Protocol of the Session on November 19, 2015

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat Frau Abgeordnete Astrid Damerow. Frau Abgeordnete, wenn Sie mögen, dann dürfen Sie jetzt.

(Unruhe)

- Die Fraktionen dürfen die Reihenfolge ihrer Redner selbst festlegen, wir müssen das nur wissen. Wenn jetzt die Abgeordnete Nicolaisen zuerst das Wort haben soll, rufe ich sie auf und erteile ihr gern das Wort.

(Unruhe)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Petra Nicolaisen für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Meilenstein und ein Erfolgsmodell in unserer Ehrenamtspolitik. Ich glaube, darüber sind wir uns alle völlig einig. Diesen gilt es zu flexibilisieren und weiterzuentwickeln.

Der Bundestag hat in den letzten Wochen die Gesetzesänderung zum Bundesfreiwilligendienst beschlossen. Die Gesetzesänderung wurde im Rahmen des Asylverfahrenbeschleunigungsgesetzes zum 1. Januar 2016 beschlossen.

10.000 weitere Stellen im Bereich des Bundesfreiwilligendienstes soll es geben. Diese Stellen sollen wie folgt aufgeteilt werden: zur Hälfte mit Flüchtlingsbezug auf die Kommunen, zur anderen Hälfte nach der Unterrichtung von einer anerkannten Einrichtung mit Flüchtlingsbezug dann auf eine andere gemeinnützige Einrichtung, die keinen Flüchtlingsbezug haben muss, in die Kommunen, zum Beispiel auf die Feuerwehr oder den THW.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, eigentlich unterscheiden sich unsere Anträge nur da. Uns geht es um zwei Ansätze. Zum einen wollen wir mit den von der CDU-geführten Bundesregierung bereitgestellten Stellen für Schleswig-Holstein sind es circa 760 - eine bessere und flexiblere Betreuung ermöglichen, zum anderen sollen die Asylbewerber über ein eigenes Engagement im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes besser integriert werden. Asylbewerber können aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit zum Beispiel hervorragend als Übersetzer eingesetzt werden. Damit können sie auch als Vorbilder für Neuankömmlinge dienen.

Wie können wir also Integration besser leben als durch ehrenamtliches Engagement in diesem Bereich? Ich schlage vor, dass wir diesen Antrag und den Antrag der regierungstragenden Fraktionen in den Ausschuss überweisen, um die beiden Anträge eventuell zusammenführen zu können. - Herzlichen Dank.

(Präsident Klaus Schlie)

(Beifall CDU und Anita Klahn [FDP])

Nun erteile ich der Abgeordneten Angelika Beer für die Fraktion der PIRATEN das Wort.

Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben schon an den vier Minuten, die der Landtagspräsident brauchte, um die ganzen Anträge vorzulesen, gemerkt, dass es sich um eine Vielzahl von Anträgen, unter anderem der PIRATEN, handelt. Ich werde erst grundsätzlich Stellung nehmen, um dann noch auf einzelne Punkte einzugehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich halte das für maßgeblich. In der gestrigen Diskussion über die Anschläge in Paris ist hier Folgendes passiert: SPD und SSW haben sich dagegen ausgesprochen, Flüchtlinge und Terror miteinander zu verbinden, haben es aber genau dann getan, als sie sich für eine deutsche militärische Beteiligung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und IS ausgesprochen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Schritt wollen wir so nicht einfach stehenlassen. Denn wer über Fluchtursachen nicht reden will, wer in dieser Situation, in der die Flüchtlinge alle zu uns kommen, nicht fragt: „Wie ist es eigentlich dazu gekommen?“, wer jetzt nur versucht, Kleinkleinverbesserungen für Flüchtlinge durchzusetzen, aber die Ursachen nicht bekämpft, sondern hier sogar noch sagt, dass wir überlegen müssen, uns stärker an der Entstehung von Fluchtursachen zu beteiligen, stellt einfach alles auf den Kopf. Das macht mich wirklich ärgerlich. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Was hat die internationale Staatengemeinschaft denn gemacht, um Regime in Afghanistan, im Irak und in Libyen zu bekämpfen? Da schaue ich ganz besonders Sie an. Was sind denn die Folgen? Wo waren denn die Pläne nach von der UN legitimierten und von der UN nicht legitimierten Einsätzen, Zivilgesellschaften zu stabilisieren? - Null, nichts! Jetzt sollen wir einfach weiterbomben? Ich glaube, dass das noch mehr Flüchtlinge zu uns bringt. Das Problem, dass es auch Europäer sind, die diese Terroranschläge in Europa verüben, zeigt doch,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie verstehen sich nicht mehr als Europäer!)

dass wir jahrzehntelang Defizite in der gesellschaftlichen Aufgabe haben, Menschen zu integrieren und in unsere Gemeinschaft aufzunehmen.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich so entsetzt, ist der Wandel von Politik auch in diesem Land innerhalb weniger Wochen und Monate. Hässliche Politik - lassen Sie mich das so sagen braucht schöne Worte, um verkleidet zu werden. Die hässliche Politik wird in Berlin in der Großen Koalition beschlossen, und die schönen Worte fallen in Kiel. Herr Albig, Ihre Regierungserklärungen haben eine Halbwertzeit von wenigen Tagen bis Wochen. Bei den letzten Gipfeln ist das Grundrecht auf Asyl von Gipfel zu Gipfel weiter eingeschränkt worden. Was gestern bekannt geworden ist, der Referentenentwurf zur weiteren Verschärfung des Asylgesetzes, ist ein Frontalangriff auf das individuelle Asylrecht. Zeigen Sie Zivilcourage wenigstens jetzt! - und Rückkehr zur politischen Standfestigkeit, und sagen Sie klipp und klar nach Berlin: Mit uns aus Schleswig-Holstein nicht!

(Beifall PIRATEN)

Deswegen wende ich mich auch explizit an die Grünen und ihren bevorstehenden Bundesparteitag. Ihr Bundesparteitag wird entsprechend dem Leitantrag wahrscheinlich die Aushöhlung des Asylrechts durch die letzten beiden Gipfel, bei denen Rot-Grün noch zugestimmt hat, zurücknehmen. Ihr Bundesparteitag wird dem neuen Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums die Rote Karte zeigen. Dann nehmen Sie die Entscheidung mit und verhalten sich endlich auch hier in diesem Landtag so! Lassen Sie es, schöne Worte zu machen, um hässliche Politik zu legitimieren!

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben verschiedene Anträge gestellt. Vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade gesagt habe, ist es kein Wunder, aber ich will doch auf einige Punkte eingehen. Einer unserer Anträge wiederholt das, was wir ursprünglich mit der CDU zusammen wollten. Unser Resümee aus der aktuellen Situation und den zukünftigen Herausforderungen ist die Anerkennung der Tatsache, dass der Innen- und Rechtsausschuss als federführender Ausschuss nicht mehr in der Lage ist, die Anträge adäquat zu behandeln. Wir wollen einen Integrationsausschuss. Ich denke, wenn selbst das Saarland die aktuelle Herausforderung ergreift und einen Unterausschuss für Integration einrichtet, wenn Hamburg einen Flüchtlingskoordinator mit einem arbeitsfähigen Stab

(Petra Nicolaisen)

bestellt - warum sollen wir das denn in SchleswigHolstein nicht machen?

Sie haben einen ungedeckten Haushalt zur Flüchtlingspolitik. Der Landesrechnungshof hat es Ihnen schwarz auf weiß vorgerechnet. Wir sind darüber nicht froh. Wir wissen, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Aber wenn schon, dann doch richtig und nicht als Flickschusterei.

(Zurufe SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch Punkte, bei denen wir uns einig sind. Durch Nachbesserung der Kollegen im Sozialausschuss haben wir hier, glaube ich, interfraktionell einen sehr guten Antrag zu beschließen, der auch für frühzeitige Integration sorgen wird, der sich aber insbesondere um Minderjährige und Frauen, die zu uns kommen, in der Aufnahme kümmern. Ich glaube, dass das aufgrund des ungesicherten Haushaltes - das will ich hier noch einmal ausdrücklich sagen - notwendig ist.

Es ist doch absurd, dass unsere Vorschläge von Ministerien halbwegs positiv zumindest geprüft werden, die Koalitionsfraktionen in den Fachausschüssen aber nicht einmal darüber diskutieren wollen. Ich nenne zwei konkrete Beispiele. Erstens unser Antrag zum Soli. Die Finanzministerin wird in den „Kieler Nachrichten“ zitiert damit, dass sie sich dafür ausspricht, dass sich die Regierung dafür einsetzt, dass er ab 2019 für Soziales, für Gleichbehandlung, für Flüchtlinge und so weiter ausgegeben wird. Wir haben das beantragt. Was passiert? Sie sagt es im Ausschuss auch, und die Koalitionsfraktionen stimmen gegen unseren Antrag.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Wir sind auch Parlament! Wir dürfen anders entscheiden als die Regierung! - Zuruf Thomas Rother [SPD])

Das ist schon skurril. Skurril ist auch, wenn wir zweitens einen Vorschlag zur besseren Koordinierung der Flüchtlingshilfe machen, die Koalitionskollegen darüber erstaunlicherweise nicht einmal diskutieren und auch keine Erläuterungen hören wollen, Innenminister Studt aber auf einmal sagt, er finde die Vorschläge ganz gut, er sei bereit, sie zu überprüfen. Wir hoffen, dass er sie auch übernimmt. Deswegen haben wir uns bereit erklärt, den Antrag heute für erledigt zu erklären.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will ja nicht sagen, dass die PIRATEN auf alles eine Antwort haben. Aber worauf wir in dieser Diskussion bestehen, ist Ehrlichkeit. Was wir nicht mehr ak

zeptieren wollen, sind Sonntagsreden, moralisch hochgehobene Töne und ein genau entgegengesetztes politisches Abstimmungsverhalten. Wir wollen dazu stehen, dass die Menschen zu uns kommen egal, ob sie islamischen Glaubens oder eines anderen Glaubens sind, dazu, dass jeder bei uns das gleiche Recht und die gleichen Chancen hat, überprüft zu werden und bei uns zu leben.

Die Antwort auf den Terrorismus ist Integration. Das ist das A bis Z, das wir brauchen. Das muss finanziert werden. Dort fehlen fantasievolle Anträge aus den Koalitionsfraktionen. Ich möchte einmal sehen -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie wollen Sie denn den IS integrieren?)

- Bitte?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie wollen Sie denn den IS integrieren?)

- Herr Kubicki, Sie wollen den IS bombardieren und tun so, als seien dann alle Probleme gelöst. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das hat er nie ge- sagt!)

- Was habe ich dann gestern gehört? Sie haben gesagt, es wird höchste Zeit, dass Deutschland seine militärische Zurückhaltung aufgibt und sich im Kampf gegen den Terrorismus militärisch beteiligt. Wenn das Ihre Position ist, dann müssen Sie auch die Konsequenz sehen, dass noch mehr Flüchtlinge kommen. Dann reden Sie doch auch über Boko Haram. Wie viele zigtausend Menschen sind ermordet worden? Was ist gestern in Nigeria passiert? Dann reden Sie über Bosnien Herzegowina, „Ihr“ sicheres Herkunftsland, aus dem heute ein Terroranschlag gemeldet wird, bei dem zwei Soldaten ermordet worden sind. Davor können Sie die Augen nicht einfach verschließen.

Wenn Sie schon den Brückenschlag machen, dann müssen Sie ihn weltpolitisch, europapolitisch, außen-, sicherheits- und vor allen Dingen - das wünsche ich mir - friedenspolitisch definieren. Das hilft den Flüchtlingen und auch der Integrationspolitik in diesem Land. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

(Angelika Beer)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Beer, es ist schön, sich hier vorn hinzustellen und so zu tun, als würden es sich diese Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen mit der Flüchtlingspolitik unglaublich leicht machen. Hier mal eine Entscheidung, da mal drei weitere sichere Herkunftsländer, hier mal Arbeitsmarktbeschränkungen - wir tun uns mit all diesen Dingen so zuckerleicht! Was denken Sie eigentlich? Was denken Sie eigentlich, was wir den ganzen Tag miteinander hier diskutieren und zu verhandeln versuchen? Sich hier hinzustellen sozusagen als die moralische Schleswig-Holsteinerin, die in der Flüchtlingspolitik das Nonplusultra ist,

(Angelika Beer [PIRATEN]: Das sind Sie doch!)

während alle anderen die Doofen, die Blöden sind, die keine Ahnung haben, die den ganzen Tag nur Däumchen drehen und versuchen, hier das schärfste Asylrecht in Deutschland zu installieren - wirklich, es ist nicht mehr zu ertragen!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Wolfgang Kubicki [FDP])

Sich einfach hier vorn hinzustellen und so zu tun, als würden wir uns das hier leicht machen, das ist unfassbar!

Ich hatte zu meiner Kollegin Birgit Herdejürgen gesagt, ich hätte eigentlich eine zuckersüße Rede vorbereitet. Aber nach Ihrem Redebeitrag musste es leider diesen Einstieg geben. Ich versuche jetzt wirklich, etwas ruhiger weiterzumachen, weil ich den Ansatz, den ich mir heute für meine Rede überlegt hatte, gern so vortragen möchte. Denn es ist mir besonders wichtig, hier auch einmal einen anderen Schwerpunkt zu setzen.