Protocol of the Session on November 19, 2015

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen und wünsche Ihnen allen einen guten Morgen.

Zunächst teile ich Ihnen mit, dass der Kollege Dr. Kai Dolgner erkrankt ist, dem wir von dieser Stelle aus gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Weiterhin teile ich Ihnen mit, dass der Kollege Ekkehard Klug beurlaubt ist. Wegen auswärtiger dienstlicher Verpflichtungen sind ebenfalls beurlaubt Ministerin Alheit, Minister Habeck sowie Minister Meyer.

Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, bitte ich Sie, mit mir zusammen Schülerinnen und Schüler des Regionalen Bildungszentrums EckenerSchule aus Flensburg auf der Tribüne zu begrüßen. - Ein herzliches Willkommen Ihnen und euch hier im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung zur Grundsatzeinigung mit der Europäischen Kommission zur HSH Nordbank

Das Wort hat die Finanzministerin Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der „Landeszeitung“ vom 27. August 2011 war zu lesen:

„Darstellungen von Grünen, SSW und Der Linken über angebliche Milliardenverluste für Schleswig-Holstein durch die HSH Nordbank wies de Jager als nicht richtig zurück. ‚Das ist Kleine-Leute-Erschrecken.‘“

So der damalige für die HSH Nordbank zuständige Wirtschaftsminister.

Meine Damen und Herren, heute wissen wir, dass die Befürchtung, es könne zu Milliardenverlusten für unser Land kommen, kein „Kleine-Leute-Erschrecken“ war. Hauptverantwortlich für die Vernichtung von Milliarden an Steuergeldern sind ehemalige Vorstände der HSH Nordbank, die in abenteuerlicher Höhe Risiken eingegangen sind und

weltweit, auch in Steueroasen, unverantwortlich mit der staatlichen Gewährträgerhaftung spekuliert haben

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, PIRATEN und SSW)

und das, ohne ein entsprechendes Risikomanagement aufzubauen. So etwas nennt man Verantwortungslosigkeit.

Mehrere Vorstandsmitglieder wurden wegen Bilanzfälschung und Untreue angeklagt. 2014 sprach sie das Hamburger Landgericht frei, weil eine gravierende Pflichtverletzung nicht zu belegen war. Damit bleibt der eingetretene Schaden bei den Anteilseignern der Bank hängen, bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Das ist schwer verdaulich.

Meine Damen und Herren, kommen wir zur politischen Verantwortung von SPD, CDU, Grünen, FDP und SSW.

Rot-Grün ist dafür verantwortlich, dass die alte Landesbank 2003 in eine international agierende Aktiengesellschaft umgewandelt und mit der Hamburger Landesbank fusioniert wurde. Schwarz-Rot trägt die Verantwortung für den Rettungsschirm 2009 mit einer Eigenkapitalaufstockung von 3 Milliarden € und einer 10-Milliarden-€-Garantie für faule Kredite. Regierungsmitglieder von CDU wie SPD saßen 2003 bis 2009 im Aufsichtsrat der HSH Nordbank. Schwarz-Gelb war in Regierungsverantwortung, als die Bank mit Zustimmung der Garantiegeber den Risikoschirm der Länder auf 7 Milliarden € reduzierte, um kurz danach festzustellen, dass die Eigenkapitalbasis nun nicht mehr ausreichte und wir ins neue Beihilfeverfahren mussten. Die rot-grün-blaue Landesregierung ist es, die nun dafür wirbt, die Bank erneut zu restrukturieren, faule Kredite der Bank auf eine Länderanstalt zu übertragen und den Verkauf beziehungsweise die Abwicklung der Bank vorzubereiten.

Am 19. Oktober 2015 haben Ministerpräsident Albig und der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg mit der EU-Kommissarin Vestager eine informelle Vereinbarung über eine Abwicklungsbeihilfe mit Privatisierungsauflage geschlossen und zugesagt, sich gegenüber ihren Gremien für diese Vereinbarung einzusetzen. In Folge hat das Kabinett am 10. November 2015 einen Staatsvertrag beschlossen, der die Grundsätze der getroffenen Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Spitzen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein und der EUKommission umsetzt. Die Vereinbarung mit der

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 103. Sitzung - Donnerstag, 19. November 2015 8651

Europäischen Kommission enthält folgende wesentliche Punkte:

Die Wiedererhöhung der Garantie auf 10 Milliarden € wird abschließend genehmigt.

Die Bank wird in Mutter- und Tochtergesellschaft umstrukturiert, und die Garantieprämie wird auf beide Gesellschaften aufgeteilt - mit dem Fokus auf der Entlastung der operativen Einheit.

Die Bank darf vor Endfälligkeit notleidende Kredite im Umfang von rund 8 Milliarden € „exposure at default“ verkaufen, davon bis zu 6,2 Milliarden € an die Länder. Verluste werden im Rahmen der 2009 gegebenen Sunrise-Garantie zulasten der Länderanstalt hsh finanzfonds abgerechnet.

Die Länder verpflichten sich, die Bank spätestens 2018 zu verkaufen beziehungsweise abzuwickeln, wenn der Verkauf nicht gelingt.

Für die Bank heißt das: Die neu zu gründende Tochter, die später verkauft werden soll, übernimmt fast vollständig das bisherige Geschäft der HSH Nordbank. Sie wird um einen großen Teil ihrer faulen Kredite entlastet und zahlt zukünftig nur noch 2,2 % auf die noch nicht in Anspruch genommene Garantie. Sie bekommt damit eine enorme Entlastung und die Chance, sich am Markt zu bewähren. Die Landesregierung erwartet, dass sich die Bank jetzt anstrengt. Denn ein Verkauf der Bank 2018 ist für uns vermögensschonender als eine Abwicklung.

Für das Land heißt die mit der EU getroffene Vereinbarung: Wir müssen eine Abwicklungsanstalt gründen, um faule Kredite aufzunehmen. Die schon bestehende Länderanstalt hsh finanzfonds muss vermutlich bereits 2016 hohe Kredite aufnehmen, um ihre Verpflichtungen aus der 2009 gegründeten Sunrise-Garantie zu erfüllen, und die hsh finanzfonds erhält weniger laufende Einnahmen als bisher, da der Teil der Garantieprämie, der zukünftig von der Mutter zu bezahlen ist, wahrscheinlich größtenteils gestundet und erst bei einem erfolgreichen Verkauf der Tochtergesellschaft abgegolten wird. Bei einer Abwicklung hätten wir allerdings gar keine Garantieprämie mehr bekommen.

Meine Damen und Herren, nach den Aussagen unserer juristischen und ökonomischen Berater ist diese Lösung im Vergleich zu anderen Szenarien wirtschaftlicher. Nach einem monatelangen Prozess und der Prüfung unzähliger Modelle gab es am Ende zwei Varianten, die dem Anspruch der Europäischen Zentralbank als neue Aufsicht der HSH genauso gerecht werden wie dem engen Rahmen des

Wettbewerbsrechts, den die Europäische Kommission setzt. Die Umstrukturierung der Bank - wie oben beschrieben - und alternativ eine sofortige Abwicklung.

Mein Ziel war es immer, das für das Landesvermögen schonendste Ergebnis zu erreichen. Nach den Zahlen unserer ökonomischen Berater ist das die Umstrukturierung. Dies trifft selbst für den Fall zu, dass später kein Verkauf erfolgen könnte und dass zum Beispiel ab 2018 eine Abwicklung erforderlich wäre. Bei einer sofortigen Abwicklung hätte sich insbesondere die Gewährträgerhaftung negativ ausgewirkt. Diese lag im Oktober 2015 bei 12,2 Milliarden €; im November sind es noch rund 10,9 Milliarden €.

Aber letztendlich handelt es sich bei allen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen immer nur um Prognosen, unter anderem in starker Abhängigkeit von der Entwicklung des Dollarkurses und den Charterraten der Schiffe. Erst wenn sich die Länder von der Bank getrennt haben und die beiden Länderanstalten wieder aufgelöst sind, werden wir die genaue Höhe der Rechnung kennen. Abgerechnet wird zum Schluss.

Mein Blick gilt Schleswig-Holstein als Ganzes. Bei der Abwägung der Alternativen war es der Landesregierung deshalb auch wichtig, dass auf unsere Sparkassen in Schleswig-Holstein kein neues Risiko zukommt. Das wäre bei einer sofortigen Abwicklung der Fall gewesen. Als ehemaliger Anteilseigner der Landesbank ist der schleswig-holsteinische Sparkassen- und Giroverband mit etwa 18 % an der Gewährträgerhaftung beteiligt. Eine Abwicklung hätte zwangsläufig zu einer Beteiligung von Investoren geführt. Die Folgen eines solchen sogenannten Bail-In hätten wegen des Sicherungssystems zudem nicht abschätzbare Risiken für die gesamte Sparkassenlandschaft in Deutschland gehabt. Auch deshalb empfiehlt die Landesregierung dem Parlament die Zustimmung zur Vereinbarung mit der EU-Kommission.

Für mich war und ist es wichtig, dass mit der Verkaufsauflage ein Schlussstrich unter das Kapitel „Landesbeteiligung an der HSH Nordbank“ gezogen wird. Es ist nicht Aufgabe einer Landesregierung, für eine international tätige Aktiengesellschaft Verantwortung zu tragen. Natürlich weiß die Landesregierung um die Sorge der 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier in Kiel, die bei der HSH Nordbank arbeiten, aber auch hier gilt: Eine sofortige Abwicklung wäre für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die schlechtere Variante gewesen.

(Ministerin Monika Heinold)

Meine Damen und Herren, ich weiß um die Komplexität und um die Schwere der zu treffenden Entscheidung. Ich habe ein hohes Interesse daran, dass der Landtag so transparent, offen und zeitnah wie möglich informiert wird. Letzte Woche haben wir Ihnen - zusammen mit den Staatsverträgen einen umfangreichen Gesetzentwurf mit ausführlicher Erläuterung übersandt, und in vertraulicher Sitzung haben wir im Beteiligungsausschuss unsere Berechnungen erläutert. Weitere Termine für die Ausschussberatungen wurden verabredet, und das Angebot steht, dass Staatssekretär Nimmermann und ich nochmals in alle Fraktionen kommen und bei Fragen und Informationsbedarf Antworten zur Verfügung stellen.

Letztendlich ist es aber der Landtag, sind Sie es, die entscheiden. Deshalb ist es wichtig, dass ich auch hier erläutere, welche neuen rechtlichen Verbindlichkeiten Schleswig-Holstein eingeht, wenn eine weitere Anstalt öffentlichen Rechts gegründet wird, die der Bank Portfolien in Höhe von bis zu 6,2 Milliarden € EAD abkauft und anschließend verwaltet, und wie das Ganze ablaufen soll.

Die Bank stellt ein Paket zu verkaufender notleidender Kredite zusammen, die in Verzug geraten sind oder wertberichtigt wurden und die allesamt von der 2009 beschlossenen Sunrise-Garantie bereits abgesichert sind. Der Kaufpreis wird von unabhängigen Dritten ermittelt und durch die EU-Kommission überprüft und abschließend genehmigt.

Liegt der Marktwert des Kredits unter dem ursprünglich durch die Garantie abgesicherten Wert, wird der bei der Bank entstehende Verlust aus diesem Geschäft gegen die alte Sunrise-Garantie abgerechnet und von unserer Länderanstalt FinFo getragen. Bis zum Geschäftsjahr 2014 hat die hsh finanzfonds AöR trotz Prämienzahlungen der HSH Nordbank bereits einen Fehlbetrag von 1,65 Milliarden €, der dort aufgelaufen ist.

Ein vereinfachtes Rechenbeispiel für den Portfolioankauf: Der ursprünglich unter der Garantie abgesicherte Betrag eines Kredits würde bei 5 Milliarden € liegen, der aktuelle Marktwert bei 3 Milliarden €. Die neue Abwicklungsanstalt würde entsprechend der Bank den Marktwert, also 3 Milliarden €, zahlen, die Länderanstalt hsh finanzfonds den Verlust, also 2 Milliarden €. Die Länder zahlen also letztendlich entweder in Form eines Verlustausgleichs oder in Form des Kaufpreises. Nach der Entscheidung darüber, welche Portfolien verkauft werden, wird feststehen, ob ein Teil der Verluste

identisch ist mit der von der Bank bereits prognostizierten Inanspruchnahme der Garantie.

Die eigentliche Frage für das Vermögen des Landes ist, wie sich die gekauften Portfolien in den nächsten Jahren entwickeln. Steigt ihr Wert, macht die neue Anstalt Gewinne, sinkt ihr Wert, macht sie Verluste. Genaueres werden wir erst in einigen Jahren wissen. Eine erhebliche weitere Verschlechterung der Portfolien würde sich unter der Garantie allerdings auch dann nachteilig auswirken, wenn sie jetzt nicht in die Ländersphäre übernommen würden.

Ohne ein zusätzliches finanzielles Risiko ist für uns der Verkauf von 2 Milliarden € notleidender Kredite an den Markt. Auch hier handelt es sich um Kreditportfolien, die bereits unter der Sunrise-Garantie abgesichert wurden. Nach dem erfolgten Verkauf tragen aber die neuen Eigentümer dieser Portfolien das Risiko und nicht das Land.

Das ist der Preis für die Vereinbarung mit der Europäischen Kommission.

Sehr geehrter Herr Koch, Ihre Darstellung, wir würden 16 Milliarden € an Kreditverpflichtungen eingehen, ist schräg. Für den größten Teil davon, 10 Milliarden €, bürgen Hamburg und SchleswigHolstein bereits seit 2009. Auch das gehört zu einer ehrlichen Debatte. Sie suggerieren etwas anderes, Herr Koch, und das wissen Sie ganz genau. Wenn man sich fragt, warum dieser Kreditrahmen 2009 nicht gegeben wurde, dann liegt das vielleicht am Optimismus der damals Verantwortlichen. Ich zitiere Tobias Koch aus der Debatte vom 26. August 2011:

„Es besteht nach wie vor die Chance auf eine positive Entwicklung der Bank, sodass am Ende sogar ein Überschuss für den Steuerzahler entstehen kann.“

Schön wäre es gewesen.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich an dieser Stelle beim Bundesfinanzministerium, bei der Bundesbank und bei der Bundesbankenaufsicht bedanken. Sie haben uns hervorragend beraten und begleitet in dem gemeinsamen Interesse an einer guten Lösung im Sinne der Stabilität des deutschen Finanzmarktes.

Zur Sicherung dieser Stabilität dient auch das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz, welches allerdings 2016 durch europäisches Recht ersetzt wird. Deshalb sollten wir schnell handeln, wenn wir rechtssicher die Möglichkeit des deutschen Rechts zur Gründung einer Landesabwicklungsanstalt nut

(Ministerin Monika Heinold)

zen wollen, die ohne Eigenkapitalanforderung und ohne Banklizenz die Portfolien managen kann. Eine für uns gute Lösung.