Der Ton in der Flüchtlingspolitik wird härter, vor allem vonseiten Berlins. Aber auch in unseren Nachbarländern ändern sich die Positionen und Vorgehensweisen. Der Ruf wird laut, die Aufnahmepolitik zu verschärfen. Dazu muss man aber
auch sagen, dass seit dem Sommer eigentlich nichts anderes geschehen ist. Woche für Woche werden neue Maßnahmen verkündet oder stehen zur Verhandlung. Und dabei kann jeder sehen, dass sich die Dinge nur in eine ganz bestimmte Richtung entwickeln, nämlich zu einer Verschärfung der bisherigen Asylregelungen.
Für uns als SSW steht in dieser Hinsicht eigentlich fest, dass das Asylrecht eben nicht ausgehöhlt werden darf. Im Moment, muss man sagen, stehen wir kurz davor. Asyl auf Zeit wird da vorgeschlagen. Sichere Herkunftsstaaten haben wir schon beschlossen, und es werden sicherlich noch neue Diskussionen dazu kommen. Die Streichung der Rechtsmittel ist in der Diskussion immer wieder gern genommen.
All diese Dinge, die derzeit diskutiert werden, können letztendlich ein Ausdünnen des Asylrechts bedeuten. Davor kann und muss ich an dieser Stelle nur warnen. Das Recht auf Asyl ist ein grundlegendes und individuelles Menschenrecht. Wir dürfen nicht nachlassen, dieses Recht zu verteidigen.
Die Politik darf jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken und den scheinbar einfachsten Weg wählen, bei dem nur noch Asyl für diejenigen gilt, die zuerst da waren. Auch die Errichtung von Grenzzäunen oder Ähnlichem wären sicherlich eine verhältnismäßig einfache und plakative Lösung. Jedoch handelt es sich dabei um nicht mehr als einen Placeboeffekt. Ein Grenzzaun um das gesamte deutsche Bundesgebiet wird die Menschen jedenfalls nicht davon abhalten, ihren Weg zu uns zu finden.
Und auch Grenzkontrollen oder Schleierfahndungen werden sie wohl kaum aufhalten können. Fakt ist doch, dass im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage schlichtweg keine einfachen Lösungen möglich sind. Man darf sie auch gar nicht in irgendeiner Art und Weise in die Diskussion bringen, weil das die Menschen verblendet.
Die Bestrebungen vonseiten des Bundesinnenministers, syrische Flüchtlinge beispielsweise nach einem Jahr wieder zurück in ihre Heimat zu schicken, sind schlichtweg zynisch. Ein Syrer kann derzeit nicht zurückkehren. Das wissen wir. Dazu brauche ich an dieser Stelle eigentlich auch nichts weiter anzufügen. Wieder einmal wird die einfachste Lösung
Was auch nicht weiter angehen kann, ist die Tatsache, dass die verlauteten Zusagen, die in Bezug auf das BAMF gemacht worden sind, bisher nicht in die Tat umgesetzt worden sind. Von der großen Ankündigung, die Behörde mit 1.000 zusätzlichen Mitarbeitern zu unterstützen, ist bisher nichts erreicht worden. Die Folge ist dann eben, dass die Leute acht, neun oder zehn Monate perspektivlos in den Einrichtungen herumhängen müssen, nichts zu tun haben und sich nichts mehr wünschen, als endlich etwas tun zu dürfen und sich endlich gegenüber der neuen Gesellschaft, in die sie eingewandert sind, öffnen zu können. Ich glaube, es ist nicht zu akzeptieren, dass es so lange dauert, bis die Menschen beim BAMF eingestellt werden.
Warum das so ist, wüsste ich an dieser Stelle auch gern einmal. Es bleibt unverständlich. Wertvolle Zeit geht an dieser so entscheidenden Stelle verloren - Zeit, die wir wahrscheinlich nicht im Überfluss haben, die Flüchtlinge erst recht nicht. Ohne offiziellen Bescheid vonseiten der Behörden kann eine Integration nur erschwert angegangen werden. Und genau das wollen wir nicht: Menschen in der Warteschleife verharren lassen.
„Jeder Schritt, der das Warten der Flüchtlinge in den Camps, Turnhallen und Unterkünften verlängert, ist Desintegration mit Methode.“
Leider ist es derzeit so, dass sich Wunsch und Realität immer weiter voneinander entfernen. An dieser Stelle muss dringend gegengesteuert werden. Und das geht nur, wenn die Arbeitsverträge für die 1.000 neuen Mitarbeiter beim BAMF endlich ausgestellt werden.
Auf der anderen Seite gibt es aus unserer Sicht auch Erfreuliches vonseiten der Bundesrepublik zu berichten. So ist es beispielsweise nicht zur Errichtung der intensiv diskutierten Transitzentren, in Anlehnung an das Flughafenmodell, gekommen. Wir begrüßen die Entscheidung, die betroffenen Flüchtlinge wie in der Vergangenheit nach rechtsstaatli
chen Prinzipien zu behandeln. Ohnehin würde die viel erörterte Zielgruppe der Balkanflüchtlinge lediglich ungefähr 5 % der Gesamtzahl der zu uns kommenden Menschen ausmachen. Was sich in Bezug auf die verbleibenden 95 % ändern oder gar verbessern soll, wurde einfach ausgeklammert, meine Damen und Herren. Eigentlich ist auch das ein Zeichen: Die Politik unterhält sich über 5 % der Menschen, und über die anderen 95 %, bei denen wirklich Aufgaben zu erledigen sind, redet kein Mensch. Das ist ein Armutszeugnis, insbesondere für die Bundespolitik. Ich glaube, da muss sich sehr viel ändern.
Auf Landesebene hat die rot-grün-blaue Regierung das jedenfalls nicht getan und hat im Allgemeinen die 100 % im Blick. Um das nachzuvollziehen, braucht man sich nur die Nachschiebeliste zum Haushalt ansehen. Mit den Änderungsvorschlägen zum Haushaltsentwurf zeichnet sich eine strategische Aufstockung der Behörden und anderer Einrichtungen bei uns im Land ab. Diese soll zu einer Entlastung und zu einer Besserstellung in Bezug auf Flüchtlinge und Asylbewerber bei uns in Schleswig-Holstein führen.
Zweifelsfrei ist dies eine große haushälterische Herausforderung, die auch in Zukunft nicht von Anpassungen frei sein wird, meine Damen und Herren. Aber es ist notwendig, diese Herausforderung anzugehen. Sie ist es auch wert, in den Hausberatungen - ich nenne es mal so - kreativ vorzugehen. Ja, natürlich, wir müssen möglicherweise die Gesetze zur Schuldenbremse ändern; aber wir tun das, damit wir tatsächlich die Flüchtlingskrise bewältigen können. Das ist die eigentliche Aufgabe; darüber sollten wir bei diesem Thema diskutieren.
Ich glaube, dass das, was wir beim Haushalt machen, genau die richtige Antwort auf die Herausforderungen ist.
Für das kommende Jahr wird es daher einen höheren Personalstand an den Familiengerichten geben. Auch für die regelmäßig anfallenden Ausgaben, wie etwa für Dolmetscher an Gerichten, werden mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Zudem werden die heutigen und künftigen Erstaufnahmeeinrichtungen mit einer zusätzlichen Summe von 180 Millionen € unterstützt. Darüber hinaus wurden zusätzliche Mittel für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, Deutschkurse für Flüchtlinge, die Betreuung
von geflüchteten Kindern in den Kitas sowie für die IT-Ausstattung in den Erstaufnahmeeinrichtungen bereitgestellt.
Hinzu kommen 300.000 € für die kreisfreien Städte, die besonders von Transitflüchtlingen betroffen sind. Damit werden insbesondere Flensburg, Kiel und Lübeck entlastet, und das, obwohl dies streng genommen keine Aufgabe des Landes ist, meine Damen und Herren. Deswegen ist es jedoch nicht weniger wichtig, den weiterreisenden Männern und Frauen beim Zwischenstopp bei uns im Land einen vernünftigen Aufenthalt gewähren zu können.
Ich sage vor dem Hintergrund auch, dass wir das schon die ganze Zeit machen: Wir schauen als Land nicht nur danach, was unsere ureigensten Aufgaben ist, sagen nicht, dass das vielleicht andere, etwa die Kommunen, machen müssten. Nein, wir schauen uns das gemeinsam mit den Kommunen an und sind bereit, die Kommunen zu unterstützen. Das haben wir in der Vergangenheit gezeigt, und das werden wir auch in der Zukunft so tun. Es führt zu den starken haushälterischen Belastungen. Ich sage es noch einmal: Das ist die Antwort auf die wichtigste Herausforderung, die wir dieses Jahr und in den nächsten Jahren haben. Ich glaube, wir gehen die Herausforderung richtig an.
Was aus unserer Sicht allerdings nicht zu einem vernünftigen Aufenthalt, egal ob nun kurz- oder langfristig, gehört, sind Gutscheine, elektronische Konsumkarten oder Ähnliches. Der Vorrang von Sach- gegenüber Geldleistungen für Asylbewerber ist unserer Meinung nach weder zeitgemäß noch finanziell vorteilhaft. Ganz im Gegenteil: Sachleistungen haben etwas Erniedrigendes. Sie entmündigen die Flüchtlinge zusätzlich und beinträchtigen sie in ihrer eigenständigen Lebensführung. Spätestens, wenn man vorm Regionalbus steht, der zum Fußballverein in den Nachbarort fährt, ist Bargeld unerlässlich.
Meine Damen und Herren, es ist ganz banal: Integration heißt manchmal eben auch, sich eine Brause in der lokalen Sportschänke kaufen zu können.
Zur Problematik kommt hinzu, dass Sachleistungen für die Kommunen besonders kostspielig sind, weil sie die Vergabe der Sachleistungen gründlich administrieren müssen. Eventuell müssen die Sachen sogar noch lagern und dementsprechend den Bestand kontrollieren, abrechnen und managen. Wir als SSW meinen, dass ein kompletter Verzicht auf Bargeldauszahlungen für Flüchtlinge einfach völlig
lebensfremd ist und den Kommunen wahnsinnig teuer zu stehen kommt. Wir sollten die Kommunen nach Möglichkeit vor diesem Unsinn bewahren. Daher haben wir auch Bedenken, wenn es um die Einführung einer Zahlungskarte geht, wie es gerade in Baden-Württemberg der Fall ist. Wir wollen jedenfalls keinen Gutschein auf Umwegen, meine Damen und Herren.
Klar ist, dass wir in diesen Zeiten herausgefordert sind und dabei den einen oder anderen Umweg in Kauf nehmen müssen. Doch gilt es, diesen vor Krieg und entsetzlichsten Erfahrungen fliehenden Menschen gerecht zu werden. Unsere Aufgabe ist es, ihr Leid und ihre Würde ernst zu nehmen. Davon sollten wir uns um nichts in aller Welt abbringen lassen, schon gar nicht in Haushaltsdebatten. Vielen Dank.
Die einzige Fraktion, die noch deutlich mehr als eine Minute Redezeit hat, ist die CDU-Fraktion. Diese Redezeit nimmt jetzt Frau Abgeordnete Astrid Damerow in Anspruch. - Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erkenne die Irritation und gestehe: Ich war einem Missverständnis unterlegen. Wir hatten uns den Redebeitrag aufgeteilt. Die Kollegin Nicolaisen hat zunächst zu unserem eigenen Antrag gesprochen. Ich werde mich jetzt noch einmal mit den anderen Themen auseinandersetzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, allein im Oktober dieses Jahres haben fast 55.000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Das ist mehr als in jedem anderen Monat in diesem Jahr. Deutschland und damit auch Schleswig-Holstein erreichen damit absehbar die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.
Wir haben den Punkt, an dem der Staat in der Lage ist, seine Aufgaben ausreichend wahrzunehmen, bereits vielfach überschritten. Bei der Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen muss sich der Staat auf ehrenamtliche Kräfte verlassen. Wir alle wissen: Ohne die gewaltigen Anstrengungen unserer Bevölkerung und ohne die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement wären viele Dinge, die in den
Bund und Länder haben sich in diesem Jahr auf verschiedene Maßnahmen geeinigt, die dauerhaft zur Entspannung der Lage hier in unserem Land beitragen sollen. Der Bund entlastet die Länder und Kommunen finanziell. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ist erweitert worden - ich weiß, dass das von einigen in diesem Haus durchaus kritisch gesehen wird. Die Zahl der Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge soll weiter aufgestockt werden.
Natürlich wünschen auch wir uns, dass dies wesentlich schneller geht, denn auch für uns ist es nicht akzeptabel, dass Asylantragstellungen eine derartig lange Zeit beanspruchen, vor allem, dass es Monate dauert, bevor man überhaupt den Antrag stellen kann. Auch wir halten das für völlig inakzeptabel. Ich könnte hier noch wesentlich mehr aufzählen.
Ebenso entscheidend wird aber auch sein, wie Europa als Ganzes mit der Thematik der Flüchtlingswelle umgeht. Ein gemeinsames Vorgehen Europas ist weit und breit nicht zu erkennen. Die Einigung, lediglich 160.000 Flüchtlinge in Europa zu verteilen, musste hart errungen werden, und die Umsetzung klappt - so würde ich es einmal sagen eigentlich überhaupt nicht.
- 30 sind schon verteilt, ja. Solange wir nicht europaweit zu einer solidarischen Flüchtlingsaufnahme kommen, ist es natürlich nur folgerichtig, wenn Deutschland auch wieder zum Dublin-III-Verfahren zurückkehrt. Eine Abschaffung von Dublin III, für die ich durchaus hohe Sympathie hege - ich denke, das ist hier schon bekannt -, kann nur funktionieren, wenn wir europaweit zu einheitlichen Aufnahmemechanismen und zu einer gerechten Verteilung aller Flüchtlinge kommen.