Protocol of the Session on March 23, 2012

Das sind die Tatsachen, die wir hier zu diskutieren haben. Einem roten Faden nachzulaufen und die Stolperstellen zu kritisieren, scheint auch ein Modell moderner Politik zu sein.

Doch zum Thema der heutigen Tagesordnung, was Sie immer wieder einfordern!

(Beifall des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

Durch die Veröffentlichung zu dem Fass in Brunsbüttel hat es eine große Unruhe und Verunsicherung am Standort Brunsbüttel in der UnterelbeRegion gegeben, einer Region, die mehrheitlich die Industrieansiedlungen mit geprägt hat. Der Standort hat in der Vergangenheit die Verlässlichkeit für Investoren immer wieder bewiesen. Dieses darf durch äußere Einflüsse nicht in Gefahr gebracht werden. Der Standort darf nicht in Misskredit geraten.

Zum aktuellen Fall wird die Ratsversammlung der Stadt Brunsbüttel die Menschen nach weiteren 21 Tagen Verunsicherung in der Region am

(Jens-Christian Magnussen)

28. März 2012 in einer öffentlichen Sitzung durch die Vertreter des Betreibers und des Ministeriums vielen Dank für das Erscheinen des Ministeriums aktuell informieren und sachlich aufklären. Das Ehrenamt nimmt die Verantwortung ernst, und das ohne Emotion.

Mit der verbalen Darstellung von vergrabenen Fässern - wie mir mehrfach auf der New Energy zugetragen wurde -, wird ein Bild gezeichnet, welches nicht den Tatsachen entspricht. Die Lagerung erfolgt in genehmigten Lagerstätten und in genehmigten Gebinden.

Dass die Lagerung nicht für diesen Zeitraum gedacht war, sollte uns jedoch nachdenklich stimmen. 1981 - mit einem Blick in die Historie - begann in schwarzer Regierungsverantwortung die Zwischenlagerung der schwachund mittelradioaktiven Reststoffe - angedacht für circa sieben Jahre. Ich verweise auf die Ausführungen zu Beginn meiner Rede. Ab 1988 war Rot in Regierungsverantwortung. Erkenntnis: Wir brauchen endlich Schacht Konrad zur Endlagerung, und das nicht erst 2019.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Die im Internet durch das Ministerium gegebenen Antworten auf derzeit 51 Fragen zeigen, dass wir alle Kommunikationsdefizite aufklären müssen. Das Fegen vor der eigenen Haustür lässt einen oftmals zu ganz neuen Erkenntnissen kommen; denn Informationen an den Standortbürgermeister in dieser Situation? - Fehlanzeige! Informationen an den Landrat als Katastrophendienststelle? - Fehlanzeige!

Die CDU fordert die komplette inhaltliche und sachliche Aufklärung. Das sind wir den Menschen in der Region schuldig.

(Beifall bei der CDU)

Der geregelte Ausstieg aus der Kernenergie ist Bestandteil der Energiewende. Der Rückbau der kerntechnischen Anlagen gehört zur Energiewende. Ihre Forderung, die Forderung der Grünen, Betriebsgenehmigungen zu entziehen, wirft Fragen auf, verehrter Herr Kollege Tietze. Das Entziehen der Betriebsgenehmigung hat Folgen. Wer baut das AKW dann zurück? Ich verweise auf die Antworten 24 und 25 des Ministeriums. Da können Sie nachlesen, wie das Verfahren abläuft.

In diesem sensiblen Handlungsfeld geht es nicht um politische Selbstprofilierung. Es muss doch oberste Maxime dieses Hauses sein, ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen beziehungsweise wiederherzustellen - ohne Polarisierung und ohne

Emotion. Die CDU steht zum Beschluss der Energiewende auf der Grundlage eines vertrauensvollen Miteinanders, und zwar ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.

(Günther Hildebrand [FDP]: Detlef, ent- täusch uns nicht!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dass es in Schleswig-Holstein Tausende Fässer mit mittelradioaktiven Abfällen gibt, war den meisten wahrscheinlich unbekannt und ist erst durch den Skandal in das Bewusstsein gerückt, weil sie - fast vergessen über einen langen Zeitraum - durchgerostet sind. Ich bin wie jeder normale Mensch eigentlich davon ausgegangen, dass so etwas in Deutschland regelmäßig kontrolliert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Ist denn nie der Zustand der gelagerten Fässer überprüft worden? Gibt es kein Einlagerungskataster für mittelaktive Abfälle?

Einlagerung in Kavernen als billigste Variante des Strahlenschutzes - für wenige Jahre geplant, weil ja angeblich in kurzer Zeit ein Endlager definiert sei. Ein solches haben wir heute noch nicht. Tatsächlich gab es eine jahrzehntelange Lagerung. Da müsste man doch mit wiederkehrenden Prüfungen kontrollieren, wie sich das entwickelt. Das halte ich für eine selbstverständliche Betreiberpflicht.

So oder so: Die politische und historische Verantwortung für diesen Müll wie auch für die stark strahlenden Brennstäbe tragen die Parteien, die das Atomprogramm aufgebaut haben,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

ohne Endlager und mit der Gewissheit einer Atommüllhinterlassenschaft für Jahrtausende, also diejenigen, die noch vor wenigen Jahren - es ist nicht einmal zwei Jahre her - die Verlängerung der Laufzeiten als Energierevolution verkaufen wollten.

(Jens-Christian Magnussen)

Wir stellen zum wiederholten Male fest, Herr Minister: Der Betreiber Vattenfall kann es nicht oder das muss man vielleicht vermuten - will es nicht. Die Betreiberin geht nicht verantwortungsvoll mit Atomkraft um.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das sollte der wesentliche Konsens im Hause sein.

Es fehlt der Betreiberin an Sensibilität für die Technik. Ausgehend von einer Grundeinstellung, dass Atomkraftwerke zwar komplex, aber beherrschbar seien, dass die Technik funktioniere, Fehler erkannt und behoben würden, mangelt es der Betreiberin an einer kritischen Distanz zu den technischen Abläufen in ihrem Werk.

Daneben treten im personellen und organisatorischen Bereich immer wieder Fehler auf. Die Unzuverlässigkeit des Betreibers kann nicht - auch im rechtlichen Sinne nicht - durch fortwährende Verbesserungsversprechen geheilt werden. Mal wird die eine Leitung entlassen, mal tritt die andere Leitung zurück, mal fällt die neue Leitung durch die Eignungsprüfung. Mal ist aber auch Schluss mit dem Zuwarten der Genehmigungsbehörde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht ohne Grund lautet § 17 Abs. 3 Satz 3:

„Genehmigungen können widerrufen werden, wenn nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird.“

Der Gesetzgeber kann mit dieser Formulierung nur die solide und dauerhafte Abhilfe gemeint haben. Ich verweise auf die Passage im Antrag der CDUund der FDP-Fraktion:

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich doch immer da- vor gedrückt, Verantwortung zu überneh- men!)

„Der Landtag begrüßt, dass die von der Landesregierung veranlasste Prüfung der Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall durchgeführt wird.“

Das ist ein Zitat aus Ihrem Antrag. Dies teilen wir.

(Zuruf der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Abgeordnete Fritzen, ich bitte Sie, die lauten Äußerungen zu unterlassen, während der Abgeordnete Matthiessen spricht.

Ich hatte den Eindruck, der Abgeordnete Kubicki quatscht auch dazwischen, Frau Präsidentin.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Die Kommunikation des Betreibers ist unterirdisch. Der Minister hat dazu ja auch Ausführungen gemacht. Es fehlt Vattenfall an Transparenz und Offenheit. Immer nur verschleiern, vertuschen, kleinreden! Aus den genannten Gründen fordern wir: Vattenfall muss die Betriebsgenehmigung für die AKW Krümmel und Brunsbüttel entzogen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Nach den Debatten, die wir hier vielfach in diesem Hohen Haus geführt haben, ist dies eine gemeinsame Auffassung der Politik.

Ich komme aber auch zu den bitteren Erkenntnissen, die mit einer solchen Forderung verbunden sein könnten. Nach meiner Einschätzung führen die Rechtsfolgen einer solchen Entscheidung nicht zu einer komfortablen neuen Situation. Man muss ja die Dinge zu Ende denken. Eine solche Verfügung muss zunächst vor Gericht Bestand haben. Denn beklagt würde sie allemal. Den Ausgang einer solchen Auseinandersetzung würde ich mit „ungewiss“ prognostizieren.

Die Lage stellt sich wie folgt dar: Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb ist für beide Vattenfall-AKW erloschen. Kein Reaktorbetrieb, kein Strom. Wir haben aber in der Vergangenheit gelernt, die Betriebsgenehmigung schließt die Berechtigung zum Stillstandsbetrieb mit ein. Diesen Zustand haben wir jetzt. Ob es eine Berechtigung zu einem Stilllegungsbetrieb gibt, weiß ich nicht, Herr Minister. Grundsätzlich gilt jedoch: Voraussetzung ist hier ebenso wie für den Leistungsbetrieb die Zuverlässigkeit des Betreibers nach § 7 Abs. 3 Satz 1 des Atomgesetzes. Der Mangel an Zuverlässigkeit wird denn folgerichtig von der Reaktoraufsicht beziehungsweise dem Minister festgestellt, und mit einer entsprechenden Anordnung wird die Betriebsgenehmigung entzogen. Damit wären die AKW Brunsbüttel und Krümmel betreiberlos. Das darf nicht sein. Miteigentümerin ist die E.ON AG. Sie

(Detlef Matthiessen)

könnte als Miteigentümer eine Genehmigung zum Stilllegungsbetrieb beantragen. Ob sie das tut, ist natürlich offen. Wir wissen es nicht. Von dem zeitlichen Ablauf der ganzen Übung will ich hier schweigen. Was ist denn in der Zwischenzeit zwischen Betreiberlosigkeit und Weiterbetrieb mit einer unzuverlässigen Betreiberin, bis eine Lösung gefunden wird?

Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich Atomgegner. Muss ich eigentlich diese Fragen beantworten? Ich kann mich nur erinnern, dass sich die Befürworter immer gegen eine emotionalisierte Debatte verwahrt haben und auf das strengste Atomgesetz der Welt und den hohen technischen Standard in Deutschland hingewiesen haben. Soll sich doch bitte die CDU zu diesen Problemen äußern.