Protocol of the Session on November 19, 2015

zen wollen, die ohne Eigenkapitalanforderung und ohne Banklizenz die Portfolien managen kann. Eine für uns gute Lösung.

Ob diese Möglichkeit auch 2016 mit dem neuen europäischen Recht noch besteht, ist rechtlich unklar. Da die Landesregierung kein zusätzliches Risiko eingehen will, habe ich die Fraktionsvorsitzenden und den Beteiligungsausschuss darüber informiert und darum gebeten, dass das Parlament dem Staatsvertrag noch in diesem Jahr zustimmt.

Die Opposition schlägt alternativ vor, über die Gründung der Abwicklungsanstalt und über den Kauf von Portfolien in zwei unterschiedlichen Landtagstagungen abzustimmen, um dem Parlament mehr Zeit für die Beratung zu geben. Aber auch dieser Weg ist risikobehaftet. Würde das Parlament Teile der Verständigung mit der Europäischen Kommission erst im nächsten Jahr beschließen, könnte der Eindruck entstehen, dass die informelle Verständigung nicht vollständig umgesetzt würde. Deshalb werbe ich dafür, dass das Parlament noch in diesem Jahr über den kompletten Staatsvertrag beschließt.

Da dem Parlament der Staatsvertrag bereits seit letzter Woche vorliegt, hat es fünf Wochen Zeit für die inhaltliche Beratung, auch wenn beide Lesungen in derselben Landtagstagung im Dezember stattfinden.

Meine Damen und Herren, damit 2016 eine endgültige und formelle Entscheidung der EU-Kommission über die Wiedererhöhung der Garantie erfolgen kann, müssen Hamburg und Schleswig-Holstein die nächsten Monate nutzen, um die in Brüssel vereinbarten Grundsätze auszugestalten und umzusetzen. Auch darüber werden Staatssekretär Nimmermann und ich das Parlament weiterhin regelmäßig informieren.

Die HSH Nordbank ist und bleibt das größte Haushaltsrisiko des Landes. Jeder Euro schmerzt. Aber wir können Vergangenes nicht ungeschehen machen. Wir können allerdings versuchen - und das tun wir -, mit den Altlasten verantwortungsvoll umzugehen.

Alle, die seit 2002 in Regierungsverantwortung an Entscheidungen über die HSH Nordbank beteiligt waren, können beim Aufräumen helfen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Unsere Aufgabe ist es nicht, kleine Leute zu erschrecken, sondern großen Leuten reinen Wein einzuschenken.

Ich würde mich freuen, wenn das Parlament der Verständigung mit der Europäischen Kommission mit breiter Mehrheit zustimmt; denn es geht um eine Entscheidung - und wir alle wissen das -, deren Auswirkung weit über diese Legislaturperiode hinausgeht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam den ehemaligen Landtagspräsidenten Martin Kayenburg auf der Tribüne zu begrüßen. - Herzlich willkommen, Herr Kayenburg, hier in Ihrer alten Wirkungsstätte.

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Thomas Rother von der SPD-Fraktion. - Sie haben sich offenbar anders verständigt. Ich dagegen habe eine andere Ansage. Wer möchte nun sprechen?

(Daniel Günther [CDU]: Das ist eine Regie- rungserklärung!)

- Dann hat das Wort jetzt selbstverständlich der Herr Kollege Daniel Günther von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Heinold, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede noch einmal minutiös aufgelistet, wer wann politisch dafür Verantwortung getragen hat, dass wir uns heute in dieser Situation befinden. Ich glaube, Sie haben auch weitestgehend richtig beschrieben, wann welche Entscheidung getroffen worden ist. Sie haben auch Herrn de Jager zitiert. Ich könnte jetzt umgekehrt das Gleiche machen; denn wir haben auch eine richtig spannende Zitatsammlung über das, was Sie früher einmal als Parlamentarierin und finanzpolitische Sprecherin alles gesagt haben. Das aber hat, ehrlich gesagt, relativ wenig mit dem zu tun, was Sie heute als Ministerin verantworten müssen. Aber ich möchte sehr bewusst darauf verzichten, das jetzt hier alles aufzuzählen, denn ich glaube, im Kern hilft uns das überhaupt nicht weiter.

Wir wissen alle miteinander, dass viele Verantwortung dafür tragen, zumindest diejenigen, die in dem genannten Zeitraum Regierungsverantwortung ge

(Ministerin Monika Heinold)

tragen und natürlich auch ihren Beitrag dazu geleistet haben. Deswegen ist es unsere gemeinsame Verantwortung, jetzt das Beste daraus zu machen - im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Das, was Sie über die HSH-Nordbanker gesagt haben, unterstütze auch ich. Dabei muss man auch immer über die Verantwortung der Aufsichtsräte reden, denn auch das gehört dazu. Aber ich glaube, es macht uns alle wütend, wenn man nun sieht, welche Milliardensummen im Moment im Raum stehen und man sich vor Augen führt, was man mit dieser Summe Besseres für unser Land hätte machen können.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PIRATEN)

Wir reden in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise darüber, dass wir im kommenden Jahr zu diesem Zweck 800 Millionen € ausgeben werden. Das ist der größte Haushaltsposten, und das ist nur ein Bruchteil dessen, was an Risiken wegen der Spekulationslust von Bankern im Augenblick im Raum steht. Aber genau dieses Geld wird uns in Zukunft nicht zur Verfügung stehen.

Alles das bestätigt uns in unserer Auffassung, wie falsch die Entscheidung gewesen ist, dass sich ein Land wie Schleswig-Holstein überhaupt solchen Risiken ausgesetzt hat. Nun sind wir heute alle schlauer, ich weiß das. Wir haben ja auch alle miteinander über die jeweiligen Verantwortungen gesprochen. Auch anhand dessen, wie wir als Parlament informiert werden können, können wir dieses durchaus beurteilen. Ich sage dies bewusst nicht als Vorwurf, zumal wir auch wissen, dass Sie, Frau Heinold, uns in vertraulichen Gesprächen über das, was rechtlich überhaupt möglich ist, informiert haben. Aber allein daran merkt man schon, wie wichtig es ist, dass Transparenz gegeben ist, dass die Öffentlichkeit in Kenntnis darüber ist, was wir entscheiden - was wir eigentlich zum Grundsatz des Parlamentarismus machen -, wenn man sich schon solche Banken als Land Schleswig-Holstein anlacht. Aber wir können als Land keinen einzigen Anspruch an diese Transparenz erfüllen. Dies macht umso deutlicher, wie falsch der Weg damals gewesen ist, solche Risiken überhaupt einzugehen.

Jetzt liegt immerhin ein Lösungsvorschlag auf dem Tisch, der uns zumindest einen Weg aufzeichnet, wie diese Bank zu einem Ende geführt werden kann, zumindest zu einem solchen Ende, dass das

Land Schleswig-Holstein an ihr nicht mehr beteiligt ist.

Es bleibt trotz alledem so, dass das Geschäftsmodell in Wahrheit keines ist. Wenn überhaupt jemand noch etwas Interesse an einer solchen Bank hat, ist es eher Hamburg als Schleswig-Holstein. Aus schleswig-holsteinischer Sicht gibt es eigentlich überhaupt kein Interesse daran.

Wir müssen offen sagen, dass die Bewertung der Altlasten heute überhaupt noch nicht seriös vorgenommen werden kann. Frau Heinold, Sie haben auch am 21. Oktober 2015 gesagt: Die Höhe der entstehenden Verluste hängt von der Weiterentwicklung der übernommenen Portfolios ab. - Aber das Problem ist: Nach den Vorstellungen der Landesregierung wird der Landtag im Jahr 2015 eine Entscheidung treffen, obwohl die Risiken überhaupt noch nicht absehbar sind.

Frau Ministerin, ich bin Ihnen dankbar. Sie haben uns gestern um kurz vor 20:00 Uhr eine E-Mail mit einer Argumentationsveränderung in Bezug auf den Vorschlag geschickt, den Tobias Koch von der Union unterbreitet hat, nämlich warum wir nicht eigentlich eine Zweiteilung der Beschlussfassung machen: Im Jahr 2015 das entscheiden, was wir im Moment seriös überblicken können, nämlich eine restliche Aufspaltung in Holding und Tochter - den Weg könnten wir heute mitbeschreiten. Natürlich ist es auch richtig, die Reduzierung der Garantieprovision auf 2,2 % mitzumachen. Auch das können wir heute beurteilen, und auch darüber können wir im Jahr 2015 eine Abstimmung herbeiführen. Aber wir können mit Sicherheit zum 31. Dezember 2015 nichts dazu sagen, was die Übernahme der 6,2 Milliarden € angeht und schon darüber entscheiden, dass wir diese Altlasten ankaufen, ohne dass die Wertgutachten vorliegen. Da haben Sie uns gestern einen entscheidenden Hinweis gegeben, nachdem auch Ihre Rechtsauffassung lautet, dass über diesen zweiten Schritt bis zum 31. März 2016 im Landtag abgestimmt werden muss. Wenn jetzt die einzige Begründung dafür ist, dass wir das so nicht machen können, weil die Wertgutachten erst in der ersten Hälfte des Monats April vorliegen, sage ich in aller Deutlichkeit: Das können wir uns als Parlamentarier nicht gefallen lassen, dass wir wegen einer solchen kurzen Frist, weil vielleicht die Wertgutachten nicht früh genug eingeholt worden sind - - Ich kann das gar nicht beurteilen. Aber es muss doch möglich sein, dass man es hinbekommt, dass die Wertgutachten bis März 2016 vorgelegt werden, damit der Landtag seriös auf dieser Grund

(Daniel Günther)

lage dann auch eine abschließende Entscheidung treffen kann, Frau Ministerin.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt PIRA- TEN)

Ohne diese Zahlen, Frau Ministerin, können wir die drei unterschiedlichen Varianten, die auf dem Tisch liegen, überhaupt nicht seriös beurteilen. Daher können wir nicht sagen, was die größten Ausfallrisiken sind.

Das einzige Interesse, was wir doch in diesem Prozess in diesem Moment haben können, ist, die Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglichst zu minimieren. Das dem entsprechenden Modell muss genommen werden, und alles andere ist aus meiner Sicht völlig irrelevant.

Die drei Modelle liegen auf dem Tisch. Sie sind völlig eindeutig. Was Sie vorgeschlagen haben, ist das eine Modell. Wir wissen: Bei den 6,2 Milliarden € wird es nicht bleiben, weil die Ländergarantien mit 2 Milliarden € noch dahinterstehen. Deswegen ist Ihre Korrektur mit Blick auf die Ausführungen von Tobias Koch minimal gewesen, denn de facto gehen wir 16 Milliarden € Kreditverpflichtungen ein - ob die nun alle neu sind oder nicht. Aber zu dem Zeitpunkt werden sie auf 16 Milliarden € Kreditverpflichtungen erhöht. Das müssen wir in dem Bereich miteinander beschließen, obwohl wir überhaupt nichts dazu wissen, was die geplante Auslagerung angeht.

Dabei gibt es das Risiko, dass wir am Ende überhaupt einen Käufer finden. Denn dieses Modell müssen wir auch mit in die Kalkulation einbeziehen, nicht nur Ihren Vorschlag, nicht nur heute Abwicklung der Bank, sondern Sie wissen auch, dass es genauso sein kann, dass wir im Jahre 2018 den gleichen Schritt einer Abwicklung machen werden, weil wir eben keinen Käufer finden.

Im Moment spricht natürlich erheblich gegen eine sofortige Abwicklung das Risiko, das auch die Sparkassen in Schleswig-Holstein haben. Das darf man dabei nicht vergessen. Denn sie sind immer noch mit 18 % in der Haftung dabei.

So ganz einfach wird das nicht sein, einen Käufer zu finden, der einen Kaufpreis zahlen muss, obwohl wir wissen, dass nicht nur 8 Milliarden € schwierige Kredite in der Bilanz sind, sondern in Wahrheit 19 Milliarden €. Das heißt, 11 Milliarden € bleiben auch bei der neuen Bank, die dort ausgegründet wird. Dafür einen Käufer zu finden, ist natürlich nicht leicht. Deswegen muss man diese drei Modelle seriös nebeneinander legen. Wir sind bereit, die

sen Weg mit zu gehen. Ich will heute nicht sagen, dass der Vorschlag den Sie unterbreitet haben, für uns im März 2016 nicht auch zustimmungsfähig sein wird, aber ich möchte schon für meine Fraktion in Anspruch nehmen, dass wir Parlamentarier diese drei Modelle nebeneinanderlegen können müssen, um dann auf dieser seriösen Grundlage eine abschließende seriöse Entscheidung zu treffen. Das erwarten wir als Minimum.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank. - Nun hat der Kollege Thomas Rother von der SPD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Die Krise der Finanzmärkte vor gut sieben Jahren hat die Risiken des international verflochtenen Bankensystems offengelegt. Die Politik - leider ist es so - hat insgesamt diese Banken- und Finanzkrise weder vorhergesehen noch abgewendet. Die Regeln für die Kontrolle der Finanzmärkte sowie die Anforderungen an die Risikovorsorge und die Kapitalstruktur der Banken sind seither verständlicherweise verschärft worden. Das regulatorische Umfeld ist ein anderes als noch vor sieben Jahren.

Die HSH Nordbank ist wie viele andere Banken erheblich von der Krise der Finanzmärkte getroffen worden und hat sich trotz schmerzlicher Einschnitte im Rahmen der Restrukturierung und trotz Hilfsmaßnahmen der Eigentümer nicht nachhaltig erholen können. Sie unterliegt nun eben diesen erhöhten Anforderungen an Risikovorsorge und an Kapitalstrukturen der Kreditinstitute.

Durch die voreilige Senkung der von Hamburg und Schleswig-Holstein abgesicherten Garantiesumme von 10 auf 7 Milliarden € zur Reduzierung der Avalgebühr wurde ein neues EU-Beihilfeverfahren notwendig, um die alte Garantiesumme zu erreichen und die Kapitalstruktur abzusichern. Doch dabei wurde offenkundig - das ist hier auch dargestellt worden -, dass die bisherige Konstruktion zur Rekonstruktion der Bank aufgrund der hohen Avalgebühren und der hohen Kreditausfallrisiken aus Schiffsfinanzierungen und der Währungsrisiken trotz Abbaubank das Institut nicht dauerhaft trägt.

Ohne ein Handeln an dieser Stelle wäre die Bank über kurz oder lang wohl nicht mehr lebensfähig. Denn wer würde mit einer durch die Ratingagentu

(Daniel Günther)

ren infolgedessen immer schlechter bewerteten Bank Geschäfte machen, mit einer Bank, deren Lebensfähigkeit infrage steht?

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse des Geschäftsverlaufs des letzten Quartals dieses Jahres diese unsichere Situation schon widerspiegeln werden.

Es ist dem Hamburger Senat und unserer Landesregierung zu danken, dass nunmehr eine Vereinbarung mit den EU-Institutionen gefunden wurde, die nicht nur unser Landesvermögen tunlichst schont, sondern eine Perspektive - nicht nur eine Abwicklungsperspektive - für die Bank, ihre Mitarbeiter und ihre Kunden eröffnet.