Protocol of the Session on April 25, 2012

Sie leisten damit die Vorarbeit für das in Ihrem Wahlprogramm verankerte langfristige Ziel: eine Schule für alle. Mühsam versuchen Sie jetzt im Wahlkampf, diesen Angriff auf unsere Gymnasien zu vertuschen. Herr Albig behauptete in einem Radiointerview vom letzten Sonntag sogar, die Vorstellung, eine Schule für alle, die Gemeinschaftsschule, sei eine Vorstellung aus dem letzten Jahrhundert. Eine Schule für alle, das gehe auch am Gymnasium.

Zumindest bestätigt Herr Habersaat in seiner Pressemitteilung von gestern, dass das langfristige Ziel der SPD eine Schule für alle sei. Wann es allerdings so weit ist, das sagt er nicht. Herr Stegner bekräftigt in einem Interview des „Hamburger Abendblattes“, dass noch in der nächsten Legislaturperiode die Regionalschulen abgeschafft werden sollen. Herr Albig toppt das noch und sieht die Abschaffung der Regionalschule bereits in seinem HundertTage-Programm vor. Entschuldigung, bei Herrn Albig heißt das dann: Runder Tisch zur Weiterentwicklung.

Die Grünen wollen den Bildungskonvent. Alle sollen daran beteiligt werden. Ich weise nur einmal darauf hin, dass allein der Landesschulbeirat, der alle wesentlichen an Bildung beteiligten Institutionen umfasst, rund 40 Mitglieder hat. Da sind die politischen Parteien noch gar nicht mit dabei. Das bedeutet, wir führen auch weiterhin eine Debatte über die Schulstrukturen in diesem Land. Das klingt auf den ersten Blick pragmatisch, doch wenn man auf die ganzen Runden Tische der Opposition einmal die Wahlprogramme legt, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Tatsächlich schreiben Sie in Ihren Wahlprogrammen alle unisono, dass es ihr Ziel ist, alle Schularten abzuschaffen und nur noch eine Schule für alle in diesem Land als Schulart vorzusehen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Unruhe bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das jetzige Schulsystem sehen Sie lediglich als eine Übergangslösung an. Es wird also auf dem Bildungskonvent nur darum gehen können, wie lange diese Übergangslösung Bestand haben soll. Klar

(Heike Franzen)

haben auch die Grünen in ihrem Wahlprogramm formuliert, dass G 9 an den Gymnasien wieder abgeschafft wird, genauso wie die Regionalschulen. Ihren Bildungskonvent schieben Sie nur vor, um von ihren tatsächlichen Zielen abzulenken.

(Unruhe bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht einmal Kaf- feesatzleserei! – Glocke des Präsidenten)

- Das ist auch keine Kaffeesatzleserei. Ich weise darauf hin, dass es bereits 2005 einen Koalitionsvertrag von SPD und Grünen gab und einen Tolerierungsvertrag mit dem SSW, der genau diese Entwicklungen beinhaltet.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wäre Heide Simonis damals nicht in ihren eigenen Reihen gescheitert, dann gäbe es in unserem Land schon gar keine Gymnasien mehr.

(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben dort die Bildung von Oberstufenzentren beschlossen, Sie haben die Abschaffung der Schulartempfehlungen beschlossen, Sie haben damals die Abschaffung von Klassenwiederholungen beschlossen, und Sie haben die ungeteilte Schule nach einem skandinavischen Modell beschlossen. Das war Inhalt Ihrer Vereinbarungen. Dann wissen wir auch, was auf uns zukommt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie werden sich im Übrigen mit ihrem Bildungskonvent ganz schön beeilen müssen. Der Wunschkoalitionspartner möchte die ersten Strukturveränderungen an den Schulen, wie die Abschaffung der Regionalschule, bereits in den ersten hundert Tagen umsetzen. Ich will daran erinnern, dass 42 Tage davon Sommerferien sind. Wir werden sehen, wie der umfassende Dialog von Torsten Albig mit den Menschen tatsächlich aussehen soll.

(Zurufe von der SPD)

Für uns und - wie Sie heute der Allensbach-Studie entnehmen können - auch für den überwiegenden Teil der Bevölkerung ist das gegliederte Schulwesen keine Übergangslösung, sondern die Zukunftsperspektive für uns in Schleswig-Holstein.

(Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Die Bundesländer in Deutschland, in denen dieses Modell praktiziert wird, liegen im Abgleich der Bildungsstudien vorn. Wir stehen zu den in der Großen Koalition verabredeten Schularten. Ganz anders ist das mit unserem damaligen Koalitionspartner. Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen haben wir 2007 gemeinsam beschlossen und eingeführt. Jetzt will die SPD die Regionalschulen so schnell wie möglich wieder abschaffen, und zwar ganz gleich, wie sich die Schulen im Einzelnen vor Ort entwickelt haben.

(Zurufe von der SPD)

- Herr Präsident, es fällt schwer, dagegen anzusprechen.

(Weitere Zurufe von der SPD - Monika Hei- nold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es fällt schwer zuzuhören!)

Frau Abgeordnete Franzen hat das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist alles andere als ein Schulfrieden. Ich bin mit meiner Fraktion der Auffassung, dass die Regionalschulen den gleichen Bestandschutz in unserem Land genießen müssen wie die Gemeinschaftsschulen. Wir haben es mit der Schulgesetznovelle möglich gemacht, dass sich die Schulen vor Ort in eigener Verantwortung entwickeln können, und zwar so, wie sie es für richtig halten. Unser Ziel ist es, dass sich die beiden Schularten langsam und behutsam zu einer Schulart weiterentwickeln.

(Zurufe)

Deswegen werden wir uns nicht an weiteren Strukturveränderungen in diesem Land beteiligen. Wir stehen an der Seite der bestehenden Schulen in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP - Martin Haber- saat [SPD]: Schulen schließen! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wenn es darum geht, wie wir Schule weiterentwickeln wollen, dann müssen wir uns damit beschäftigen, was gute Schule und guten Unterricht ausmacht. Auch das bestätigt die Allensbach-Studie. Welche Inhalte wollen wir unseren Kindern heute vermitteln? Wie erreichen wir es, dass sich alle Kinder, egal, mit welchen Voraussetzungen sie an die Schulen kommen, ob mit einer Hochbegabung, mit einer Behinderung oder aber mit einem

(Heike Franzen)

bildungsfernen Elternhaus, in unseren Schulen wohlfühlen, Vertrauen haben und sich zu Persönlichkeiten entwickeln? - Wie können wir unsere Schulentwicklungsplanung so gestalten, dass wir es trotz der starken Schülerrückgänge schaffen, auch im ländlichen Raum alle Schulabschlüsse vorzuhalten?

(Martin Habersaat [SPD]: Sagen Sie es doch mal!)

Dafür brauchen wir motivierte und gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Wir sind hier mit der Universität Flensburg auf dem richtigen Weg. Deutsch als Fremdsprache muss Bestandteil der Lehrerausbildung sein. Das haben wir in der ersten und auch in der zweiten Phase der Lehrerausbildungsphase sichergestellt. Wir brauchen in den Schulen Maßnahmen, die die Lehrkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen und Kinder fördern und fordern. Das haben wir mit der Einführung der Schulsozialarbeit, der gesetzlichen Verankerung der Inklusion in der Schule und der Begabtenförderung auf den Weg gebracht. Das Prinzip der selbstständigen Schule wollen wir weiter voranbringen, insbesondere zur Motivation von allen an Schule Beteiligten. Entscheidungen und Zielvereinbarungen, die die Lehrkräfte, die Eltern und die Schüler vor Ort gemeinsam getroffen haben, haben immer eine höhere Akzeptanz als die Entscheidungen, die von oben getroffen werden. Schulen tragen in unserem Land eine hohe Verantwortung für die Bildungsbiografien von Kindern. Dazu gehört auch die Verantwortlichkeit für den Unterricht.

Eines hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, und das sage ich durchaus selbstkritisch: Die ständigen Diskussionen über die Schulstrukturen haben nicht gerade zur Motivation von Lehrkräften, Eltern und Schülern beigetragen. Deswegen muss damit Schluss sein.

(Zurufe von der SPD)

Meine lieben Kollegen Christian von Boetticher und Marion Herdan und ich sind im Rahmen der Vorbereitung unseres Bildungsprogramms in allen Kreisen in Schleswig-Holstein gewesen, um mit den Menschen vor Ort zu diskutieren. Vor allen Dingen waren wir aber dort, um zuzuhören. Die Schulen wollen Ruhe, und das wissen Sie auch. Darum verpacken Sie Ihre Strukturveränderungen in eine Watte aus Bildungskonvent und der Aussage: Gymnasium als eine Schule für alle. Wenn Sie es mit der Ruhe im Schulsystem tatsächlich ernst meinen, dann stimmen Sie heute unserem Antrag zu!

Ein Wort noch zu dem Antrag der LINKEN und zum Analphabetismus! Es ist ehrenwert, dass Sie dem Analphabetismus entgegentreten wollen. Aber dass Sie von der Landesregierung erwarten, wahrscheinlich noch möglichst vor der Wahl einen mit dem Bund und den anderen Bundesländern abgestimmten gemeinsamen Umsetzungsplan vorzulegen, ist - wie auch Ihre anderen Anträge, die Sie gestellt haben - völlig realitätsfern. Daher wird dies von uns auch abgelehnt.

Für den Bericht der Landesregierung beantragen wir die Kenntnisnahme, für die anderen Anträge beantragen wir Abstimmung in der Sache.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Martin Habersaat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Blick auf die Anträge macht es relativ deutlich: Wir befinden uns kurz vor einer Landtagswahl. Auch die SPD hat einen Antrag vorgelegt, der die Essenz unserer Bildungspolitik noch einmal zusammenfasst. Andere Fraktionen haben dies auch getan, das finde ich zulässig. Nicht so gut finde ich den Ton, der an einigen Stellen im Wahlkampf im Bildungsbereich in letzter Zeit um sich greift.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir stehen heute am Ende einer bildungspolitisch besonders turbulenten und kurzen Wahlperiode. Die im Herbst 2009 gebildete schwarz-gelbe Koalition, die vermutlich in wenigen Tagen abgewählt sein wird,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

hatte mit einer zweifelhaften demokratischen Legitimation, die sich auf eine Mehrheit der Stimmen, nicht aber auf eine Mehrheit der Wähler stützt, wesentliche Weichenstellungen aus der Zeit der Großen Koalition von 2007 weitgehend geändert. Die von Ihnen Anfang 2011 durchgedrückte Novellierung des Schulgesetzes ist nicht nur von den üblichen Verdächtigen wie uns, den Grünen, dem SSW oder der GEW scharf kritisiert worden. Man musste Ihre Verbündeten geradezu mit der Lupe suchen. So sehr Sie sich auch bemühten, die Begeisterung über Ihre Bildungspolitik wollte bis heute keinen Anfang nehmen.

(Heike Franzen)

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Es gab seinerzeit Initiativen, die sich für einen Schulfrieden aussprachen und die genau in dem Sinne argumentiert haben, den Frau Franzen heute dargelegt hat. Leider haben Sie diese schlicht und ergreifend ignoriert, Frau Franzen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Herr Brodersen ist heute nicht hier. Er hat wahrscheinlich unterschrieben, weil Frau Conrad nicht konnte. Frau Franzen, wie können Sie nach dem, was Sie veranstaltet haben, nach dem, wie Sie mit den Gemeinschaftsschulen umgegangen sind, und nach dem, was Sie aus dem Schulgesetz gemacht haben, noch guten Gewissens das Wort „Schulfrieden“ in einen Antrag schreiben?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Callsen, wie definieren Sie eigentlich Ihre Rolle als Fraktionsvorsitzender? Was verstehen Sie unter Verantwortung, wenn Sie in den Räumen der CDU-Fraktion Karten von Schleswig-Holstein aufhängen lassen und auf diese Karten fälschlicherweise Fähnchen stecken und behaupten, die SPD wolle die Schulen an diesen Standorten schließen, dann Schülerinnen und Schüler durch die Räume führen und denen erzählen lassen: Die böse SPD macht eure Schulen kaputt?