Protocol of the Session on January 27, 2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/107, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW in der Fassung der Drucksache 17/163 angenommen.

Ich schließe damit die Beratung und unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Wir starten nach der Mittagspause mit Tagesordnungspunkt 21, Keine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:05 bis 15:04 Uhr)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren fort in der Tagesordnung, und ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Keine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/79

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/214

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/218

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Damit eröffne ich die Aussprache.

Für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Atomkraft ist unverantwortbar.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Schon der Einstieg in die energetische Nutzung der Kernspaltung war ein katastrophaler Fehler. Die Fortsetzung und Verlängerung der Atomkraft ist es erst recht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Wir sprechen uns dagegen aus, Laufzeiten der schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke zu verlängern. Atomkraft ist ethisch nicht vertretbar. Weniger als drei Generationen haben den Nutzen, dann ist der Strom verbraucht, dann ist der Bergbau auf Uran erschöpft. Was bleibt, sind 17.000 t Schwermetall an hochradioaktiven Abfällen in Deutschland.

Eine Endlagerung dieser Abfälle ist bis heute nicht definiert, im Gegenteil. Das sogenannte Forschungsbergwerk Asse II versagt technisch wegen mangelnder Standsicherheit und eintretendem Wasser. Frau Kollegin Heinold, es soll geräumt werden, und zwar auf öffentliche Kosten, auf Kosten des Steuerzahlers. Bei 126.000 Fässern kann von Forschung keine Rede sein. Hinzu kommt, dass der Betreiber einen Trümmerhaufen in der Verwaltung hinterlassen hat. Keiner weiß wann, keiner weiß wie viel, von wem, warum eingelagert wurde. Mitten in Deutschland versagt die Buchführung. Gefüttert mit Aufträgen aus der Atomindustrie hat sich eine Wissenschaftskaste blinder Befürworter gebildet, die offensichtlich manipuliert hat, um gewünschte Ergebnisse zu liefern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Forschungsbergwerk, Entsorgungspark diese Wortwahl entlarvt sich selbst. Die Grabstelle Achet-Chufu wurde vor 4.090 Jahren errichtet. Sie ist heute besser unter ihrem griechischem Namen Cheopspyramide bekannt. Was wissen wir heute aus dieser Zeit? - Nur wenig. Plutonium 239 ist das am häufigsten produzierte Plutoniumisotop. Es hat eine Halbwertszeit von 24.110 Jahren. Was werden die Menschen in Tausenden Jahren noch

über uns wissen? Eine Hinterlassenschaft auf ewige Zeit, und das für 40 bis 60 Jahre Atomstromnutzung. Atomkraft ist ethisch nicht vertretbar.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Atomkraft ist sicherheitstechnisch nicht vertretbar. Die vielen Beinahe-Havarien, Tschernobyl oder das TMI-Ende in den USA zeigen uns: Schwere Unfälle können sich jederzeit ereignen. Im Zeitalter des internationalen Terrorismus gilt dies umso dringender. Die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ist sicherheitstechnisch nicht vertretbar, weil für ein AKW das Gleiche gilt wie für einen Pkw. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers oder gar eines Totalausfalles ist bei einem Auto mit 400.000 km höher als bei einem jungen Fahrzeug oder einem Neuwagen.

Atomkraft ist auch außenpolitisch nicht vertretbar. Die zivile Nutzung der Atomkraft trägt zur Verbreitung von Atomwaffen bei. Die Proliferation beobachten wir in Pakistan, wo Abdalkadir Chan der Vater der islamischen Atombombe genannt wird. Er klaute die Pläne in Holland und hat als Student in Deutschland und Belgien damit angefangen. Was, meine Damen und Herren, können wir Mahmud Ahmadinedschad im Iran entgegenhalten, der doch nur Atomkraftwerke betreiben will?

Die Welt orientiert sich am Technologiestandort Deutschland, daher müssen wir Technologien der Vergangenheit aufgeben und mit neuen Technologien ein gutes Beispiel in unserer gemeinsamen Welt geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Herr Kubicki, Atomkraft ist auch wirtschaftlich nicht vertretbar - sehen wir einmal von der staatlichen Förderungen der Atomenergie im Zeitraum 1950 bis 2008 mit rund 60 Milliarden € Finanzhilfen, 65 Milliarden € Steuervergünstigungen sowie 40 Milliarden € Förderwert von weiteren budgetunabhängigen staatlichen Regelungen ohne Berücksichtigung der externen Kosten der Atomenergie ab. Sehen wir davon ab, dem Chefökonom der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, Verständnis entgegenzubringen, wenn er sagt: „If governments do not facilitate the investment, I don‘t think nuclear will fly.”

(Beifall des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Das heißt, ohne öffentliches Moos nichts los in der Atomindustrie.

Ein längerer Betrieb von AKWs ist davon abgesehen energiewirtschaftlich negativ. Die geplante Verlängerung der AKW-Laufzeiten steht dem dringend gebotenen Ausbau der erneuerbaren Energien entgegen. Hier trifft ein großer Block der sagt, wir wollen 30 % erneuerbare Energien erreichen, dieser stark wachsende Erzeugungsblock mit fluktuierender Leistung aus Wind und Sonne, auf einen Erzeugungsblock, der zwar grundlastfähig ist - wie die CDU das hier wiederholt als Tugend dargestellt hat -, der dann aber den erneuerbaren Energien fehlen würde. Grundlast ist jedoch keine Tugend, sondern die Unfähigkeit, Leistungen zu modulieren. Wir brauchen also in Zukunft kleine, flexible Kraftwerke, nicht Stromgiganten, die die Elbe aufheizen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Ich gehe noch auf den Antrag der LINKEN ein. Das ist jedenfalls ein frommerer Wunsch, der Sofortausstieg statt die Verlängerung der Restlaufzeit. Das wäre allerdings in Regierungsverantwortung nur schwer umsetzbar, meine Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN. Ich nenne hier nur das Stichwort Rechtsstaat.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Deshalb bleibt es ein frommer Wunsch.

Herr Abgeordneter, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Ich komme zum letzten Satz. - Wir haben Energie ohne Ende. Das gilt auch für die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne. Schwarz-Gelb will jedoch die Solarförderung streichen, Atom verlängern und Kohle neu bauen. Das ist nicht zukunftsfähig. Atomkraft?- Nein, danke!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Jens-Christian Magnussen das Wort.

(Detlef Matthiessen)

Bevor Herr Magnussen das Wort nimmt, begrüße ich gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen Schülerinnen und Schüler des Carl-Maria-von-Weber-Gymnasiums Eutin sowie der Gemeinschaftsschule Bad Bramstedt. - Seien Sie uns herzlich willkommen, und erleben Sie einen spannenden Nachmittag bei uns!

(Beifall)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einer immer wiederkehrenden Formulierung von Herrn Habeck: Und wieder grüßt das Murmeltier! - Atomkraft rauf und runter. Schleswig-Holstein hat hinsichtlich des Atomgesetzes keine Regelungskompetenz. Das, liebe Kollegen von den Grünen, gilt es vorab zur Kenntnis zu nehmen. Als Anfang des Jahrzehnts das Atomgesetz novelliert wurde, erfolgte dies schließlich auch gegen den Widerstand des Bundesrats. Dennoch berührt eine Ausweitung der Reststrommengen für Kernkraft natürlich die hiesige Diskussion, und da sage ich Ihnen deutlich: Deutschland kann auf absehbare Zeit nicht auf Kernenergie verzichten, und Schleswig-Holstein muss seinen Beitrag zur Versorgungssicherheit unserer Gesellschaft leisten.

Wir brauchen einen ausgewogenen Energiemix.

(Beifall bei der CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: An Atomstrom ist nichts ausgewo- gen!)

Die Vorteile der Kernenergie sind unbestritten.

(Lachen bei der SPD)

Kernkraftwerke produzieren konkurrenzlos günstigen Strom.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Unglaublich!)

- Sie können sich gleich noch melden, Herr Dr. Stegner.

Angesichts des weltweit steigenden Energiebedarfs wird die Frage nach einer bezahlbaren Stromrechnung immer mehr in den Mittelpunkt rücken. In Deutschland ist dieser Punkt insbesondere für die energieintensive Industrie als auch für die privaten Haushalte von besonderer Bedeutung. Durch Kernenergie können wir einen übermäßigen Anstieg der Strompreise verhindern. Kernenergie und Kohle sind die wesentlichen Elemente der Grundlast. Kernenergie verursacht über den Lebenszyklus CO2-Emissionen auf dem Niveau von Windkraftanlagen

(Zuruf von der SPD: Ha, ha!)

und leistet damit einen wichtigen Beitrag gegen den Klimawandel.