Protocol of the Session on October 15, 2015

(Beate Raudies [SPD]: Ach, das ist Ihnen neu? - Weiterer Zuruf SPD: So ein Blöd- sinn!)

- Doch, das scheint Ihnen neu zu sein. Es nützt überhaupt nichts, wenn immer nur gesagt wird, dass wir uns über das Geld nicht streiten werden und es am Geld alles nicht scheitern werde. Wie wollen Sie denn so einen Haushalt aufstellen? Was soll denn der Kreis Rendsburg-Eckernförde machen, der 2014 1,6 Millionen € für Asylbewerberleistungskosten hatte und im Jahr 2016 absehbar 10,6 Millionen € haben wird? Was sollen die denn machen, außer mit Ihnen über die Erhöhung der Kreisumlage zu diskutieren? Sollen die in ihren Haushalt reinschreiben: Herr Stegner hat gesagt, das wird am Geld nicht scheitern? Das wird nicht funktionieren!

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen brauchen wir jetzt eine klare Zusage, dass das, was Sie auf Bundesebene eingefordert haben: „Der Bund muss sich stärker beteiligen!“, auch in Schleswig-Holstein gilt. Und deswegen reicht ein Verhältnis von 30 zu 70 in dieser Situation nicht mehr. Die Kommunen brauchen eine stärkere Unterstützung, und das müssen Sie unmissverständlich zusagen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU und Anita Klahn [FDP])

Genauso brauchen wir auch klare Festlegungen, was die ganzen Vereinfachungen im Baurecht angehen. Darüber reden wir auch schon seit Monaten. Wo ist denn das Standardabweichungsgesetz, das Sie eigentlich mit auf den Weg bringen wollten? Das brauchen die Kommunen jetzt im Moment. Es ist ja eben richtig beschrieben worden: Die Containerlösung funktioniert im Moment nicht, weil es keine Container gibt. Das heißt, wir brauchen jetzt richtige Bautätigkeit. Da reichen im Moment eben befristete Baugenehmigungen nicht mehr aus. Das können Sie beim Container noch machen, aber wenn Sie Festbauten machen, geht das eben nicht.

(Daniel Günther)

Von daher brauchen wir hier sehr viel konkretere Zusagen.

(Zuruf Olaf Schulze [SPD])

Was ich mir auch wünsche, ist, dass wir noch stärker versuchen, die Flüchtlinge in diese Arbeit mit einzubinden. Ich höre immer wieder - das wird Ihnen auch so gehen -

(Zuruf SPD: Sollen die Häuser errichten, oder was?)

- Nein, ich höre das immer wieder in Erstaufnahmeeinrichtungen. Das kann man sich ja auch vorstellen: Die kommen aus Kriegsgebieten, kommen aus anderen Ländern, aus schwierigster Situation hier nach Deutschland. Aber wenn sie in so einer Erstaufnahmeeinrichtung nach zwei, drei Wochen - ich sage es einmal deutlich - nichts zu tun haben, wenn sie auf der Straße unterwegs sind, sich irgendwo treffen, was ja auch zu einer gefühlten Bedrohungssituation in der Bevölkerung führt - völlig unverdientermaßen -

(Zurufe SPD und Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich sage einmal sehr deutlich: Ich bin total froh darüber, wie wenig Gewaltdelikte, wie wenig Straftaten wir im Moment haben. Und ich sage sehr deutlich: Das hat mit Flüchtlingen doch überhaupt nichts zu tun.

(Beate Raudies [SPD]: Ach was!)

Stellen Sie sich das einmal vor: Wenn wir die Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster anschauen, die für 1.500 Plätze ausgelegt ist, in der derzeit 6.500 Menschen sind, dann muss man doch wirklich froh und dankbar sein, dass es dort wenig Gewaltbereitschaft gibt, wo sie nicht viel zu tun haben und immer untereinander sind. Ich meine das wirklich durchaus positiv.

(Vereinzelter Beifall CDU, Beifall BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])

Deswegen wünsche ich mir, dass in diesen Bereichen die Kommunikation vonseiten der Landesregierung gegenüber den Kommunen verbessert wird. Ich sage das mit Blick auf Boostedt: Man kann da sagen, das Boot ist noch lange nicht voll, aber ich finde, bei dem Verhältnis von Bevölkerung und Erstaufnahmeeinrichtung kommen die auch objektiv an ihre Grenzen. Auch in Seeth beklagen sie sich. Wir haben in der „Landeszeitung“ alle Bürgermeister gesehen, die sagen: Wir werden zu spät und zu schlecht informiert.

Ich gucke mir das sehr konkret in Itzehoe an: Da erfolgt per Presseerklärung die Ankündigung, dass sich die Anzahl der Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung verdoppelt - verdoppelt! -, per Presseerklärung und mit dem Hinweis, dass die Bürgerversammlung noch nachgeholt wird, das hat man wegen Kommunikationsproblemen nicht geschafft. Der Bürgermeister ist überhaupt nicht informiert und hat es in der Zeitung gelesen.

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde mir wünschen, dass wir - ich meine das für das ganze Haus - wie bisher sowohl bei der Rede des Ministerpräsidenten als auch jetzt versuchen, das in Ruhe und in Sachlichkeit weiter miteinander zu erörtern. Es werden heute Vormittag jede Fraktion und heute Nachmittag auch jeder Abgeordnete noch zu Wort kommen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben beim Empfang der Landespressekonferenz ja gut formuliert, was Ihnen an Tageszeitungen wichtig ist und wie Sie Tageszeitungen lesen, und Sie haben gesagt: Sie möchten gern, dass die Tageszeitung Entscheidungen der Bundes- und auch Landesebene für Sie persönlich in Suchsdorf runterbricht. Ich würde mir dann aber wünschen, dass sich Torsten Albig auch in die Itzehoer hineinversetzt, die einfach kurz über eine Presseerklärung mitgeteilt bekommen: Am nächsten Tag sind hier doppelt so viele in Ihrer Einrichtung, die Einwohnerbeteiligung konnte leider wegen Kommunikationsproblemen nicht stattfinden. Wie würde sich Torsten Albig fühlen, wenn er das einfach so in der Zeitung liest? - Das ist ein unglaublich sensibles Thema, und man kann von der Landesregierung einfach eine deutlich bessere Kommunikation mit unseren Kommunen, die diese ganze Arbeit leisten, erwarten.

(Beifall CDU, FDP und Torge Schmidt [PI- RATEN])

Wir müssen auf Landesebene das tun, was wir tun können, um die Situation zu meistern. Das haben wir auch mit unseren Vorschlägen bei den Polizisten noch einmal eindeutig unterlegt. Wir haben erhebliche Teile der Polizei für die Flüchtlingsarbeit abgezogen. Wir fragen uns, ob bestimmte Tätigkeiten wirklich von Polizistinnen und Polizisten wahrgenommen werden müssen. Ich sehe, dass die am Ostseekai mit dem Schipper fegen, dass die Betten

(Daniel Günther)

in Flüchtlingsunterkünften aufstellen. Das muss man ein Stück weit anders regeln. Die Menschen erwarten, dass sich die Polizisten um die Aufrechterhaltung unserer inneren Sicherheit in SchleswigHolstein kümmern.

Wir müssen jetzt Schluss machen mit den Debatten über Stellenkürzungen. Wir brauchen 100 zusätzliche Anwärterstellen. Auch wir unterstützen Reaktivierungsprogramme für in den Ruhestand gegangene Polizisten genauso wie für Lehrkräfte. Unser Vorschlag, 480 zusätzliche Lehrerplanstellen zu schaffen, ist mit der Kapazität an ausgebildeten Lehrkräften schwer zu erreichen. Deswegen brauchen wir Seiteneinsteigerprogramme und pensionierte Lehrkräfte, die zurückkommen.

Wir brauchen auch - darum bitte ich Sie herzlich eine bessere Qualifizierung in den DaZ-Zentren. Sie bekommen es hin, Deutsch zu unterrichten. Da haben wir mittlerweile tolle Literatur. Ich habe mir das selbst in Bad Schwartau angeguckt. Weil wir aber zu wenig Lehrkräfte und zu wenig DaZ-Zentren haben, sind die Klassen zu groß. Die Lehrkräfte sind nicht dafür ausgebildet, sich um traumatisierte Flüchtlinge zu kümmern. In dem Bereich müssen wir deutlich schneller Fortbildungen anbieten, damit dieses Problem nicht noch größer wird.

(Beifall CDU)

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Herausforderungen meistern können. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, was ich zu Beginn meiner Rede gesagt habe: Ja, Schleswig-Holstein schafft es, 60.000 Flüchtlinge, die im Jahr 2015 kommen, in unserem Land zu integrieren. Ich habe aber eine herzliche Bitte. Gucken Sie sich Ihren Antrag an, den Sie heute als Gegenentwurf vorgelegt haben. Mag bei uns auch etwas drin sein, was Sie ablehnen oder worüber man noch einmal debattieren muss. Aber drücken Sie sich nicht davor, über eigene Verantwortung im Land zu sprechen, wie wir die Zahl der Abschiebungen tatsächlich praktizieren können, und wie wir nachhaltig dafür sorgen können, dass wir die Zahl von 60.000 Flüchtlingen in diesem Jahr schaffen. Wir können die Bereitschaft in der Bevölkerung nur hoch halten, wenn die Menschen wissen, dass es in den nächsten Jahren weniger werden. Wir müssen uns auf glaubwürdige Maßnahmen verständigen.

Ich freue mich weiter auf eine sachliche Debatte darüber. Ich glaube, dass wir das gemeinsam bewerkstelligen können, und wünsche mir, dass wir gemeinsam daran arbeiten, diese Herausforderung für Schleswig-Holstein zu schaffen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne die Mitglieder des Seniorenbeirats Bad Schwartau und den Landesvorsitzenden der Piratenpartei, Herrn Christian Thiessen. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort hat der SPD-Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit wir im vergangenen Monat in diesem Haus über Flüchtlingspolitik gesprochen haben, ist die Zahl derjenigen Menschen, die bei uns Schutz suchen, nicht nur unverändert hoch geblieben, sondern es sind noch mehr gekommen, und die Debatte hat sich weiterentwickelt. Deshalb ist es gut, dass wir uns heute Zeit nehmen, zu beraten und im Landtag ausführlich über die verschiedenen Aspekte der Flüchtlingspolitik zu debattieren.

Gleichzeitig bleibt vieles richtig, was im September gesagt worden ist. Ich bleibe dabei - ohne mich wiederholen zu wollen -: Der Grundsatz lautet, dass wir weder mit der rosaroten Brille, die die Probleme negiert, noch mit Ressentiments die Herausforderungen meistern können, sondern nur mit Tatkraft, Besonnenheit und einer Politik, die auf Zusammenhalt und nicht auf Spaltung setzt.

Viele Menschen haben im vergangenen Monat bei uns eine Unterbringung gefunden. Viele Bürgerinnen und Bürger haben ihnen ehrenamtlich oder auch hauptamtlich bei der Aufnahme, Betreuung, Versorgung und Integration geholfen. Das Engagement derjenigen, die sich um den Zusammenhalt in unserem Land bemühen, ist ungebrochen groß. Ihnen gilt - das können wir gar nicht oft genug betonen - unser herzlicher Dank.

(Beifall)

Sie alle helfen, den guten Flüchtlingspakt, den wir zwischen der Landesregierung, den Kommunen und Verbänden geschlossen haben, gemeinsam mit Leben zu füllen. Die durch das Land geförderte Internetplattform „engagiert-in-SH.de“ dient nicht nur der Vernetzung, sondern zeigt auch auf beeindruckende Art die ganze Vielfalt des bürgerschaftli

(Daniel Günther)

chen Engagements. Ich freue mich darüber, wenn der Offene Kanal solche Beispiele öffentlich darstellt, weil sie ein anderes Bild der Realität zeigen, als wir es gelegentlich zu sehen kriegen. Gute Beispiele kann man gar nicht oft genug zeigen, sie ermuntern Menschen, sie machen ihnen Mut, dass es geht, und sie machen ihnen keine Ängste. Das finde ich wichtig. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, wenn es so etwas gibt.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wer in der Republik viel unterwegs ist - was ich bin -, stellt fest, dass bei allen Problemen, die wir haben, in Schleswig-Holstein im Ländervergleich manches ein ganzes Stück besser läuft als anderswo - auch weil das ehrenamtliche Engagement hier stärker ist, aber auch weil die Planungen früh und vernünftig sind und vielleicht auch weil wir manche Debatte so nicht führen.

Und doch nimmt die Debatte in Deutschland und auch hier inzwischen zunehmend negative, manchmal sogar rassistische Töne auf. Wir müssen sehr sorgfältig hinsehen, sorgfältiger als bisher. Wo Bürgerinnen und Bürger berechtigte Sorgen haben, müssen wir diese immer ansprechen und die Debatte zulassen. Nicht jeder, der sich Sorgen macht und sie äußert, gehört in die rechte Ecke. Das will ich ausdrücklich sagen. Es wäre falsch, das zu tun.

(Beifall)

Aber - ich würde mir wünschen, dass Sie auch da applaudieren - wir müssen auch darauf achten, dass da, wo Menschenhasser irrationale Ängste schüren, Politik dafür sorgt, dass die Angst nicht vergrößert wird, sondern die konkreten Probleme gelöst werden.

(Beifall)

Wir reden im Landtag jetzt jeden Monat darüber. Das wird noch eine Weile so bleiben. Die Herausforderungen ändern sich täglich. Manchmal muss man sich auch anpassen in der Frage, was konkret zu tun ist. Nicht anpassen muss man sich in der Haltung, mit der man diese Aufgaben angeht.

Herr Oppositionsführer, ich begrüße es sehr, dass Sie in Ihrer heutigen Rede einen sehr besonnenen Ton gewählt haben. Das war ein angenehmer Unterschied. Auch wenn ich nicht alles teile, was Sie sagen - ich komme darauf noch im Detail zu sprechen -, ist das gemessen an der Aufgabe, die wir miteinander zu bewältigen haben, der richtige Weg. Dafür möchte ich Ihnen ausdrücklich danken.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)