Worte, mit denen der Kollege Oppositionsführer hier operiert. Bei der Diskussion um die Lehrerbildung, Herr Günther, ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern, haben Sie uns vorgeworfen, dass wir die Entscheidung absichtlich in den Zeitraum der Fußball-WM gelegt haben - vermutlich perfide planend, dass Deutschland Weltmeister wird; auch irgendwie schattig.

Wir haben in Schleswig-Holstein mehr als 57.000 Studierende. Einige davon sitzen heute auf der Besuchertribüne, und ich hoffe, sie haben mitbekommen, was für ein Bild die CDU eigentlich von ihnen hat, und tragen das weiter an die 57.000 anderen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und überschlägig knapp 1.000 Professorinnen und Professoren.

Die ASten als Interessenvertretung der Studierenden begrüßen die Anträge der Regierungsfraktionen zur HSG-Novelle. Der DGB als eine nicht unwesentliche Interessenvertretung von Mitarbeiterinnen

(Daniel Günther)

und Mitarbeitern lobt die Schritte zu mehr Demokratisierung und Mitbestimmung.

Und die Opposition versucht nun den Eindruck zu erwecken, wir wollten den Hochschulen an den Kragen. Wie kommt das?

(Christopher Vogt [FDP]: Weil die Hoch- schulen das sagen!)

Die Landesrektorenkonferenz hat in einer Pressemitteilung zu unseren Anträgen sechs Sorgen formuliert, die neben der allgemeinen Oppositionsrhetorik wahrscheinlich Grund für die aktuelle Aufregung sind. Auf diese sechs Punkte möchte ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit ausgiebig eingehen, weil uns die konstruktive Zusammenarbeit mit allen Interessenvertretern unserer Hochschulen am Herzen liegt und weil die LRK mit den sechs Punkten durchaus Punkte anspricht, die Kern unserer HSG-Novelle sind, die wir seit Jahren hier diskutieren und die wir an dieser Stelle deswegen auch noch einmal ausführlich würdigen sollten.

Da geht es erstens um die Öffentlichkeit von Sitzungen. Hochschulen sind Einrichtungen des Staates und der Gesellschaft. Sie werden von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanziert, auch von solchen, die in ihrem Leben niemals eine Hochschule von innen gesehen haben. Und das verpflichtet zur Transparenz.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Von wenigen Ausnahmen abgesehen halten wir es nicht mehr für zeitgemäß, dass wir ausschließlich in hochschulöffentlich und nicht hochschulöffentlich unterscheiden. Viele Themen können öffentlich diskutiert werden. In der Vergangenheit war es nicht selten so, dass die Öffentlichkeit im Anschluss an die Hochschulöffentlichkeit dadurch hergestellt wurde, dass Flyer gedruckt oder Zettel ans Schwarze Brett gehängt worden sind. Dann erging der Hinweis an die Presse, doch einmal am Schwarzen Brett vorbeizugehen, und dann könne man sehen, was hochschulöffentlich diskutiert worden sei. Das wäre legal gewesen, ist aber irgendwie nicht sachdienlich. Deswegen haben wir den Grundsatz der Öffentlichkeit in unser Gesetz hineingeschrieben.

Herr Kollege Günther, wenn Sie Bezug auf den aktuellen Entwurf genommen hätten, dann hätten Sie durchaus sehen können, dass wir die Sorge der Hochschulrektoren ernst genommen haben und ihnen die Möglichkeit geben, wenn sie die Öffentlichkeit nicht für angemessen halten, zwischen

hochschulöffentlich und nicht hochschulöffentlich zu differenzieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der zweite Punkt betrifft den Erweiterten Senat. Das ist in der Tat ein Kernpunkt. Wir haben von vornherein gesagt, dass wir mehr Demokratie an den Hochschulen wollen, dass wir mehr Mitbestimmung wollen. Ja, wir vergrößern die Senate. Das bedeutet für alle Hochschulen im Land, dass der Senat künftig statt 13 Sitzen 23 Sitze haben wird. Für die drei Hochschulen mit mehr als 5.000 Mitgliedern bedeutet das in der Tat, dass der Senat statt 24 Sitzen künftig 48 Sitze haben wird. Nun frage ich einmal ein Gremium mit 69 Mitgliedern: Ist das ein bürokratisches Monster, meine Damen und Herren?

(Christopher Vogt [FDP]: Die müssen aber etwas entscheiden! Das ist doch etwas ganz anderes!)

Die Suche nach Möglichkeiten der Demokratisierung oder Mitbestimmung konnte man schon in unserem Koalitionsvertrag nachlesen. Darin heißt es, dass wir im Zusammenhang mit der Neuordnung der Leitungsstrukturen, soweit es verfassungskonform möglich ist, die Drittelparität in den Hochschulgremien einführen wollen.

Der Kollege Stegner und ich haben eine Reise zu allen Hochschulen unseres Landes unternommen und haben dabei natürlich auch über Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag gesprochen. In einer Pressekonferenz im Anschluss an diese Reisen haben wir gesagt:

„Wir werden im Laufe des Anhörungsverfahrens nach Möglichkeiten suchen, dem Ziel einer entsprechenden Parität möglichst nahezukommen. Eine Variante bestände etwa in paritätisch besetzten Gremien mit unterschiedlichen Stimmrechten …“

Das ist gar nicht weit weg vom Erweiterten Senat.

Der Kollege Andresen hat sich im Anschluss an die Anhörung so geäußert, und wir alle haben daraus mit Sicherheit nie ein Geheimnis gemacht. Das ist in der Tat ein politischer Konflikt. Insofern liegt es durchaus auch in unserem Interesse, wenn Sie den hochziehen, weil dann deutlich wird: Ja, wir sind die mit „mehr Demokratie“.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Martin Habersaat)

Die Zweifel des Wissenschaftlichen Dienstes an der Verfassungsgemäßheit dieses Gesetzentwurfs beziehen sich auf die fünfte Person einer fünfköpfigen Findungsgruppe, die künftig Hochschulpräsidentschaftskandidaten finden soll. Jede Statusgruppe darf einen benennen, und dahinter, wie der fünfte benannt wird, gibt es ein Fragezeichen. Wenn Sie lesen, was Ihnen gerade verteilt wird, gibt es nicht einmal mehr dieses Fragezeichen. Aber, meine Damen und Herren, das ist ein Punkt, an dem die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes sicherlich nicht scheitern wird.

Drittens geht es um den Hochschulrat. Wir können dazu kurz noch einmal inhaltlich einsteigen. Wir glauben, dass das nicht mehr erforderlich gewesen wäre, weil am Ende der Senat mit der Professorenmehrheit entscheidet, welcher Kandidat es wird. Aber um jeden Zweifel zu beseitigen und alles gut zu machen, haben wir uns doch dafür entschieden.

Herr Kollege, Sie würden möglicherweise den Herrn Abgeordneten Vogt sehr froh machen, wenn Sie eine Zwischenbemerkung zulassen würden.

Das glaube ich eher nicht.

Herr Vogt, bitte schön.

Frau Präsidentin, vielen Dank.

Herr Kollege, auch ich kann mir eine größere Freude vorstellen. Aber ich wollte Sie fragen, ob Sie es als Koalition des Dialogs wirklich für sachgemäß halten, uns während einer Parlamentsdebatte solche Tischvorlagen vorzulegen und zu sagen, das sei jetzt eine sachgemäße Gesetzesberatung.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Herr Kollege, wir reden hier über einen Gesetzentwurf, in dem es darum geht, die Fachhochschulen zu stärken, in dem es darum geht, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken, in dem es darum geht, für studentische Hilfskräfte und Mitarbeiter die Bedingungen zu verbessern, neue Karrierewege an den Hochschulen zu schaffen, die Teilhabe- und Mitbestimmungs

möglichkeiten zu verbessern. Vor dem Hintergrund dieses Ganzen diskutieren Sie gerade mit mir über das fünfte Mitglied einer fünfköpfigen Findungskommission. Ja, ich finde es in Ordnung, dass wir das an dieser Stelle glattziehen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Stegner?