Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkt haben die Grünen völlig recht: Die Überschüsse der Krankenkassen sind Gelder der Versicherten, die dementsprechend auch den Menschen im Land zur Verfügung gestellt werden müssen.
Unabhängig davon, wie hoch diese Überschüsse nun ganz genau sind, sind wir uns sicher alle darüber einig, dass diese Gelder sinnvoll verwendet werden müssen. Aus diesem Grund lehnen wir die vom Bund geplante Zweckentfremdung der Krankenkassenbeiträge strikt ab. Denn eine Sanierung des Bundeshaushalts aus dem Gesundheitsfonds geht direkt zulasten der gesetzlich Versicherten und ist damit höchst ungerecht.
Wir halten es grundsätzlich für erfreulich, dass einige von der Bundesregierung im Jahr 2010 auf den Weg gebrachten Gesetze, insbesondere das Arzneimittel-Neuordnungsgesetz, ihre Ausgaben begrenzende Wirkung entfaltet haben. In der Folge ist es völlig logisch, dass der aktuelle Finanzüberschuss
der Kassen viele Begehrlichkeiten weckt und zahlreiche Ideen hervorbringt, wofür diese Milliarden gebraucht werden können. Gerade weil es in unserem Gesundheitssystem so viele Baustellen gibt, hat der SSW Verständnis für ein solches Verhalten. Aus unserer Sicht ist es aber wichtig, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und realistische Vorschläge zu machen.
Vor diesem Hintergrund schießt der Antrag der Grünen aus unserer Sicht ein wenig über das Ziel hinaus.
Ich denke, wir müssen die Überschüsse der Krankenkassen dringend einmal ins Verhältnis setzen: Von den rund 19,5 Milliarden €, die der Gesundheitsfonds und die gesetzlichen Kassen angehäuft haben, ist ein Großteil völlig zu Recht gebunden. Da nützt es nichts, wenn man gebetsmühlenartig hier immer wieder von 20 Milliarden € spricht, denn realiter reden wir hier über 4,4 Milliarden € aus den Fondsreserven, über die die Bundesregierung theoretisch verfügen kann.
Diese Summe entspricht gerade einmal - das haben wir hier schon gehört - den Ausgaben der Kassen in einer einzigen Kalenderwoche.
Zwar ist es aufgrund der vermeintlich hohen Überschüsse nachvollziehbar, wenn man sowohl den Versicherten, den Krankenhäusern und den Krankenversicherungen selbst Hoffnung auf Entlastung macht. Aber auf diesem Weg weckt man viele Begehrlichkeiten, die mit Sicherheit nicht alle erfüllt werden können. Wir plädieren deshalb dafür, dass wir uns hier gemeinsam für kleinere Schritte einsetzen, die dann aber auch wirklich Aussicht auf Erfolg haben.
Ein Punkt, bei dem wir uns ja offensichtlich alle einig sind, ist die Abschaffung der Praxisgebühr. Jeder wird aus eigener Erfahrung bestätigen können, wie enorm der mit ihr verbundene bürokratische Aufwand ist. Sie hat ihr Hauptziel, die Bürger von ihren im EU-Vergleich überdurchschnittlich vielen Arztbesuchen abzubringen, deutlich verfehlt.
Hier wurde vorhin schon ein Beispiel aus den Praxiszimmern der Ärzte genannt. Ich kann aus meiner Erfahrung als Lehrer erzählen, dass wir am Quartalsende gemerkt haben, wie viele Eltern und Kinder plötzlich noch schnell zum Arzt mussten. „Wir haben ja bezahlt, also nutzen wir das auch aus.“
Auf die Häufigkeit der Arztbesuche hat die Praxisgebühr nachweislich keinen Einfluss gehabt. Stattdessen wurde jedem Versicherten - unabhängig vom Einkommen - regelmäßig zusätzliches Geld aus der Tasche gezogen. Aus unserer Sicht ist die Abschaffung längst überfällig.
Diese Maßnahme ist gerade jetzt besonders sinnvoll, weil die Versicherten so auf direktem Weg entlastet werden. Hierfür muss sich die Landesregierung mit einer Bundesratsinitiative einsetzen.
Eine weitere Forderung ergibt sich aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser in Schleswig-Holstein. Allen ist klar, dass vor allem das völlig inakzeptable System der uneinheitlichen Basisfallwerte für ihre schlechte finanzielle Situation verantwortlich ist.
Die Grünen wollen nun einen Teil der Krankenkassenüberschüsse dazu nutzen, um die Differenz zum bundesweiten Mittelwert auszugleichen. Das ist gut gemeint, aber doch der falsche Weg. Denn so kann leicht der Eindruck entstehen, dass wir uns mit dem System abfinden und uns damit arrangieren wollen. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Es steht völlig außer Frage, dass wir diese auf Jahre zementierte Ungerechtigkeit beenden müssen. Für den SSW ist dabei eines klar: Statt hier gelegentliche Finanzspritzen nach Kassenlage zu geben, müssen wir die ungerechte Struktur ändern. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich für die Wiedereinführung der zweiten Konvergenzphase einzusetzen, damit wir endlich zu einem bundeseinheitlichen Basisfallwert kommen.
Durch diese Maßnahmen können wir nicht nur die gesetzlich Versicherten im Land unmittelbar entlasten. Wir schaffen auch gleichzeitig für die Zukunft unserer Krankenhäuser stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Beides halten wir für dringend notwendig.
Im Übrigen kann ich den Grünen nur recht geben: Wir brauchen auch unbedingt endlich eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens.
Für die Landesregierung hat der Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herr Dr. Heiner Garg, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, dass in einer solchen Debatte Fakten meistens stören. Ich will trotzdem vielleicht das eine oder andere dazu beitragen, dass hier in der Zukunft nicht mehr über Dinge gesprochen wird, bei denen offensichtlich noch ein Informationsbedürfnis besteht.
Kommen wir zunächst einmal zu den 2 Milliarden €, die vermeintlich von Versicherungsgeldern an den Bundesfinanzminister überwiesen werden sollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie höflich darauf aufmerksam machen: Das ist Geld, das vom Bundesfinanzminister in den Gesundheitsfonds gezahlt wurde, um den notwendigen Sozialausgleich finanzieren zu können, wenn es zu Zusatzbeiträgen kommt. Da es nun aber nicht zu Zusatzbeiträgen gekommen ist, ist es auch nicht notwendig, einen Sozialausgleich zu finanzieren. Deshalb kann man über die Forderung, dass diese 2 Milliarden € wieder zurück an den Bundeshaushalt fließen, durchaus einmal nachdenken.
Ich akzeptiere ja, dass Sie dagegen sind. Aber ich würde doch zumindest darum bitten, die Dinge richtig darzustellen.
Zweitens. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Kollege Meyer, dass Sie im letzten Drittel Ihrer Rede korrekt dargestellt haben, worüber wir bei dem Landesbasisfallwert reden, nämlich von einer zweiten Konvergenzphase, die infrage gestellt wurde. Sie wissen, ich habe das Infragestellen nicht nur kritisiert, sondern zwei Bundesratsinitiativen eingebracht. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn die zweite ebenso wie die erste, die eine Mehrheit gefunden hat, eine Mehrheit bekommen hätte. Bedauerlicherweise haben das rot-grün regierte Bremen mit Nein gestimmt, das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz mit Nein gestimmt, das rot regierte Hamburg mit Nein gestimmt und das grün-rot regierte Baden-Württemberg ebenfalls mit Nein gestimmt.
Bevor Herr Heinemann sich jetzt gleich wieder aufregt, um sich mit seinem ganzen Engagement an dem Gesundheitsminister abzuarbeiten, wäre es vielleicht ganz clever, er würde sich mit demselben
Am meisten beeindruckt mich, mit welcher Vehemenz diese Landesregierung aufgefordert wird, dafür zu sorgen, dass Maßnahmen zurückgenommen werden, die allesamt nicht von dieser Landesregierung ins Werk gesetzt wurden, allesamt!
Ich will daran erinnern, dass die neue Krankenhausvergütung - ich sage auch wieder: unabhängig davon, was man von den DRGs hält - 2000 eingeführt worden ist und mit ihr auch die völlig unterschiedlichen Landesbasisfallwerte. Die Praxisgebühr ist 2004 eingeführt worden. Ich mache jetzt nicht das, was die Kollegen der Opposition sonst machen, indem sie pausenlos alte Reden vorhalten. Ich will gar nicht darauf hinweisen, was ich 2004 zur Einführung der Praxisgebühr gesagt habe. Ich sage Ihnen: Anstatt jetzt hier mit Vehemenz die Abschaffung der Praxisgebühr zu fordern - wobei ich Ihnen im Übrigen in der Sache recht gebe -, hätte man sie 2004 gar nicht einführen dürfen.
Ganz besonders gefällt mir, mit welcher Vehemenz wir aufgefordert werden, man solle den Krankenkassen die Beitragsautonomie zurückgeben. Meine Damen und Herren, man hätte den Krankenkassen die Beitragsautonomie nie nehmen dürfen! Dann brauchte man sie ihnen jetzt auch nicht wieder zurückzugeben.
Kollegin Klahn, auch ich habe mich auf diese Debatte gefreut. Sie ist aber schon ein bisschen merkwürdig.
- Lieber Kollege Andresen, ich weiß, Sie können auch ganz laut dazwischenrufen. Herzlichen Glückwunsch dazu! Das konnte ich früher auch gut.
(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das macht mir Angst!)
Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit und darum, die Aufforderung des Ministers zu lauten Zwischenrufen nicht ernst zu nehmen.