Protocol of the Session on November 19, 2015

Es ist dem Hamburger Senat und unserer Landesregierung zu danken, dass nunmehr eine Vereinbarung mit den EU-Institutionen gefunden wurde, die nicht nur unser Landesvermögen tunlichst schont, sondern eine Perspektive - nicht nur eine Abwicklungsperspektive - für die Bank, ihre Mitarbeiter und ihre Kunden eröffnet.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Es ist bei diesen nicht ganz alltäglichen Verhandlungen wirklich Großartiges von Ministerpräsident Albig, Finanzministerin Monika Heinold und ihrem Staatssekretär Philipp Nimmermann geleistet worden, für das wir ihnen nicht nur Dank schulden, sondern unsere Anerkennung aussprechen sollten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es wäre gut, wenn diese Anerkennung auch praktisch umgesetzt worden wäre und wenn wir die Gesetzentwürfe zu den Staatsverträgen mit der Freien und Hansestadt Hamburg im Zuge der Beratungen der Regierungserklärung bereits in erster Lesung hätten beraten können. Der Vorschlag des Vorsitzenden der Piratenfraktion, Torge Schmidt, zu einer raschen Aufnahme des Verfahrens war richtig. Leider ist er nicht bei seinem eigenen Vorschlag geblieben, sondern hat sich der Haltung von CDU und FDP angeschlossen. So ist uns jetzt schon wertvolle Beratungszeit zu den Inhalten verloren gegangen, die von Formaldebatten aufgefressen wurde.

(Zuruf Torge Schmidt [PIRATEN])

Dennoch sollten wir aber nicht so tun, als ob wir nun genau diese Gesetzesvorlagen nicht schon zum Gegenstand unserer Debatte machen würden - das tun wir doch schon -, nur um die weiteren Beratungen in die Länge zu ziehen.

Die Notwendigkeit einer Entscheidung in Bezug auf die Errichtung einer Landesabwicklungsanstalt noch in diesem Jahr ergibt sich aus den Regelungen des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes, nach welchem Maßnahmen des Bundes - da geht es um die Befreiung vom Erfordernis einer Banklizenz sowie Anforderungen an das Eigenkapi

tal - zum Ende dieses Jahres auslaufen und die schlichte Übertragung auf landesrechtliche Regelungen in Zweifel gezogen werden könnte. Hinzu kommt, dass zu Beginn des kommenden Jahres europarechtliche Regelungen in Kraft treten, die ebenso eine landesrechtliche Kompetenz in Frage stellen.

Ich habe Verständnis für das, was Herr Günther zum Nebeneinanderstellen der Beträge gesagt hat, um sich entscheiden zu können. Aber ein Stück weit ist es tatsächlich so, wie es Frau Heinold gesagt hat: Abgerechnet wird am Schluss. Trotz aller Wertgutachten haben wir auch in der Vergangenheit immer mit Unsicherheiten leben müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das weist darauf hin, worum es eigentlich geht.

Ich sage ein paar Worte dazu, warum ich glaube, dass wir es schaffen können: In der Hamburgischen Bürgerschaft ist eine entsprechende Debatte für die Dezember-Tagung angesetzt. Nach meiner Kenntnis ist es so, dass sich dort bislang nur die Linken diesem Verfahren verweigern. Auch das sollte vielleicht zu denken geben.

Natürlich geht es bei all diesen Dingen in erster Linie um Geld. Bei der Gründung der HSH Nordbank wurden 3,2 Milliarden € Eigenkapital bilanziert. 2007 kamen durch die Umwandlung stiller Einlagen in Eigenkapital 2,2 Milliarden € hinzu, und 2009 - das wissen die meisten hier auch - wurden 3 Milliarden € Eigenkapital nachgelegt. Das macht in der Summe 8,4 Milliarden €. Bei 42,08 % Landesanteil sind das rund 3,5 Milliarden €, die wir eigentlich gern in der Kasse hätten. Hinzu kommen die Verpflichtungen aus der Gewährträgerhaftung und der Bereitstellung der Garantie.

Auch wenn es aus der Sicht der Bank zu begrüßen ist, dass die vorgeschlagene Lösung die Senkung der Avalgebühr auf 2,2 % der Bürgschaftssumme umfasst und damit die finanzielle Handlungsfähigkeit des Instituts gestärkt wird, so geht das natürlich - die Ministerin hat es dargestellt - zulasten der Einnahmen des Finanzfonds von Hamburg und Schleswig-Holstein, für dessen Verluste wir geradezustehen haben und die dadurch steigen werden. Ob die zu gründende Holding ihren Teil der Garantieprämie dann noch zu zahlen vermag, ist ebenfalls fraglich und hängt letzten Endes am Erfolg der Tochtergesellschaft beziehungsweise am Erlös aus ihrem Verkauf.

Eine sofortige Abwicklung der Bank würde die Inanspruchnahme der Gewährträgerhaftung bedeuten, also teuer für uns werden, da diese immer noch

(Thomas Rother)

über 10 Milliarden € liegt. Allerdings wird wahrscheinlich auch kein potenzieller Erwerber der Bank diese Haftung ohne Gegenleistung übernehmen, sodass wir auf dem Rest dieser Summe wahrscheinlich bis zum Ablauf der Haftungsfristen sitzenbleiben werden.

Hinzu kommt bald die Übernahme von so genannten Non-Performing-Loans - faule Kredite in Höhe von 6,2 Milliarden € -, die verwaltet und verkauft werden sollen, zu einem Preis, über den wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt - da haben Sie recht - tatsächlich nur spekulieren können. Die Preisdifferenz wird dann über die Garantie abzurechnen sein; das hat die Ministerin dargestellt.

Wir können davon ausgehen, dass vonseiten der Bank wohl nicht die Papiere mit den größten Chancen zur Wertaufholung in das Portfolio eingestellt werden - ganz im Gegenteil. Daher sind mögliche Wertsteigerungen, die zu einer Reduzierung des genannten Differenzbetrags führen würden, wohl eher Wunschdenken. Das bringt uns dann in der Summe, mit dem schleswig-holsteinischen Anteil, zu dem Betrag des zu schützenden Landesvermögens. Es bringt uns aber hinsichtlich der einzelnen Positionen - da haben Sie recht - zu einem Vergleich und einer Bewertung der verschiedenen Alternativen, beispielsweise, was eine sofortige Abwicklung der Bank anbelangt. Aber die Vertraulichkeit des Vorgangs verbietet es, an dieser Stelle die Zahlen zu nennen, die wir im Beteiligungsausschuss schon gehört haben.

Ich kann nur alle Abgeordneten auffordern und einladen, sich an der Sitzung des Finanzausschusses in der kommenden Woche zu beteiligen, um die Entstehung dieser Situation nachvollziehen zu können, um die Vorlage mit den Gesetzentwürfen zu den Staatsverträgen, die im Rahmen einer Unterrichtung zur Kenntnis gebracht wurden, nachvollziehen zu können und die Alternativen bewerten zu können.

Es geht - darauf ist hingewiesen worden - auch um Arbeitsplätze. Bei der Bank sind über 2.000 Menschen beschäftigt, davon rund 1.000 in Kiel. Auch wenn es immer mehr zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen im sogenannten nicht bankenspezifischen Backoffice-Bereich nach Kiel kam, ist die Beschäftigungssituation im Bankensektor alles andere als erfreulich; das wissen Sie. Und es sind eben nicht immer nur die „bösen“ Investmentbanker, die dort tätig sind, sondern ganz normale Arbeitnehmer, die einen guten Job machen möchten. Wir haben eine besondere Verantwortung für diese

Menschen und ihre Familien, weil die Bank eben zu einem guten Teil noch dem Land gehört.

(Beifall SPD und vereinzelter Beifall BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

In Bezug auf das, was Sie zum Geschäftsmodell der Bank gesagt haben, Herr Günther, möchte ich festhalten: Es geht tatsächlich auch um Kunden. Es sind in erster Linie tatsächlich Geschäftskunden, die das Know-how der Bank schätzen, die zu einem guten Teil aus der maritimen Wirtschaft stammen und ihre Geschäfte mit der HSH Nordbank finanzieren und durchführen. Es sind nicht nur institutionelle Großanleger, sondern auch viele Kleinanleger, die ihr Geld bei einer Bank in überwiegend öffentlichem Eigentum sicher angelegt haben wollten und zu Recht keine Gläubigerbeteiligung im Rahmen einer Schuldnerfinanzierung wollen. Auch wegen dieser Kunden ist die HSH Nordbank für einen potenziellen Käufer interessant. Die Zukunft der HSH Nordbank hat daher eine soziale, aber auch eine gesamtwirtschaftliche Dimension.

Die vonseiten der EU-Kommission vorgegebene Aufspaltung der Bank in eine Holding und eine operativ tätige Tochtergesellschaft dient in dem Übergangszeitraum der Vorbereitung der Veräußerung der Tochtergesellschaft; ich habe schon darauf hingewiesen. Es ist zu hoffen, dass in diesem Zeitraum die Beteiligung aller Anteilseigner an der Holding herbeigeführt werden kann und dass eine Verständigung mit den Sparkassen und J. C. Flowers erfolgt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als 2003 die Landesbank Schleswig-Holstein mit der Hamburgischen Landesbank zur HSH Nordbank verschmolzen wurde, war die HSH anfangs sehr erfolgreich. Sie wurde Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung und machte sich auch international einen Namen. Sie hat in den Jahren 2003 bis 2007 ausgezeichnete Ergebnisse erzielt und 1,3 Milliarden € an die Eigentümer ausgeschüttet. Davon hat unser Landeshaushalt stark profitiert. Es gab bis dahin immer positive Prüfvermerke und Ratings. Das Bilanzvolumen belief sich in den besten Zeiten auf rund 180 Milliarden € - damals rund das 20-fache unseres Landesetats.

Auch die Hälfte, das 10-fache des Landeshaushalts, war schon zu viel; ein solcher Betrag bedeutete ein viel zu hohes Risiko, und zwar insbesondere - man muss es tatsächlich sagen -, weil all diejenigen, die dort tätig gewesen sind, viel zu wenig Know-how für Krisenzeiten hatten. Insofern ist die von der EUKommission ausgesprochene Auflage der Privati

(Thomas Rother)

sierung der Bank nachvollziehbar - eine Bank, die ihre Landesbankfunktion lange verloren hat und sich künftig hoffentlich mit neuen Eigentümern ohne staatliche Beihilfen dem Wettbewerb stellen kann.

Um das alles in Gang zu setzen, ist die Zustimmung der beiden Landesparlamente erforderlich. Erst dann können die Landesregierungen die mit den EU-Institutionen getroffenen Vereinbarungen wirkungsvoll ausgestalten. Über diese Maßnahmen müssen wir im Ausschuss und im Parlament natürlich regelmäßig durch die Landesregierung unterrichtet werden. Das ist bislang hervorragend gelungen. Frau Ministerin, dafür herzlichen Dank!

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir sind da sehr umfassend informiert und einbezogen worden.

Es wäre gut, wenn wir alle Beratungsmöglichkeiten nutzten, um noch in diesem Jahr eine Entscheidung herbeiführen zu können. Damit können Rechtsunsicherheiten vermieden werden. Die Bank erhielte auch die notwendige Rückendeckung, um am Markt als gesicherter Partner bestehen zu können und genau die Erfolge zu erzielen, die Kunden, Mitarbeiter und Eigentümer von ihr erwarten und die nötig sind, damit wir letzten Endes unsere Haushalte so gering wie möglich belasten. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Kollegen Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der 19. Oktober 2015 war ein ziemlich entscheidender Tag für unser Land. An diesem Tag wurde die Vereinbarung zwischen den Haupteignern der HSH Nordbank, Hamburg und Schleswig-Holstein, und der EU-Kommission geschlossen. Das Beihilfeverfahren kann damit beendet werden. Die Wiedererhöhung der Garantie wird als Abwicklungsbeihilfe genehmigt, doch wir entgehen einer sofortigen, unkontrollierten Abwicklung, die für das Land nach allem, was wir zumindest bisher wissen, teurer gewesen wäre. Die Priva

tisierungsauflage der Kommission bietet die Chance, einen Käufer zu finden und somit die Vermögenspositionen des Landes zu schützen.

Zunächst möchte auch ich mich bei unserer Finanzministerin Monika Heinold, bei ihrem Staatssekretär Philipp Nimmermann, bei ihrem Team und auch beim Ministerpräsidenten für die in den letzten Monaten geleistete Arbeit bedanken. Die Verhandlungen mit der EU und mit der Bank waren sicherlich schwierig, zäh und nervenaufreibend. Umso besser ist es, dass wir solch ein gutes Team haben, das sehr vertrauensvoll und gut im Interesse des Landes handelt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Nach der Einigung steht nun fest, dass die Bank Altlasten von 8 Milliarden € abstoßen kann, davon mindestens 6,2 Milliarden € an die Länder. Zudem wird die Bank in eine Bad Bank und einen gesunden Teil aufgespalten. Die Garantiegebühren, die die Bank an das Land zahlen muss, sinken erheblich. Dadurch wird das operative Geschäft gestärkt und die Lebensfähigkeit der Bank erhöht. Innerhalb von maximal zweieinhalb Jahren nach Festschreibung dieser Einigung muss eine Stabilisierung der Bank eintreten, um sie endgültig zu privatisieren. Diese Einigung kann uns vorerst durchatmen lassen. Es hätte schlimmer kommen können.

Doch gleichzeitig war dieser Montag im Oktober auch ein bitterer Tag für dieses Land, denn an diesem Tag sind wir der Realisierung der Verluste aus dem HSH-Desaster einen großen Schritt näher gekommen. Obwohl die Verluste vorher schon beim Land lagen - die Finanzministerin und der Kollege Rother sind darauf eingegangen -, ist jetzt die Situation so, dass immer konkreter wird, was da eigentlich auf uns zukommen kann.

Die Verluste sind nicht am 19. Oktober 2015 entstanden, sondern bereits vor Jahren. Schon 2008 geriet die HSH Nordbank im Zuge der Finanzkrise in eine Schieflage, deren Grundlage schon Jahre vorher durch falsche Beschlüsse gelegt wurde. Ich glaube, dass unsere ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis recht hat, wenn sie davon spricht, dass man damals von dem Erfolg „besoffen gequatscht“ worden ist.

2009 fiel dann die Entscheidung, der Bank eine Garantie in Höhe von 10 Milliarden € zu gewähren. Rückblickend war es ein gravierender Fehler, das Rettungsprogramm 2011 so zu modifizieren, dass die Zweitverlustgarantie der Länder von 10 auf 7 Milliarden € gesenkt wurde. Zu diesem Zeitpunkt

(Thomas Rother)

wurde die Lage der Bank zu optimistisch eingestuft, denn sie war nicht stabil und hatte kein tragfähiges Geschäftsmodell.

Es lässt sich jedoch auch feststellen, dass die Tatsache, dass das Land nun Verluste zu tragen hat, eben keine Überraschung ist, und sich die Situation, in der wir und die Bank uns nun befinden, schon seit vielen Jahren abgezeichnet hat. Wer das Gegenteil behauptet oder diesen Aspekt ausblendet, hat ein Kurzzeitgedächtnis.

Für mich als jüngerer Politiker sind auch viele Entscheidungen aus der Vergangenheit unfassbar und sehr schwer nachvollziehbar. Aber das nützt alles nichts, denn wir müssen jetzt mit den Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit leben, auch wenn es schmerzt.

Durch die Privatisierung der Bank steht sie unter dem Druck, ein tragfähiges Geschäftsmodell vorzuweisen vielleicht noch viel stärker als bisher. Mit dem Verkauf der Schrottpapiere an das Land und zum Teil auch auf dem Markt wird oder kann dafür die Grundlage gelegt werden. Es wird in Zukunft keine HSH Nordbank im Eigentum der Länder geben, und das ist aus grüner Sicht gut so.

Risiken durch undurchsichtige Garantiekonstrukte weiter auf unser Land und damit auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu übertragen, lehnen wir ab. Wir wollen kein drittes Beihilfeverfahren, wir wollen nicht spekulieren, wir wollen nicht noch einmal aus Selbstüberschätzung Bankgeschäfte eingehen, deren Tragweiten unüberschaubar sind. Wir werden uns nicht noch einmal besoffen quatschen.

Auch wenn der Abbau der Schrottpapiere noch viele Jahre dauern wird, können wir durch die Einigung mit der EU-Kommission eine Art Schlussstrich unter dieses unrühmliche Kapitel der Landesgeschichte ziehen. Auch das finden wir Grüne richtig. Wir vermeiden vorerst ein unkontrolliertes Szenario, in dem die Garantie der Länder vollends gezogen wird, die Gewährträgerhaftung zur Geltung kommt und weitere Risiken unkontrolliert auf den Landeshaushalt einprasseln. Gleichzeitig müssen wir auch immer die durch eine unkontrollierte Abwicklung entstehenden Verluste und negativen volkswirtschaftlichen Effekte in Bezug auf andere, beispielsweise in Bezug auf Sparkassen oder Versicherungen mitdenken. Auch dieser Aspekt ist in der Debatte um die Ausrichtung der HSH Nordbank ziemlich wichtig.

In vielen Medienberichten wurde die Privatisierungsauflage als Verhandlungserfolg der EU gewertet, aber sie bleibt aus unserer Sicht inhaltlich