Protocol of the Session on November 19, 2015

Ich möchte noch einige andere Dinge ansprechen. Möglicherweise hat die Tatsache, dass die Wertgutachten, die Marktwertgutachten, erst im April 2016 erstellt werden sollen, etwas damit zu tun, dass noch eine Frage geklärt werden muss. 6,2 Milliarden € bezahlen wir, völlig egal, was wir dafür bekommen. Das heißt, wenn die Marktwerte der Portfolio dann gegen null gehen, investieren wir trotzdem 6,2 Milliarden €. Das Problem bestände dann nur darin, dass wenn die Marktwerte der Portfolien gelegentlich gegen null gehen, die Bank, weil sie andere Buchwerte hat, riesige Probleme bekommt, denn der Verlustausgleich muss sofort erfolgen. Das ist ein riesiges Problem, vor dem wir stehen, und das müssen wir intensiv diskutieren,

weil es sein kann, dass uns sonst bereits im April der Stecker gezogen wird, und zwar deshalb, weil die Differenz zwischen den Buchwerten bei der Bank und den jetzt zu ermittelnden Marktwerten so riesig ist, dass das über die bisherige Garantie nicht mehr aufgefangen werden kann. Das müssen wir doch erörtern, und wir müssen gucken, was in diesem Fall passiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Hinweis, wieso extrem große Zweifel angebracht sind, gibt die Pressemitteilung des Kollegen Lars Harms vom 19. Oktober 2015 zur Einigung mit Brüssel. Das ist wohlgemerkt derjenige Abgeordnete des SSW, der als Mitglied des Beteiligungsausschusses am besten informiert sein sollte und der in der Vergangenheit immer davon gesprochen hat, wie gut unsere Bank aufgestellt ist. In dieser Erklärung heißt es - und das kann man der deutschen Öffentlichkeit nicht verheimlichen;

(Lars Harms [SSW]: Das ist ja auch eine Presseerklärung!)

- ja, bisher ist das leider nur nicht transportiert worden, aber wenn ich das jetzt sage, wird es vielleicht transportiert -, dort heißt es in einer erschreckenden Schlichtheit:

„Mit der neuen Konstruktion wurde... eine Lösung vereinbart, die das Landesvermögen so gut wie möglich schont, da sich die Lasten über mehrere Jahre und nicht nur auf die Länder, sondern auch auf den freien Markt verteilen.“

(Lars Harms [SSW]: Ja, das ist so!)

- Ja, ein Abgeordneter, der so etwas formuliert, ist auch der richtige Entscheidungsträger! Warum die Akteure, lieber Kollege Harms, auf dem freien Markt ein Interesse daran haben sollten, finanzielle öffentliche Lasten zu übernehmen und nicht gewinn orientiert zu handeln, habe ich bis heute nicht verstanden.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Da kommen jetzt also reiche Hedgefonds und helfen dem Land Schleswig-Holstein dabei, Verluste auszugleichen? - Das ist doch so komisch wie nur irgendwas. Die euphorisch vorgetragene Idee, der freie Markt rette das schleswig-holsteinische Landesvermögen, ist so absurd und naiv, dass die Menschen in Schleswig-Holstein mit gutem Grund glauben können, hier mangele es vielen Entscheidungsträgern mindestens an Informationen.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Abgeordneter!

Jederzeit und gern.

Ich wollte Sie darauf hinweisen, einmal die Uhr in den Blick zu nehmen.

Frau Präsidentin, ich wäre auch fast fertig gewesen.

(Heiterkeit)

Das beruhigt mich. Dann frage ich Sie, ob Sie eine Bemerkung des Kollegen Harms zulassen.

Lieber Herr Kollege Kubicki, die Schlichtheit der Pressemitteilung ist richtig, ich bin ja manchmal auch ein schlichtes Gemüt. Es geht mir darum, noch einmal deutlich zu machen: Wenn wir uns als Politiker dieses Landes öffentlich äußern, ist es äußerst klug, auch mit Blick auf das Landesvermögen, die Bank nicht schlechtzureden. Das ist der erste Punkt.

(Lachen Dr. Heiner Garg [FDP])

Der zweite Punkt ist, wenn ich sage, dass sich auch Private beteiligen, bezieht sich das auf die Einigung mit der EU-Kommission, dass von diesen 8,2 Milliarden €, die veräußert und auf andere übertragen werden sollen, 6,2 Milliarden € durch das Land beziehungsweise die Länder getragen werden sollen, und 2 Milliarden € sollen am freien Markt verkauft werden. Wenn dieses dann geschieht - das ist zumindest der Plan, den sowohl EU-Kommission als auch die beiden Länder haben -, dann ist das mittelbar auch eine Beteiligung des freien Marktes. Sollte es so sein, dass sich der freie Markt ein Portfolio zu für ihn günstigem Preis kauft, um damit langfristig Gewinne zu machen, hätte ich persönlich nichts dagegen, Hauptsache das Land Schleswig-Holstein wird entlastet und das Vermögen des Landes wird geschont.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

- Zunächst einmal, Kollege Harms, vielen Dank für diese Zwischenbemerkung, die das ja noch schlimmer gemacht hat - um das einmal freundlich zu formulieren. Der Markt wird sich an Verlusten des Landes Schleswig-Holstein nicht beteiligen, sondern die Käufe werden getätigt werden, um Gewinne zu generieren. So einfach ist Latein. Wenn Ihnen das aufgrund Ihrer inneren Haltung nicht einleuchtend erscheint, werden Sie feststellen, dass Sie keine Käufer finden werden. Es geht dabei nicht um Verluste des Landes, Herr Kollege Harms, sondern es geht um Verluste der Bank. Die Bank wird Verluste bei der Veräußerung dieser Geschichten einfahren und nicht das Land Schleswig-Holstein. Das Land Schleswig-Holstein muss dann nur die Verluste der Bank ausgleichen.

Wenn Sie jemanden finden, der bereit ist, Schrottpapiere für 2 Milliarden € zu kaufen, wunderbar. Ich kann Ihnen aber garantieren, dass niemand diese Papiere mit dem Ziel ankaufen wird, selbst eigene Verluste zu generieren, um damit dem Land Schleswig-Holstein zu helfen. Das ist illusorisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss.

(Wortmeldung Lars Harms [SSW])

Also dann hat noch einmal Lars Harms zu einer weiteren Bemerkung das Wort.

Nur ein zarter Hinweis, dass das auch nicht in meiner Pressemitteilung steht, dass ein privater Investor freiwillig Schulden für uns macht, sondern er entlastet uns dadurch, dass er uns entsprechende Engagements abkauft. Wie gesagt, ob er damit Gewinne macht oder nicht, das ist der freie Markt - davon sind wir doch eigentlich auch Freunde, lieber Kollege Kubicki -, das möge sich dann in der Zukunft entscheiden. Aber im Übrigen können sich auch Unternehmen verschätzen und damit Minus machen. Das Risiko gehen die ein, und dieses Risiko nehmen sie uns ab.

- Herr Kollege Harms, ich versuche zum letzten Mal, es zu erklären. Es macht sonst keinen Sinn.

Wenn die Bank für 2 Milliarden € Papiere verkauft, generiert der freie Markt bei der Bank Verluste und nimmt ihr keine Verluste ab. Das ist der Sinn der Veranstaltung. Der freie Markt entlastet die Bank mittelfristig nur von einem Portfolio, das sie sonst selbst wertberichtigen müsste. Das macht sie jetzt sofort, und ich garantiere Ihnen, dass bei der Veräußerung von 2 Milliarden € am freien Markt - wenn sie überhaupt gelingen kann - die bei der Bank sofort eingestellten Verluste durch das Land Schleswig-Holstein und Hamburg ausgeglichen werden müssen, in welcher Form auch immer.

Der Eindruck, der durch öffentliche Äußerungen entsteht, ist ein Grund mehr, warum wir mehr Informationen brauchen, als derzeit vorliegen. Er ist ein Grund mehr, eine ordentliche parlamentarische Beratung durchzuführen - das können wir auch schnell machen; ich habe zugesagt, dass wir das tun werden - und auch andere Stimmen zu hören als diejenigen der Bank oder der Landesregierung. In der Vergangenheit haben wir von der Landesregierung, von Vertretern, von Juristen und von Ökonomen Expertisen bekommen, die sich seit 2007 alle als komplett falsch und unrichtig herausgestellt haben und zur Vermögensschädigung beim Land Schleswig-Holstein beigetragen haben.

Herr Kollege, Sie wollten zum Schluss kommen.

Das ist ein Grund mehr, dass wir uns gegen den zeitlichen Druck wehren, den die Landesregierung auf das Parlament ausübt.

Noch einmal: Die Behauptung, es muss bis zum 31. Dezember 2015 alles unter Dach und Fach sein, ist unzutreffend. Es gibt möglicherweise Gründe dafür, aber sie sind rechtlich unzutreffend und können das Parlament nicht binden. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Torge Schmidt das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Ministerin Heinold! Heute ist nur eine Sache ganz sicher. Das ist die Tatsache, dass sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein

von der HSH Nordbank trennen werden. Heute debattieren wir hier zum ersten Mal über das Thema mit dem Wissen, dass die Bank entweder verkauft oder dass sie abgewickelt wird. Das ist gut so. Allerdings ist das auch die einzige Gewissheit, die wir heute haben.

Aber gestatten Sie mir erst einmal einen Blick zurück in die Vergangenheit, denn dieser wird uns helfen, die jetzige Situation im Kontext zu bewerten. 2008 ist die Bank während der Finanzkrise in Schieflage geraten. Man hatte sich mit Geld vollgepumpt, für das die Länder über die Gewährträgerhaftung geradestehen mussten. Man hatte sich mit diesem Geld sprichwörtlich verzockt. Das war so gewollt, denn es brachte immer schön Dividende in den Landeshaushalt. Die Bank versprach den Ländern Reichtum, und die Länder hatten Haushaltslöcher zu stopfen. Das Versprechen ist mit der Finanzkrise zum Sanierungsfall geworden.

Man entwickelte daraufhin einen Plan, wie man die Bank retten kann. Das Konstrukt der Sunrise-Garantie wurde entwickelt. Die Länder übernahmen Garantien in Höhe von 10 Milliarden €. Die Bank musste sich restrukturieren. Das war das Ergebnis des Beihilfeverfahrens. Den Ländern wurde versprochen, dass sich alles zum Guten wenden werde: Die notleidenden Kredite würden sich erholen, der Schiffsmarkt werde wieder anziehen, und es werde ein Happy End geben. Die Garantie wurde dann schrittweise im Jahr 2011 auf 7 Milliarden € reduziert.

Aber auch dieses Versprechen konnte die Bank nicht halten. Alle Planungen und Erwartungen sind nicht eingetroffen. Alle Szenarien, die die Bank entwickelt hat, sind nicht Realität geworden. Die Bank konnte im Jahr 2013 die von der Bankenaufsicht geforderte Eigenkapitalquote nicht mehr auf Dauer halten. Die HSH Nordbank musste ihre Planungen über die Entwicklung ihrer Geschäfte mehrmals nach unten korrigieren. Der Schiffsmarkt hat sich nicht erholt. Das hat die Länder dazu bewegt, im Juni 2013 die Wiedererhöhung der Garantie von 7 Milliarden € auf 10 Milliarden € zu beschließen und somit ein zweites Beihilfeverfahren anzustoßen. In diesem Beihilfeverfahren prüft die EU, ob die Bank lebensfähig ist und ihr Geschäftsmodell überhaupt tragfähig ist.

Das Konzernergebnis im Jahr 2013 belief sich auf ein sagenhaftes Minus von 769 Millionen €. Die Bank musste trotz der staatlichen Garantien hohe Belastungen der Risikovorsorge auf sich nehmen, wohl wissend, dass im Jahre 2014 der EZB-Stresstest auf die Bank warten würde - eine Hürde, die

(Wolfgang Kubicki)

die Bank nehmen musste, um ihre Lebensfähigkeit zu gewährleisten. Die Bank wurde also mit Liquidität vollgepumpt und hatte Glück, dass die staatlichen Garantien akzeptiert wurden.

Die HSH Nordbank hat den Stresstest der EZB bestanden. Man möchte meinen, dass dieses Testat ausdrückt, dass es sich um eine kerngesunde Bank handelt. Dies ist keinesfalls der Fall. Der große Klumpen an Schiffskrediten liegt immer noch im Bauch der Bank und lässt sich nicht so leicht verdauen. Zum einen wird das Geschäft in der Regel in Dollar abgerechnet, und die Entwicklung des Dollarkurses hat der Bank in keiner Weise geholfen. Zum anderen sind die Schiffe, die hinter diesen Krediten versteckt sind, alles andere als nachgefragt. Das bedeutet, dass ein Großteil der Kredite gar nicht oder nicht vollständig bezahlt wird, im Fachjargon Non-Performing-Loans. Die HSH Nordbank hat eine Non-Performing-Loan-Quote von etwa 23 %. Das heißt, 23 % der ganzen Bilanz ist nicht wirklich gesund. Das muss man sich tatsächlich einmal auf der Zunge zergehen lassen: 23 %! Im Durchschnitt liegt diese Quote im niedrigen zweistelligen Bereich. Es springt einem also quasi ins Gesicht, dass diese Bank nicht kerngesund ist.

Die HSH Nordbank stöhnt auch noch unter einer weiteren Belastung - das ist die Liebe der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, die die Bank quasi zu erdrücken scheint. Mit 10 Milliarden € Garantie kommen auch für 10 Milliarden € Garantieprämien. 4 % sind vereinbart. Somit sind es 400 Millionen € jährlich, die auf die Bilanz der Bank drücken. Das ist natürlich gut für die Länder, schlecht für die Bank. Aus der Sicht des Bankenvorstandes sind die Belastungen zu groß. Die HSH Nordbank kann Gewinne nicht thesaurieren. Das heißt, sie kann ihre Gewinne nicht dazu nutzen, die Bank zu kapitalisieren und somit zu stabilisieren.

Fassen wir also zusammen: Alle gemachten Versprechen der Vergangenheit haben sich nicht bestätigt. Die Bank ist alles andere als gesund, die Garantieprämien kann sich die Bank nicht leisten, und es gibt ein Beihilfeverfahren mit der EU aufgrund der Wiedererhöhung der Garantie.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Europäischen Kommission „per Handschlag“ auf Eckpunkte verständigt, wie man aus dem ganzen Schlamassel herauskommen möchte. Die Eckpunkte sehen vor, dass die HSH Nordbank umstrukturiert werden muss. Die Bank soll in eine Holding und in eine Tochtergesellschaft aufgeteilt werden. Die Anteilseigner der

Holding sollen im Idealfall diejenigen sein, die auch jetzt an der HSH beteiligt sind. Die Tochter soll für das operative Geschäft zuständig sein. Hier ist schon der erste Haken. Warum sollten sich alle Anteilseigner an der Umstrukturierung beteiligen? Hier wird die Landesregierung Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit ihr Plan aufgeht.

Die Holding wird dann eine sehr einfache Bilanz haben, auf der einen Seite Eigenkapital und die Anteile an der Bank und auf der anderen Seite die Verbindlichkeiten und der Geschäftsbetrieb. Einkommen wird die Holding dann eventuell durch Gewinnausschüttungen der Tochter bekommen, falls die Tochter überhaupt Gewinn erwirtschaftet.